6 AZR 15/22

Massenentlassung - Anzeige - aufgelöste Betriebsstruktur

Details

  • Aktenzeichen

    6 AZR 15/22

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2022:081122.U.6AZR15.22.0

  • Art

    Urteil

  • Datum

    08.11.2022

  • Senat

    6. Senat

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 13. Oktober 2021 – 12 Sa 279/21 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Leitsatz

Leitet der Arbeitgeber entgegen § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG dem Betriebsrat keine Abschrift der Massenentlassungsanzeige zu, führt dies nicht zur Unwirksamkeit der im Rahmen der Massenentlassung erklärten Kündigungen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über den Fortbestand eines Arbeitsverhältnisses.

2

Die 1969 geborene Klägerin war seit dem 1. Juli 1997 als Flugbegleiterin bei einer Fluggesellschaft beschäftigt. Der dort auf ihr Arbeitsverhältnis anwendbare Tarifvertrag sah vor, dass nach Vollendung des 50. Lebensjahres und mindestens 15 Jahren Beschäftigungszeit nur noch eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses möglich ist (§ 50 MTV Nr. 4 Kabinenpersonal LTU).

3

Das Arbeitsverhältnis ging schließlich auf die Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Schuldnerin) mit Sitz in Berlin über. Die von dieser Fluggesellschaft eingesetzten Flugzeuge standen nicht in deren Eigentum, sondern waren geleast. Sie führte neben dem eigenwirtschaftlichen Flugbetrieb auch noch Flüge im sog. Wet Lease für Unternehmen der Lufthansa-Gruppe, insbesondere für die Eurowings GmbH (im Folgenden Eurowings), durch. Die Schuldnerin stellte dabei die von ihr selbst geleasten Flugzeuge (sog. Head Lease) Eurowings als weiterer Leasingnehmerin (sog. Sub Lease) mit Besatzung, Wartung und Versicherung zur Verfügung. Für ihren gesamten Flugbetrieb unterhielt die Schuldnerin Stationen an den Flughäfen Berlin-Tegel, Düsseldorf, München, Frankfurt am Main, Stuttgart, Hamburg, Köln, Paderborn, Nürnberg und Leipzig. Der Dienstort der Klägerin war zuletzt Düsseldorf.

4

Durch den „Tarifvertrag Personalvertretung (TVPV) für das Kabinenpersonal der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG“ (im Folgenden TVPV) war bei der Schuldnerin gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG für das Kabinenpersonal die Personalvertretung Kabine (im Folgenden PV Kabine) errichtet. Nach § 74 Abs. 1 Satz 1 TVPV ist die PV Kabine vor jeder Kündigung zu hören. Die Gründe für die Kündigung sind gemäß § 74 Abs. 1 Satz 2 TVPV mitzuteilen. Eine ohne Anhörung der PV Kabine ausgesprochene Kündigung ist gemäß § 74 Abs. 1 Satz 3 TVPV unwirksam.

5

Für das Kabinenpersonal schloss die Schuldnerin zudem am 8. Dezember 2016 den Tarifvertrag „TV Air Berlin: Pakt für Wachstum und Beschäftigung“ (im Folgenden TV Pakt) ab. Dieser beschrieb Wachstumsperspektiven im Rahmen eines neuen Geschäftsmodells. Ausweislich § 2 Abs. 2 TV Pakt ging die Schuldnerin nicht davon aus, betriebsbedingte Beendigungskündigungen „durchführen zu müssen“. Gleichwohl unvermeidbare Kündigungen waren erst nach Abschluss eines Sozialtarifvertrags über einen Interessenausgleich und Sozialplan zulässig, der sich auf das gesamte Kabinenpersonal auf der Grundlage der Betriebszugehörigkeit ausrichten musste.

6

Unter dem 15. August 2017 beantragte die Schuldnerin beim zuständigen Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen bei Eigenverwaltung. Das Gericht ordnete zunächst die vorläufige Eigenverwaltung an. Der Beklagte wurde am 16. August 2017 zum vorläufigen Sachwalter bestellt. Am 12. Oktober 2017 unterzeichneten der Executive Director der persönlich haftenden Gesellschafterin der Schuldnerin, der Generalbevollmächtigte der Schuldnerin und der Beklagte für die Schuldnerin eine Erklärung, wonach der Geschäftsbetrieb der Schuldnerin zum 31. Januar 2018 stillgelegt werden sollte. Am 24. Oktober 2017 beschloss der vorläufige Gläubigerausschuss die vollständige Betriebseinstellung zum 31. Januar 2018 und wies die vorläufige Eigenverwaltung an, die erforderlichen Maßnahmen umzusetzen.

7

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 1. November 2017 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Es wurde Eigenverwaltung angeordnet und der Beklagte zum Sachwalter bestellt. Dieser zeigte noch am gleichen Tag gegenüber dem Insolvenzgericht gemäß § 208 Abs. 1 Satz 2 InsO drohende Masseunzulänglichkeit an. Zudem stellte er ua. die Klägerin von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung frei.

8

Zum 31. Dezember 2017 wurde der Flugbetrieb eingestellt. Die für dessen Aufrechterhaltung erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen erloschen mit Ablauf des 31. Januar 2018.

9

Mit Beschluss des Insolvenzgerichts vom 16. Januar 2018 wurde die Eigenverwaltung aufgehoben, das Insolvenzverfahren angeordnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestimmt.

10

Mit Schreiben vom 27. Januar 2018 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis der Klägerin zum 30. April 2018. Mit Anerkenntnisurteil des Bundesarbeitsgerichts vom 21. Januar 2021 (- 6 AZR 18/20 -) wurde festgestellt, dass diese Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet hat. Dem Anerkenntnis liegt die zwischenzeitlich zu dem Personalabbau bei der Schuldnerin ergangene Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zugrunde. Demnach war die dafür nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG erforderliche Massenentlassungsanzeige nicht ordnungsgemäß iSd. § 17 Abs. 3 KSchG erstattet worden. Hieraus folgte die Unwirksamkeit der hierauf bezogenen Kündigungen (vgl. zu Piloten: BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – BAGE 169, 362; 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 – BAGE 170, 98; vgl. zu Flugbegleitern: BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – BAGE 170, 244).

11

In Kenntnis der Ergebnisse der Verfahren – 6 AZR 146/19 – und – 8 AZR 215/19 – sowie der diesbezüglichen Pressemitteilungen des Bundesarbeitsgerichts Nr. 7/20 und Nr. 11/20, welche jeweils am Tag der Urteilsverkündung veröffentlicht wurden, leitete der Beklagte mit Schreiben vom 17. April 2020 ein neues Konsultationsverfahren (§ 17 Abs. 2 KSchG) gegenüber der PV Kabine ein. Er verwies auf die „fortgesetzte Betriebsstilllegung aufgrund des ursprünglichen Stilllegungsbeschlusses“ und wiederholte die Gründe für die bereits erfolgten Kündigungen. Hieran anknüpfend legte er den Stand der Stilllegung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin dar und führte dabei insbesondere an, dass der Flugbetrieb vollständig eingestellt sei, sämtliche Arbeitsverhältnisse aufgehoben bzw. gekündigt seien und nur noch die Restabwicklung mit einem Team von ca. 26 Mitarbeitern betrieben werde. Wegen der vollumfänglichen Betriebsstilllegung sei beabsichtigt, alle noch bestehenden Arbeitsverhältnisse zu beenden. Im Bereich Kabine betreffe dies bezogen auf die Station Düsseldorf 268 Beschäftigte. Es sei geplant, diesen wie allen anderen Beschäftigten zu kündigen. Hinsichtlich des Zeitraums, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen, heißt es im Schreiben vom 17. April 2020 auszugsweise wie folgt:

        

„Die geplanten Entlassungen sollen nach Durchführung und Abschluss des Konsultationsverfahrens sowie unter Beachtung der sonstigen Formalien, u.a. der Personalratsanhörung, bei bestehendem Sonderkündigungsschutz nach Zustimmung/Zulässigkeitserklärung des zuständigen Fachamtes etc. erfolgen. Aufgrund der in diesen Beteiligungsverfahren geltenden Fristen ist beabsichtigt, die Entlassungen ab Ende des Monats Mai 2020 vorzunehmen. Die Kündigungen sollen unter Berücksichtigung des § 113 InsO ausgesprochen werden, soweit nicht eine kürzere vertragliche bzw. tarifvertragliche Kündigungsfrist einschlägig ist, so dass sich das Kündigungsdatum und der Beendigungszeitpunkt entsprechend verschieben können.“

12

Ferner erklärte der Beklagte, dass wegen der Kündigung aller Beschäftigten eine Sozialauswahl nicht erforderlich sein werde und legte eine Auflistung vor, aus der die Berufsgruppen bzw. Tätigkeiten der Beschäftigten, deren Geschlecht, Alter, Familienstand und Staatsangehörigkeit hervorgingen.

13

Mit Schreiben vom 20. Mai 2020 ergänzte der Beklagte seine Angaben bezüglich 66 noch nicht berücksichtigter Beschäftigter aus den Bereichen Kabine und Cockpit. Bezogen auf die Station Düsseldorf folgten hieraus weitere 27 und damit insgesamt 295 zu kündigende Angehörige des Kabinenpersonals.

