„Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
ich freue mich nach der längeren Corona-Pause besonders darüber, im Bundesarbeitsgericht so viele Studierende und Lehrende zum Neunten Moot Court begrüßen zu dürfen. Es ist eine solche Freude, dass Sie den Weg durch Eis und Schnee zu uns gefunden haben. Sie sind uns ganz herzlich willkommen.
Studierende und Lehrende, die sich mit Arbeitsrecht befassen, sind für die arbeitsrechtliche Gemeinschaft und die Arbeitsgerichtsbarkeit außerordentlich wichtig. Das habe ich bei unserer letzten Zusammenkunft mit den Arbeitsrechtslehrerinnen und -lehrern am 7. Dezember letzten Jahres schon gesagt und möchte mich penetrant wiederholen.
Das Arbeitsrecht ist eine schmale und gerade deshalb tief „ausgeschachtete“ Materie. Ich halte es vor diesem Hintergrund und vor allem wegen der Bedeutung des Arbeitsrechts für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft für sehr gefährlich, arbeitsrechtliche Schwerpunktbereiche und Lehrstühle abzubauen. Arbeitsrechtliche Forschung und Lehre sind in meinen Augen die ungemein wichtige diskursive Grundlage politischer und richterlicher Entscheidungen, die die Lebenswirklichkeit sehr vieler Menschen prägen. Und außerdem: Arbeitsrechtliche Lehrstühle sind unsere arbeitsrechtlichen Aushängeschilder in Zeiten zurückgehender Zahlen von Studierenden an vielen rechtswissenschaftlichen Fakultäten. Auch wir Universitäten und Gerichte haben es in einer Zeit demografischen Wandels mit massiven Nachwuchsproblemen zu tun.
Wir wollen Sie als Kolleginnen und Kollegen für das Arbeitsrecht gewinnen, unabhängig davon, für welche „Bank“ des Arbeitsrechts Sie sich entscheiden: für eine universitäre Laufbahn, eine Karriere in der Arbeitsgerichtsbarkeit, in einer Gewerkschaft, einem Arbeitgeberverband oder als Rechtsanwältin oder Rechtsanwalt. Wir wollen mit dem Moot Court den Austausch zwischen Universitäten und Gerichten stärken und den arbeitsrechtlichen „Nachwuchs“ fördern, also junge Menschen für das Arbeitsrecht interessieren.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will es beim Namen nennen: Der Moot Court ist ein Wettbewerb. Das führt mich zu der Metaebene dieses Wettstreits: Ich wünsche Ihnen, dass Sie auf der Sachebene hart und mit klaren Argumenten diskutieren, wenn Sie so wollen: dass Sie miteinander die Waffen kreuzen, ohne sich auf der Beziehungsebene zu verletzen.
Ziel ist aus meiner Sicht, eine offene und konstruktive Diskurs- und Streitkultur zwischen den verschiedenen Teams dieses Wettstreits zu fördern. Rechtswissenschaft ist eine diskursive Wissenschaft. Sowohl das Recht als auch der Sachverhalt sind auf gelingende und produktive Kommunikation angewiesen, mit möglichst wenigen inhaltlichen Missverständnissen und möglichst geringen Missverständnissen oder auch Abwertungen und Kränkungen auf der Beziehungsebene.
Um mit Felix Speidel zu sprechen: Wir alle, die wir mit Recht zu tun haben, müssen durch reflektierte Kommunikation dafür sorgen, dass unsere Diskussionen über Recht, unsere Rechtsanwendung und unsere Vermittlung von Recht einschließenden Charakter haben und dazu ermutigen, alle relevanten Perspektiven einzubringen.
In diesem Sinn wünsche ich Ihnen, dass der kompetitive Prozess dieses Moot Courts ganz und gar freudvolles Kräftemessen ist und keine intellektuelle oder emotionale Vernichtung der anderen Seite.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, herzlichen Dank, dass Sie da sind, und viel Spaß an Ihrem Austausch vor Gericht.“