6 AZR 161/24
Verlängerung der Stufenlaufzeit nach einem tariflich festgelegten Stichtag für alle nach dem Stichtag neu Eingestellten - mittelbare Diskriminierung von befristet Beschäftigten? - Bildung von Vergleichsgruppen bei der Ermittlung einer mittelbaren Diskriminierung - Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von befristet und unbefristet Beschäftigten im Zuge der Rückführung ausgegliederter Beschäftigten zur Konzernmutter.
Vorbericht
Sechster Senat Donnerstag, 13. November 2025, 09:15 Uhr
Verlängerung der Stufenlaufzeit nach einem tariflich festgelegten Stichtag für alle nach dem Stichtag neu Eingestellten – Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung von befristet und unbefristet Beschäftigten im Zuge der Rückführung ausgegliederter Beschäftigter zur Konzernmutter
T. (DGB Rechtsschutz GmbH, Kassel)
./.
D. AG (RAe. Görg, Köln)
– 6 AZR 161/24 –
Die Parteien streiten darüber, ob die Stufenlaufzeit für Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. Juni 2019 aufgrund einer Befristung neu begründet wurde, wirksam tarifvertraglich verlängert worden ist.
Der Kläger ist seit dem 1. September 2017 als Verbundzusteller bei der Beklagten beschäftigt. Sein Arbeitsverhältnis war zunächst auf den 30. Juni 2019 befristet und wurde dann mit Sachgrund befristet verlängert bis längstens 7. Dezember 2019. Aufgrund eines Arbeitsvertrags vom 25. Oktober 2019 ist der Kläger seit 1. November 2019 unbefristet beschäftigt. Die Arbeitsverträge des Klägers sehen vor, dass auf das Arbeitsverhältnis ua. der Entgelttarifvertrag der Beklagten (ETV-DP AG) anzuwenden ist. Im Zuge der Reintegration von 48 D.-Regionalgesellschaften durch Verschmelzung auf die Beklagte wurde der Tarifvertrag Nr. 200 als Haustarifvertrag geschlossen. Er ändert § 4 Abs. 1 ETV-DP AG dahin, dass sich die Stufenlaufzeit für das Erreichen der Gruppenstufe 1 bzw. 2 für die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. Juni 2019 „neu begründet“ worden ist, verlängert (§ 4 Abs. 1 Buchst. b ETV-DP AG nF). In einer Erklärung zur Ergebnisniederschrift vom 22. März 2019 haben die Tarifvertragsparteien klargestellt, dass die Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ua. auch dann vorliegt, wenn sich ein unbefristetes Arbeitsverhältnis an ein bisheriges befristetes Arbeitsverhältnis anschließt. Dementsprechend hat die Beklagte den Kläger zunächst weiterhin aus der Gruppenstufe 1 vergütet.
Der Kläger ist der Auffassung, ihm stehe bereits seit dem 1. Oktober 2021 eine Vergütung nach der Gruppenstufe 2 zu. Ausgehend davon begehrt er mit seiner Klage neben der Zahlung rückständigen Entgelts die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, den 1. September 2017 als Tag der Begründung des Arbeitsverhältnisses für die jeweilige Zuordnung zur Gruppenstufe zugrunde zu legen. Er unterfalle als „Alt-Arbeitnehmer“ § 4 Abs. 1 Buchst. a ETV-DP AG und müsse deshalb von den für diesen Personenkreis kürzeren Stufenlaufzeiten profitieren. Die Verlängerung der Stufenlaufzeiten in § 4 Abs. 1 Buchst. b ETV-DP AG diskriminiere ihn als am 1. Juli 2019 befristet beschäftigten Mitarbeiter mittelbar gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, die vor dem 1. Juli 2019 unbefristet beschäftigt gewesen seien und daher von der Verlängerung der Stufenlaufzeiten nicht erfasst werden. Die Beklagte hat demgegenüber gemeint, der Kläger falle unter den Personenkreis des § 4 Abs. 1 Buchst. b ETV-DP AG und unterliege längeren Stufenlaufzeiten. Eine mittelbare Benachteiligung durch die streitbefangene Tarifregelung liege bei korrekter Bildung der Vergleichsgruppen nicht vor. Eine etwaige Ungleichbehandlung sei jedenfalls durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Darüber hinaus könne sich der Kläger nicht auf die Vorschrift des § 4 Abs. 2 TzBfG berufen, da zwischen den Parteien nunmehr ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestehe.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage.
Im April 2025 hat die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass für die Zwecke der Zuordnung zu einer Gruppenstufe aufgrund der Umstände des Einzelfalls künftig der 1. September 2017 zugrunde gelegt werde. Die weitere Zuordnung zu den Gruppenstufen erfolge nach der Regelung des § 4 Abs. 1 Buchst. a ETV-DP AG in der jeweils gültigen Fassung, wonach der Aufstieg in die nächsthöhere Gruppenstufe nach jeweils zwei Tätigkeitsjahren erfolgt. Gleichzeitig hat die Beklagte die eingeklagten Entgeltdifferenzen einschließlich der begehrten Zinsen nachgezahlt. Die Beklagte ist der Auffassung, dass sich die Anträge des Klägers, die sie nach wie vor nicht anerkenne, dadurch erledigt haben. Der Kläger ist demgegenüber der Auffassung, der Einwand der Erfüllung sei revisionsrechtlich nicht zu berücksichtigen. Zudem habe er im Hinblick auf den Feststellungsantrag ein fortwirkendes berechtigtes Interesse an der rechtskräftigen Feststellung, nach welcher Vorschrift sich die Stufenzuordnung richte.
Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 18. April 2024 – 18 Sa 1057/23 –
Das Verfahren war ursprünglich auf den 21. Mai 2025 angesetzt und wurde wegen der prozessualen Entwicklung verlegt.