9 AZR 76/22

Anrechnung von Zeiten angeordneter Quarantäne auf bewilligten Jahresurlaub

Details

  • Datum

    28.05.2024

  • Uhrzeit

    10:30 Uhr

  • Senat

    9. Senat

  • Aktenzeichen

    9 AZR 76/22

  • Art

    mündliche Verhandlung

  • Vorinstanz

    5 Sa 1030/21
    Landesarbeitsgericht Hamm

Vorbericht

Neunter Senat Dienstag, 28. Mai 2024, 10:30 Uhr

Behördlich angeordnete Quarantäne während des Urlaubs

  1. (DGB Rechtsschutz GmbH, Kassel)

./.

  1. GmbH (Märkischer Arbeitgeberverband e. V., Hagen)

– 9 AZR 76/22 –

Die Parteien streiten über einen Anspruch des Klägers auf Gutschrift von acht Urlaubstagen auf seinem Urlaubskonto und in diesem Zusammenhang darüber, ob der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub erfüllt wird, wenn für den bereits durch Urlaubsbewilligung festgelegten Urlaubszeitraum durch die zuständige Behörde häusliche Quarantäne wegen des Verdachts auf Ansteckung mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 angeordnet wird.

Der Kläger ist seit 1993 bei der Beklagten als Schlosser beschäftigt. Auf seinen Antrag bewilligte ihm die Beklagte acht Tage Erholungsurlaub für die Zeit vom 12. bis zum 21. Oktober 2020. Mit Bescheid vom 14. Oktober 2020 ordnete die Stadt Hagen die Absonderung des Klägers in häusliche Quarantäne für die Zeit vom 9. bis zum 21. Oktober 2020 an, weil er zu einer mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 infizierten Person Kontakt hatte. Für die Zeit der Quarantäne war es dem Kläger untersagt, seine Wohnung ohne ausdrückliche Zustimmung des Gesundheitsamts zu verlassen und Besuch von haushaltsfremden Personen zu empfangen. Die Beklagte belastete das Urlaubskonto des Klägers mit acht Tagen und zahlte ihm das Urlaubsentgelt.

Der Kläger hat die auf Wiedergutschrift der Urlaubstage auf seinem Urlaubskonto gerichtete Klage darauf gestützt, es sei ihm nicht möglich gewesen, seinen Urlaub selbstbestimmt zu gestalten. Die Situation bei einer Quarantäneanordnung sei der infolge einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit vergleichbar. Der Arbeitgeber müsse ihm deshalb entsprechend § 9 BUrlG, dem zufolge ärztlich attestierte Krankheitszeiten während des Urlaubs nicht auf den Jahresurlaub angerechnet werden dürfen, nachgewähren.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klageabweisung weiter. Der Neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Beantwortung der Frage ersucht, ob es mit Art. 7 der Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union im Einklang steht, wenn vom Arbeitnehmer beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer nach Urlaubsbewilligung durch die zuständige Behörde angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht nachzugewähren ist, weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war (vgl. Pressemitteilung des BAG Nr. 30/22 vom 16. August 2022). Der EuGH hat diese Frage im Rahmen eines ähnlich gelagerten Vorlageverfahrens mit Urteil vom 14. Dezember 2023 (- C-206/22 -) zwischenzeitlich beantwortet (vgl. Pressemitteilung des EuGH Nr. 189/23). Daraufhin hat der Neunte Senat seinen Vorlagebeschluss vom 16. August 2022 aufgehoben.

Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil vom 27. Januar 2022 – 5 Sa 1030/21 –