2 AZR 295/12

(Ausschluss ordentlicher Kündigungen - Altersdiskriminierung)

Details

  • Aktenzeichen

    2 AZR 295/12

  • Art

    Urteil

  • Datum

    20.06.2013

  • Senat

    2. Senat

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 9. Dezember 2011 – 20 Sa 85/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Leitsatz

1. Tarifliche Regelungen über den Ausschluss ordentlicher Kündigungen erweisen sich in Auswahlsituationen nur dann als angemessen und gesetzeskonform im Sinne von § 10 Satz 1 AGG bzw. § 1 Abs. 3 KSchG, wenn sie zumindest grobe Auswahlfehler vermeiden.

2. Die Auslegung der einschlägigen Tarifbestimmung kann ergeben, dass der Ausschluss ordentlicher Kündigungen nicht gilt, falls er bei der Sozialauswahl zu einem grob fehlerhaften Auswahlergebnis führen würde.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung mit Auslauffrist sowie einer hilfsweise erklärten ordentlichen Kündigung.

2

Die Beklagte ist ein Aluminium verarbeitendes Unternehmen. Der 1956 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist seit April 1975 bei ihr als Schlosser in der Instandhaltung tätig. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beidseitiger Tarifbindung der Manteltarifvertrag für Beschäftigte zum ERA-Tarifvertrag Metall- und Elektroindustrie Südwürttemberg-Hohenzollern vom 14. Juni 2005 (MTV) Anwendung. Nach § 4.4 MTV kann einem Beschäftigten, der das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und der dem Betrieb mindestens drei Jahre angehört, nur noch aus wichtigem Grund gekündigt werden; dies gilt auch für eine Änderungskündigung.

3

Der Kläger arbeitete anfänglich im Mehrschichtsystem. Nach einem Schlaganfall bat er im September 2007 um eine Versetzung in die Tagschicht. Er legte der Beklagten ein ärztliches Attest vor. Danach sollte er keinen Schichtdienst mehr leisten; eine geregelte Tagesarbeitszeit sei für die weitere Genesung notwendig. Anfang 2008 teilte die Beklagte mit, dass sie ihn künftig im sog. Tagesbetrieb von 7:00 bis 15:40 Uhr mit einstündiger Pause einsetzen werde.

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Mit Schreiben vom 29. August 2009 kündigte die Beklagte – nach Anhörung des Betriebsrats und Erstattung einer Massenentlassungsanzeige – das Arbeitsverhältnis der Parteien aus betrieblichen Gründen außerordentlich mit Auslauffrist zum 31. März 2010, hilfsweise ordentlich zum selben Termin, weiter hilfsweise zum „nächst zulässigen“ Termin.

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Der Kläger hat mit seiner rechtzeitig erhobenen Kündigungsschutzklage geltend gemacht, die Kündigungen seien unwirksam. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 BGB liege nicht vor. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass es an jeglicher Möglichkeit gefehlt habe, ihn sinnvoll weiterzubeschäftigen. Soweit sie sich auf eine Änderung des Anforderungsprofils berufe, fehle es an der Darlegung eines die Änderung rechtfertigenden Grundes. Die ordentliche Kündigung sei nach § 4.4 Satz 1 MTV tarifvertraglich ausgeschlossen und schon aus diesem Grund unwirksam.

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Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt

1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen vom 29. August 2009 nicht aufgelöst worden ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, ihn als Schlosser – Abteilung Instandhaltung – oder als Betriebsschlosser bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, aufgrund mehrerer ineinander greifender unternehmerischer Entscheidungen sei der bisherige Arbeitsplatz des Klägers weggefallen. Zum einen habe sie die sog. 20 MN-Presse zum 31. Oktober 2009 stillgelegt. Dadurch habe sich der Reparatur- und Wartungsaufwand im gesamten Instandhaltungsbereich um 330 Arbeitsstunden reduziert. Zum anderen habe sie den Entschluss gefasst und umgesetzt, Schlosser ausschließlich im Schichtdienst und dabei nur noch solche Mitarbeiter einzusetzen, die in der Lage seien, an sämtlichen Anlagen im Werk zu arbeiten. Das sei erforderlich, um eine durchgängige Betreuung der Produktionsanlagen durch Mitarbeiter der Instandhaltung zu gewährleisten. Damit sei der Beschäftigungsbedarf für die beiden in der Tagesarbeit eingesetzten Arbeitnehmer entfallen. Angesichts der im Instandhaltungsbereich bestehenden Überkapazitäten seien die im Schichtbetrieb eingesetzten Schlosser ohne überobligationsmäßige Anstrengungen in der Lage, die einfachen, bislang im Tagesdienst verrichteten Arbeiten – soweit noch vorhanden – mit zu erledigen. Einer sozialen Auswahl habe es nicht bedurft. Der Kläger sei mit den weiterbeschäftigten Schlossern nicht vergleichbar. Er könne wegen seines Gesundheitszustands nicht im rollierenden Schichtbetrieb eingesetzt werden und sei zudem nicht in der Lage, Instandhaltungsarbeiten an allen Anlagen auszuführen. Er sei deshalb kein geeigneter „Teampartner“ für die im Schichtbetrieb tätigen Kollegen. Das Arbeitsverhältnis mit dem zweiten im Tagesdienst eingesetzten Schlosser habe sie gleichfalls gekündigt. Die Beklagte hat gemeint, aufgrund dessen sei die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist wirksam. Zumindest sei die ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Ein tarifvertraglicher Sonderkündigungsschutz stehe dem Kläger nicht zu. Die betreffende tarifliche Regelung sei unwirksam oder doch unanwendbar. Sie messe dem Lebensalter im Verhältnis zur Betriebszugehörigkeit eine zu große Bedeutung bei. Dies führe in Fällen der Sozialauswahl zu einer unverhältnismäßigen Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer.

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Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigungen vom 29. August 2009 zu Recht für unwirksam erachtet. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegt nicht vor (I.). Die ordentliche Kündigung ist gemäß § 4.4 Satz 1 MTV iVm. § 134 BGB nichtig. Die tarifliche Unkündbarkeitsregelung ist nicht wegen Verstoßes gegen das Verbot der Altersdiskriminierung nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Sie ist auch verfassungskonform (II.). Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an (III.).

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I. Das Arbeitsverhältnis ist nicht durch die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist vom 29. August 2009 aufgelöst worden. Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB ist schon nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten nicht gegeben.