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Die anwaltliche Beraterin der PV Kabine verlangte mit Schreiben vom 4. Juni 2020 ergänzende Informationen. Sie stellte zum Themenkomplex „Betriebsänderung/mögliche Stilllegung“ insgesamt 17 Fragen, welche sich unter anderem auf die Zahl der bis Ende Januar 2018 im Wet Lease („ACMIO-Operation“) Beschäftigten, die Übertragung von Flugzeugen und Start- bzw. Landerechten („Slots“) an andere Fluggesellschaften, verwendete und ggf. übertragene Software, Nutzung von Räumlichkeiten oder Kundenbeziehungen sowie geistiges Eigentum bezogen. Fragen zur „möglichen Sozialauswahl“ betrafen ua. die Mitarbeiter des Abwicklungsteams und die Entlassung von Mitarbeitern im Zeitraum zwischen Oktober 2017 bis September 2019. Zum Themenkomplex „mildere Mittel“ wurde ua. gefragt, welche finanziellen Mittel bei Verhandlungen über Interessenausgleich und Sozialplan noch berücksichtigt werden könnten, warum und zu welchen Kosten ein Generalbevollmächtigter eingesetzt wurde, welche Rückstellungen für Schadensersatzforderungen bzw. Annahmeverzugsforderungen von Mitarbeitern gebildet worden seien und wie der Stand eines Verfahrens gegen eine andere Fluggesellschaft sei.

15

Mit E-Mail vom 5. Juni 2020 meldete der Beklagte ein weiteres betroffenes Arbeitsverhältnis nach. Zu den von der PV Kabine gestellten Fragen nahm er mit Schreiben vom 17. Juni 2020 Stellung. Bezüglich des Themenkomplexes „Betriebsänderung/mögliche Stilllegung“ legte er eine Liste der vormals im Wet Lease Beschäftigten vor. Hinsichtlich der Weiterverwendung der Flugzeuge machte er auf die einzelnen Maschinen bezogene Angaben. Unbeantwortet blieben Fragen zur nunmehrigen Wartung der ehemaligen „Air-Berlin-Maschinen“, zur Software und zur Übertragung von geistigem Eigentum. Hinsichtlich der zur „möglichen Sozialauswahl“ gestellten Fragen wurde der Grund für die Befristung der Arbeitsverhältnisse einzelner Bodenmitarbeiter im Abwicklungsteam dargelegt. Die bezogen auf „mildere Mittel“ gestellten Fragen wurden dahingehend beantwortet, dass für den Abschluss eines Sozialplans oder die Schaffung einer Transfergesellschaft keine gesonderten Mittel zur Verfügung stünden. Der Zeitpunkt einer Entscheidung in dem gegen eine andere Fluggesellschaft geführten Verfahren sei noch nicht absehbar.

16

Am 2. Juli 2020 fand zwischen der PV Kabine und Vertretern des Beklagten eine Telefonkonferenz statt. Hierbei sollten Vorschläge der PV Kabine besprochen werden, um die von dem Beklagten beabsichtigten Massenentlassungen zu vermeiden, zu beschränken oder abzumildern. Die PV Kabine vertrat die Auffassung, dass es zu einem Betriebsteilübergang auf eine andere Fluggesellschaft gekommen sei. Der Beklagte ging demgegenüber davon aus, dass eine vollständige Betriebsstilllegung vorliege. Die Fragen der PV Kabine vom 4. Juni 2020 sowie ergänzende Fragen wurden erörtert und seitens des Beklagten beantwortet. Die Massesituation der Schuldnerin wurde besprochen. Der Beklagte erklärte, dass kurzfristig nicht mit einem Massezufluss zu rechnen sei. Der Abschluss eines Insolvenzsozialplans nach § 123 InsO sowie weitergehende, teilweise noch offene Fragen zur Verwertung von Assets und Slots sowie zur Nutzung von Flughandbüchern wurden erörtert. Die PV Kabine bat abschließend um Beantwortung von drei weiteren Fragen bezüglich der Übertragung von Slots und geistigem Eigentum.

17

Der Beklagte erklärte diesbezüglich mit Schreiben vom 10. Juli 2020 unter Hinweis auf die Entscheidung des erkennenden Senats vom 14. Mai 2020 im Verfahren – 6 AZR 235/19 – (BAGE 170, 244), dass das Bundesarbeitsgericht bereits klargestellt habe, dass kein Betriebs(teil)übergang vorliege. Weitere, über die bisher schon erteilten hinausgehende Informationen seien daher nicht zweckdienlich. Die Fragen zur Übertragung von Slots und geistigem Eigentum wurden teilweise beantwortet. Schließlich wurde bezüglich sieben Beschäftigten die Stationszuordnung korrigiert.

18

Mit Schreiben vom 20. Juli 2020 bestand die PV Kabine unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Februar 2020 (- 8 AZR 215/19 – BAGE 170, 98) auf der Beantwortung weiterer Fragen zur „Klärung eines Betriebsteilübergangs“ hinsichtlich des Wet Lease. Die PV Kabine hielt zudem die Fragen zur Übertragung von geistigem Eigentum nicht für ausreichend beantwortet und bat um eine Liste der technischen Handbücher, die übertragen worden seien. Hinsichtlich der Einsetzung eines Generalbevollmächtigten wurde nochmals die Bezifferung der hierdurch verursachten Kosten verlangt. Schließlich wurden Fragen bezüglich eines Bußgeldbescheids des Umweltbundesamtes in Höhe von über 80 Mio. Euro wegen Nichtrückgabe der Emissionsberechtigungen für Flüge gestellt.

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Der Beklagte legte der PV Kabine mit Schreiben vom 27. Juli 2020 noch eine Liste der in den einzelnen Stationen vormals im Wet Lease eingesetzten Mitarbeiter vor und bot der PV Kabine eine abschließende ergebnisoffene Erörterung am 3. oder 4. August 2020 an.

20

Nachdem die PV Kabine hierauf nicht innerhalb der ihr dafür gesetzten Frist reagiert hatte, teilte ihr der Beklagte mit Schreiben vom 5. August 2020 mit, dass er „keine Möglichkeit der Wiedereröffnung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin in tatsächlicher Hinsicht“ sehe. Er habe sich daher entschlossen, die Kündigung der noch nicht rechtskräftig beendeten Arbeitsverhältnisse zu wiederholen. Zudem erklärte er das Konsultationsverfahren für beendet. Die PV Kabine widersprach der Beendigung des Konsultationsverfahrens mit Schreiben vom 7. August 2020.

21

Ebenfalls mit Schreiben vom 7. August 2020 hörte der Beklagte unter Wiederholung seiner Absichten und ergänzender Bezugnahme auf die im Konsultationsverfahren erteilten Auskünfte die PV Kabine zu der geplanten Kündigung aller Beschäftigten an (§ 74 TVPV). Die Sozialdaten der Betroffenen wurden in einer Anlage mitgeteilt. Das Schreiben ging der PV Kabine am 10. August 2020 zu. Mit Schreiben vom 13. August 2020 erwiderte die PV Kabine, sie sei insbesondere bezüglich eines möglichen Betriebsübergangs und der daraus folgenden Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten nicht ausreichend informiert worden. Hierauf reagierte der Beklagte mit Schreiben vom 17. August 2020 und legte zur Klarstellung eine modifizierte Mitarbeiterliste vor. Die PV Kabine hielt im Schreiben vom 21. August 2020 an ihrer Position fest.

22

Am 18. August 2020 erstattete der Beklagte bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf auf dem von der Bundesagentur für Arbeit erstellten Formular eine Massenentlassungsanzeige bezüglich der Beschäftigten, welche von der Schuldnerin deren früherer Station Düsseldorf zugeordnet worden waren. Im Anzeigeformular wurde die (ehemalige) Station Düsseldorf als Betrieb angeführt. In der Formularrubrik „Stellungnahme des Betriebsrats“ wurde unter Ziffer 41 das Kästchen „ja“ angekreuzt und handschriftlich „siehe Beiblatt“ vermerkt. Die tariflichen Personalvertretungsstrukturen erläuterte der Beklagte in einer Anlage. Außerdem legte er der Anzeige ein 34-seitiges Anschreiben bei, in dem er die Gesamtsituation und den bisherigen Verlauf des Insolvenzverfahrens darstellte. Die „zum nächstmöglichen Zeitpunkt – voraussichtlich noch im August 2020“ geplante ordentliche Kündigung aller verbliebenen 358 Beschäftigten der Station Düsseldorf (davon Cockpit 64, Kabine 294) wurde mit der bereits erfolgten Stilllegung der Station begründet. Im normalen Geschäftsbetrieb seien in dieser Station im August 2017 noch 2.009 Personen beschäftigt gewesen. Die Berufsgruppen und Sozialdaten der Betroffenen wurden mitgeteilt. Eine Sozialauswahl sei wegen der Entlassung aller Beschäftigten nicht veranlasst. Die Kündigungen sollten unter Beachtung der jeweils maßgeblichen Kündigungsfrist gemäß § 113 InsO erklärt werden. Hinsichtlich der Beteiligung der verschiedenen Personalvertretungen wurde der jeweilige Schriftverkehr im Konsultations- und Anhörungsverfahren vorgelegt. Es wurde mitgeteilt, dass das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat Boden Nord und der Personalvertretung (PV) Cockpit einvernehmlich beendet worden sei. Mit der PV Cockpit sei ein Insolvenzsozialplan abgeschlossen worden. Bezüglich der PV Kabine wurde die Erklärung der Beendigung des Konsultationsverfahrens mit Schreiben vom 5. August 2020 vorgelegt. Die Agentur für Arbeit Düsseldorf bestätigte mit Schreiben vom 21. August 2020 den Eingang der vollständigen Massenentlassungsanzeige am 19. August 2020.

23

Mit Schreiben vom 27. August 2020 kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin nach § 113 InsO zum 30. November 2020. Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer am 14. September 2020 beim Arbeitsgericht eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.

24

Der Beklagte erklärte mit Schreiben vom 28. Januar 2021 nach erneuter Beteiligung der PV Kabine und weiterer Massenentlassungsanzeige vorsorglich eine weitere Kündigung zum 30. April 2021. Mit Klageerweiterung vom 2. Februar 2021 hat die Klägerin auch diese Kündigung angegriffen.

