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10 AZR 108/19

Jubiläumsgeld nach dem TVöD-AT - Beschäftigungszeit - Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten in Überleitungsfällen

Court Details

  • File Number

    10 AZR 108/19

  • ECLI Number

    ECLI:DE:BAG:2021:240221.U.10AZR108.19.0

  • Type

    Urteil

  • Date

    24.02.2021

  • Senate

    10. Senat

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 23. Oktober 2018 – 5 Sa 18/18 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Jubiläumsgeld.

2

Der Kläger war vom 1. November 1991 bis zum 31. Dezember 2001 bei der Stadt Wolfsburg beschäftigt. Seit dem 1. Januar 2002 ist er bei der beklagten Stadt Waren (Müritz) angestellt.

3

Der schriftliche Arbeitsvertrag der Parteien sieht in § 2 vor, dass sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) jeweils geltenden Fassung bestimmt.

4

Nach § 2 Abs. 1 des Tarifvertrags zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) vom 13. September 2005 ersetzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst – Allgemeiner Teil – (TVöD-AT) vom 13. September 2005 iVm. dem TVÜ-VKA mit Wirkung vom 1. Oktober 2005 ua. den BAT-O. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT erhalten Arbeitnehmer bei Vollendung einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren iSv. § 34 Abs. 3 TVöD-AT ein Jubiläumsgeld iHv. 350,00 Euro.

5

§ 34 TVöD-AT lautet in der am 1. November 2016 geltenden Fassung auszugsweise:

„…

(3)

1Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. 23Wechseln Beschäftigte zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich dieses Tarifvertrages erfasst werden, werden die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber als Beschäftigungszeit anerkannt. 4Satz 3 gilt entsprechend bei einem Wechsel von einem anderen öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber.“

6

Der TVöD-AT trat nach seinem § 39 Abs. 1 Satz 1 am 1. Oktober 2005 in Kraft.

7

Der TVÜ-VKA enthält im Abschnitt III unter der Überschrift „Besitzstandsregelungen“ mit § 14 eine Regelung der Beschäftigungszeit. Die Tarifnorm sieht vor, dass bestimmte Zeiten, die vor dem 1. Oktober 2005 zurückgelegt oder nach Maßgabe der jeweiligen tarifrechtlichen Vorschriften anerkannt wurden, berücksichtigt werden.

§ 14 Beschäftigungszeit

(1) Für die Dauer des über den 30. September 2005 hinaus fortbestehenden Arbeitsverhältnisses werden die vor dem 1. Oktober 2005 nach Maßgabe der jeweiligen tarifrechtlichen Vorschriften anerkannten Beschäftigungszeiten als Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Abs. 3 TVöD berücksichtigt.

(2) Für die Anwendung des § 23 Abs. 2 TVöD werden die bis zum 30. September 2005 zurückgelegten Zeiten, die nach Maßgabe

des BAT anerkannte Dienstzeit,

des BAT-O/BAT-Ostdeutsche Sparkassen, BMT-G/BMT-G-O anerkannte Beschäftigungszeit

sind, als Beschäftigungszeit im Sinne des § 34 Abs. 3 TVöD berücksichtigt.

(3) …“

8

Diese Vorschrift des Überleitungsrechts nimmt in ihrem zweiten Absatz ua. Bezug auf die Regelungen des bis zum 30. September 2005 geltenden Bundes-Angestelltentarifvertrags (Bund, Länder, Gemeinden) vom 23. Februar 1961 idF vom 31. Januar 2003 (BAT) und des Tarifvertrags zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – vom 10. Dezember 1990 idF vom 31. Januar 2003 (BAT-O). Der BAT unterschied zwischen Beschäftigungszeit und Dienstzeit. Nach § 19 Abs. 1 BAT war Beschäftigungszeit die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen wurde. Die Dienstzeit umfasste nach § 20 Abs. 1 BAT die Beschäftigungszeit iSd. § 19 BAT und zusätzlich die nach § 20 Abs. 2 bis 6 BAT angerechneten Zeiten einer früheren Beschäftigung, soweit diese nicht schon bei der Berechnung der Beschäftigungszeit berücksichtigt wurden. Einzubeziehen waren ua. die Zeiten einer nach Vollendung des 18. Lebensjahres beruflich im Beamten-, Angestellten- oder Arbeiterverhältnis verbrachten Tätigkeit beim Bund, bei den Ländern, bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden und sonstigen Mitgliedern der Arbeitgeberverbände, die der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände oder der Tarifgemeinschaft deutscher Länder angehörten (§ 20 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a BAT). Demgegenüber sah der BAT-O in § 19 nur die Beschäftigungszeit vor, während eine dem § 20 BAT entsprechende Dienstzeit nicht geregelt war. § 19 Abs. 1 BAT-O idF des Änderungstarifvertrags Nr. 13 vom 31. Januar 2003 lautete:

§ 19 Beschäftigungszeit

(1) Beschäftigungszeit ist die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist.

Ist der Angestellte aus seinem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden, so gilt die vor dem Ausscheiden liegende Zeit nicht als Beschäftigungszeit, es sei denn, daß er das Arbeitsverhältnis wegen eines mit Sicherheit erwarteten Personalabbaues oder wegen Unfähigkeit zur Fortsetzung der Arbeit infolge einer Körperbeschädigung oder einer in Ausübung oder infolge seiner Arbeit erlittenen Gesundheitsschädigung aufgelöst hat oder die Nichtanrechnung der Beschäftigungszeit aus sonstigen Gründen eine unbillige Härte darstellen würde.“

9

Der Anspruch auf eine Jubiläumszuwendung war in beiden Tarifwerken jeweils in § 39 geregelt. Der BAT knüpfte an die Dienstzeit des § 20 BAT an, der BAT-O an die Beschäftigungszeit iSv. § 19 BAT-O. Für die Bestimmung der sog. Jubiläumszeit sahen sowohl § 39 BAT als auch § 39 BAT-O eine noch weiter gehende Berücksichtigung bestimmter Zeiten vor. So waren nach § 39 Abs. 1 Unterabs. 3 BAT-O zB Zeiten einer erfüllten Dienstpflicht in der Bundeswehr sowie Zeiten des Zivildienstes anzurechnen.

10

Die Beklagte lehnte einen Antrag des Klägers ab, seine Zeit der Beschäftigung bei der Stadt Wolfsburg für die Berechnung der Beschäftigungszeit iSv. § 23 Abs. 2 TVöD-AT zu berücksichtigen.

11

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass er am 1. November 2016 eine Beschäftigungszeit von 25 Jahren als Voraussetzung für das Jubiläumsgeld nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT erfüllt habe. Für die sog. Jubiläumszeit sei auch die vom 1. November 1991 bis zum 31. Dezember 2001 bei der Stadt Wolfsburg zurückgelegte Zeit zu berücksichtigen. Die Verweisung in § 23 TVöD-AT erfasse den gesamten § 34 Abs. 3 TVöD-AT und nicht – wie etwa für den Kündigungsschutz – nur dessen Sätze 1 und 2. Vorbeschäftigungszeiten im öffentlichen Dienst seien daher im Rahmen des Jubiläumsgeldes als Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen. Indem die bei einem anderen öffentlichen Arbeitgeber zurückgelegten Zeiten nach § 34 Abs. 3 TVöD-AT zu berücksichtigen seien, komme zum Ausdruck, dass die Tarifvertragsparteien die Treue zum öffentlichen Dienst hätten honorieren und dem Gedanken der Einheit des öffentlichen Dienstes hätten Rechnung tragen wollen. Der Zweck des Jubiläumsgeldes, die Treue zum öffentlichen Dienst anzuerkennen und zu belohnen, gebiete es nach der Zusammenführung der Tarifgebiete im TVöD-AT, die in beiden ehemaligen Tarifgebieten zurückgelegten Zeiten kumulativ zu berücksichtigen. Nur so würden die Beschäftigten bei einem Wechsel zwischen den ursprünglichen Tarifgebieten gleichbehandelt. Es sei nicht anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien die ungleichen Folgen eines Wechsels weit in die Zukunft hinein aufrechterhalten wollten.