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1. Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder der vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

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a) Eine außerordentliche Kündigung aus betrieblichen Gründen ist gegenüber einem ordentlich kündbaren Arbeitnehmer grundsätzlich unzulässig. Solche Gründe machen dem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist regelmäßig nicht unzumutbar. Ihm ist es selbst im Insolvenzfall zuzumuten, die Kündigungsfrist einzuhalten (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 673/11 – Rn. 13; 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – Rn. 16).

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b) Eine auf betriebliche Gründe gestützte außerordentliche Kündigung mit einer – dann notwendig einzuhaltenden – Auslauffrist kommt in Betracht, wenn etwa tarifvertraglich die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung dauerhaft ausgeschlossen ist und dies dazu führt, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer trotz Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeit noch für Jahre vergüten müsste, ohne dass dem eine entsprechende Arbeitsleistung gegenüberstünde (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 673/11 – Rn. 14; 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – Rn. 17). Allerdings ist der Arbeitgeber in diesem Fall in einem besonderen Maß verpflichtet zu versuchen, die Kündigung durch geeignete andere Maßnahmen zu vermeiden. Besteht irgendeine Möglichkeit, das Arbeitsverhältnis sinnvoll fortzusetzen, wird er den Arbeitnehmer in der Regel entsprechend einzusetzen haben. Erst wenn alle denkbaren Alternativen ausscheiden, kann ein wichtiger Grund zur außerordentlichen Kündigung vorliegen (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 673/11 – aaO; 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – aaO).

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2. Hier ist ein wichtiger Grund nicht gegeben. Dies gilt unabhängig davon, ob der Kläger auf der Grundlage von § 4.4 Satz 1 MTV wirksamen besonderen Kündigungsschutz genießt. Die Beklagte hat nicht aufgezeigt, dass dauerhaft keine Einsatzmöglichkeit für den Kläger mehr bestanden hätte. Ihr Vorbringen lässt nicht erkennen, dass sie ihn – selbst nach zumutbaren Organisationsänderungen – überhaupt nicht mehr sinnvoll weiterbeschäftigen konnte.

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a) Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB kann sich – ebenso wie ein dringendes betriebliches Erfordernis iSv. § 1 Abs. 2 KSchG – auch aus dem Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit aufgrund innerbetrieblicher Maßnahmen des Arbeitgebers ergeben. Die dem zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung als solche ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit, sondern nur daraufhin zu überprüfen, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Nachzuprüfen ist außerdem, ob die fragliche Entscheidung tatsächlich umgesetzt wurde und dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für den einzelnen Arbeitnehmer wirklich entfallen ist (BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 380/12 – Rn. 16 ff.; 22. November 2012 – 2 AZR 673/11 – Rn. 16). Die Gestaltung des Betriebs, die Frage, ob und in welcher Weise sich der Arbeitgeber wirtschaftlich betätigen will, ist Bestandteil der durch Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG geschützten unternehmerischen Freiheit. Zu dieser gehört das Recht, das Unternehmen aufzugeben, darüber zu entscheiden, welche Größenordnung es haben soll, und festzulegen, ob bestimmte Arbeiten weiter im eigenen Betrieb ausgeführt oder an Drittunternehmen vergeben werden sollen (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 673/11 – Rn. 16, 17; 26. September 2002 – 2 AZR 636/01 – zu II 1 b der Gründe, BAGE 103, 31). Dies gilt auch in den Fällen, in denen von der fraglichen Maßnahme ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer betroffen ist (BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 380/12 – Rn. 16 ff.; 22. November 2012 – 2 AZR 673/11 – Rn. 17).

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b) Zu den Organisationsentscheidungen des Arbeitgebers, die zum Wegfall der Beschäftigungsmöglichkeit führen können, zählt auch die Festlegung des Anforderungsprofils einer Stelle.

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aa) Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten nur von Arbeitnehmern mit bestimmten Qualifikationen ausführen zu lassen, ist grundsätzlich hinzunehmen. Schafft der Arbeitgeber neu zugeschnittene Arbeitsplätze, ist dies jedenfalls dann zu respektieren, wenn die neuen Qualifikationsanforderungen in einer nachvollziehbaren Weise auf der Neuorganisation der auszuführenden Arbeiten beruhen (BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 24; 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – Rn. 19).

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bb) Für diesen Bezug trägt der Arbeitgeber die Darlegungslast. An sie sind schon im Rahmen von § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG erhöhte Anforderungen insbesondere dann zu stellen, wenn der Arbeitgeber das Anforderungsprofil für Arbeitsplätze ändert, die mit bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmern besetzt sind. Der Arbeitgeber kann nicht unter Berufung auf eine gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung den Kündigungsschutz des betreffenden Arbeitnehmers dadurch umgehen, dass er in sachlich nicht gebotener Weise die Anforderungen an die Qualifikation des Arbeitsplatzinhabers verschärft (BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 25; 10. Juli 2008 – 2 AZR 1111/06 – Rn. 26). Er muss deshalb dartun, dass es sich insoweit nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung”, sondern um ein sachlich gebotenes, arbeitsplatzbezogenes Stellenmerkmal handelt (BAG 24. Mai 2012 – 2 AZR 124/11 – Rn. 26; 10. Juli 2008 – 2 AZR 1111/06 – Rn. 31).

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c) Im Fall einer außerordentlichen Kündigung aus betrieblichen Gründen sind an die Darlegungen des Arbeitgebers noch weitergehende Anforderungen zu stellen. Dieser hat nicht nur darzutun, dass eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers infolge seiner Organisationsentscheidung am bisherigen Arbeitsplatz nicht mehr möglich ist. Er hat vielmehr außerdem und von sich aus darzulegen, dass überhaupt keine Möglichkeit mehr besteht, das Arbeitsverhältnis – und sei es zu geänderten Bedingungen und nach entsprechender Umschulung – sinnvoll fortzusetzen (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 673/11 – Rn. 41; 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – Rn. 19 – 21). Anders als bei der ordentlichen Kündigung reicht es nicht aus, dass der Arbeitgeber zunächst vorträgt, eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers sei infolge des Wegfalls des Arbeitsplatzes nicht möglich, um sodann eine dem widersprechende Darlegung des Arbeitnehmers abzuwarten. Das Fehlen jeglicher Beschäftigungsmöglichkeit zählt bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung zum „wichtigen Grund“. Es ist deshalb vom Arbeitgeber darzulegen (BAG 22. November 2012 – 2 AZR 674/11 – Rn. 41; 8. April 2003 – 2 AZR 355/02 – zu II 3 d der Gründe). Sein Vorbringen muss deutlich machen, dass er alles Zumutbare unternommen hat, um die durch sein (neues) unternehmerisches Konzept notwendig werdenden Anpassungen der Vertragsbedingungen auf das unbedingt erforderliche Maß zu beschränken. Das führt zwar nicht dazu, dass die unternehmerische Entscheidung als solche deshalb einer weiter reichenden gerichtlichen Kontrolle unterläge, weil vom Arbeitsplatzabbau (auch) ordentlich unkündbare Arbeitnehmer betroffen sind. Vom Arbeitgeber im Einzelnen darzulegen und von den Gerichten zu überprüfen ist aber, dass bzw. ob das fragliche unternehmerische Konzept eine Kündigung tatsächlich erzwingt (siehe auch BAG 20. Juni 2013 – 2 AZR 380/12 – Rn. 26).