25

Sie hat die Auffassung vertreten, beide Kündigungen seien unwirksam. Bezüglich der Kündigung vom 27. August 2020 sei schon unklar, welche unternehmerische Entscheidung Grundlage der Kündigung sei. Der Beklagte habe im Vorfeld der Kündigung die Stilllegung eines bereits seit ca. zweieinhalb Jahren geschlossenen Betriebs nicht beschließen können. Denkbar sei lediglich die Entscheidung, den Betrieb nicht wiederzueröffnen und deshalb allen Beschäftigten zu kündigen. Dies sei aber keine die Kündigung rechtfertigende Organisationsentscheidung. Es handle sich dann letztlich um eine unzulässige Wiederholungskündigung bei gleichbleibendem Kündigungsgrund. Zudem verstoße die Kündigung gegen den durch Art. 9 Abs. 3 GG gesicherten Sonderkündigungsschutz nach § 50 MTV Nr. 4 Kabinenpersonal LTU und gegen § 2 Abs. 2 TV Pakt. Weiterhin scheitere die Kündigung an der nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Konsultationsverfahrens mit der PV Kabine. Der Beklagte habe den Zeitraum der geplanten Entlassungen nicht hinreichend konkret benannt. Die Unwirksamkeit der Kündigung folge weiterhin aus der inhaltlich fehlerhaften Massenentlassungsanzeige, welche zudem bei einer unzuständigen Agentur für Arbeit erstattet worden sei. Der Beklagte sei unzutreffend davon ausgegangen, dass die vormalige Station in Düsseldorf nach wie vor der maßgebliche Betrieb sei. Nach Auflösung der Stationen dürfe nicht mehr auf die frühere betriebliche Struktur abgestellt werden. Die Massenentlassungsanzeige hätte sich auf alle verbliebenen Beschäftigten beziehen und bei der für den Unternehmenssitz in Berlin zuständigen Agentur für Arbeit eingereicht werden müssen. Auch die nach § 74 TVPV erforderliche Anhörung der PV Kabine sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Es fehle der Hinweis auf den tariflichen Sonderkündigungsschutz und die Regelung des § 2 Abs. 2 TV Pakt. Die Kündigung vom 28. Januar 2021 sei aus denselben Gründen unwirksam.

26

Die Klägerin hat beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das zwischen ihr und dem Beklagten bzw. der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 27. August 2020 nicht aufgelöst worden ist;

        

2.    

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass das zwischen ihr und dem Beklagten bzw. der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung des Beklagten vom 28. Januar 2021 nicht aufgelöst worden ist.

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Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Kündigungen seien wegen der schon von der Schuldnerin beschlossenen und tatsächlich erfolgten Stilllegung des Flugbetriebs sozial gerechtfertigt. Die Rechte der PV Kabine seien gewahrt. Die Massenentlassung sei ordnungsgemäß gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit angezeigt worden.

28

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt die Klägerin ihre Klageziele weiter.

Entscheidungsgründe

29

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Die Kündigung vom 27. August 2020 ist wirksam, der Hauptantrag deshalb unbegründet. Der nur für den Fall des Obsiegens mit dem Hauptantrag gestellte Hilfsantrag fiel dem Senat demzufolge nicht zur Entscheidung an.

30

I. Der Hauptantrag ist als gemäß § 4 Satz 1 KSchG formulierte Kündigungsschutzklage zulässig. Er ist damit hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (vgl. BAG 10. Dezember 2020 – 2 AZR 308/20 – Rn. 13, BAGE 173, 233; 13. Dezember 2007 – 2 AZR 818/06 – Rn. 19). Dem steht nicht entgegen, dass der Antrag den Beklagten und die Schuldnerin alternativ als Vertragspartner benennt. Das Landesarbeitsgericht hat diesbezüglich zutreffend angeführt, der Antrag beziehe sich offensichtlich auf das mit der Schuldnerin begründete Arbeitsverhältnis, welches nunmehr der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Beklagten als Insolvenzverwalter unterfalle. Dies steht zwischen den Parteien auch nicht in Streit.

31

II. Der Hauptantrag ist jedoch unbegründet. Die Kündigung vom 27. August 2020 hat das Arbeitsverhältnis zum 30. November 2020 aufgelöst.

32

1. Die Kündigung ist wegen der bereits zum 31. Dezember 2017 erfolgten Stilllegung des Flugbetriebs durch dringende betriebliche Erfordernisse iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG gerechtfertigt. Dies hat der Senat bezüglich der erstmaligen Kündigungen des Kabinenpersonals vom 27. Januar 2018 bereits entschieden und dabei klargestellt, dass es zu keinem Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB gekommen ist (vgl. BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 57 ff., 89 ff., BAGE 170, 244). Die Einstellung des Flugbetriebs hat das Beschäftigungsbedürfnis für das Kabinenpersonal, dem die Klägerin zugehörig war, endgültig entfallen lassen. Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten sind nicht ersichtlich. Die Angriffe der Revision geben keinen Anlass zu einer Änderung dieser Rechtsprechung. Die Nachkündigung ist deshalb sozial gerechtfertigt.

33

a) Entgegen der Auffassung der Revision hat die ursprüngliche Entscheidung der Schuldnerin bezüglich der Betriebstilllegung zum dauerhaften Wegfall des Beschäftigungsbedürfnisses aller im Flugbetrieb eingesetzten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geführt.

34

aa) Die Schuldnerin hatte bereits in der vorläufigen Eigenverwaltung im Oktober 2017 den ernsthaften und endgültigen Entschluss gefasst, den Betrieb spätestens zum 31. Januar 2018 stillzulegen. Der Beklagte hat das von der Schuldnerin beschlossene Stilllegungskonzept umgesetzt und in diesem Zusammenhang ua. die Kündigungen des Kabinenpersonals im Januar 2018 erklärt (vgl. BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 19 ff., BAGE 170, 244). Für die streitgegenständliche Kündigung gilt nichts Anderes. Der Beklagte hat sich nach seinem Vortrag und ausweislich der Schreiben an die PV Kabine unverändert die Stilllegungsentscheidung der Schuldnerin zu eigen gemacht und auf dieser Grundlage im Jahr 2020 lediglich Nachkündigungen erklärt, die zur Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung notwendig geworden waren, weil die ersten Kündigungen aus formalen Gründen unwirksam waren. Es handelt sich nicht um eine weitere Kündigungswelle, welche auf ein eigenständiges unternehmerisches Konzept zurückzuführen wäre. Das bloße Festhalten an der Entscheidung der Schuldnerin stellt keine eigene unternehmerische Entscheidung dar, sondern ist Teil der Abwicklung des Insolvenzverfahrens (zur Verpflichtung des Insolvenzverwalters aus § 208 Abs. 3 InsO vgl. BAG 25. August 2022 – 6 AZR 441/21 – Rn. 53). Zu diesem Schluss kommt letztlich auch das Landesarbeitsgericht, wenn es anführt, es mache inhaltlich keinen Unterschied, ob an der Entscheidung der Schuldnerin festgehalten oder die Stilllegungsentscheidung „wiederholt“ worden sei. Entgegen der Auffassung der Revision ist das Innehaben der Rechtsmacht zur Abänderung einer Entscheidung nicht mit der Notwendigkeit, eine solche Entscheidung tatsächlich zu treffen, gleichzusetzen. Dies gilt auch bezüglich der Verwaltungsbefugnis nach § 80 Abs. 1 InsO.

35

bb) Dessen ungeachtet ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte nach dem Erlöschen der Lizenzen zur Führung eines Flugbetriebs zum 31. Januar 2018, der Weggabe der Flugzeuge und dem Verlust der Start- und Landerechte überhaupt noch eine reale Entscheidungsmöglichkeit zur Wiederaufnahme des Flugbetriebs gehabt hätte.

36

b) Die Kündigung scheitert nicht an einer fehlerhaften Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass in Folge der Betriebsstilllegung keine Flugbegleiterinnen mehr beschäftigt wurden und sich eine Sozialauswahl mangels Vergleichbarkeit nicht auf die 26 Beschäftigten, welche mit der Abwicklung des Unternehmens betraut wurden, beziehe. Dem tritt die Revision nicht entgegen.

37

2. Bei der streitgegenständlichen Kündigung handelt es sich nicht um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Eine solche liegt nicht vor, wenn es sich bei dem Kündigungssachverhalt um einen sog. Dauertatbestand handelt oder wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen für unwirksam erklärt worden ist (vgl. BAG 27. April 2021 – 2 AZR 357/20 – Rn. 36 mwN). Beides ist hier der Fall. Die unstreitige Stilllegung des Flugbetriebs ist ein Dauertatbestand. Zudem scheiterte die Kündigung der Klägerin vom 27. Januar 2018 letztlich an der fehlerhaften Massenentlassungsanzeige und damit an einer Formalität.

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3. Der tarifliche Sonderkündigungsschutz der Klägerin nach § 50 MTV Nr. 4 Kabinenpersonal LTU kommt gemäß § 113 Satz 1 InsO nicht zur Anwendung.

39

a) Nach § 113 Satz 1 InsO kann ein Dienstverhältnis, bei dem der Schuldner der Dienstberechtigte ist, vom Insolvenzverwalter und vom anderen Teil ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung gekündigt werden. Das Kündigungsrecht kann nicht durch einzelvertragliche, tarifvertragliche oder sonstige kollektivrechtliche Vereinbarung ausgeschlossen werden. Tarifvertraglich unkündbare Arbeitsverhältnisse sind daher im Insolvenzverfahren ordentlich kündbar. Dies stellt selbst bei beiderseitiger Tarifbindung keinen ungerechtfertigten Eingriff in die nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie dar. Neben einer übermäßigen Belastung der Masse könnte eine Fortgeltung tariflicher Bestandsschutzregelungen eine mögliche Sanierung gefährden. Insbesondere würde die zu diesem Zweck durch § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 InsO ermöglichte Schaffung einer ausgewogenen Personalstruktur konterkariert, wenn eine bestimmte Beschäftigtengruppe ordentlich unkündbar wäre. Eine solche Einschränkung der Sanierungsfähigkeit würde Gemeinwohlbelange missachten. Der Gesetzgeber hat die Schwere der Belastung der betroffenen Arbeitnehmer zudem dadurch gemildert, dass er keine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses, sondern eine Kündigungsfrist von drei Monaten vorgesehen hat. Darüber hinaus hat er in § 113 Satz 3 InsO eine – wenn auch lediglich im Range einer Insolvenzforderung stehende – finanzielle Entschädigung in Form des Anspruchs auf verschuldensunabhängigen Ersatz des sog. Verfrühungsschadens geschaffen. In der Gesamtschau ist die Durchbrechung tariflichen Sonderkündigungsschutzes durch § 113 InsO deshalb verhältnismäßig im engeren Sinn (BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 27, BAGE 166, 363).

