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8 AZR 439/21

Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG - erfolgloser Bewerber - Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung - Einwand des Rechtsmissbrauchs

Parallelentscheidung zum Urteil des Gerichts vom 19.01.2023, 8 AZR 437/21.

Court Details

  • File Number

    8 AZR 439/21

  • ECLI Number

    ECLI:DE:BAG:2023:190123.U.8AZR439.21.0

  • Type

    Urteil

  • Date

    19.01.2023

  • Senate

    8. Senat

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 20. Mai 2021 – 5 Sa 419/20 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte dem schwerbehinderten Kläger wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21. Juni 2019 und vom 22. Juni 2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebenen Stellen für Verwaltungsfachangestellte für das Hauptamt und die Kämmerei zur Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG verpflichtet ist.

2

In zwei weiteren Revisionsverfahren streiten die Parteien über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 20. Dezember 2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als „Teamassistenz“ im Bürgermeisteramt (- 8 AZR 437/21 -) und über einen Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 27. März 2019 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle eines/einer Verwaltungsfachangestellten für das Bauamt (- 8 AZR 438/21 -).

3

Der Kläger war zunächst bei der Beklagten aufgrund Arbeitsvertrags vom 29. Juni/3. Juli 2018 als vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer in der Kämmerei (Beitragswesen/Feuerwehrwesen) beschäftigt und bezog ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 6 TVöD-V.

4

Im Verlauf dieses Arbeitsverhältnisses entwickelten sich rasch zahlreiche Unstimmig- und Streitigkeiten zwischen dem Kläger und seinen Vorgesetzten, die Gegenstand eines umfangreichen E-Mail-Verkehrs sowie eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zwischen den Parteien waren. Unter anderem stritten die Parteien über den Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung eines Praktikums, das der Kläger vor dem in seinem Arbeitsvertrag vermerkten ersten Beschäftigungstag absolviert hatte, sowie über die zutreffende Eingruppierung des Klägers.

5

Weitere Streitpunkte der Parteien betrafen die leidensgerechte Beschäftigung des Klägers und die entsprechende Ausstattung seines Arbeitsplatzes, die – auf gesundheitliche Gründe gestützte – Weigerung des Klägers, die Vorsitzende der Beklagten zu einer Bürgerversammlung zu begleiten und dort Protokoll zu führen, das Verlangen des Klägers, Praktikumsstunden, die er vor Aufnahme seiner Tätigkeit in der Kämmerei geleistet hatte, zu vergüten, die Höhe einer Zeitgutschrift für arbeitsfreie Tage sowie den Grund für die Nichtteilnahme des Klägers an einem Personalgespräch.

6

Die Beklagte kündigte das mit dem Kläger begründete Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 30. Juli 2018 ordentlich zum 13. August 2018 und mit Schreiben vom 12. September 2018 fristlos, hilfsweise ordentlich zum 30. September 2018. Hiergegen erhob der Kläger Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Bamberg, die er mit Anträgen auf Zahlung weiterer Vergütung sowie auf Zahlung von „Schmerzensgeld“ verband. In diesem Rechtsstreit, der unter dem Aktenzeichen – 2 Ca 575/18 – geführt wurde, machte der Kläger mit Schriftsatz vom 4. September 2018 geltend, er sei während seiner Tätigkeit bei der Beklagten insbesondere durch Verhalten des Personalverantwortlichen der Beklagten K in mehrfacher Hinsicht diskriminiert worden. In diesem Zusammenhang wies der Kläger unter der Überschrift „Besonderheit Person K“ darauf hin, er habe durch Äußerungen einer Kollegin Kenntnis von einer schweren Straftat erlangt, an der der Personalverantwortliche der Beklagten als Jugendlicher beteiligt gewesen und derentwegen dieser auch verurteilt worden sei. „Angst um Leib und Leben“ seien für ihn die Folge gewesen, die er – der Kläger – „zu seiner eigenen Sicherheit auch bei der Polizei habe anzeigen müssen“. Er habe auch furchtbare Angst vor Herrn K gehabt. „Ein Schlag auf seine Bandscheibenprothesen und es wäre aus gewesen.“. Derartige Gedanken hätten ihn belastet. Das Gesamtverhalten der Beklagten und ihres Personalverantwortlichen habe in ein „von Anfang an gezielt beabsichtigtes Muster“ gemündet, das „im Volksmund als Mobbing“ bezeichnet werde. Seine beschriebenen „Erlebnisse“ und seine Behandlung im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hätten zu einer „kausalen Arbeitsunfähigkeit von 6 Wochen“ geführt.

7

Der vorbezeichnete Rechtsstreit endete durch Prozessvergleich vom 27. Februar 2019, in dem es – auszugsweise – wie folgt heißt:

        

„1.     

Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund ordentlicher betrieblich veranlasster Arbeitgeberkündigung vom 30.07.2018 mit Ablauf des 31.08.2018.

        

…       

        
        

3.    

Die Parteien halten Vorwürfe, die in der Person oder im Verhalten des Klägers begründet lagen oder die gegenüber der Beklagten erhoben wurden, nicht weiter aufrecht.

        

4.    

Die Beklagte zahlt an den Kläger zur Abgeltung des Klageantrags Ziffer 13 […] gemäß §§ 1, 7, 15 Abs. 2 AGG eine Entschädigung in Höhe von 3.017,56 €.

        

…       

        
        

7.    

Über diesen Vergleich hinaus bestehen zwischen den Parteien aus dem streitgegenständlichen Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung wechselseitig keine finanziellen Ansprüche mehr, unabhängig davon, ob solche derzeit bekannt oder unbekannt sind und auf welchem Rechtsgrund sie beruhen mögen.

                 

Unberührt bleiben etwaige Ansprüche des Klägers aus den Verfahren […] und 2 Ca 766/18.“

8

Gegenstand des im Prozessvergleich genannten Verfahrens – 2 Ca 766/18 – war ua. ein Entschädigungsanspruch des Klägers wegen Nichtberücksichtigung seiner Bewerbung vom 24. August 2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als Verwaltungsfachangestellte(r) für das Bauamt. Die betreffende Klage wurde vom Arbeitsgericht – rechtskräftig – abgewiesen.

9

Mit E-Mails vom 21. Juni 2019 und vom 22. Juni 2019 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten ausgeschriebenen Stellen für Verwaltungsfachangestellte für das Hauptamt und die Kämmerei. In der Stellenausschreibung heißt es ua.:

        

„Die Einstellung erfolgt entsprechend der bisherigen Tätigkeit und Berufserfahrung sowie den persönlichen Voraussetzungen nach den Bestimmungen des TVöD.

        

Wir bieten Ihnen

        

…       

        

Ihr Profil

        

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eine abgeschlossene Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte(r) bzw. einschlägige Berufserfahrung

        
        

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Bereitschaft, sich ggf. zusätzlich erforderliches Fachwissen anzueignen

        
        

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selbstständige, strukturierte und lösungsorientierte Arbeitsweise

        
        

●       

freundliches und sicheres Auftreten“

        
10

In seinen Bewerbungs-E-Mails vom 21. und 22. Juni 2019 führte der Kläger – gleichlautend – ua. aus:

        

„Mein Lebenslauf ergänzt sich aktuell um die Tatsache, dass ich bei ihnen zum 11.06.2018 meinen Dienst angetreten habe! An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass ich davon ausgehe, bereits in einem bestehenden Arbeitsverhältnis … [zur Beklagten] zu stehen und diese Bewerbung nur vorsorglich für den Fall erfolgt, dass dies wider Erwarten nicht der Fall sein sollte. Diese Bewerbung stellt auch kein Einverständnis für eine beabsichtigte Kündigung dar.

        

An der Stelle bei Ihnen bin ich nach wie vor sehr interessiert. …

        

Auf den Bewerbungsverfahrensanspruch, insbesondere im öffentlich-rechtlichen Bereich und meine Schwerbehinderung wird hingewiesen.

        

…       

        

Mit meiner Bewerbung bringe ich weiterhin zum Ausdruck, eine Arbeitsstelle bei der … [Beklagten] behalten bzw. erhalten zu wollen!“

11

Mit E-Mails vom 24. Juni 2019 bestätigte die Beklagte dem Kläger den Eingang seiner jeweiligen Bewerbung. Unter dem Betreff „Ihre Bewerbung bei … [der Beklagten] Kämmerei/Hauptamt“ schrieb sie dem Kläger am 9. August 2019:

        

„…    

        

wir bedanken uns für Ihr Interesse an der Stelle …

        

Aufgrund der Vielzahl der eingegangenen Bewerbungen und der guten Qualifikation der Bewerber war es uns jedoch nicht möglich Ihre Bewerbung zu berücksichtigen.

        

…“    

12

Mit E-Mail vom 12. August 2019 beanstandete der Kläger hinsichtlich seiner Bewerbung für die ausgeschriebene Stelle im Hauptamt die Durchführung des Bewerbungsverfahrens als fehlerhaft. Zudem verlangte er ua. die Erbringung eines Nachweises über die bessere Qualifikation anderer Bewerber und die Beteiligung des Personalrats. Mit E-Mail vom 14. August 2019 äußerte er sich entsprechend hinsichtlich seiner Bewerbung für die ausgeschriebene Stelle in der Kämmerei. Darauf antwortete die Beklagte dem Kläger mit E-Mail vom 19. August 2019 wie folgt:

        

„…    

        

Da Sie sich in einem früheren Arbeitsverhältnis mit der … [Beklagten] nicht bewährt haben, wurde Ihre Bewerbung im Rahmen des Bewerbungsverfahrens – unter Beteiligung und mit Billigung des Personalrats – nicht berücksichtigt.