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d) Diesen Anforderungen wird das Vorbringen der Beklagten nicht gerecht. Das Landesarbeitsgericht hat zu ihren Gunsten unterstellt, dass sie die behaupteten – ineinandergreifenden – Organisationsentscheidungen getroffen und tatsächlich umgesetzt hat. Es ist ferner von einer nur eingeschränkten Einsetzbarkeit des Klägers ausgegangen und hat unterstellt, dass er weder mit Schichtarbeit, noch mit schwerer körperlicher Arbeit, Arbeiten über Kopf und an Pressen, noch mit Arbeiten an bestimmten anderen Anlagen betraut werden kann. Seine Würdigung, auch unter diesen Umständen sei noch ein sinnvoller Einsatz des Klägers möglich, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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aa) Der Kläger war unstreitig in der Lage, einfache Schlossertätigkeiten zu erbringen. Bis auf die Arbeiten an der „20 MN-Presse“, mit denen er aber nur zu 15 vH seiner Arbeitszeit betraut war, sind nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die bisherigen Arbeitsaufgaben des Klägers nicht etwa entfallen; sie wurden lediglich auf die im Schichtbetrieb eingesetzten Schlosser umverteilt.

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bb) Die Beklagte mag angesichts des Rückgangs des Arbeitsvolumens im Instandhaltungsbereich zur besseren Auslastung ihrer Mitarbeiter ein berechtigtes Interesse daran gehabt haben, die einfachen Schlosserarbeiten nur noch im Schichtbetrieb und nicht mehr im Rahmen der sog. Tagesarbeit ausführen zu lassen. Auch dann hat sie nicht substantiiert dargelegt, weshalb die bisher dem Kläger zugewiesenen Aufgaben nicht auf die Frühschicht konzentriert und dann – ggf. neben anderen Tätigkeiten – weiterhin von ihm verrichtet werden konnten.

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(1) Die Beklagte hat nicht in Abrede gestellt, dass der Kläger gesundheitlich in der Lage war, seinem Leistungsvermögen entsprechende Arbeiten während der auf die Zeit von 6:00 Uhr bis 13:00 Uhr festgelegten Frühschicht kontinuierlich zu erbringen.

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(2) Umstände, die ihr eine Beschäftigung des Klägers im Rahmen dieser Schicht unmöglich oder unzumutbar gemacht hätten, sind nicht erkennbar.

25

(a) Die Beklagte hat geltend gemacht, im Schichtbetrieb anfallende Reparatur- und Wartungsarbeiten müssten „im Team“ durchgeführt werden; oftmals seien sie wegen der mit ihnen einhergehenden körperlichen Belastungen nicht durch einen einzelnen Arbeitnehmer zu erfüllen; auch benötigten Schlosser öfters die Unterstützung von Elektrikern, die ihrerseits im Team eingesetzt würden. Das Vorbringen entbehrt der erforderlichen Substanz. Es rechtfertigt nicht die Annahme, bei einem Einsatz des Klägers in der Frühschicht könnten die situativ anfallenden Aufgaben nicht sachgerecht ausgeführt werden. Die Beklagte hat schon nicht dargelegt, wie viele Schlosser auf der Grundlage ihres neuen Konzepts im Instandhaltungsbereich insgesamt noch beschäftigt werden. Sie hat auch nicht aufgezeigt, welchen Anteil Arbeiten ausmachen, die der Kläger aufgrund seines eingeschränkten Leistungsvermögens nicht würde verrichten können. Nur dann aber ließe sich nachvollziehen, weshalb dem Kläger im Rahmen der Teamarbeit schwere Arbeiten nicht sollten abgenommen werden können und seine Integration in das Schichtmodell nicht praktikabel sei. Das gilt jedenfalls dann, wenn pro Schicht – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen und von der Beklagten nicht beanstandet – mindestens zwei Schlosser und ein Elektriker zum Einsatz kommen. Aus den gleichen Gründen ist nicht ersichtlich, weshalb das neue Anforderungsprofil, dem zufolge die im Schichtbetrieb eingesetzten Schlosser an allen Anlagen im Werk einsetzbar sein müssen, keine Ausnahme zugunsten eines Einsatzes des Klägers in der Frühschicht zulassen sollte.

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(b) Eine andere Beurteilung ist auch dann nicht geboten, wenn die Behauptung der Beklagten zutreffen sollte, eine „Herausnahme“ des Klägers aus dem rollierenden Schichtsystem führe zu Unruhe und Diskussionen in der Belegschaft. Zum einen fehlt es an Ausführungen zur Intensität der befürchteten Störungen. Zum anderen zeigen schon die Regelungen in § 6 Abs. 4 Satz 1, Satz 2 ArbZG, dass der Arbeitgeber verpflichtet sein kann, im Rahmen von Schichtarbeit auf gesundheitliche Belange einzelner Arbeitnehmer Rücksicht zu nehmen; das Interesse der Gesamtbelegschaft an einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der sich aus dem Schichtbetrieb ergebenden Belastungen muss demgegenüber in der Regel zurücktreten (vgl. ErfK/Wank 13. Aufl. § 6 ArbZG Rn. 12; Neumann/Biebl ArbZG 16. Aufl. § 6 Rn. 22).