12

Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 350,00 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14. Dezember 2016 zu zahlen.

13

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf das Jubiläumsgeld, weil er am 1. November 2016 die erforderliche Beschäftigungszeit von 25 Jahren noch nicht zurückgelegt habe. Die in § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA genannten Zeiten nach dem BAT und dem BAT-O seien nicht kumulativ zu berücksichtigen. Die Bestimmung diene dazu, den bis zum 30. September 2005 erworbenen Besitzstand zu wahren. Die Tarifvertragsparteien hätten auf die anerkannten Zeiten abgestellt. Im Fall des BAT-O sei dies die Beschäftigungszeit nach §§ 19, 39 BAT-O gewesen und damit nur die bei der Beklagten erbrachte Beschäftigungszeit. Die bei der Stadt Wolfsburg zurückgelegte Zeit zähle nicht zum Besitzstand nach dem BAT-O. Mit Einführung des TVöD-AT zum 1. Oktober 2005 sei nicht bezweckt gewesen, Beschäftigten eine bessere Rechtsposition zu verschaffen, als sie sie bis zum 30. September 2005 im Geltungsbereich des BAT bzw. des BAT-O gehabt hätten. Gleichheitswidrige Ergebnisse seien damit nicht verbunden.

14

Das Arbeitsgericht hat der Klage – soweit für die Revision von Interesse – stattgegeben. Auf die vom Arbeitsgericht zugelassene Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision will der Kläger erreichen, dass das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Entscheidungsgründe

15

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Beschäftigung des Klägers bei der Stadt Wolfsburg vom 1. November 1991 bis zum 31. Dezember 2001 nicht als Beschäftigungszeit iSv. § 23 Abs. 2 Satz 1, § 34 Abs. 3 TVöD-AT iVm. § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA zu berücksichtigen ist. Der Kläger erfüllte daher am 1. November 2016 nicht die für den Anspruch auf Jubiläumsgeld vorausgesetzte Beschäftigungszeit von 25 Jahren.

16

I. Nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT, der als den BAT-O nach § 2 Abs. 1 TVÜ-VKA ersetzender Tarifvertrag auf der Grundlage von § 2 des schriftlichen Arbeitsvertrags zur Anwendung kommt, erhalten Beschäftigte mit einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren ein Jubiläumsgeld iHv. 350,00 Euro. Die Beschäftigungszeit bestimmt sich aufgrund des Klammerzusatzes grundsätzlich nach § 34 Abs. 3 TVöD-AT.

17

1. Beschäftigungszeit ist nach § 34 Abs. 3 Satz 1 TVöD-AT die bei demselben Arbeitgeber im Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit, auch wenn sie unterbrochen ist. Nach § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 TVöD-AT sind die bei anderen Arbeitgebern zurückgelegten Zeiten anzurechnen. Das gilt allerdings nur für Neueinstellungen nach dem 30. September 2005. Für übergeleitete Beschäftigte besteht mit § 14 TVÜ-VKA eine abschließende Regelung (BAG 19. November 2020 – 6 AZR 417/19 – Rn. 25; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand November 2020 Teil II/1 § 34 Rn. 702; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand 1/2021 Teil B 1 § 34 Rn. 60).

18

2. § 14 Abs. 1 TVÜ-VKA sichert den unter Geltung des bisherigen Tarifrechts bis zum 30. September 2005 erworbenen Besitzstand. Für das Jubiläumsgeld nach § 23 Abs. 2 TVöD-AT enthält § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA eine Spezialregelung (BAG 19. November 2020 – 6 AZR 417/19 – Rn. 26 f. mwN). Aus der Aufzählung der bis zum 30. September 2005 zu berücksichtigenden Zeiten in § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA ergibt sich, dass andere Zeiten nicht anzurechnen sind (Nachtwey/Sponer in Sponer/Steinherr TVöD Stand Januar 2021 § 23 Rn. 75).