        

Unabhängig davon weisen wir Sie darauf hin, dass die … [Beklagte] im Hinblick auf die frühere Beschäftigung im Jahr 2018 nicht verpflichtet war, eine Einladung zu einem Vorstellungsgespräch auszusprechen. Die Nichteinladung zum Vorstellungsgespräch erfolgte insoweit mit Billigung des Personalrats.

        

…“    

13

Nachdem die Beklagte auf eine weitere E-Mail des Klägers vom 21. August 2019 nicht mehr reagiert hatte, hat der Kläger mit seiner Klage – soweit für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung – die Beklagte auf Zahlung einer Entschädigung wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21. und vom 22. Juni 2019 in Anspruch genommen.

14

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beklagte habe ihn wegen seiner Schwerbehinderung benachteiligt. Dafür gebe es mehrere Indizien. Während die Beklagte ihm zunächst – getrennt – den Eingang seiner Bewerbungen bestätigt und damit eine sachliche Prüfung suggeriert habe, sei dann – unzulässig – eine einheitliche Absage für beide Bewerbungen ohne Begründung erfolgt. Einer näheren Begründung habe es aber ua. deshalb bedurft, weil bei der Beklagten die Pflichtquote für die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht erfüllt sei. Die Beklagte habe es auch versäumt, die freien Stellen im Hauptamt und in der Kämmerei der Bundesagentur für Arbeit zu melden sowie im Rahmen des Bewerbungsverfahrens die Schwerbehindertenvertretung und den Personalrat ordnungsgemäß zu unterrichten und zu beteiligen. Sie habe ihn – den Kläger – zudem entgegen den Vorgaben des § 165 Satz 3 SGB IX nicht zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen, während dies im Hinblick auf vorausgegangene Bewerbungen (bis einschließlich seiner Bewerbung vom 20. Dezember 2018) – wenn auch nur rein „pro forma“ – noch geschehen sei. Diese „Inkongruenz“ sei nicht zu erklären, nicht vernünftig und auch nicht nachvollziehbar. Die Beklagte sei zu keinem Zeitpunkt bereit gewesen, ihm eine „echte Chance“ zu geben. Im Rahmen seines früheren Arbeitsverhältnisses sei er von der Beklagten lediglich als „Übergangslösung“ mit dem Ziel eingestellt worden, Förderungsmöglichkeiten im Wege der Eingliederungshilfe zu nutzen. Bereits während seiner vormaligen Beschäftigung habe er Benachteiligungen wegen seiner Schwerbehinderung erfahren. Im Übrigen habe die Beklagte sich – wie auch aus anderen Rechtsstreitigkeiten, insbesondere dem Verfahren betreffend seine Bewerbung vom 20. Dezember 2018 auf die von der Beklagten ausgeschriebene Stelle als „Teamassistenz“ bekannt – „diverser Methoden“ bedient, die alleine schon sein Klagebegehren aus § 15 AGG rechtfertigen würden, wie zB die Sperrung von E-Mail-Adressen und die wahrheitswidrige Behauptung der Einstellung anderer Bewerber.

15

Der Kläger hat, nachdem er erstinstanzlich Feststellung und Zahlung beantragt hatte, zuletzt nur noch beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 3.000,00 Euro zu zahlen.