27

(c) Durch eine Integration des Klägers in die Frühschicht mögen eingespielte Teams von Mitarbeitern der Instandhaltung auseinandergebracht werden. Dies schließt einen sinnvollen Einsatz des Klägers bei entsprechender Umorganisation der Arbeitsabläufe nicht aus. Das Vorbringen der Beklagten, häufige Schichtpartnerwechsel führten zu einer ineffizienten Arbeitsauslastung und/oder Verschlechterung der Arbeitsqualität, ist substanzlos. Ihm ist – zumal angesichts des „neuen“ Anforderungsprofils, nach dem Schlosser grundsätzlich in der Lage sein müssen, an allen Anlagen zu arbeiten – nicht zu entnehmen, worin genau die vermeintlichen Nachteile bestehen. Überdies ist nicht ersichtlich, weshalb die Beklagte ihnen nicht dadurch sollte begegnen können, dass sie dem Kläger feste „Teampartner“ zuordnet.

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(d) Die Anforderungen an den Sachvortrag der Beklagten widersprechen – anders als diese meint – nicht den im Senatsurteil vom 6. November 1997 (- 2 AZR 94/97 -) angelegten Maßstäben. Zum einen lag dieser Entscheidung eine ordentliche Kündigung zugrunde. Zum anderen stand dort – anders als hier – fest, dass die gekündigte Arbeitnehmerin im neu zugeschnittenen Arbeitsbereich aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten konnte.

29

cc) Ein wichtiger Grund iSd. § 626 Abs. 1 BGB liegt auch dann nicht vor, wenn die im Schichtbetrieb gebildeten Instandhaltungsteams „von der Mitarbeiterzahl vollzählig“ waren, wie die Beklagte geltend gemacht hat.

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(1) Bei der außerordentlichen betriebsbedingten Kündigung muss der Arbeitgeber zumindest die Schranken beachten, die den Arbeitnehmer im Fall einer ordentlichen Kündigung schützen. In einer Konkurrenzsituation ist der Arbeitgeber deshalb zu einer Sozialauswahl entsprechend § 1 Abs. 3 KSchG verpflichtet (BAG 5. Februar 1998 – 2 AZR 227/97 – zu II 3 e der Gründe, BAGE 88, 10).

31

(2) Die Beklagte hat auch insoweit keine Umstände dargetan, die einer Beschäftigung des Klägers in der Frühschicht entgegenstünden. Ihrem eigenen Vortrag zufolge beschäftigte sie im Instandhaltungsbereich eine Reihe von Arbeitnehmern weiter, die sozial weniger schutzbedürftig waren als der Kläger, der im Kündigungszeitpunkt 53 Jahre alt, 34 Jahre bei ihr tätig und gegenüber zwei Personen zum Unterhalt verpflichtet war. Die anderen Arbeitnehmer sind nicht deshalb nicht zu vergleichen, weil sie flexibler einsetzbar sind. Dies steht einer Vergleichbarkeit im Hinblick auf Tätigkeiten in der Frühschicht nicht entgegen. Die Beklagte hat auch keine berechtigten betrieblichen Belange iSd. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG dargelegt, die eine Weiterbeschäftigung bestimmter Arbeitnehmer bedingt hätten. Soweit sie sich darauf berufen hat, ein Arbeitnehmer, der unstreitig weniger schutzbedürftig ist als der Kläger, sei als Schlosser im Dreischichtbetrieb tätig und universell an allen Anlagen im Werk einsetzbar, beschreibt sie keine besonderen Kenntnisse, die iSv. § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG für die Erledigung bestimmter Spezialaufgaben nötig gewesen wären, sondern nur das von ihr aufgestellte – neue – Anforderungsprofil. Ein Grund, der es rechtfertigen könnte, vom Ergebnis einer Sozialauswahl abzuweichen, ergibt sich daraus nicht. Das gilt umso mehr, als die betrieblichen Interessen, die zur Weiterbeschäftigung eines sozial weniger schutzbedürftigen Arbeitnehmers berechtigen sollen, im Rahmen von § 626 Abs. 1 BGB noch höheren Anforderungen genügen müssen als schon im Rahmen von § 1 Abs. 2 und Abs. 3 KSchG (BAG 17. Mai 1984 – 2 AZR 161/83 – zu III 1 der Gründe).

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dd) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, die Beklagte habe den Kläger nicht nur in der Frühschicht, sondern auch anderweit noch sinnvoll beschäftigen können, hat es hierauf nur ergänzend abgestellt. Sollten ihm dabei Rechtsfehler unterlaufen sein, wären diese nicht entscheidungserheblich.

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II. Das Arbeitsverhältnis der Parteien ist ebenso wenig durch die ordentliche Kündigung vom 29. August 2009 aufgelöst worden.

34

1. Das Landesarbeitsgericht hat weder geprüft, ob für eine ordentliche Kündigung Gründe iSd. § 1 Abs. 2 KSchG vorlagen, noch ob in diesem Fall die Kündigung wegen fehlerhafter Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt wäre.

35

2. Im Ergebnis kommt es hierauf nicht an. Die ordentliche Kündigung ist wegen § 4.4 Satz 1 MTV iVm. § 134 BGB unwirksam. Der Kläger erfüllt die tatbestandlichen Voraussetzungen der Tarifnorm für den Ausschluss der ordentlichen Kündigung. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die tarifliche Kündigungsbeschränkung nicht gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. § 4.4 Satz 1 MTV verstößt nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und ist verfassungskonform.

36

a) Die Regelung des § 4.4 MTV ist an den Vorschriften des AGG zu messen. Zwar gelten nach § 2 Abs. 4 AGG für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz. Die Benachteiligungsverbote des AGG sind damit auf diskriminierende Kündigungen nicht als eigenständige Unwirksamkeitsnomen anzuwenden. Stattdessen sind sie einschließlich möglicher Rechtfertigungsgründe in die kündigungsschutzrechtliche Prüfung zu integrieren und insbesondere im Rahmen der Prüfung der Sozialwidrigkeit nach § 1 KSchG zu beachten (BAG 5. November 2009 – 2 AZR 676/08 – Rn. 24; 6. November 2008 – 2 AZR 523/07 – Rn. 28, BAGE 128, 238). § 2 Abs. 4 AGG steht aber einer Überprüfung von tarif- oder individualvertraglichen Vereinbarungen über Kündigungsfristen und Kündigungserschwernisse unmittelbar anhand von § 7 Abs. 2 AGG nicht entgegen (ErfK/Schlachter 13. Aufl. § 2 AGG Rn. 17; HaKo-KSchR/Nägele 4. Aufl. § 2 AGG Rn. 3; Löwisch/Spinner 10. Aufl. vor § 1 KSchG Rn. 33; v. Medem Kündigungsschutz und Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz S. 628).