19

3. Nach § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA werden für die Anwendung des § 23 Abs. 2 TVÖD-AT Zeiten, die bis zum 30. September 2005 zurückgelegt wurden, als Beschäftigungszeiten iSd. § 34 Abs. 3 TVöD-AT berücksichtigt. Dabei handelt es sich ua. um anerkannte Dienstzeiten nach Maßgabe des BAT und um anerkannte Beschäftigungszeiten nach dem BAT-O. Entgegen der Auffassung der Revision sind die vom Kläger unter Geltung des BAT und des BAT-O zurückgelegten Zeiten nicht kumulativ zu berücksichtigen. Einzubeziehen sind nur die zurückgelegten Zeiten, die nach dem Tarifrecht anerkannt waren, das im Zeitpunkt der Überleitung galt. Im Fall des Klägers ist es die nach dem BAT-O anerkannte Beschäftigungszeit iSv. §§ 19, 39 BAT-O. Das ergibt die Auslegung von § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA.

20

a) Der Wortlaut der Tarifnorm ist nicht eindeutig. Die Bestimmung spricht in beiden Varianten von anerkannten Zeiten. Der Formulierung lässt sich nicht entnehmen, dass es sich nur um die Zeiten handelt, die das im Zeitpunkt der Überleitung geltende Tarifrecht anerkannte. Die Darstellung mit jeweils einem Spiegelstrich und die Trennung mit einem Komma lassen sowohl eine kumulative als auch eine alternative Berücksichtigung der genannten Zeiten zu. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass eine alternative Geltung deutlich zum Ausdruck gekommen wäre, wenn die Aufzählung durch „oder“ getrennt worden wäre. Dass die Konjunktion fehlt, lässt allerdings nicht den Schluss zu, dass damit beide Varianten zusammen zur Anwendung kommen müssen. Andererseits setzt die Möglichkeit einer kumulativen Berücksichtigung der genannten Zeiten entgegen der Ansicht der Beklagten nicht voraus, dass sie durch ein „und“ verbunden sind. Es ist nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern liegt nahe, dass übergeleitete Arbeitnehmer nur unter Geltung eines der ersetzten Tarifwerke beschäftigt waren.

21

b) Sinn und Zweck sprechen jedoch dafür, dass lediglich eine der beiden Varianten gelten kann.

22

aa) § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA ist Teil des Abschnitts III TVÜ-VKA, der mit „Besitzstandsregelungen“ überschrieben ist. Die Regelung dient dazu, den erworbenen Besitzstand zu wahren (BAG 19. November 2020 – 6 AZR 417/19 – Rn. 26 f.; vgl. zu § 14 Abs. 1 TVÜ-VKA BAG 22. Februar 2018 – 6 AZR 137/17 – Rn. 23, BAGE 162, 76). Die Tarifvertragsparteien wollten vermeiden, dass Arbeitnehmer mit der Einführung von § 34 Abs. 3 TVöD-AT Einbußen bei der sog. Jubiläumszeit erleiden. Durch die Übergangsregelung des § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA sollte sichergestellt werden, dass die unter dem bisherigen Tarifrecht für die sog. Jubiläumszeit anerkannten Zeiten erhalten bleiben. § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA ermöglicht, die bis zum 30. September 2005 erworbenen sog. Jubiläumszeiten so zu behandeln, als wären sie Beschäftigungszeit iSd. § 34 Abs. 3 TVöD (BeckOK TVöD/Poschke Stand 1. Oktober 2012 TVÜ-VKA § 14 Rn. 15, 16). Geschützt und als Beschäftigungszeit iSv. § 34 Abs. 3 TVöD-AT anzusehen sind deshalb nur die Zeiten, die nach Maßgabe des Tarifrechts, das im Zeitpunkt der Überleitung in den TVöD-AT für das Arbeitsverhältnis galt, als Dienst- oder Beschäftigungszeit für die Berechnung der sog. Jubiläumszeit anerkannt waren.

