3 AZR 65/24

Anerkennung von Erziehungszeiten als Wartezeit bei einer tarifvertraglich geregelten Besitzstandsrente

Dieser Sitzungstag war ursprünglich am 11.03.2025 um 10:30 Uhr.
Der neue Termin findet am 06.05.2025 um 12:45 Uhr statt

Details

  • Datum

    06.05.2025

  • Uhrzeit

    12:45 Uhr

  • Senat

    3. Senat

  • Aktenzeichen

    3 AZR 65/24

  • Art

    mündliche Verhandlung

  • Vorinstanz

    7 Sa 206/23
    Landesarbeitsgericht München

Vorbericht

Dritter Senat Dienstag, 6. Mai 2025, 12:45 Uhr

Tarifliche Besitzstandsrente – mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts – Anerkennung von Erziehungszeiten als Wartezeit

W. (DGB Rechtsschutz GmbH, Kassel)
./.
D. AG (RAe. LM Law, München)
– 3 AZR 65/24 –

Die Parteien streiten über die Anerkennung von Erziehungszeiten als Wartezeit bei einer tariflich geregelten Besitzstandsrente.

Seit dem 28. Juni 1990 bestand zwischen der Klägerin und der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin ein ununterbrochenes Arbeitsverhältnis, für das kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge für die Arbeiter der Deutschen Bundespost, insbesondere der Versorgungstarifvertrag (VTV) galten. Der VTV verwies bezüglich der Versicherungsbedingungen auf die Satzung der Versorgungsanstalt der Deutschen Bundespost (VAP-Satzung). In der VAP-Satzung steht ua.: „§ 34 Anspruch auf Versorgungsrente und Versicherungsrente (1) Tritt bei dem Versicherten, der die Wartezeit (§ 35) erfüllt hat, der Versicherungsfall (§ 36 I) ein und ist er in diesem Zeitpunkt a) pflichtversichert, hat er Anspruch auf Versorgungsrente für Versicherte (…) § 35 Wartezeit (1) Die Wartezeit ist nach einer Versicherungszeit von mindestens fünf Jahren erfüllt. Versicherungszeit sind Umlagemonate und die Zeit der freiwilligen Versicherung.“ Die Beklagte führte im Rahmen der Pflichtversicherung die entsprechenden Umlagen zum Arbeitsentgelt der Klägerin an die Versorgungsanstalt ab, nicht jedoch für die Zeiten ihres Erziehungsurlaubs in der Zeit vom 26. Februar 1992 bis zum 26. November 1996. Im Zusammenhang mit der Privatisierung der damaligen Deutschen Bundespost wurde die betriebliche Altersversorgung der Beklagten durch neue Regelungen abgelöst. Insbesondere wurde mit Tarifvertrag Nr. 18 vom 28. Februar 1997 der VTV mit Ablauf des 30. April 1997 außer Kraft gesetzt. Gleichzeitig trat zum 1. Mai 1997 der Tarifvertrag zur Regelung des Besitzstandes aus der bisherigen VAP-Zusatzversorgung in Kraft (TV BZV), der eine besondere Besitzstandskomponente regelte, die den Besitzstand gemäß des bis zum 30. April 1997 geltenden VTV abbildete, ergänzt um eine modifizierte Betriebsrente. Die Besitzstandswahrungskomponente des TV BZV vom 28. Februar 1997 wurde später durch Tarifvertrag modifiziert und ist seitdem als sog. Besitzstandsbetrag ausgestaltet. Die hierzu gehörigen aktuellen Regelungen des TV BZV (Tarifvertrag Nr. 18) vom 28. Februar 1997 idF vom 1. Januar 2016 lauten ausschnittsweise wie folgt: Der Besitzstandsbetrag wird nur gewährt, wenn am 31. Dezember 2001 eine Anwartschaft auf Besitzstandswahrungskomponente bestand.

Mit ihrer Klage verlangt die Klägerin die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihre Erziehungszeiten vom 26. Februar 1992 bis zum 26. November 1996 als Wartezeit bei der Berechnung der Besitzstandsrente anzuerkennen. Sie meint, dass die Erziehungszeiten bei der Wartezeit iSd. § 35 VAP-Satzung anzuerkennen seien, mit der Folge, dass ihr eine Besitzstandsrente im Falle der Post-Beschäftigungsunfähigkeit zustünde, die bei einem Eintritt des Versorgungsfalls ca. 80,00 Euro pro Monat betragen würde. Dass nach § 2 TV Nr. 18 der Besitzstandsbetrag nur gezahlt werde, wenn am 31. Dezember 2001 eine Anwartschaft auf eine Besitzstandskomponente nach der VAP-Satzung bestanden hat, sei nicht rechtens, denn die Nichtberücksichtigung von Erziehungszeiten sei eine mittelbare Diskriminierung wegen des Geschlechts, da hauptsächlich Frauen diese Erziehungszeiten in Anspruch nähmen und eine Rechtfertigung für die Nichtberücksichtigung nicht gegeben sei. Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz sei gegeben. Im Rahmen der Betriebsrente Post werde die gesetzliche Elternzeit explizit bei der Erfüllung der Wartezeit anerkannt. Die Beklagte vertritt dagegen die Rechtsauffassung, dass die vorliegende Rechtsfrage bereits durch die Entscheidung des Senats vom 20. April 2010 – 3 AZR 370/08 – zu ihren Gunsten geklärt worden sei. Eine Berücksichtigung des Erziehungsurlaubs bei der Berechnung der Besitzstandsrente ergebe sich weder aus den tarifvertraglichen Regelungen noch aus dem Vorgaben des AGG noch aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz. Ein Arbeitgeber müsse dann keine Beiträge zur betrieblichen Altersversorgung leisten, wenn das Arbeitsverhältnis, wie im Falle des Erziehungsurlaubs, im Ganzen ruhe. Zudem habe sich die Neuregelung der betrieblichen Altersversorgung zum 1. Mai 1997 bei der Klägerin nicht wie von ihr behauptet „anspruchsvernichtend“ ausgewirkt, denn die Versicherungszeiten in der damaligen VAP-Versorgung seien in die neue Altersversorgung mit einem Faktor 1,4 überführt worden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 28. November 2023 – 7 Sa 206/23 –