37

b) Gemäß § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen dieses Benachteiligungsverbot verstoßen, sind nach § 7 Abs. 2 AGG unwirksam. Zu den Vereinbarungen iSd. § 7 Abs. 2 AGG zählen neben Arbeitsverträgen auch Tarifverträge. Sie sind auch dann an dieser Bestimmung zu messen, wenn sie vor Inkrafttreten des AGG abgeschlossen wurden. Maßgebend ist, ob die geltend gemachte Benachteiligung nach Inkrafttreten des Gesetzes am 18. August 2006 eingetreten ist (BAG 20. März 2012 – 9 AZR 529/10 – Rn. 12, BAGE 141, 73; 15. Februar 2012 – 7 AZR 946/07 – Rn. 13). Davon ist hier auszugehen. Die Beklagte beruft sich auf eine benachteiligende Wirkung des tariflichen Kündigungsschutzes im Zusammenhang mit Kündigungen vom August 2009.

38

c) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AGG liegt eine unmittelbare Benachteiligung vor, wenn eine Person wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes eine weniger günstige Behandlung erfährt als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde. Dabei kann eine unmittelbar auf dem Alter beruhende Ungleichbehandlung nach § 10 AGG gerechtfertigt sein. § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gestattet die unterschiedliche Behandlung wegen des Alters, wenn diese objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist und wenn die Mittel zur Erreichung dieses Ziels ihrerseits angemessen und erforderlich sind (vgl. BAG 29. September 2011 – 2 AZR 177/10 – Rn. 17; 8. Dezember 2010 – 7 ABR 98/09 – Rn. 62, BAGE 136, 237). Um dies festzustellen ist zunächst eine Abwägung zwischen dem Schutz vor Ungleichbehandlung und dem verfolgten Ziel vorzunehmen. Die Ungleichbehandlung muss durch das verfolgte Ziel sachlich gerechtfertigt sein. Sodann ist nach § 10 Satz 2 AGG zu prüfen, ob die eingesetzten Mittel zur Erreichung des Ziels verhältnismäßig sind (BAG 8. Dezember 2010 – 7 ABR 98/09 – Rn. 62 mwN, aaO).

39

d) Mit den Regelungen in § 10 AGG hat der Gesetzgeber die sich aus Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (Richtlinie) in nationales Recht umgesetzt (BT-Drucks. 16/1780 S. 1 bis 3 und S. 20 bis 27). Die Zulässigkeit einer auf dem Alter beruhenden unterschiedlichen Behandlung ist daher unter Beachtung der Richtlinie und der zu ihrer Auslegung ergangenen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu prüfen.

40

e) Die Mitgliedstaaten und ggf. die Sozialpartner verfügen sowohl bei der Entscheidung, welches konkrete legitime Ziel sie verfolgen wollen, als auch bei der Festlegung von Maßnahmen zur Erreichung des Ziels über einen weiten Ermessensspielraum. Sozialpartnern ist dieser Spielraum im Bereich des Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie grundsätzlich so weit zuzubilligen, wie er nach nationalem Recht reicht (EuGH 6. Dezember 2012 – C-152/11 – [Odar] Rn. 45; 12. Oktober 2010 – C-45/09 – [Rosenbladt] Rn. 69, Slg. 2010, I-9391). Dabei ist sicherzustellen, dass die Kollektivnormen dem Gleichbehandlungsgrundsatz in seiner Ausprägung durch das Verbot der Altersdiskriminierung genügend Rechnung tragen und die in Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie normierten Voraussetzungen eingehalten sind (EuGH 12. Oktober 2010 – C-45/09 – [Rosenbladt] Rn. 52, aaO).

41

f) Daran gemessen ist § 4.4 Satz 1 MTV wirksam. Zwar führt die Regelung zu einer unmittelbaren Benachteiligung der von ihr nicht erfassten Arbeitnehmer iSv. § 3 Abs. 1, § 1 AGG wegen des Merkmals Alter. Sie ist aber bei einer gesetzes- und verfassungskonformen sowie an ihrem Sinn und Zweck orientierten Auslegung nach § 10 Satz 1 und Satz 2 AGG gerechtfertigt.

42

aa) § 4.4 Satz 1 MTV schließt das Recht des Arbeitgebers aus, das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer ordentlich zu kündigen, der das 53., aber noch nicht das 65. Lebensjahr vollendet hat und mindestens drei Jahre im Betrieb beschäftigt war. Die Bestimmung ist nicht nur auf personen- und verhaltensbedingte, sondern auch auf betriebsbedingte Kündigungen anwendbar. Sie kann in diesem Fall eine unmittelbare Benachteiligung von Arbeitnehmern mit mindestens dreijähriger Beschäftigungsdauer bewirken, deren Lebensalter außerhalb der festgelegten Bandbreite liegt. In Fällen betriebsbedingter Kündigungen, bei denen sich wegen der Verringerung von Arbeitsplätzen ein Verteilungsproblem stellt, kann die Bestimmung dazu führen, dass vor allem jüngere Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz verlieren, obwohl sie ohne die tarifliche Regelung wegen ihrer iSv. § 1 Abs. 3 KSchG höheren Schutzbedürftigkeit nicht zur Entlassung angestanden hätten (vgl. BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – Rn. 31). Diese Folge kann jedenfalls dann eintreten, wenn die ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmer bei der Sozialauswahl von vorneherein aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer herauszunehmen sind.

43

bb) Allerdings hat die Beklagte für den Streitfall eine auch nur potentiell benachteiligende Situation nicht aufgezeigt. Sie hat das Arbeitsverhältnis des Klägers und des weiteren in der Tagesarbeit eingesetzten Arbeitnehmers wegen Wegfalls der Beschäftigungsmöglichkeiten gekündigt und vorgebracht, ein Auswahlproblem habe sich nicht gestellt. Damit erscheint fraglich, ob sich die Beklagte auf eine Unwirksamkeit der Tarifregelung nach § 7 Abs. 2 AGG überhaupt berufen kann. Die Bestimmungen des AGG zielen auf den Schutz des Benachteiligten. Dies unterstreicht Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie. Art. 16 Buchst. b) der Richtlinie verlangt zwar Maßnahmen, die zur Beseitigung mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarender Kollektivvereinbarungen führen. Er verlangt aber nicht, eine fehlerhafte Regelung in einer Situation unangewendet zu lassen, in der sie nicht zu einer Ungleichbehandlung führen kann (ähnlich Däubler/Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 70). § 7 Abs. 2 AGG schließt es deshalb nicht aus, Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstoßen, nur in Bezug auf den hypothetisch benachteiligten Personenkreis für unwirksam anzusehen (vgl. BAG 15. November 2012 – 6 AZR 359/11 – Rn. 37).