23

bb) Es ist nicht erkennbar, dass die Tarifvertragsparteien mit der Bestimmung des § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA erreichen wollten, dass die Arbeitnehmer der Tarifgebiete West und Ost hinsichtlich aller zurückgelegten Zeiten gleichbehandelt werden. Gegen einen solchen Zweck spricht entscheidend, dass die Tarifvertragsparteien keine Regelung getroffen haben, um die Beschäftigungszeiten anzurechnen, die unter Geltung des BAT-O bei anderen Arbeitgebern zurückgelegt wurden. Nach § 19 BAT-O galten als Beschäftigungszeit grundsätzlich nur die bei demselben Arbeitgeber zurückgelegten Zeiten. Vorbeschäftigungszeiten bei einem Arbeitgeberwechsel im Tarifgebiet Ost waren daher im Unterschied zum Tarifgebiet West nicht zu berücksichtigen.

24

c) Auch systematische Überlegungen sprechen für eine alternative Anwendung der Varianten in § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA. Die Bestimmung stellt eine spezifische Übergangsregelung dar. Sie ist erforderlich, weil ua. § 39 BAT-O bezüglich der erforderlichen Beschäftigungszeit zwar grundsätzlich auf die Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O verweist, aber weiter gehende Sonderregelungen enthält (vgl. zu § 39 BAT BAG 19. November 2020 – 6 AZR 417/19 – Rn. 28; vgl. Fieberg in Fürst GKÖD Band IV Stand Dezember 2020 F § 14 Rn. 7). Die alternative Anwendung der Varianten führt deshalb nicht dazu, dass für § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA im Fall von Arbeitsverhältnissen, die aus dem BAT-O übergeleitet wurden, neben § 14 Abs. 1 TVÜ-VKA kein eigenständiger Anwendungsbereich bliebe.

25

d) Anders als die Revision meint, führt die Auslegung nicht zu gleichheitswidrigen Ergebnissen und einem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

26

aa) Die Tarifvertragsparteien als Normgeber sind bei der tariflichen Normsetzung zwar nicht unmittelbar, jedoch mittelbar grundrechtsgebunden.

27

(1) Mit der Normsetzung auf der Grundlage der von Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie üben die Tarifvertragsparteien keine delegierte Staatsgewalt aus, sondern nehmen privatautonom ihre Grundrechte wahr (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 26 mwN). Allerdings haben die Grundrechte – Freiheits- und Gleichheitsrechte – mittelbare Drittwirkung in Rechtsstreitigkeiten zwischen Privaten iSe. Ausstrahlungswirkung. Sie entfalten ihre Wirkung als verfassungsrechtliche Wertentscheidungen und strahlen als „Richtlinien“ auf privatrechtliche Rechtsbeziehungen aus. Dieser Ausstrahlungswirkung der Grundrechte müssen die Gerichte als staatliche Gewalt iSv. Art. 1 Abs. 3 GG bei ihren Entscheidungen genügen. Die wertsetzenden „Richtlinien“ sollen gleichberechtigte Freiheit im Fall kollidierender Grundrechtspositionen nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz zur Geltung bringen (vgl. für die st. Rspr. BVerfG 9. Juli 2020 – 1 BvR 719/19 ua. – Rn. 9; 11. April 2018 – 1 BvR 3080/09 – Rn. 32 mwN, BVerfGE 148, 267; BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 28 f. mwN).

28

(2) Bei der Erfüllung ihres verfassungsrechtlichen Auftrags haben die Gerichte jedoch auch in den Blick zu nehmen, dass eine besondere Form der Grundrechtskollision bewältigt und die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit mit den betroffenen Individualgrundrechten in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden muss. Als selbständigen Grundrechtsträgern steht den Tarifvertragsparteien bei ihrer Normsetzung aufgrund der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Tarifautonomie ein weiter Gestaltungsspielraum zu, über den Arbeitsvertrags- und Betriebsparteien nicht in gleichem Maß verfügen. Ihnen kommt eine Einschätzungsprärogative zu, soweit die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen zu beurteilen sind. Sie verfügen über einen Gestaltungsspielraum hinsichtlich der inhaltlichen Ausformung ihrer normsetzenden Regelungen. Sie sind nicht verpflichtet, die jeweils zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen (BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 39 ff. mwN). Die aus dem Gleichheitssatz folgenden Grenzen sind jedenfalls dann überschritten, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solchem Gewicht bestehen, dass sie eine Ungleichbehandlung rechtfertigen können (BVerfG 7. Mai 2013 – 2 BvR 909/06 ua. – Rn. 76, BVerfGE 133, 377; BAG 30. Januar 2019 – 10 AZR 406/18 – Rn. 46 mwN).