16

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, dem Kläger keine Entschädigung zu schulden. Insbesondere habe sie ihre Pflichten aus § 165 Satz 3 SGB IX nicht verletzt. Nach dieser Bestimmung bestehe keine Verpflichtung eines öffentlichen Arbeitgebers, einen Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn – wie hier – im Zeitpunkt der Bewerbung des Klägers bereits festgestanden habe, dass er sich in dem vorausgegangenen und gekündigten Arbeitsverhältnis mit der Beklagten wegen mehrerer, den Betriebsfrieden störender Verhaltensweisen nicht bewährt habe. In einem solchen Fall seien Sinn und Zweck der Einladungspflicht nach § 165 Satz 3 SGB IX, dem schwerbehinderten Bewerber die Gelegenheit zu geben, den öffentlichen Arbeitgeber in einem persönlichen Gespräch von sich zu überzeugen, nicht mehr realisierbar. Abgesehen davon, dass auch eine Unterrichtung und Mitwirkung des Personalrats in einem Fall wie dem vorliegenden entbehrlich gewesen sei, habe sie diesen ordnungsgemäß beteiligt. Ihrer nach § 165 Satz 1 SGB IX bestehenden Verpflichtung, die freien Stellen im Hauptamt und in der Kämmerei frühzeitig der Agentur für Arbeit zu melden, sei sie, wie aus Bekanntmachungen der Bundesagentur zu Stellenangeboten im Jahr 2019 ersichtlich, nachgekommen. Unabhängig von alledem stehe dem Klagebegehren der durchgreifende Einwand des Rechtsmissbrauchs entgegen. Die Bewerbungen des Klägers seien offensichtlich ausschließlich in dem Bestreben erfolgt, einen Entschädigungsanspruch geltend machen zu können. In dem zwischen den Parteien geführten Kündigungsrechtsstreit habe der Kläger – was unstreitig ist – die Arbeitsbedingungen bei der Beklagten als in höchstem Maße diskriminierend gerügt, sich auf „Mobbing“ berufen und ua. geltend gemacht, seine Tätigkeit bei der Beklagten sei von Angst um Leib und Leben geprägt gewesen. Vor diesem Hintergrund sei es auszuschließen, dass er sich auf die ausgeschriebenen Stellen im Hauptamt und in der Kämmerei mit ernsthaftem Interesse an einer Einstellung beworben habe.

17

Das Arbeitsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers, mit der dieser nur die Abweisung seines Leistungsantrags angegriffen hat, zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Entschädigungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

18

Der Senat hat im Einvernehmen mit den Parteien die Akten nebst Vorakten der Verfahren – 8 AZR 437/21 – und – 8 AZR 438/21 – beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.

Entscheidungsgründe

19

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.

20

I. Gegenstand der Revision ist nur das Begehren des Klägers, ihm wegen der Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21. und 22. Juni 2019 eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zuzuerkennen. Der Kläger hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausdrücklich klargestellt, dass mit der Revision die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die beiden weiteren Streitgegenstände, nämlich einen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts sowie einen Entschädigungsanspruch wegen einer Verletzung des Bewerbungsverfahrensanspruchs, nicht angegriffen wurde.

21

II. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers – soweit in der Revisionsinstanz hierüber zu entscheiden war – im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger, der nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 AGG als Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis unter den persönlichen Anwendungsbereich des AGG fällt und der den Entschädigungsanspruch frist- und formgerecht geltend gemacht und eingeklagt (§ 15 Abs. 4 AGG, § 61b Abs. 1 ArbGG) hat, hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Dabei kann dahinstehen, ob der Kläger die unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG, die in der Ablehnung seiner Bewerbungen liegt, wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat. Das Entschädigungsverlangen des Klägers ist jedenfalls dem durchgreifenden Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) ausgesetzt.

22

1. Es kann offenbleiben, ob der Kläger, der durch die Nichtberücksichtigung seiner Bewerbungen vom 21. und 22. Juni 2019 für die ausgeschriebenen Stellen eines Verwaltungsfachangestellten für das Hauptamt und die Kämmerei eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG erfahren hat (zu den Voraussetzungen etwa BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 15 mwN), diese Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung erfahren hat.

23

a) Der Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG setzt einen Verstoß gegen das in § 7 Abs. 1 AGG geregelte Benachteiligungsverbot voraus, wobei § 7 Abs. 1 AGG sowohl unmittelbare als auch mittelbare Benachteiligungen (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2 AGG) verbietet. Das Benachteiligungsverbot in § 7 Abs. 1 AGG, das einen tatsächlichen und wirksamen rechtlichen Schutz der aus den Antidiskriminierungsrichtlinien des Unionsrechts hergeleiteten Rechte – hier die der Richtlinie 2000/78/EG – zu gewährleisten hat, untersagt im Anwendungsbereich des AGG eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes, ua. wegen einer Behinderung. Zudem dürfen Arbeitgeber nach § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX schwerbehinderte Beschäftigte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Im Einzelnen gelten hierzu nach § 164 Abs. 2 Satz 2 SGB IX die Regelungen des AGG (zum Ganzen bspw. BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 23).

24

b) Das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG erfasst nicht jede Ungleichbehandlung, sondern nur eine Ungleichbehandlung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes. Das spezielle Benachteiligungsverbot des § 164 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verbietet eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung. Zwischen der Benachteiligung und einem in § 1 AGG genannten Grund bzw. zwischen der Benachteiligung und der Schwerbehinderung muss demnach ein Kausalzusammenhang bestehen (st. Rspr., zB BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 26 mwN).