40

b) Entgegen der Auffassung der Revision ist es zum Schutz der Tarifautonomie nicht geboten, bei ordentlicher Unkündbarkeit nur die Erklärung einer außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist zuzulassen. Der Gesetzgeber hat mit § 113 InsO, wie ausgeführt, das Verhältnis von Insolvenzverfahren und tariflichem Sonderkündigungsschutz in verfassungskonformer Weise abschließend geregelt. Dabei hat er sich in Satz 1 der Bestimmung bewusst gegen die Übernahme der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entschieden (Einzelheiten zur Entstehungsgeschichte des § 113 Satz 1 InsO BAG 16. Juni 1999 – 4 AZR 191/98 – zu II 1 b bb der Gründe, BAGE 92, 41), wonach der Konkursverwalter an tarifvertragliche Unkündbarkeitsklauseln gebunden war, weil auch tarifvertragliche Kündigungsfristen zu den gesetzlichen Kündigungsfristen iSv. § 22 KO gehörten. Deshalb konnte das ordentlich unkündbare Arbeitsverhältnis nach der Konkursordnung nur außerordentlich, ggf. unter Wahrung einer Auslauffrist, gekündigt werden (BAG 28. März 1985 – 2 AZR 113/84 – zu B III 2 b der Gründe, BAGE 48, 220; 7. Juni 1984 – 2 AZR 602/82 – zu B II 6 der Gründe, BAGE 46, 206). Die aus dieser Entstehungsgeschichte folgende Eröffnung der Möglichkeit zur ordentlichen Kündigung durch den Insolvenzverwalter ist als Teil des gesetzlichen Gesamtkonzepts von der Rechtsprechung zu respektieren und verletzt die Tarifautonomie nicht. Zudem führte die Ansicht der Revision jedenfalls bei Betriebsstilllegungen praktisch zum selben Ergebnis. In anderen Fällen wäre die außerordentliche Kündigung mit Unsicherheiten behaftet, welche wiederum die Sanierung gefährden könnten (zu den Anforderungen an eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung vgl.: BAG 27. April 2021 – 2 AZR 357/20 – Rn. 21 ff.; 27. Juni 2019 – 2 AZR 50/19 – Rn. 14 ff.; 20. Juni 2013 – 2 AZR 379/12 – Rn. 21, BAGE 145, 265).

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c) Letztlich kann dies aber dahingestellt bleiben. Die Klägerin hat keine Tarifgebundenheit aufgrund Gewerkschaftszugehörigkeit behauptet. Nur bei beiderseitiger Tarifgebundenheit kommt eine Verletzung der Tarifautonomie überhaupt in Betracht. Bei bloßer Inbezugnahme gilt der tarifliche Kündigungsschutz nur auf vertraglicher Grundlage und wird als Vertragsrecht ohne Weiteres von § 113 Satz 1 InsO verdrängt (BAG 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 25, BAGE 166, 363). Schon deshalb ist entgegen der Revision kein Verstoß gegen die Vereinigungsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG bzw. Art. 12 Abs. 1 GRC erkennbar.

42

4. Die Regelung in § 2 Abs. 2 TV Pakt steht der Wirksamkeit der streitgegenständlichen Kündigung nicht entgegen. Der TV Pakt erfasst nicht die Stilllegung des Geschäftsbetriebs der Schuldnerin, sondern bezieht sich auf „Wachstum und Beschäftigung“. Anders als die Revision meint, setzt der TV Pakt den angestrebten Fortbestand des Betriebs voraus (BAG 21. Januar 2020 – 1 AZR 149/19 – Rn. 26 ff., BAGE 169, 243). Die Betriebsstilllegung ist nicht nur eines von mehreren „Szenarien“, in denen der Beschäftigungsbedarf entfällt. Sie beendet die Perspektiven, welche der TV Pakt sichern will und macht ihn hinfällig.

43

5. Die Kündigung vom 27. August 2020 ist Teil einer anzeigepflichtigen Massenentlassung iSv. § 17 Abs. 1 KSchG. Der Beklagte hat zu Recht dieses Verfahren bezogen auf die Station Düsseldorf durchgeführt.

44

a) Der in § 17 KSchG geregelte besondere Kündigungsschutz bei Massenentlassungen unterfällt in zwei getrennt durchzuführende Verfahren mit jeweils eigenen Wirksamkeitsvoraussetzungen, nämlich die in § 17 Abs. 2 KSchG normierte Pflicht zur Konsultation des Betriebsrats einerseits und die in § 17 Abs. 1, Abs. 3 KSchG geregelte Anzeigepflicht gegenüber der Agentur für Arbeit andererseits. Beide Verfahren stehen selbstständig nebeneinander und sind auch vor einer Betriebsstilllegung durchzuführen (BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 30 mwN, BAGE 169, 362; 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 40, BAGE 167, 102). Dies gilt ebenso bei Nachkündigungen (vgl. BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 37, BAGE 157, 1). Zwar kann man dann insbesondere den Sinn einer erneuten Massenentlassungsanzeige in Frage stellen, weil die Agentur für Arbeit schon aufgrund der zwischenzeitlichen Arbeitslosmeldungen der betroffenen Arbeitnehmer ihre Vermittlungsbemühungen begonnen hat oder solche nicht (mehr) erforderlich waren, weil die Arbeitnehmer wieder Arbeitsverhältnisse begründet haben. Der Gesetzgeber hat jedoch keine entsprechenden Ausnahmen in § 17 KSchG vorgesehen.

45

b) Der Beklagte hat vorliegend eine nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG anzeigepflichtige Massenentlassung beabsichtigt. Als Betrieb iSv. § 17 Abs. 1 KSchG ist dabei entgegen der Auffassung der Revision die frühere Station Düsseldorf anzusehen. Von den ehemals knapp 360 Beschäftigten, welche dieser Station zugeordnet und deren Arbeitsverhältnisse noch nicht beendet waren, sollten alle nahezu zeitgleich entlassen werden, soweit nicht behördliche Zustimmungsverfahren zu durchlaufen waren. Der Schwellenwert des § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 KSchG ist damit bezogen auf den Zeitraum von 30 Kalendertagen überschritten.

46

aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist der Betriebsbegriff des § 17 Abs. 1 KSchG wegen Art. 1 Abs. 1 Buchst. a Unterabs. i der Richtlinie 98/59/EG (sog. Massenentlassungsrichtlinie, im Folgenden MERL) unionsrechtlich determiniert. In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) ist der Begriff „Betrieb“ dahin auszulegen, dass er nach Maßgabe der Umstände die Einheit bezeichnet, der die von der Entlassung betroffenen Arbeitnehmer zur Erfüllung ihrer Aufgabe angehören. Es muss sich um eine unterscheidbare Einheit von einer gewissen Dauerhaftigkeit und Stabilität handeln, die zur Erledigung einer oder mehrerer bestimmter Aufgaben bestimmt ist und über eine Gesamtheit von Arbeitnehmern sowie über technische Mittel und eine organisatorische Struktur zur Erfüllung dieser Aufgaben verfügt. Da die MERL die sozioökonomischen Auswirkungen betrifft, die Massenentlassungen in einem bestimmten örtlichen Kontext und einer bestimmten sozialen Umgebung hervorrufen können, muss die fragliche Einheit weder rechtliche noch wirtschaftliche, finanzielle, verwaltungsmäßige oder technologische Autonomie besitzen, um als „Betrieb“ qualifiziert werden zu können (BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 33 mwN, BAGE 169, 362; vgl. auch Brams Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 56; Lindemann Anm. AP KSchG 1969 § 17 Nr. 57; Krings NJW 2020, 2765; Schubert EWiR 2020, 509, 510; Senk Anm. AP BGB § 613a Nr. 480 unter II).

47

bb) Bezogen auf die im November 2017 und Januar 2018 erklärten Kündigungen hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass die Station der Schuldnerin am Flughafen Düsseldorf für das dorthin zugeordnete Personal den Betrieb iSd. MERL und damit des § 17 KSchG darstellt (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 114 ff., BAGE 170, 244; 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 36 ff., BAGE 169, 362; zur Station Köln vgl. BAG 27. Februar 2020 – 8 AZR 215/19 – Rn. 173 ff., BAGE 170, 98; kritisch Moll RdA 2021, 49, 52).

48

cc) Gleiches gilt auch bezüglich der Nachkündigungen, welche wegen der Unwirksamkeit der ersten Kündigungen erklärt wurden. Dabei ist entgegen der Revision ohne Belang, dass die Station Düsseldorf ebenso wie die anderen Stationen als „unterscheidbare Einheit“ im Zeitpunkt des Kündigungszugangs im August 2020 nicht mehr existierte. Entscheidend ist, dass die Beschäftigten der vormaligen Station Düsseldorf bis dahin keiner anderen Organisationseinheit zugeordnet worden waren. Weder die Schuldnerin noch der Beklagte nahmen eine Umstrukturierung des Gesamtbetriebs zur Fortführung der Geschäftstätigkeit oder im Zusammenhang mit dessen Abwicklung vor. Stattdessen wurde der Flugbetrieb zum 31. Dezember 2017 vollständig eingestellt. Für das fliegende Personal, welches nicht in der Zentrale in Berlin mit Abwicklungsarbeiten betraut wurde, verblieb es daher formell bei der zuletzt maßgeblichen Stationszugehörigkeit, auch wenn es überwiegend schon zum 1. November 2017 freigestellt worden war. Ein organisatorischer Bezug zum Unternehmenssitz in Berlin wurde für diese Beschäftigtengruppe nicht mehr begründet. Damit blieb auch der örtliche Kontext zu Düsseldorf gewahrt. Die durch die Schließung der Station in Düsseldorf ausgelöste Massenentlassung hat nach der Konzeption der MERL und des § 17 Abs. 1 KSchG auch nach der Betriebsstilllegung allein dort ihre sozioökonomischen Auswirkungen, so dass das Massenentlassungsverfahren nach wie vor in der aufgelösten Struktur durchzuführen war. Ob bezogen auf die Luftfahrtbranche tatsächlich ein globalisierter Arbeitsmarkt besteht, ändert an dieser typisierenden, branchenunabhängigen Konzeption nichts.

