6 AZR 155/23

Kirchliche Arbeitsrechtsregelung - Begrenzung der Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber auf das Einstellungsalter 45 - Altersdiskriminierung? - Wiedereinsetzung - Sorgfaltspflichten des Anwalts bei der Fristüberprüfung

Details

  • Datum

    20.02.2025

  • Uhrzeit

    10:45 Uhr

  • Senat

    6. Senat

  • Aktenzeichen

    6 AZR 155/23

  • Art

    mündliche Verhandlung

  • Vorinstanz

    7 Sa 493/22
    Landesarbeitsgericht München

Vorbericht

Sechster Senat Donnerstag, 20. Februar 2025, 10:45 Uhr

Kirchliche Arbeitsrechtsregelung – Begrenzung der Übernahme der Rentenversicherungsbeiträge des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber auf das Einstellungsalter 45 – Wiedereinsetzung – Sorgfaltspflichten des Anwalts bei der Fristüberprüfung

F. (RA. Dr. Melkus, Neutraubling)
./.
Schulstiftung Seligenthal (RAe. Floegel & Koll, Landshut)

– 6 AZR 155/23 –
Die Parteien streiten darüber, ob die Arbeitgeberin für den Kläger die Arbeitnehmeranteile zur Rentenversicherung aufgrund einer Regelung in den kirchlichen AVR zu übernehmen hat. Zudem ist über einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den Lauf der Revisionsbegründungsfrist zu entscheiden.

Der Kläger ist seit dem 1. August 2008 bei der Beklagten als Lehrer angestellt. Zu diesem Zeitpunkt war er 46 Jahre alt. Die volle Unterrichtsberechtigung erlangte er als Quereinsteiger im Alter von 49 Jahren. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Grundordnung des kirchlichen Dienstes sowie die Arbeitsvertragsrichtlinien der bayerischen Erzdiözesen (ABD) einschließlich der darin enthaltenen Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 I) in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. In den Sonderregelungen heißt es: „Bei Lehrkräften, deren Arbeitsverhältnis ab dem 20.07.2006 begonnen hat und bei denen die persönlichen Voraussetzungen für einen Versorgungszuschuss nach Art. 40 Absatz 1 bis 4 BaySchFG in der bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung (unbefristetes Arbeitsverhältnis, Hauptberuflichkeit, uneingeschränkte Unterrichtsgenehmigung, Höchstalter vollendetes 45. Lebensjahr) vorgelegen hätten, übernimmt der Schulträger die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gemäß § 168 SGB VI als mit einer Frist von sechs Monaten widerrufliche Leistung …“ Die in Bezug genommene Fassung von Art. 40 des Bayerischen Schulfinanzierungsgesetzes (BaySchFG) ist mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 außer Kraft getreten. Seit dem 1. Januar 2006 wird der Versorgungszuschuss für den Schulträger unabhängig vom Lebensalter der Lehrer gewährt. Für den Kläger trägt der Beklagte die Arbeitnehmerbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung aufgrund des Lebensalters des Klägers bei seiner Einstellung nicht.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Erstattung der von ihm in den Jahren 2018 bis 2021 zur gesetzlichen Rentenversicherung geleisteten Arbeitnehmerbeiträge von 19.456,20 Euro sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, seine Arbeitnehmerbeiträge zur Rentenversicherung zu übernehmen. Er erkennt in der Anwendung der vorgenannten Regelungen eine unzulässige Altersdiskriminierung. Es sei – insbesondere angesichts der Neufassung des Art. 40 BaySchFG – weder erforderlich noch angemessen, bei den im Einstellungszeitpunkt über 45-Jährigen die Arbeitnehmeranteile der gesetzlichen Rentenversicherung nicht zu übernehmen. Die Beklagte meint demgegenüber, die im Streit stehende Altersdifferenzierung sei gerechtfertigt. Sie diene (weiterhin) dem legitimen Zweck, einen Versorgungsgleichlauf mit verbeamteten Lehrkräften herzustellen und damit der Vermeidung einer Konkurrenzsituation zwischen staatlichen Schulen und privaten Schulträgern.

Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Nach fristgerechter Einlegung der Revision durch den Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist die Revisionsbegründungsfrist versäumt worden. Für seinen Wiedereinsetzungsantrag beruft sich der Kläger darauf, dass diese Frist von der dafür zuständigen und von seinem Prozessbevollmächtigten sorgfältig geschulten, unterwiesenen und stets fehlerfrei arbeiteten Mitarbeiterin zwar zutreffend berechnet, jedoch in dem noch analog geführten Fristenkalender unzutreffend eingetragen worden sei. Als Folgefehler sei auch die Vorfrist von ihr falsch notiert worden. In der Handakte sei jedoch sowohl hinsichtlich der Vorfrist als auch des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist das korrekte Datum vermerkt, sodass für ihn der Fehler bei Vorlage der Handakte nicht ersichtlich gewesen sei. Der Sechste Senat des Bundesarbeitsgerichts hatte mit Beschluss vom 23. Mai 2023 wegen einer beabsichtigten Änderung der Rechtsprechung zur Sorgfaltspflicht des Rechtsanwalts in Fristsachen beim Ersten, Dritten, Achten und Neunten Senat angefragt, ob diese an ihrer bisherigen Rechtsauffassung, nach der der Rechtsanwalt bei Vorlage der Handakten die ordnungsgemäße Notierung der Rechtsmittelbegründungsfrist im Fristenkalender zu kontrollieren hat, festhalten (vgl. Pressemitteilung Nr. 14/24).

Landesarbeitsgericht München, Urteil vom 14. Februar 2023 – 7 Sa 493/22 –