25

aa) Soweit es – wie hier – um eine unmittelbare Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG geht, ist hierfür nicht erforderlich, dass der betreffende Grund das ausschließliche oder auch nur ein wesentliches Motiv für das Handeln des Benachteiligenden ist; vielmehr ist der Kausalzusammenhang bereits dann gegeben, wenn die Benachteiligung iSv. § 3 Abs. 1 AGG an einen Grund iSv. § 1 AGG bzw. an die (Schwer)Behinderung anknüpft oder durch diese/n motiviert ist, wobei die bloße Mitursächlichkeit genügt (BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 27; 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 23 mwN).

26

bb) § 22 AGG sieht für den Rechtsschutz bei Diskriminierungen im Hinblick auf den Kausalzusammenhang eine Erleichterung der Darlegungslast, eine Absenkung des Beweismaßes und eine Umkehr der Beweislast vor. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat (BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 28; 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 24 mwN).

27

(1) Danach genügt eine Person, die sich durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes für beschwert hält, ihrer Darlegungslast bereits dann, wenn sie Indizien vorträgt, die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit darauf schließen lassen, dass eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes erfolgt ist. Dabei sind alle Umstände des Rechtsstreits in einer Gesamtwürdigung des Sachverhalts zu berücksichtigen (BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 29; 1. Juli 2021 – 8 AZR 297/20 – Rn. 20 mwN, BAGE 175, 228).

28

(2) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats begründet der Verstoß des Arbeitgebers gegen Vorschriften, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, ua. der Verstoß des öffentlichen Arbeitgebers gegen die in § 165 Satz 3 SGB IX geregelte Pflicht zur Einladung eines/einer schwerbehinderten oder diesem/dieser gleichgestellten Bewerbers/Bewerberin zu einem Vorstellungsgespräch, regelmäßig die Vermutung einer Benachteiligung wegen der (Schwer)Behinderung. Diese Pflichtverletzungen sind nämlich grundsätzlich geeignet, den Anschein zu erwecken, an der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen uninteressiert zu sein (BAG 2. Juni 2022 – 8 AZR 191/21 – Rn. 30; 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 26; 1. Juli 2021 – 8 AZR 297/20 – Rn. 21, BAGE 175, 228; 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 29 mwN, BAGE 172, 78).

29

c) Ob die Beklagte – wie vom Kläger geltend gemacht – gegen Vorschriften verstoßen hat, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Allerdings spricht nach Auffassung des Senats – entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts – alles dafür, dass die Beklagte von der Verpflichtung aus § 165 Satz 3 SGB IX, den Kläger überhaupt zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, nicht wegen einer von ihr behaupteten persönlichen Nichteignung des Klägers befreit war.

30

aa) Nach § 165 Satz 1 SGB IX melden die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit ua. frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Arbeitsplätze. Nach § 165 Satz 3 SGB IX werden schwerbehinderte Menschen, die sich auf einen solchen Arbeitsplatz beworben haben, zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Gemäß § 165 Satz 4 SGB IX ist eine Einladung entbehrlich, wenn die fachliche Eignung offensichtlich fehlt.

31

bb) „Offensichtlich“ fachlich ungeeignet iSd. § 165 Satz 4 SGB IX ist, wer unzweifelhaft dem fachlichen Anforderungsprofil der zu vergebenden Stelle nicht entspricht. Bloße Zweifel an der fachlichen Eignung rechtfertigen es nicht, von einer Einladung abzusehen, weil sich Zweifel in einem Vorstellungsgespräch ausräumen lassen können (BAG 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 36 mwN, BAGE 156, 107). Lassen allerdings bereits die Bewerbungsunterlagen zweifelsfrei erkennen, dass die durch das Anforderungsprofil zulässig vorgegebenen fachlichen Kriterien nicht erfüllt werden, besteht für den öffentlichen Arbeitgeber keine Verpflichtung, den schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen (BAG 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 37 mwN, aaO).

32

cc) Darüber, dass dem Kläger nach seinen beruflichen Kenntnissen, Fertigkeiten und Erfahrungen die fachliche Eignung für die ausgeschriebenen Stellen nicht offensichtlich fehlte, besteht unter den Parteien kein Streit.

33

dd) Zwar hat der Senat es – unter Geltung der mit § 165 Satz 3 und Satz 4 SGB IX wortgleichen Vorgängerbestimmungen in § 82 Satz 2 und Satz 3 SGB IX aF – bisher offengelassen, ob der öffentliche Arbeitgeber auch dann von der Verpflichtung entbunden ist, einen/eine schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, wenn der/die Bewerber/in zwar nicht offensichtlich fachlich ungeeignet ist, ihm/ihr jedoch die persönliche Eignung in dem Sinne fehlt, dass er/sie nicht über charakterliche Eigenschaften verfügt, die für die ausgeschriebene Stelle von Bedeutung sind (vgl. BAG 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 40 ff., BAGE 172, 78; generell zur Eignung nach Art. 33 Abs. 2 GG im engeren Sinne vgl. BVerfG 23. Juni 2015 – 2 BvR 161/15 – Rn. 28 mwN; zur charakterlichen Eignung eines Stellenbewerbers als Unterfall der persönlichen Eignung vgl. BVerwG 20. Juli 2016 – 2 B 17.16 – Rn. 26 mwN).