49

6. Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren wirksam durchgeführt.

50

a) Die auf tarifvertraglicher Grundlage gebildete und für das Kabinenpersonal zuständige PV Kabine als zuständiges Gremium wurde im Konsultationsverfahren ordnungsgemäß nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei entschieden.

51

aa) Das Konsultationsverfahren ist vor Folgekündigungen noch einmal durchzuführen, wenn – wie hier – abermals ein Massenentlassungstatbestand vorliegt und noch eine beteiligungsfähige Arbeitnehmervertretung besteht (BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 37, BAGE 157, 1; 22. April 2010 – 6 AZR 948/08 – Rn. 20, BAGE 134, 176).

52

bb) Der Beklagte hat das Konsultationsverfahren mit Schreiben vom 17. April 2020 rechtzeitig eingeleitet. Der Rechtzeitigkeit steht nicht entgegen, dass die Stilllegung bei der Verfahrenseinleitung bereits unumkehrbar war. Dies war hier unvermeidbar, weil die Nachkündigungen, wie dargelegt, auf derselben Stilllegungsentscheidung wie die formunwirksamen vorausgegangenen Kündigungen beruhten und die Stilllegung zwischenzeitlich vollzogen worden war. Insbesondere waren im Zeitpunkt der Nachkündigungen die für die Aufrechterhaltung des Flugbetriebs erforderlichen Lizenzen und Genehmigungen seit mehr als zwei Jahren erloschen. Es genügte, das Konsultationsverfahren rechtzeitig vor Erklärung der Nachkündigungen einzuleiten (vgl. BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 38, BAGE 157, 1). Anderenfalls wäre eine Nachkündigung in dieser Konstellation rechtlich unmöglich, weil mangels möglicher Einflussnahme der Arbeitnehmervertretung auf die Stilllegungsentscheidung ein Konsultationsverfahren niemals mehr rechtzeitig eingeleitet werden könnte (zur Ermöglichung der Einflussnahme vgl. EuGH 3. März 2011 – C-235/10 ua. – [Claes] Rn. 56; BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 41 mwN, BAGE 167, 102). Die Umsetzung der unternehmerischen Entscheidung zur Stilllegung des Betriebs wäre dann ausgeschlossen. Die MERL lässt als lediglich teilharmonisierendes Unionsrecht aber die unternehmerische Entscheidungsfreiheit unangetastet und regelt nur das bei Massenentlassungen erforderliche Verfahren, wobei Entlassungen nach dessen ordnungsgemäßer Durchführung möglich bleiben müssen (vgl. EuGH 21. Dezember 2016 – C-201/15 – [AGET Iraklis] Rn. 29 ff., 41). § 17 Abs. 2 KSchG statuiert als bloßes Umsetzungsrecht deshalb kein Verbot solcher Nachkündigungen, sondern knüpft an die der Planung zugrundeliegenden tatsächlichen Verhältnisse an. Die Einflussnahmemöglichkeit der Arbeitnehmervertretung reduziert sich dann faktisch auf die Abmilderung der Stilllegungsfolgen.

53

cc) Der Beklagte hat der PV Kabine die zweckdienlichen Auskünfte erteilt und dabei die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 6 KSchG geforderten Angaben gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei unter Bezugnahme auf die Schreiben des Beklagten vom 17. April 2020 und 20. Mai 2020 eine ausreichende schriftliche Unterrichtung bejaht.

54

(1) Der Beklagte hat schon im Schreiben vom 17. April 2020 die Gründe für die geplanten Entlassungen unter Darstellung des bisherigen Verlaufs des Insolvenzverfahrens benannt. Dabei hätte schon die Angabe genügt, dass nicht beabsichtigt sei, den stillgelegten Betrieb wieder aufzunehmen (vgl. BAG 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 40, BAGE 157, 1). Die Zahl und Berufsgruppen der zu entlassenden und der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer wurde bezogen auf die Station Düsseldorf als den Betrieb iSv. § 17 Abs. 1 KSchG mitgeteilt. Da keine Sozialauswahl beabsichtigt war, erübrigte sich die Benennung von Auswahlkriterien. Gleiches gilt bezüglich der Berechnung von Abfindungen. Die Revision erhebt insoweit auch keine Rügen.

55

(2) Der Revisionsangriff richtet sich vielmehr gegen die Ansicht des Landesarbeitsgerichts, der Beklagte habe bereits im Schreiben vom 17. April 2020 den Zeitraum, in dem die (geplanten) Entlassungen vorgenommen werden sollten, hinreichend iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG benannt. Nach Auffassung der Revision fehlt es an der Angabe des Endes des geplanten Zeitraums. Diese Rüge, welche sich auf einen Rechtsfehler und nicht auf einen Verfahrensfehler bezieht, ist unbegründet.

56

(a) Im Ausgangspunkt geht die Revision zutreffend davon aus, dass unter einem Zeitraum eine bestimmte Zeit bzw. eine Zeitspanne zu verstehen ist (Wahrig Deutsches Wörterbuch 9. Aufl. Stichwort: Zeitraum). Dies beinhaltet bei der Angabe eines Zeitraums dessen von Beginn und Ende eingegrenzte Dauer. Zu Gunsten der Revision kann unterstellt werden, dass dieses Sprachverständnis auch für Art. 2 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b Unterabs. iv MERL, welchen § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG umsetzt, gilt. Dann müsste der Zeitraum angegeben werden, in dem die beabsichtigten Kündigungen den betroffenen Arbeitnehmern zugehen werden. Das wäre insoweit systemkonform, als der Massenentlassungsschutz an den Zugang der Kündigungserklärung anknüpft (vgl. hierzu BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 34 mwN, BAGE 167, 102).

57

(b) Im Zeitpunkt der Einleitung des Konsultationsverfahrens kann der Arbeitgeber jedoch noch nicht angeben, wann die Kündigungen zugehen werden, denn dies hängt vom Verlauf des Konsultationsverfahrens, insbesondere dessen Dauer, ab. Ob und wie viele Kündigungen zu welchem Zeitpunkt erfolgen sollen, ist zudem gerade Gegenstand der zu führenden Beratungen. Es genügt daher jedenfalls zu Beginn des Konsultationsverfahrens die Mitteilung des Monats, in dem der Arbeitgeber nach seinem aktuellen Planungsstand die Kündigungen erklären will (vgl. MHdB ArbR/Spelge 5. Aufl. Bd. 2 § 121 Rn. 140; KR/Weigand/Heinkel 13. Aufl. § 17 KSchG Rn. 116; in diesem Sinne auch LKB/Bayreuther 16. Aufl. § 17 Rn. 79; ErfK/Kiel 22. Aufl. KSchG § 17 Rn. 22; Lembke/Oberwinter in Thüsing/Rachor/Lembke KSchG 4. Aufl. § 17 Rn. 104; aA Salamon NZA 2015, 789, 791: auf Zugang der Kündigungserklärung abstellend). Dies entspricht der bereits erwähnten (Rn. 52) unionsrechtlich determinierten Zielsetzung des Konsultationsverfahrens, welches der Arbeitnehmervertretung Einfluss auf die Willensbildung des Arbeitgebers ermöglichen soll, um ggf. Massenentlassungen zu vermeiden bzw. zu beschränken oder zumindest deren Folgen durch soziale Begleitmaßnahmen zu mildern (vgl. EuGH 3. März 2011 – C-235/10 ua. – [Claes] Rn. 56; BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 41 mwN, BAGE 167, 102). Das Bundesarbeitsgericht hat dementsprechend bei Angabe der Kündigungsfristen die Angabe ausreichen lassen, die Kündigungen sollten „möglichst im Juli ausgesprochen“ werden (BAG 28. Mai 2009 – 8 AZR 273/08 – Rn. 57).

58

(c) Ob der Arbeitgeber im Laufe des Konsultationsverfahrens verpflichtet ist, den geplanten Zeitraum der Entlassungen zu präzisieren, hängt vom Verlauf des Konsultationsverfahrens und des Planungsstands sowie vom Kenntnisstand der Arbeitnehmervertretung (dazu BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 41, BAGE 167, 102) ab. In der Rechtsprechung sowohl des EuGH als auch des Bundesarbeitsgerichts ist wegen der Dynamik des Verfahrens anerkannt, dass die erforderlichen Auskünfte seitens des Arbeitgebers zwar nicht unbedingt zum Zeitpunkt der Eröffnung der Konsultationen zu erteilen sind, er sie aber „im Verlauf des Verfahrens“ zu vervollständigen und alle einschlägigen Informationen bis zu dessen Abschluss zu erteilen hat (EuGH 10. September 2009 – C-44/08 – [Akavan Erityisalojen Keskusliitto AEK ua.] Rn. 52 f.; BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – aaO; 26. Februar 2015 – 2 AZR 955/13 – Rn. 29, BAGE 151, 83). Eine erneute Unterrichtung bzw. Ergänzung der bisher erteilten Informationen bezüglich des Zeitraums iSv. § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG ist aber nicht erforderlich, wenn der Betriebsrat bzw. die sonstige Arbeitnehmervertretung die aktuelle Planung des Zeitablaufs ohnehin kennt oder zumindest einschätzen kann. Dies ist insbesondere der Fall, wenn das Konsultationsverfahren selbst eine Verzögerung bewirkt hat, der Arbeitgeber aber erkennbar an der Massenentlassung konzeptionell unverändert festhalten will.