44

cc) Ob sich die Beklagte auf einen möglichen Verstoß von § 4.4 Satz 1 MTV gegen das Verbot der Altersdiskriminierung überhaupt zu berufen vermag, bedarf keiner Entscheidung. Die tarifliche Regelung verstößt nicht gegen dieses Verbot. Der Umstand, dass sie die Arbeitsverhältnisse älterer Arbeitnehmer von der Möglichkeit der ordentlichen Kündigung ausnimmt, ist solange durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt, wie dies bei betriebsbedingten Kündigungen nicht zu einer im Ergebnis grob fehlerhaften Sozialauswahl führt. In Konstellationen wiederum, in denen dies der Fall wäre, schließt sie die von ihr erfassten Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer im Ergebnis nicht aus.

45

(1) Außerhalb einer Sozialauswahl geht mit § 4.4 Satz 1 MTV in der Regel schon tatbestandlich eine unmittelbare oder mittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer nicht einher. Aufgrund des Umstands, dass die Arbeitsverhältnisse des erfassten Personenkreises aus Gründen im Verhalten oder in der Person iSd. § 1 Abs. 2 KSchG ordentlich nicht gekündigt werden können, erfahren jüngere Arbeitnehmer regelmäßig keine Nachteile iSv. § 3 Abs. 1, Abs. 2 AGG. Zumindest wäre eine solche Benachteiligung in aller Regel durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt (vgl. dazu BAG 7. Juli 2011 – 2 AZR 355/10 – Rn. 26 f., BAGE 138, 312).

46

(2) Auch innerhalb der Sozialauswahl verstößt die Berücksichtigung eines höheren Lebensalters zugunsten der Betroffenen nicht schon per se gegen das Verbot der Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters. Vielmehr verfolgt eine solche Begünstigung älterer Arbeitnehmer ein iSv. § 10 Satz 1 AGG iVm. Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie legitimes Ziel. Legitime Ziele im Sinne dieser Bestimmungen sind insbesondere allgemeine „sozialpolitische Ziele“ (EuGH 13. September 2011 – C-447/09 – [Prigge] Rn. 81, Slg. 2011, I-8003). Die Berücksichtigung des Lebensalters bei der Sozialauswahl verfolgt ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel aus dem Bereich der Sozialpolitik (BAG 15. Dezember 2011 – 2 AZR 42/10 – Rn. 53, BAGE 140, 169; 5. November 2009 – 2 AZR 676/08 – Rn. 25 f.). § 4.4 Satz 1 MTV dient dem Zweck, ältere Arbeitnehmer vor einer Entlassung möglichst effizient zu schützen (zur Vorläuferregelung in § 9 Nr. 2 des MTV vom 20. Oktober 1973 und allgemein zum Schutzzweck tariflicher Unkündbarkeitsklauseln in der Privatwirtschaft vgl. Pape Die tarifvertragliche Unkündbarkeit S. 93 ff.). Soweit die Regelung mit der Anknüpfung an eine Mindestbeschäftigungsdauer – wenn überhaupt – zusätzlich eine gewisse Betriebstreue des Arbeitnehmers belohnen will, fällt dieser Gesichtspunkt angesichts der nur kurzen erforderlichen Beschäftigungszeit nicht ins Gewicht. Die Regelung ist objektiv und angemessen, die Mittel zur Erreichung des Ziels sind angemessen und erforderlich.

47

(a) Der Bestimmung liegt die Erfahrung zugrunde, dass die Chancen älterer Arbeitnehmer, nach einem Arbeitsplatzverlust eine neue und gleichwertige Anstellung zu finden, signifikant geringer sind als diejenigen jüngerer Arbeitnehmer (vgl. dazu BAG 15. Dezember 2011 – 2 AZR 42/10 – Rn. 56 mwN, BAGE 140, 169). Daran dürfen die Tarifvertragsparteien anknüpfen. Sie haben nach § 1 Abs. 1 TVG die Kompetenz, die Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu ordnen. Diese umfasst im Rahmen des rechtlich Zulässigen auch die Vereinbarung von Kündigungserschwernissen. Dabei kommt den Tarifvertragsparteien die Befugnis zur Typisierung zu (Krause in vHH/L 15. Aufl. § 1 Rn. 955). Das gilt auch für die Beurteilung, ab welchem Lebensalter sich die Vermittlungschancen älterer Arbeitnehmer – branchentypisch – verschlechtern und bis zu welchem Alter ein Bedürfnis besteht, sie vor entsprechenden Nachteilen zu schützen. Die Anknüpfung an das Lebensalter ist, will man einen solchen zusätzlichen Schutz erreichen, erforderlich. Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Dass die Chancen auf dem Arbeitsmarkt auf diese Weise nur typisierend und nicht individuell berücksichtigt werden, ist im Rahmen genereller Bestimmungen unvermeidbar; auch bei individueller Anknüpfung müsste sich die Bewertung an Wahrscheinlichkeiten orientieren (vgl. BAG 15. Dezember 2011 – 2 AZR 42/10 – Rn. 53, BAGE 140, 169; 6. November 2008 – 2 AZR 523/07 – Rn. 45 f., BAGE 128, 238).

48

(b) Die Regelung ist nicht deshalb unangemessen, weil sie für ältere Arbeitnehmer – wie die Beklagte gemeint hat – durch die Anknüpfung an eine relativ kurze Beschäftigungsdauer als Einstellungshemmnis und Erschwernis des Zugangs zu unbefristeter Beschäftigung wirken könnte. Derartige Nachteile sind empirisch nicht belegt. Sollten sie sich im Einzelfall ergeben, hätten sie ihre Ursache im Einstellungsverhalten des Arbeitgebers und stellten einen eigenständigen Akt der Benachteiligung dar, der isoliert mit den dafür zur Verfügung stehenden Mitteln angegriffen werden könnte.