34

Da die in § 82 Satz 3 SGB IX aF – inhaltsgleich nunmehr § 165 Satz 4 SGB IX – bestimmte Ausnahme mit dem Erfordernis der „offensichtlichen fachlichen Nichteignung“ eine abschließende Regelung enthält (BAG 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 40, BAGE 172, 78; 11. August 2016 – 8 AZR 375/15 – Rn. 50, BAGE 156, 107; 20. Januar 2016 – 8 AZR 194/14 – Rn. 45 mwN), hat der Senat allerdings angenommen, dass eine Befreiung des öffentlichen Arbeitgebers von der Einladungspflicht wegen fehlender persönlicher Eignung des/der schwerbehinderten Bewerbers/Bewerberin nur dann in Betracht gezogen werden könne, wenn sich die Einladung in einem solchen Fall als bloße Förmelei erweisen würde. Dies wiederum würde voraussetzen, dass die Besetzung der Stelle mit dem/der Bewerber/in offensichtlich aus Rechtsgründen ausscheide (vgl. BVerwG 15. Dezember 2011 – 2 A 13.10 – Rn. 26), weil seine charakterlichen Mängel ein offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis darstellen (BAG 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 40 bis 42, aaO).

35

Ein solches offensichtliches Einstellungs- bzw. Besetzungshindernis könnte etwa anzunehmen sein in Fällen, in denen dem Arbeitgeber wegen einschlägiger Vorstrafen eine Beschäftigung des Stellenbewerbers in der vorgesehenen Tätigkeit gesetzlich untersagt ist, wie beispielsweise nach § 72a SGB VIII (Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen bei der Wahrnehmung der Aufgaben in der öffentlichen Kinder- und Jugendhilfe) oder nach § 25 JArbSchG (ua. Verbot der Beaufsichtigung, Anweisung oder Ausbildung von Jugendlichen durch bestimmte Personen im Rahmen von Beschäftigungsverhältnissen iSd. § 1 JArbSchG).

36

ee) Einen damit vergleichbaren Sachverhalt hat die Beklagte nicht dargetan. Darüber hinaus hatte sich die Beklagte mit dem Kläger in dem im Kündigungsschutzverfahren vor dem Arbeitsgericht Bamberg (- 2 Ca 575/18 -) am 27. Februar 2019 geschlossenen Prozessvergleich darauf verständigt, Vorwürfe, die in der Person oder im Verhalten des Klägers lagen oder die gegenüber dem Kläger erhoben wurden, nicht weiter aufrecht zu erhalten. Bereits aus diesem Grund dürfte es der Beklagten verwehrt sein, sich gegenüber dem Entschädigungsverlangen des Klägers im vorliegenden Verfahren auf eine Befreiung von der Einladungspflicht nach § 165 Satz 3 SGB IX aufgrund von charakterlichen Schwächen zu berufen, die sich in dem Verhalten des Klägers in seinem früheren Arbeitsverhältnis gezeigt haben sollen.

37

2. Ob ein Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 165 Satz 3 SGB IX vorliegt, bedarf vorliegend indes keiner Entscheidung, weshalb auch dahinstehen kann, ob die diesbezüglichen Verfahrensrügen des Klägers zulässig und begründet sind. Ebenso kann offenbleiben, ob die Beklagte gegen andere Vorschriften verstoßen hat, die Verfahrens- und/oder Förderpflichten zugunsten schwerbehinderter Menschen enthalten, wie insbesondere § 165 Satz 1 SGB IX, wonach die Dienststellen der öffentlichen Arbeitgeber den Agenturen für Arbeit frühzeitig frei werdende und neu zu besetzende sowie neue Stellen zu melden haben (dazu und zu den Anforderungen an die Meldung vgl. BAG 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 36 ff.) sowie § 164 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, wonach die Arbeitgeber die Schwerbehindertenvertretung und die in § 176 SGB IX genannten Vertretungen über die Vermittlungsvorschläge und vorliegende Bewerbungen von schwerbehinderten Menschen unmittelbar nach Eingang zu unterrichten haben (dazu und zum Zeitpunkt der Unterrichtung vgl. BAG 25. November 2021 – 8 AZR 313/20 – Rn. 31 ff.). Einem etwaigen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG steht der durchgreifende Einwand des Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) entgegen.