59

(d) Der Senat kann die hier erfolgte Unterrichtung abschließend beurteilen. In der Gesamtschau mag zwar noch nicht abschließend geklärt sein, wie weit das Unionsrecht zum Umfang der Auskunftspflicht in Massenentlassungssachen Vorgaben macht (vgl. BVerfG 3. September 2018 – 1 BvR 552/17 – Rn. 5). Ob aber die nach dem Unionsrecht für ein ordnungsgemäßes Konsultationsverfahren erforderlichen Informationen im konkreten Einzelfall erteilt wurden, haben nach der Aufgabenverteilung zwischen dem EuGH und den nationalen Gerichten letztere zu entscheiden (BAG 26. Oktober 2017 – 2 AZR 298/16 – Rn. 27; in diesem Sinne auch EuGH, Schlussanträge der Generalanwältin Sharpston 21. Juni 2018 – C-61/17 – [Bichat] Rn. 67).

60

(e) Vorliegend hat der Beklagte der PV Kabine mit Schreiben vom 17. April 2020 mitgeteilt, dass die geplanten Entlassungen nach Durchführung und Abschluss des Konsultationsverfahrens sowie unter Beachtung der sonstigen Formalien und Beteiligungsverfahren erfolgen sollen. Aufgrund der in den Beteiligungsverfahren geltenden Fristen sei beabsichtigt, die Entlassungen ab Ende des Monats Mai 2020 vorzunehmen. Die Kündigungen sollten unter Berücksichtigung des § 113 InsO erklärt werden, soweit nicht eine kürzere vertragliche bzw. tarifvertragliche Kündigungsfrist einschlägig sei. Damit hat er unmissverständlich deutlich gemacht, für welchen Zeitpunkt er die Kündigungen plante und dass die Beendigung der noch bestehenden Arbeitsverhältnisse nach Abschluss der erforderlichen Beteiligungsverfahren so schnell wie möglich erfolgen sollte. Diese Unterrichtung entspricht den oben (Rn. 55 ff.) dargestellten Vorgaben des § 17 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 KSchG. Entgegen der Auffassung der Revision bedurfte es keiner weiteren Erläuterung, warum von der Kündigungsmöglichkeit des § 113 InsO Gebrauch gemacht werden sollte. Dies folgt schon aus der insolvenzrechtlichen Abwicklungsverpflichtung des Beklagten.

61

(f) Einer weiteren Konkretisierung im Laufe des Konsultationsverfahrens bedurfte es bezogen auf den zu benennenden Zeitraum der Entlassungen nicht. Entgegen der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutlich gewordenen Annahme der Revision ist diese Information nicht erforderlich, um der Arbeitnehmervertretung „Planungssicherheit“ darüber zu verschaffen, wie lange sie noch konkrete Vorschläge in das Verfahren einbringen kann. Sie ist vielmehr lediglich Bestandteil der dem Gremium mitzuteilenden Informationen über den Planungsstand, mit dem der Arbeitgeber in das Konsultationsverfahren geht. Ob es bezüglich dieses Zeitpunkts beim mitgeteilten Planungsstand bleibt, ist nach dem Zweck des Konsultationsverfahrens gerade Teil der darin erfolgenden Erörterungen, deren Ergebnis es ua. sein kann, dass die geplanten Entlassungen verschoben werden und so die Massenentlassungen beschränkt bzw. deren Folgen abgemildert werden. Eine ergänzende Information ist daher nur erforderlich, wenn der Arbeitgeber den Zeitpunkt der Entlassungen nicht allein wegen der Dauer des Konsultationsverfahrens oder als Ergebnis dieses Verfahrens, sondern aus Gründen verschiebt, die der Arbeitnehmervertretung unbekannt sind. Ein solcher Fall liegt zB vor, wenn der Arbeitgeber mehrere Gremien beteiligen muss, mit diesen getrennte Konsultationsverfahren durchführt und aufgrund der Erörterung in einem dieser Verfahren den Entlassungszeitpunkt verschiebt. Das muss er den anderen Gremien mitteilen (vgl. BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 69, BAGE 169, 362).

62

Vorliegend wusste die PV Kabine aus dem Konsultationsverfahren heraus, dass sich die Kündigungserklärungen allein aufgrund der Dauer des Konsultationsverfahrens verschieben würden. Sie hatte selbst durch ihre Nachfragen, berechtigt oder nicht, das Verfahren verzögert. An der ursprünglichen, der PV Kabine aus der Unterrichtung bekannten Absicht des Beklagten, die Kündigungen so schnell wie möglich nach Abschluss des Konsultationsverfahrens und weiterer Beteiligungsverfahren zu erklären, hatte sich hierdurch jedoch entgegen der Auffassung der Revision offensichtlich nichts geändert. Der Beklagte hat entsprechend der angekündigten Vorgehensweise zunächst das Konsultationsverfahren mit dem Ziel eines einvernehmlichen Abschlusses betrieben. Dabei ist es entgegen der Ansicht der Revision ohne Belang, ob sich dieses unnötigerweise auch auf Stationen wie Köln bezogen hat, welche wegen der geringen Beschäftigtenzahl nicht von einer Massenentlassung betroffen waren. Der Beklagte wollte die PV Kabine damit erkennbar umfassend informieren. Dies ist nicht zu beanstanden. Gleiches gilt für den Umstand, dass der Beklagte das Konsultationsverfahren in zeitlicher Hinsicht nicht mit Blick auf die Zwei-Wochen-Frist des § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG beschleunigt durchgeführt hat und diese Frist wegen der ergänzenden Unterrichtungen mit Schreiben vom 20. Mai 2020 und 5. Juni 2020 bezogen auf Entlassungen ab Ende Mai 2020 nicht hätte wahren können. Eine intensive Beratung, welche die Nachfragen der Arbeitnehmervertretung aufgreift, entspricht der Zielsetzung des Konsultationsverfahrens. Letztlich konnte die PV Kabine während des Konsultationsverfahrens den angepassten Zeitraum ohne weitere Unterrichtung selbst einschätzen.

63

b) Der Beklagte hat mit der PV Kabine ausreichend gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 KSchG beraten und durfte die Konsultation mit Schreiben vom 5. August 2020 beenden.

64

aa) Im Konsultationsverfahren besteht kein Einigungszwang und erst recht kein Zwang für den Arbeitgeber, die Vorstellungen des Betriebsrats zu übernehmen (BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 48, BAGE 167, 102). Es reicht aus, wenn der Arbeitgeber mit dem ernsthaften Willen zur Einigung in die Verhandlungen mit dem Betriebsrat geht (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – Rn. 57, BAGE 142, 202) und bereit ist, dessen abweichende Vorschläge ins Kalkül zu ziehen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dem steht nicht entgegen, dass der Arbeitgeber die Vermeidung oder Einschränkung von Entlassungen von bestimmten Bedingungen abhängig macht. Auch eine absolute Verhandlungs(mindest)dauer ist weder nach nationalem noch nach Unionsrecht vorgeschrieben (vgl. BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 51 aaO; 16. Mai 2007 – 8 AZR 693/06 – Rn. 42). Die Konsultationen sind ohne Einigung der Betriebsparteien beendet, wenn der Arbeitgeber annehmen darf, es bestehe kein Ansatz für weitere, zielführende Verhandlungen (vgl. BAG 26. Februar 2015 – 2 AZR 955/13 – Rn. 29, BAGE 151, 83). Dem Arbeitgeber kommt in diesem Rahmen eine Beurteilungskompetenz zu, wann er den Beratungsanspruch des Betriebsrats als erfüllt ansieht (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 143, BAGE 170, 244; 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 50, BAGE 157, 1).

65

bb) Hiervon ausgehend wurde der Beratungsanspruch der PV Kabine erfüllt. Dies verdeutlicht insbesondere die Reaktion des Beklagten auf die Nachfragen, welche die PV Kabine mit Schreiben vom 4. Juni 2020 und 20. Juli 2020 stellte. Der Beklagte nahm hierzu mit Schreiben vom 17. Juni 2020 und 27. Juli 2020 ausführlich Stellung. Hinzu kommt die Beratung im Rahmen der Telefonkonferenz am 2. Juli 2020, welche ausweislich der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ebenfalls die Nachfragen der PV Kabine zum Gegenstand hatte. In der Gesamtschau beschränkte sich der weitere Erörterungsbedarf der PV Kabine zum 5. August 2020 auf den von ihr angenommenen Betriebs(teil)übergang. Der Senat hatte jedoch bereits am 14. Mai 2020 entschieden, dass es zu keinem Betriebs(teil)übergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB gekommen ist (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 57 ff., BAGE 170, 244). Hierauf hat der Beklagte im Konsultationsverfahren zuletzt mit Schreiben vom 10. Juli 2020 zu Recht verwiesen und durfte deshalb diesbezügliche Fragen der PV Kabine unbeantwortet lassen. Der Hinweis der PV Kabine auf die Bedenken des Achten Senats des Bundesarbeitsgerichts, welche dieser in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2020 (- 8 AZR 215/19 – Rn. 66 ff., BAGE 170, 98) geäußert hat, ist demgegenüber unbeachtlich. Bei diesen Überlegungen handelt es sich um ein obiter dictum. Es ist nicht zu beanstanden, dass sich der Beklagte daran orientiert hat, dass der erkennende Senat entscheidungserheblich über das Vorliegen eines Betriebs(teil)übergangs befunden hat. Dies musste auch der PV Kabine bewusst sein. Es drängt sich daher der Eindruck auf, dass die weitere Thematisierung des Betriebs(teil)übergangs nur der Verzögerung des Verfahrens dienen sollte. Hierfür sprechen auch offensichtlich sachfremde Fragen wie die nach den durch die Einsetzung eines Generalbevollmächtigten verursachten Kosten.