29

bb) Die unterschiedliche Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten in § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA wird diesen Anforderungen gerecht.

30

(1) Die Revision weist zutreffend darauf hin, dass die in den TVöD-AT übergeleiteten Beschäftigten durch § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA iVm. dem BAT bzw. dem BAT-O mit Blick auf anrechenbare Vorbeschäftigungszeiten unterschiedlich behandelt werden. § 39 Abs. 1 BAT bestimmte mit dem Bezug auf die Dienstzeit des § 20 BAT für die Berechnung der sog. Jubiläumszeit, dass die bei einem anderen Arbeitgeber zurückgelegten Beschäftigungszeiten zu berücksichtigen waren. Demgegenüber waren Zeiten, die zuvor in einem Arbeitsverhältnis mit einem anderen Arbeitgeber zurückgelegt wurden, nach § 39 Abs. 1 iVm. § 19 Abs. 1 BAT-O grundsätzlich ohne Bedeutung. Damit wurden Beschäftigte, die zwischen den Tarifgebieten wechselten, unterschiedlich behandelt. Indem der TVÜ-VKA diese unterschiedliche Berücksichtigung von Vorbeschäftigungszeiten für die Berechnung der sog. Jubiläumszeit nach § 23 Abs. 2 TVöD-AT aufrechterhält, behandelt er die vom TVöD-AT erfassten Arbeitnehmer ungleich.

31

(2) Diese Ungleichbehandlung ist aus Sicht des Senats gerechtfertigt. Die Tarifvertragsparteien verfolgen mit § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA das Ziel, den bei Inkrafttreten des TVÜ-VKA am 1. Oktober 2005 erlangten Besitzstand bestimmter Personengruppen zu sichern (BAG 19. November 2020 – 6 AZR 417/19 – Rn. 26 f.; vgl. zu § 14 Abs. 1 TVÜ-VKA BAG 22. Februar 2018 – 6 AZR 137/17 – Rn. 23, BAGE 162, 76). Darin liegt ein legitimes Ziel (vgl. EuGH 19. Juni 2014 – C-501/12 ua. – [Specht ua.] Rn. 64: zwingender Grund des Allgemeininteresses; BAG 27. April 2017 – 6 AZR 119/16 – Rn. 35, BAGE 159, 92).

32

(a) Die Berücksichtigung solcher Zeiten, die nach Maßgabe des bei der Überleitung geltenden Tarifrechts für die Bemessung der sog. Jubiläumszeit anerkannt waren, ist geeignet, dieses Ziel zu erreichen. § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA knüpft an einen zum Stichtag des 1. Oktober 2005 erworbenen Besitzstand an.

33

(b) Die unter dem BAT und dem BAT-O zurückgelegten Zeiten werden als erworbener Besitzstand so behandelt, als seien sie unter Geltung des TVöD-AT zurückgelegt worden. Die Regelung geht damit nicht über das hinaus, was erforderlich ist, um den Besitzstand zu wahren. Die Erforderlichkeit entfällt nicht deshalb, weil eine Überleitungsregelung möglich gewesen wäre, nach der alle zuvor bei anderen Arbeitgebern im Geltungsbereich des BAT und des BAT-O zurückgelegten Beschäftigungszeiten anzurechnen gewesen wären. Eine solche Bestimmung ginge über das verfolgte Ziel, den erworbenen Besitzstand zu sichern, deutlich hinaus. Im Ergebnis diente sie mit der vollständigen Gleichstellung der übergeleiteten Beschäftigten im Bereich des Jubiläumsgeldes einem völlig anderen Zweck.