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a) Das Entschädigungsverlangen eines/einer erfolglosen Bewerbers/Bewerberin nach § 15 Abs. 2 AGG kann dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt sein. Rechtsmissbrauch ist anzunehmen, sofern diese Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern es ihr darum ging, nur den formalen Status als Bewerber/in iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG zu erlangen mit dem ausschließlichen Ziel, Ansprüche auf Entschädigung und/oder Schadensersatz geltend zu machen (BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 37; 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 46 ff.; 26. Januar 2017 – 8 AZR 848/13 – Rn. 123 ff. mwN; grundlegend BAG 19. Mai 2016 – 8 AZR 470/14 – Rn. 32 ff., BAGE 155, 149).

39

aa) Nach § 242 BGB sind durch unredliches Verhalten begründete oder erworbene Rechte oder Rechtsstellungen grundsätzlich nicht schutzwürdig. Der Ausnutzung einer rechtsmissbräuchlich erworbenen Rechtsposition kann demnach der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenstehen (BAG 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 47; 17. März 2016 – 8 AZR 677/14 – Rn. 44 mwN). Allerdings führt nicht jedes rechts- oder pflichtwidrige Verhalten stets oder auch nur regelmäßig zur Unzulässigkeit der Ausübung der hierdurch erlangten Rechtsstellung. Hat der Anspruchsteller sich die günstige Rechtsposition aber gerade durch ein treuwidriges Verhalten verschafft, liegt eine unzulässige Rechtsausübung iSv. § 242 BGB vor (BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 38; 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – aaO; 11. August 2016 – 8 AZR 4/15 – Rn. 44 mwN, BAGE 156, 71).

40

bb) Für das Vorliegen der Voraussetzungen, die gegenüber einem Entschädigungsanspruch nach § 15 Abs. 2 AGG die Einwendung des Rechtsmissbrauchs begründen, ist der Arbeitgeber darlegungs- und beweisbelastet (BAG 27. August 2020 – 8 AZR 45/19 – Rn. 66, BAGE 172, 78; 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 48). Dieser muss deshalb Indizien vortragen und im Bestreitensfall beweisen, die den rechtshindernden Einwand begründen (BAG 31. März 2022 – 8 AZR 238/21 – Rn. 39; 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – aaO).

41

cc) Unter diesen engen Voraussetzungen begegnet der Rechtsmissbrauchseinwand nach § 242 BGB gegenüber Ansprüchen aus § 15 AGG auch keinen unionsrechtlichen Bedenken (ausführlich: BAG 25. Oktober 2018 – 8 AZR 562/16 – Rn. 49 ff.; EuGH 28. Juli 2016 – C-423/15 – [Kratzer] Rn. 35 ff.).

42

b) Danach ist das Entschädigungsverlangen des Klägers dem durchgreifenden Rechtsmissbrauchseinwand (§ 242 BGB) ausgesetzt. Eine Würdigung sämtlicher Umstände unter Berücksichtigung insbesondere der Äußerungen des Klägers in dem vor dem Arbeitsgericht Bamberg geführten Kündigungsschutzverfahren (- 2 Ca 575/18 -) ergibt, dass es dem Kläger nicht darum ging, eine der ausgeschriebenen Stellen zu erhalten, sondern dass er mit seinen Bewerbungen nur die formale Position eines Bewerbers iSv. § 6 Abs. 1 Satz 2 AGG erlangen wollte mit dem alleinigen Ziel, Ansprüche auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG geltend machen zu können. Dies kann der Senat auch selbst beurteilen, da insoweit aufgrund des feststehenden Sachverhalts Entscheidungsreife gegeben ist (§ 563 Abs. 3 ZPO).