66

7. Die Kündigung ist nicht gemäß § 17 Abs. 3 KSchG iVm. § 134 BGB unwirksam.

67

a) Dabei kann offenbleiben, ob ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG zur Unwirksamkeit der Kündigung führen würde (vgl. hierzu das Vorabentscheidungsersuchen BAG 27. Januar 2022 – 6 AZR 155/21 (A) – Rn. 24 ff.). Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber der Agentur für Arbeit gleichzeitig (mit der Unterrichtung) eine Abschrift der Mitteilung an den Betriebsrat nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG zuzuleiten. Der Beklagte hat mit der Klageerwiderung behauptet, dass dies hier geschehen sei. Die Klägerin hat dies in den Tatsacheninstanzen nicht bestritten. Der Vortrag gilt demnach als zugestanden (§ 138 Abs. 3 ZPO). Wenn die Klägerin dies nunmehr erstmals in der Revisionsinstanz bestreitet, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz nicht mehr berücksichtigt werden kann (BAG 24. Januar 1990 – 4 AZR 525/89 – Rn. 14). Dass sich der klägerische Vortrag in den Tatsacheninstanzen nicht mit § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG befasst hat, räumt die Revision indirekt dadurch ein, dass sie nur auf die pauschale Rüge einer fehlerhaften Massenentlassungsanzeige in der Klageschrift verweist und sich im Übrigen gegen die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts, wonach bei einem Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 1 KSchG jedenfalls kein Unwirksamkeitsgrund gegeben sei, wendet.

68

b) Die Massenentlassungsanzeige vom 18. August 2020 wurde vor Erklärung der streitgegenständlichen Kündigung ordnungsgemäß bei der zuständigen Agentur für Arbeit Düsseldorf erstattet.

69

aa) Der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG maßgebliche Betrieb befand sich in Düsseldorf (Rn. 45 ff.). Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anzeigeerstattung, welche nach Beendigung des Konsultationsverfahrens und vor Zugang der Kündigungen erfolgen muss, war demnach die Agentur für Arbeit Düsseldorf für das Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 3 KSchG zuständig. Die weitergehenden Rügen der Revision sind unbegründet.

70

(1) Die Revision missversteht die Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 22. September 2016 (- 2 AZR 276/16 – BAGE 157, 1), wenn sie annimmt, dass demnach bei einer Auflösung bisheriger Betriebsstrukturen die Massenentlassungsanzeige nicht mehr am früheren, bereits durch Stilllegung aufgelösten Betriebssitz erstattet werden könne. In dem dort entschiedenen Fall wurde eine Massenentlassungsanzeige bezüglich beabsichtigter Nachkündigungen nach Betriebsstilllegung sowohl bei der für den früheren Betriebssitz als auch bei der für den Beschäftigungsbetrieb zuständigen Agentur für Arbeit erstattet (Rn. 14 der vorgenannten Entscheidung). Dies hat der Zweite Senat gebilligt (Rn. 70 der vorgenannten Entscheidung). Damit wurde die hier zu beurteilende Fallkonstellation nicht entschieden. Vorliegend wurden nicht zwei identische Anzeigen gegenüber den beiden in Betracht kommenden Agenturen erstattet. Nur diese, auf Absicherung bedachte, Vorgehensweise hat der Zweite Senat beurteilt und zutreffend für ordnungsgemäß erachtet. In der hier zu entscheidenden Konstellation hat sich der Beklagte aber dazu entschieden, bezüglich des an einer Station beschäftigten Personals nur eine Anzeige bei der seiner Ansicht nach zuständigen Agentur zu erstatten. Dies war bei den Kündigungen vom Januar 2018 auch schon der Fall, weshalb der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 14. Mai 2020 auf den unterschiedlichen Sachverhalt hingewiesen hat (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 125, BAGE 170, 244). Daraus ist lediglich zu folgern, dass es bei nur einer Anzeigeerstattung nach der Stilllegung auf die Zuständigkeit der gewählten Agentur für Arbeit ankommt.

71

(2) Hinsichtlich dieser örtlichen Zuständigkeit trifft § 17 KSchG selbst keine ausdrückliche Regelung. Aus dem Zweck des Anzeigeverfahrens folgt aber, dass die Anzeige bei der Agentur für Arbeit zu erstatten ist, bei der es zu den innerhalb der Sperrfrist zu bewältigenden sozioökonomischen Auswirkungen kommt (vgl. EuGH 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 47 f.). Diese treten nach der Vorstellung der MERL typischerweise am Sitz des Betriebs auf, dessen örtliche Gemeinschaft von der Massenentlassung betroffen ist. Dort bzw. in dessen räumlicher Nähe wohnen die Arbeitnehmer, melden sich arbeitsuchend und würden den Arbeitsmarkt und damit auch die sozialen Verhältnisse belasten (BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 78, BAGE 169, 362; Spelge NZA-Beilage 2021, 34, 35, 38). Für die durch die Massenentlassung verursachten Vermittlungsbemühungen macht es keinen Unterschied, ob der Betrieb noch existiert oder vollständig stillgelegt wurde. Entscheidend ist, dass der zuständigen Behörde iSv. Art. 4 Abs. 2 MERL ermöglicht wird, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen, also die besonderen sozioökonomischen Auswirkungen zu bewältigen, die solche Entlassungen in einem bestimmten örtlichen Kontext und einer bestimmten sozialen Umgebung hervorrufen können (vgl. EuGH 13. Mai 2015 – C-182/13 – [Lyttle ua.] Rn. 32; 15. Februar 2007 – C-270/05 – [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28; BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 467/21 – Rn. 23).

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(3) Entgegen der Auffassung der Revision steht das Verwaltungsverfahrensrecht einer Zuständigkeit der Agentur für Arbeit Düsseldorf nicht entgegen. Dabei kann unentschieden bleiben, ob man die örtlich zuständige Agentur für Arbeit anhand einer richtlinienkonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG oder des § 327 Abs. 4 SGB III bestimmt (ebenso BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 79, BAGE 169, 362). § 17 Abs. 3 iVm. Abs. 1 KSchG begründet in Verbindung mit den „Fachlichen Weisungen“ der Bundesagentur für Arbeit (vgl. hierzu BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 78, aaO) jedenfalls wegen der Besonderheiten des Massenentlassungsrechts, das, wie ausgeführt, auf die sozioökonomischen Auswirkungen und damit einen speziellen örtlichen Bezug abstellt, in der gebotenen unionsrechtskonformen Auslegung der Zuständigkeitsvorschriften eine eigenständige und umfassende Zuständigkeit der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der betroffene Betrieb seinen Sitz hat oder hatte. Diese umfasst dann wegen der in § 18 Abs. 1 KSchG vorgesehenen Verknüpfung mit dem Anzeigeverfahren auch die Kompetenz zum Erlass von Verwaltungsakten im Rahmen von §§ 18, 20 KSchG. Dementsprechend kann die Revision keine Rechtsprechung benennen, die eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG veranlassen würde.

73

bb) Die Anzeige vom 18. August 2020 enthält die nach § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG erforderlichen Angaben bezüglich des Konsultationsverfahrens mit der PV Kabine.

74

(1) Nach § 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG hat der Arbeitgeber, der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 KSchG verpflichtet ist, der Agentur für Arbeit Entlassungen anzuzeigen, seiner schriftlichen Anzeige die Stellungnahme des Betriebsrats „zu den Entlassungen“ beizufügen. Gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG ist die Massenentlassungsanzeige auch dann wirksam erfolgt, wenn zwar keine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats vorliegt, der Arbeitgeber aber glaubhaft macht, dass er das Gremium mindestens zwei Wochen vor Erstattung der Anzeige nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG unterrichtet hat, und er gleichzeitig den Stand der Beratungen darlegt. Nach dem Zweck des Anzeigeverfahrens (dazu ausführlich BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 71, 75, 81, 93 und 109, BAGE 169, 362) muss durch die Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats oder – ersatzweise – die Darlegung des Beratungsstands die Durchführung und ggf. das Ergebnis des Konsultationsverfahrens dokumentiert werden. Die Arbeitsverwaltung soll beurteilen können, ob die Betriebsparteien auf der Grundlage ausreichender Informationen tatsächlich über die geplanten Massenentlassungen und insbesondere deren Vermeidung beraten haben (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – Rn. 53, BAGE 142, 202). Daneben soll sie Kenntnis von einer – eventuell dem Arbeitgeber ungünstigen – Sichtweise des Betriebsrats erlangen (BAG 21. März 2013 – 2 AZR 60/12 – Rn. 44, BAGE 144, 366; 21. März 2012 – 6 AZR 596/10 – Rn. 21 f.). Dementsprechend ist die Massenentlassungsanzeige unwirksam, wenn der Arbeitgeber ihr eine Stellungnahme des Betriebsrats nicht beifügt (§ 17 Abs. 3 Satz 2 KSchG) bzw. er Darlegungen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG unterlässt oder den Stand der Beratungen mit dem Betriebsrat in einer Weise irreführend darstellt, die geeignet ist, eine für ihn – den Arbeitgeber – günstige Entscheidung der Behörde zu erwirken (BAG 14. Mai 2020 – 6 AZR 235/19 – Rn. 136, BAGE 170, 244; 22. September 2016 – 2 AZR 276/16 – Rn. 24, BAGE 157, 1).