34

(c) Die Besitzstandsregelung in § 14 Abs. 2 TVÜ-VKA ist schließlich zumutbar. Sie entzieht übergeleiteten Beschäftigten keinerlei erworbene Rechtspositionen. Arbeitnehmer, die vor Inkrafttreten des TVöD-AT vom Tarifgebiet West in den Geltungsbereich des BAT-O gewechselt waren, konnten wegen § 19 BAT-O und des Fehlens einer § 20 BAT entsprechenden Tarifnorm im BAT-O erkennen, dass ihre bisherigen Beschäftigungszeiten grundsätzlich nicht zu berücksichtigen waren. Es führt zu keiner Einbuße, dass der TVöD-AT diese bei Überleitung nicht bestehende Rechtsposition nicht begründet.

35

II. Der Kläger erfüllte die Voraussetzung einer Beschäftigungszeit von 25 Jahren nach § 23 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a TVöD-AT am 1. November 2016 deshalb nicht.

36

1. Auf die Anrechnung von Vorbeschäftigungszeiten nach § 34 Abs. 3 Satz 3 und 4 TVöD-AT kann sich der Kläger nicht stützen. Sie gelten nur für Neueinstellungen seit dem 1. Oktober 2005 (BAG 19. November 2020 – 6 AZR 417/19 – Rn. 25; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese TVöD Stand November 2020 Teil II/1 § 34 Rn. 702; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand 1/2021 Teil B 1 § 34 Rn. 60).

37

2. Nach § 14 Abs. 2 Spiegelstrich 2 TVÜ-VKA iVm. § 34 Abs. 3 TVöD-AT sind neben den seit dem 1. Oktober 2005 erbrachten Zeiten die bis zum 30. September 2005 zurückgelegten Zeiten einzubeziehen, soweit es sich um Beschäftigungszeiten handelt, die nach dem BAT-O anerkannt waren.

38

a) Zu der anerkannten Beschäftigungszeit für das Jubiläumsgeld iSv. § 39 Abs. 1 BAT-O gehörte die Beschäftigungszeit des § 19 BAT-O.

39

aa) Nach § 19 Abs. 1 Unterabs. 1 BAT-O war das die bei demselben Arbeitgeber nach Vollendung des 18. Lebensjahres in einem Arbeitsverhältnis zurückgelegte Zeit. Im Fall des Klägers handelt es sich um die Zeit seit dem 1. Januar 2002. Ab diesem Zeitpunkt stand er in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten.

40

bb) Weitere Zeiten sind nach § 19 BAT-O nicht zu berücksichtigen. Die in § 19 Abs. 1 Unterabs. 2 BAT-O genannten Sachverhalte betrafen die Anrechnung von Zeiten in Fällen, die wegen einer vom Angestellten veranlassten Beendigung des Arbeitsverhältnisses grundsätzlich nicht berücksichtigt werden durften. Es handelte sich dabei aber nur um Beschäftigungszeiten bei demselben Arbeitgeber (vgl. BAG 14. Oktober 2004 – 6 AZR 501/03 – zu B III 3 a der Gründe; Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau BAT Stand 1/2007 § 19 Erl. 4.5). Zurückgelegte Zeiten bei anderen Arbeitgebern waren auch über § 19 Abs. 1 Unterabs. 2 BAT-O nicht anzurechnen. Daher kommt es nicht darauf an, aus welchem Grund der Kläger das Arbeitsverhältnis mit der Stadt Wolfsburg aufgegeben hat.

41

b) Andere Zeiten, die nach § 39 Abs. 1 BAT-O anzurechnen gewesen wären, hat der Kläger nicht vorgetragen.

42

3. Damit ist von einer Beschäftigungszeit iSv. § 23 Abs. 2 TVöD-AT seit dem 1. Januar 2002 auszugehen. Am 1. November 2016 als dem vom Kläger geltend gemachten Jubiläumstag erfüllte er die erforderliche Beschäftigungszeit von 25 Jahren nicht.

43

III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Gallner    

        

    Pulz    

        

    Pessinger    

        

        

        

    Petri    

        

    Meyer