49

(3) Dagegen wäre die Regelung des § 4.4 Satz 1 MTV nicht mehr durch ein legitimes Ziel iSv. § 10 Satz 1 AGG, Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie gedeckt, wenn sie zur Konsequenz hätte, dass Arbeitnehmer, die älter als 53 Jahre und länger als drei Jahre im Betrieb beschäftigt sind, bei der Sozialauswahl selbst dann aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer ausscheiden, wenn dadurch das Ergebnis der Sozialauswahl grob fehlerhaft würde. Die Regelung würde dann zu einer den gesetzlichen Vorgaben der Sozialauswahl widersprechenden Verdrängung insbesondere jüngerer Arbeitnehmer aus dem Betrieb führen. So könnte sie etwa bewirken, dass ein 50 Jahre alter, seit 25 Jahren im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer, der zwei Personen zum Unterhalt verpflichtet ist, seinen Arbeitsplatz zugunsten eines seit drei Jahren beschäftigten, 53 Jahre alten, nicht unterhaltsverpflichteten Arbeitnehmers verliert. Derartige Wirkungen, auch wenn es sich bei ihnen lediglich um einen Reflex der Unkündbarkeitsregelung handeln mag, sind mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben zur Sozialauswahl in § 1 Abs. 3 bis Abs. 5 KSchG sachlich nicht zu rechtfertigen. Sie führen zu einer unverhältnismäßigen Verkürzung des Kündigungsschutzes der von der Tarifregelung nicht erfassten Arbeitnehmer. Soweit in Fällen betrieblich bedingter Kündigungen unter mehreren Arbeitnehmern eine Auswahl zu treffen ist, gebietet überdies Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip ein gewisses Maß an sozialer Rücksichtnahme. So darf der Arbeitgeber bei seinem Kündigungsentschluss ein durch langjährige Mitarbeit erdientes Vertrauen in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nicht unberücksichtigt lassen (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – zu B I 3 b cc der Gründe, BVerfGE 97, 169; BAG 28. Oktober 2010 – 2 AZR 392/08 – Rn. 38; 6. Februar 2003 – 2 AZR 672/01 – zu II 2 a der Gründe, BAGE 104, 308). Darauf müssen die Tarifvertragsparteien Bedacht nehmen.

50

(a) Tarifliche Unkündbarkeitsregelungen müssen deshalb, um sich in Auswahlsituationen als angemessen iSd. § 10 Satz 1 AGG sowie gesetzes- und verfassungskonform iSv. § 1 Abs. 3 KSchG, Art. 12 Abs. 1 GG zu erweisen, gewährleisten, dass sie zumindest grobe Auswahlfehler vermeiden (erwogen bereits in BAG 5. Juni 2008 – 2 AZR 907/06 – Rn. 31; vgl. auch Bauer/Göpfert/Krieger AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 49; Däubler/Bertzbach/Brors AGG 3. Aufl. § 10 Rn. 67; SES/Eylert KSchG § 1 Rn. 379; Hako-KSchR/Gallner/ Mestwerdt 4. Aufl. § 1 Rn. 851; MünchKommBGB/Thüsing 6. Aufl. § 10 AGG Rn. 42; Wendeling-Schröder NZA 2007, 1399). Mit dieser Anforderung ist einerseits sichergestellt, dass die sozialen Belange ordentlich kündbarer Arbeitnehmer nicht vernachlässigt werden. Dem Lebensalter kann dann in einer Auswahlsituation keine „absolute“ Bedeutung mehr zukommen; andere Kriterien behalten ihre Relevanz. Dadurch wird andererseits der Einschätzungsprärogative der Tarifvertragsparteien Rechnung getragen, die festlegen, wann Arbeitnehmer aufgrund ihres Alters eines erhöhten Schutzes bedürfen (Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist S. 213 f.). Der Maßstab orientiert sich an dem Spielraum, den der Gesetzgeber den Sozialpartnern in § 1 Abs. 4 KSchG einräumt. Danach können kollektivrechtliche Auswahlrichtlinien nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Zwar regeln Unkündbarkeitsbestimmungen unmittelbar nur das Verhältnis zwischen dem Arbeitgeber und einzelnem Arbeitnehmer. Sie kommen in ihrer Wirkung aber zumindest faktisch Auswahlrichtlinien gleich. Dementsprechend hatte § 10 Satz 3 Nr. 7 AGG aF individual- und kollektivrechtliche Unkündbarkeitsregelungen zwar ausdrücklich für zulässig erklärt, aber nur „soweit dadurch nicht der Kündigungsschutz anderer Beschäftigter im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 des Kündigungsschutzgesetzes grob fehlerhaft gemindert wird“. Die Vorschrift wurde im Dezember 2006 nur deshalb aufgehoben (BGBl. I S. 2742), weil der Gesetzgeber sie wegen § 2 Abs. 4 AGG für unnötig hielt. Die ihr zugrundeliegende gesetzgeberische Wertung kommt in § 1 Abs. 4 KSchG weiterhin zum Ausdruck.

51

(b) Eine solche Anwendungsgrenze sieht § 4.4 Satz 1 MTV nicht ausdrücklich vor. Sie ist der Bestimmung dennoch inhärent. Tarifnormen sind, wenn möglich, so auszulegen und anzuwenden, dass sie nicht in Widerspruch zu höherrangigem Recht geraten. Tarifvertragsparteien wollen im Zweifel Regelungen treffen, die mit zwingendem höherrangigem Recht in Einklang stehen und deshalb rechtlichen Bestand haben. Lässt eine Tarifnorm, die bei einem bestimmten Verständnis (teilweise) unwirksam wäre, eine Auslegung zu, die zu einem gesetzeskonformen Ergebnis führt, ist sie in diesem Sinne anzuwenden (BAG 21. Februar 2012 – 6 AZR 524/11 – Rn. 19; 21. Juli 1993 – 4 AZR 468/92 – zu B II 1 a bb der Gründe, BAGE 73, 364). Eine solche Auslegung ist hier möglich. § 4.4 Satz 1 MTV kann unter Berücksichtigung seines Zwecks dahin verstanden werden, dass der Ausschluss der ordentlichen Kündigung dann nicht gilt, wenn die damit verbundene Begünstigung des geschützten Personenkreises im Einzelfall zu einem iSv. § 1 Abs. 4 KSchG grob fehlerhaften Auswahlergebnis führen würde.