75

(2) Vorliegend hat der Beklagte mit dem das Formularblatt ergänzenden Schreiben vom 18. August 2020, welches am Folgetag bei der Agentur für Arbeit Düsseldorf eingegangen ist, den Stand der Beratungen ausführlich und zutreffend dargestellt. Insbesondere wurde mitgeteilt, dass das Konsultationsverfahren durch den Beklagten mit Schreiben vom 5. August 2020 für beendet erklärt wurde. Die angeführte Glaubhaftmachung des Vortrags erfolgte durch Übersendung des unstreitig geführten Schriftverkehrs mit der PV Kabine. Dies ist ausreichend (APS/Moll 6. Aufl. KSchG § 17 Rn. 118). Die Zwei-Wochen-Frist wurde gewahrt, weil die PV Kabine spätestens durch das per E-Mail versandte Schreiben des Beklagten vom 27. Juli 2020 die nach § 17 Abs. 2 Satz 1 KSchG vorgeschriebenen Informationen erhalten hatte und damit iSd. § 17 Abs. 3 Satz 3 KSchG „unterrichtet“ worden war.

76

(3) Die Rüge der Revision, wonach das Formblatt unter Ziffer 41 widersprüchlich ausgefüllt worden sei, greift nicht durch. Das Landesarbeitsgericht hat diesbezüglich rechtsfehlerfrei ausgeführt, dass das Formblatt bezüglich der „Stellungnahme des Betriebsrats“ keine Felder für drei Arbeitnehmervertretungen vorsehe und deshalb nicht „richtig“ ausgefüllt werden könne. Die maßgeblichen Informationen sind jedoch in dem Begleitschreiben zutreffend übermittelt worden.

77

cc) Die Anzeige beinhaltet auch die nach § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG erforderlichen Angaben. Sie stellt aus den genannten Gründen zutreffend auf die vormalige Station Düsseldorf ab. Soweit die Revision rügt, bei der Nennung der in der Regel Beschäftigten sei ein Arbeitnehmer unberücksichtigt geblieben, ist dies im vorliegenden Fall unbeachtlich. Bei 358 benannten Beschäftigten handelt es sich um eine marginale Abweichung, welche keinen Einfluss auf die Tätigkeit der Agentur für Arbeit hat. Mit dem Zweck der Massenentlassungsanzeige stünde es nicht im Einklang, wenn die fehlende Angabe einer einzigen Entlassung die Auflösung der Arbeitsverhältnisse auch aller anderen von der Massenentlassungsanzeige erfassten Arbeitnehmer hindern würde (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – Rn. 50, BAGE 142, 202; im Ergebnis ebenso BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 467/21 – Rn. 24). Zudem können sich ohnehin nur die Arbeitnehmer, die von der Massenentlassungsanzeige nicht erfasst sind, auf die zu niedrige Angabe der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer berufen (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – aaO).

78

dd) Der Beklagte hat im Rahmen der Mitteilung der Sozialdaten auch die sog. „Soll-Angaben“ nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht (vgl. hierzu BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 467/21 – Rn. 13 ff.).

79

ee) Ein etwaiger Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG stünde der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat eine Abschrift der Anzeige zuzuleiten. Es handelt sich hierbei nicht um ein Verbotsgesetz iSv. § 134 BGB. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

80

(1) § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG entspricht Art. 3 Abs. 2 MERL. Die Weiterleitung der Anzeige dient lediglich der Information der Arbeitnehmervertretung, nicht der Erfüllung der Aufgaben der Arbeitsverwaltung (EuArbRK/Spelge 4. Aufl. RL 98/59/EG Art. 3 Rn. 28). Auf dieser Grundlage kann der Betriebsrat bzw. die sonstige Arbeitnehmervertretung dann nach § 17 Abs. 3 Satz 7 KSchG gegenüber der Agentur für Arbeit weitere Stellungnahmen abgeben.

81

(2) Ein Verstoß gegen § 17 Abs. 3 Satz 6 KSchG führt nicht zur Unwirksamkeit der Anzeige und damit der Kündigung (ErfK/Kiel 22. Aufl. KSchG § 17 Rn. 33; HaKo-KSchR/Pfeiffer 7. Aufl. KSchG § 17 Rn. 79). Es besteht offenkundig kein Bezug zur individualrechtlichen Ebene (LKB/Bayreuther 16. Aufl. § 17 Rn. 135). Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass Stellungnahmen des Betriebsrats zur Anzeige erst nach dem Zugang der Kündigung erfolgen können, wenn der Arbeitgeber die Kündigungen sofort nach Eingang der Anzeige erklärt (zur Zulässigkeit dieser Vorgehensweise: BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 33, BAGE 167, 102; 6. November 2008 – 2 AZR 935/07 – Rn. 25, BAGE 128, 256). Die Wirksamkeit einer Kündigung bestimmt sich aber nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt ihres Zugangs (vgl. BAG 17. Februar 2016 – 2 AZR 613/14 – Rn. 26; 18. Oktober 2012 – 6 AZR 41/11 – Rn. 66). Daraus ergibt sich, dass sich das Wechselspiel von Information und Stellungnahme auf einen kündigungsrechtlich irrelevanten Zeitraum bezieht (vgl. Schubert/Schmitt JbArbR Bd. 59 S. 81, 104).

82

(3) Auch das Unionsrecht verlangt offenkundig bei einem Verstoß gegen die Weiterleitungspflicht keine Unwirksamkeit der betroffenen Kündigungen, weshalb diesbezüglich keine Vorlagepflicht nach Art. 267 AEUV besteht (vgl. hierzu EuGH 6. Oktober 2021 – C-561/19 – [Consorzio Italian Management e Catania Multiservizi] Rn. 39 ff.). Der unionsrechtlich determinierte Arbeitnehmerschutz bei Massenentlassungen knüpft an den Zeitpunkt der Entlassung und damit ebenfalls an den Zugang der Kündigungserklärung an (BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 34, BAGE 167, 102; 26. Januar 2017 – 6 AZR 442/16 – Rn. 23, BAGE 158, 104 unter Verweis auf EuGH 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 39). Wann eine Kündigung als einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, mit der ein Gestaltungsrecht ausgeübt wird, wirksam wird, richtet sich nach dem jeweiligen Recht des Mitgliedstaates (EuGH 21. Dezember 2016 – C-201/15 – [AGET Iraklis] Rn. 29 ff., 33) und darum nach § 130 Abs. 1 BGB. Der danach maßgebliche Zugang liegt vor, wenn die Willenserklärung derart in den Machtbereich des Empfängers gerät, dass dieser nach allgemeinen Umständen von ihr Kenntnis erlangen kann.

83

8. Die Kündigung scheitert auch nicht an einer fehlerhaften Anhörung der PV Kabine vor Erklärung der Kündigung.

84

a) § 74 Abs. 1 TVPV ist § 102 Abs. 1 BetrVG nachgebildet. Die hierzu ergangene Rechtsprechung kann deshalb auf § 74 Abs. 1 TVPV übertragen werden. Der Inhalt der Unterrichtung ist dementsprechend nach ihrem Sinn und Zweck grundsätzlich subjektiv determiniert. Die Personalvertretung soll die Stichhaltigkeit und Gewichtigkeit der Kündigungsgründe überprüfen, um sich über sie eine eigene Meinung bilden zu können. Der Arbeitgeber muss daher grundsätzlich nur die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Dem kommt der Arbeitgeber nicht nach, wenn er der Personalvertretung bewusst einen unrichtigen oder unvollständigen – und damit irreführenden – Kündigungssachverhalt schildert, der sich bei der Würdigung durch die Personalvertretung zum Nachteil des Arbeitnehmers auswirken kann. Die subjektive Überzeugung des Arbeitgebers von der Relevanz oder Irrelevanz bestimmter Umstände ist zudem für den Umfang der Unterrichtung dann nicht maßgeblich, wenn dadurch der Zweck der Anhörung verfehlt würde (vgl. zu § 102 BetrVG BAG 5. Dezember 2019 – 2 AZR 240/19 – Rn. 43 f. mwN).

85

b) Nach diesen Grundsätzen hat der Beklagte mit Schreiben vom 7. August 2020 und 17. August 2020 nebst Anlagen die PV Kabine ordnungsgemäß über die beabsichtigte Kündigung aller Mitglieder des Kabinenpersonals einschließlich der Klägerin unterrichtet. Dies hat das Landesarbeitsgericht rechtsfehlerfrei entschieden. Die Unterrichtung enthält die erforderlichen Angaben bezüglich des Kündigungsgrundes, der Sozialdaten und der – für nicht erforderlich gehaltenen – Sozialauswahl. Bezüglich des tariflichen Sonderkündigungsschutzes und § 2 Abs. 2 TV Pakt musste keine Unterrichtung erfolgen, weil diese Regelungen für den Kündigungsentschluss des Beklagten ohne Bedeutung waren. Zudem hat der Beklagte deutlich gemacht, dass er allen Beschäftigten längstens mit der Frist des § 113 Satz 2 InsO kündigen will. Damit war klar, dass er meinte, einen tariflichen Sonderkündigungsschutz nicht beachten zu müssen. Bezüglich des TV Pakt durfte er davon ausgehen, dass es mangels dessen Anwendbarkeit keiner Unterrichtung bedarf. Dies war durch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bereits geklärt (BAG 21. Januar 2020 – 1 AZR 149/19 – Rn. 26 ff., BAGE 169, 243). Soweit die Revision noch anführt, die Mitteilung in der Anhörung, wonach eine Massenentlassungsanzeige für die in Köln stationierten Arbeitnehmer nicht zu erstatten sei, sei falsch, ist dies unzutreffend. Die Rechtsansicht des Beklagten traf zu. Ob ein Massenentlassungsverfahren durchzuführen war, bestimmte sich nach den zuletzt im Flugbetrieb maßgeblichen Strukturen. Sofern im Zeitpunkt der Nachkündigungen das Arbeitsverhältnis von höchstens 20 der einer Station der Schuldnerin zugeordneten Arbeitnehmern noch nicht wirksam beendet worden war, musste für diese Station kein Massenentlassungsverfahren durchgeführt werden.

86

III. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Spelge    

        

    Heinkel    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

    Brand    

        

    Dr. S. Rönnau