43

aa) Die Beklagte hat sich zur Begründung ihres Rechtsmissbrauchseinwands hauptsächlich auf Vorbringen des Klägers in einem Schriftsatz vom 4. September 2018 berufen, den der Kläger – unstreitig – in dem zwischen den Parteien vor dem Arbeitsgericht Bamberg geführten und im Februar 2019 durch Prozessvergleich beendeten Kündigungsrechtsstreit (- 2 Ca 575/18 -) eingereicht hat. In diesem – von ihm selbst verfassten – Schriftsatz hat der Kläger ua. – auch zur Begründung seines in dem betreffenden Rechtsstreit klageerweiternd erhobenen Anspruchs auf Zahlung einer Entschädigung – geltend gemacht, er habe während seiner Tätigkeit bei der Beklagten insbesondere durch Verhalten des Personalverantwortlichen der Beklagten K in mehrfacher Hinsicht Diskriminierungen erfahren. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auf „Besonderheiten“ betreffend die „Person K“ verwiesen und dazu vorgetragen, er habe durch Äußerungen einer Kollegin Kenntnis von einer schweren Straftat erlangt, an der der Personalverantwortliche der Beklagten als Jugendlicher beteiligt gewesen und derentwegen dieser auch verurteilt worden sei. „Angst um Leib und Leben“ seien für ihn die Folge gewesen, die er – der Kläger – „zu seiner eigenen Sicherheit auch bei der Polizei habe anzeigen müssen“. Gedanken über mögliche körperliche Übergriffe durch den Personalverantwortlichen K hätten ihn belastet. Das – im Einzelnen näher ausgeführte – vom Kläger behauptete Gesamtverhalten der Beklagten und ihres Personalverantwortlichen habe in ein „von Anfang an gezielt beabsichtigtes Muster“ gemündet, das „im Volksmund als Mobbing“ bezeichnet werde. Seine beschriebenen „Erlebnisse“ und seine Behandlung im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten hätten zu einer „kausalen Arbeitsunfähigkeit von 6 Wochen“ geführt. Da gegenteilige Anhaltspunkte nicht vorliegen, ist davon auszugehen, dass der Kläger in dem vor dem Arbeitsgericht Bamberg geführten Kündigungsschutzprozess sein Befinden während des früheren Arbeitsverhältnisses der Parteien wahrheitsgemäß dargestellt hat.

44

bb) Wenn der Kläger aber – wie er geltend gemacht hat – im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten „Angst um Leib und Leben“ verspürt hat, seine Erkrankung auch Folge dieser Angstzustände war und er sich – jedenfalls subjektiv – systematischen Anfeindungen ausgesetzt sah, kann nicht davon ausgegangen werden, dass ihm unter Inkaufnahme einer weiteren Schädigung seiner Gesundheit ernsthaft daran gelegen war, in das von ihm offensichtlich als äußerst belastend empfundene Arbeitsumfeld bei der Beklagten, deren Personalverantwortlicher unverändert Herr K war, zurückzukehren. Das gilt unabhängig davon, wer die im früheren Arbeitsverhältnis aufgetretenen vielfältigen Konflikte der Parteien verursacht hat.

45

cc) Eine andere Bewertung ist auch nicht aufgrund der mehrfachen schriftlichen Bekundungen des Klägers geboten, Interesse an den ausgeschriebenen Stellen zu haben. Diese Erklärungen stellen sich ausgehend von den Äußerungen des Klägers in dem im Verfahren – 2 Ca 575/18 – vor dem Arbeitsgericht Bamberg eingereichten Schriftsatz vom 4. September 2018 über sein Empfinden im früheren Arbeitsverhältnis als bloßes „Lippenbekenntnis“ dar.

46

dd) Der Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Entschädigungsanspruchs steht auch nicht das Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 14. Februar 2022 entgegen, mit dem er seine Revisionsbegründung ergänzt hat. Das gilt unabhängig davon, ob es sich um neuen Vortrag handelt, der im Revisionsverfahren grundsätzlich keine Berücksichtigung finden kann (vgl. dazu BAG 18. September 2019 – 5 AZR 335/18 – Rn. 39).

47

(1) Der Kläger hat insoweit – zusammengefasst – geltend gemacht, er habe mit seinen Bewerbungen versuchen wollen, die Beklagte doch noch von seiner Eignung zu überzeugen. Ihm sei von verschiedener Seite dringend empfohlen worden, sich weiterhin zu bewerben, da davon ausgegangen worden sei, dass die Amtszeit der Bürgermeisterin zum 1. Mai 2020 enden würde und ihm dann – bei entsprechendem Wechsel in der Verwaltungsführung – wieder bessere Chancen zu bescheinigen wären. Für ihn sei im Zeitpunkt seiner Bewerbungen allerdings nicht absehbar gewesen, dass die Bürgermeisterin der Beklagten wiedergewählt werden würde.

48

(2) Damit hat der Kläger jedoch zum einen keinen Vortrag geleistet, der erklären könnte, dass er ein ernsthaftes Interesse an den ausgeschriebenen Stellen hatte. Er hat insoweit nämlich nicht in Abrede gestellt, zum Zeitpunkt der Bewerbung in seinem Verhältnis zu dem Personalverantwortlichen der Beklagten K „Angst um Leib und Leben“ verspürt zu haben. Zum anderen offenbart das Vorbringen des Klägers – ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme – zusätzliche Schwierigkeiten des Klägers im Umgang mit der Bürgermeisterin der Beklagten, die entgegen seinen Erwartungen nach ihrer Wiederwahl das Amt weiterhin ausübt.

        

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