52

(aa) Mit der Regelung in § 4.4 Satz 1 MTV wollten die Tarifvertragsparteien den Schutz älterer Arbeitnehmer bei Rationalisierungsmaßnahmen verbessern. Derartige Maßnahmen sollten nicht ausgeschlossen, doch sollte der Schutz vor ihren Folgen erhöht werden. Dass aber dieser Schutz auf Kosten von Arbeitnehmern erfolgen sollte, die zwar – in der Regel – jünger sind, aber nach den Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG des Schutzes noch stärker bedürfen, kann nicht angenommen werden. Es ging den Tarifvertragsparteien um einen besonderen, aber nicht um einen bedingungslosen Schutz der Älteren. Es gibt keine Grundlage für die Annahme, dass sie den besonderen Kündigungsschutz auch in solchen Fällen zur Geltung gebracht wissen wollten, in denen die höhere Schutzbedürftigkeit anderer, von § 4.4 Satz 1 MTV nicht erfasster Arbeitnehmer offenkundig ist (vgl. Bröhl Die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist S. 218, 219; Oetker ZfA 2001, 287, 328).

53

(bb) Unschädlich ist, dass der Wortlaut der Bestimmung dies nicht zum Ausdruck bringt. Die den Inhalt der Tarifnorm beeinflussenden Regelungen des AGG und die Regelungen in § 1 Abs. 3, Abs. 4 KSchG sind auch für die Normunterworfenen erkennbar. Diese konnten nicht davon ausgehen, dass die Tarifvertragsparteien sich über die daraus ergebenden Grenzen hinwegsetzen wollten (Oetker ZfA 2001, 287, 329). Das gilt umso mehr, als § 4.4 Satz 1 MTV bereits vor Inkrafttreten des AGG vereinbart wurde. Im Übrigen kann auch die unionsrechtskonforme Auslegung von Gesetzen dazu führen, dass eine nationale Bestimmung entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle nicht anzuwenden, die Reichweite der innerstaatlichen Norm also einzuschränken ist (vgl. BAG 17. November 2009 – 9 AZR 844/08 – Rn. 29, BAGE 132, 247). Für die Auslegung tariflicher Bestimmungen, die am unionsrechtlich geprägten Verbot der Altersdiskriminierung zu messen sind, gilt insoweit nichts anderes.

54

(4) Eines Vorabentscheidungsersuchens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV bedarf es nicht. Die Reichweite und der Inhalt des unionsrechtlichen Grundsatzes des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters ist durch Entscheidungen des Gerichtshofs, zuletzt etwa in den Rechtssachen „Kücükdeveci“ (EuGH 19. Januar 2010 – C-555/07 – Slg. 2010, I-365), „Prigge“ (EuGH 13. September 2011 – C-447/09 – Slg. 2011, I-8003) und „Hörnfeldt“ (EuGH 5. Juli 2012 – C-141/11 -) hinreichend geklärt.

55

dd) Die Tarifregelung hält auch im Übrigen einer Rechtskontrolle stand. Die Wirksamkeit des § 4.4 Satz 1 MTV scheitert nicht an einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dabei kann dahinstehen, ob die Tarifvertragsparteien als Normgeber unmittelbar an Art. 3 Abs. 1 GG oder ob sie an dessen Grundsätze nur mittelbar gebunden sind (vgl. dazu BAG 27. Mai 2004 – 6 AZR 129/03 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 111, 8; 14. Oktober 2003 – 9 AZR 146/03 – zu I 3 b der Gründe mwN, BAGE 108, 94). Jedenfalls enthält Art. 3 Abs. 1 GG hinsichtlich des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters keine weitergehenden Anforderungen als § 10 AGG und Art. 6 der Richtlinie 2000/78/EG.

56

g) Umstände, die unter Berücksichtigung der vorstehenden Erwägungen die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung gegenüber dem Kläger eröffnen könnten, sind nicht erkennbar.

57

h) Aus diesem Grunde kann dahinstehen, ob nicht bei Geltung tariflicher Unkündbarkeitsregelungen wie der des § 4.4 Satz 1 MTV – um nicht nur diskriminierende, grob fehlerhafte Ergebnisse einer Sozialauswahl zu vermeiden, sondern auch den tariflich vereinbarten Ausschluss ordentlicher betriebsbedingter Kündigungen ohne Einschränkungen zu gewährleisten – die Herausnahme der davon erfassten Arbeitnehmer aus dem Kreis der vergleichbaren Arbeitnehmer ohnehin zu unterbleiben hat. Die vor ordentlichen Kündigungen geschützten Arbeitnehmer wären dann bei der Sozialauswahl zunächst ohne Beachtung des Kündigungsausschlusses mit den übrigen Arbeitnehmern zu vergleichen. Stünden sie nach einem solchen Vergleich gemäß den Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG ohnehin nicht zur Kündigung an, ist mit dem Unterbleiben einer ordentlichen Kündigung eine Diskriminierung und Benachteiligung anderer Arbeitnehmer nicht verbunden. Stünden sie dagegen – da nach den Kriterien des § 1 Abs. 3 KSchG weniger schutzbedürftig als andere – „eigentlich“ zur Kündigung an, könnten sie sich auf den tariflichen Ausschluss der ordentlichen Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses berufen. Der Arbeitgeber könnte statt ihres Arbeitsverhältnisses dasjenige eines sozial stärker geschützten Arbeitnehmers jedenfalls dann nicht kündigen, wenn damit ein grob fehlerhaftes Auswahlergebnis verbunden wäre. Der Arbeitgeber vermöchte also womöglich weder den tariflich geschützten noch den von § 1 Abs. 3 KSchG geschützten Arbeitnehmer im Wege der ordentlichen Kündigung zu entlassen. Lägen die Voraussetzungen des § 626 BGB vor, käme dagegen die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses des tariflich (nur) vor der ordentlichen Kündigung geschützten Arbeitnehmers in Betracht. Auf diese Weise könnten sowohl grobe Fehler bei der Sozialauswahl als auch die (Teil-)Aufhebung des tariflichen Schutzes vor ordentlichen Kündigungen vermieden werden (ähnlich Rolfs NZA-Beilage 1/2008 S. 8, 15).

58

III. Der Weiterbeschäftigungsantrag ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Der Antrag ist auf eine Beschäftigung für die Dauer des Kündigungsschutzverfahrens betreffend die Kündigungen vom August 2009 gerichtet. Dieses ist rechtskräftig abgeschlossen (vgl. BAG 25. Oktober 2012 – 2 AZR 700/11 – Rn. 23).

59

IV. Die Kosten des Revisionsverfahrens hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Beklagte zu tragen.

        

    Kreft    

        

    Rachor    

        

    Berger    

        

        

        

    Krichel    

        

    Grimberg