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1 ABR 28/20

Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung - DHV

Court Details

  • File Number

    1 ABR 28/20

  • ECLI Number

    ECLI:DE:BAG:2021:220621.B.1ABR28.20.0

  • Type

    Beschluss

  • Date

    22.06.2021

  • Senate

    1. Senat

Tenor

Die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 5. und 11. gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 22. Mai 2020 – 5 TaBV 15/18 – werden zurückgewiesen.

Leitsatz

Die DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V. ist seit dem 21. April 2015 nicht tariffähig.

Entscheidungsgründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Tariffähigkeit der am Verfahren zu 5. beteiligten DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V. (DHV).

2

Die DHV wurde 1893 als Handlungsgehilfenverband gegründet und nach ihrer Neugründung am 1. Oktober 1950 als „Deutscher Handlungsgehilfen-Verband e. V., Gewerkschaft der Kaufmannsgehilfen“ am 20. Dezember 1950 in das Vereinsregister des Amtsgerichts Hamburg eingetragen. 1956 benannte sie sich in die bis Oktober 2006 beibehaltene Bezeichnung „DHV – Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband e. V.“ um. Entsprechend ihrer am 28./29. Oktober 2006 beschlossenen Satzung heißt sie seitdem „DHV – Die Berufsgewerkschaft e. V.“. Ihr Organisationsbereich erstreckt sich über das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

3

Nach den Regelungen ihrer am 8. Juni 1952 und 19. Juni 1954 beschlossenen Satzungen organisierte die DHV die Berufsgruppen der Kaufmannsgehilfen sowie – nach Satzungsänderung am 14. Januar 1956 – auch der im öffentlichen Dienst tätigen Verwaltungsangestellten. Nach ihrer am 8./9. Oktober 1966 beschlossenen Satzung richtete sie sich an die Angestellten in den Handels-, Industrie- und Verkehrsunternehmen sowie die Verwaltungsangestellten. Auch laut ihrer am 28./29. Oktober 1972 beschlossenen Satzung (Satzung 1972) verstand sie sich als Gewerkschaft der Angestellten im Handel, in der Industrie und dem privaten und öffentlichen Dienstleistungsbereich. Durch Beschluss vom 8./9. Juni 2002 wurde § 2 Nr. 1 der Satzung (Satzung 2002) dahin geändert, dass die DHV „eine Gewerkschaft der Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen“ ist, „die in der privaten Wirtschaft und dem öffentlichen Dienst tätig sind“. In § 3 Nr. 2 der Satzung 2002 war geregelt, dass „[z]ur Wahrung gewerkschaftlicher Belange … der Hauptvorstand auch Arbeitnehmer aus anderen Berufsgruppen aufnehmen und deren Interessen wahrnehmen“ kann. Nach ihrer am 28./29. Oktober 2006 beschlossenen und am 12. März 2007 in das Vereinsregister eingetragenen Satzung (Satzung 2006) war die DHV eine „Gewerkschaft der Arbeitnehmer insbesondere in kaufmännischen und verwaltenden Berufen“ (§ 2 Nr. 1 der Satzung 2006). Entsprechend konnten nach § 3 Nr. 1 der Satzung 2006 „insbesondere Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen“ die Mitgliedschaft erwerben; die in § 3 Nr. 2 der Satzung 2002 enthaltene Bestimmung wurde im Übrigen beibehalten. Nach § 17 der Satzung 2006 sollten die genannten Änderungen rückwirkend zum 1. Januar 2000 in Kraft treten. Aufgrund eines Beschlusses vom 9. Mai 2009 sah die Satzung der DHV (Satzung 2009) seit dem 12. Juni 2009 – neben der § 2 Nr. 1 der Satzung 2006 entsprechenden Regelung – vor, dass andere Arbeitnehmergruppen in Tarifverträge einbezogen werden können, wenn sie in einer Branche oder in Unternehmen beschäftigt sind, die entweder durch kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten geprägt sind (§ 2 Nr. 1 Abs. 2 der Satzung 2009), in denen die DHV Tarifpartner ist oder in denen sie über eine hinreichende Repräsentativität verfügt (§ 2 Nr. 1 Abs. 3 der Satzung 2009). Zudem erstreckte sich ihre Tarifzuständigkeit auf Arbeitnehmer, die in die hiervon erfassten Branchen bzw. Unternehmen im Sinne des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes überlassen wurden (§ 2 Nr. 1 Abs. 4 der Satzung 2009). Im Anhang zu § 2 der Satzung 2009 waren neben „Private[n] Kliniken und Krankenhäuser[n], Reha-Einrichtungen …“ ua. die „Michelin Reifenwerke AG & Co. KGaA“, das „Cockpitpersonal der LTU International Airlines (derzeit in Air Berlin)“, die „European Aeronautic Defence and Space Company EADS N.V., Betriebsstätten in Deutschland“ und die „Stena Line Scandinavia AB/Betriebsstätten der Stena Line Scandinavia AB in Deutschland“ aufgeführt. Die genannten Satzungsinhalte waren in der ab dem 23. Februar 2011 geltenden Satzung wortgleich enthalten. Nach § 2 der am 16./17. November 2012 beschlossenen und am 9. Januar 2013 in das Vereinsregister eingetragenen Satzung (Satzung 2012) war die DHV für Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen (§ 2 Nr. 2 der Satzung 2012) sowie alle Arbeitnehmer – einschließlich der dorthin überlassenen Leiharbeitnehmer – in den Bereichen Banken, Sparkassen, Bausparkassen, Einzelhandel, Groß- und Außenhandel, Handel mit Kraftfahrzeugen, gesetzliche Sozialversicherung, Lagerei und Warenlogistik, Versicherungswirtschaft, Einrichtungen der Kranken- und Altenpflege, Private Kliniken und Krankenhäuser, Rettungsdienste, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz, Paritätischer Wohlfahrtsverband, Chemische Reinigung und Textilreinigungsdienstleistungen sowie Fleischwarenindustrie tarifzuständig (§ 2 Nr. 1 und Nr. 3 der Satzung 2012). Auf ihrem Bundesgewerkschaftstag am 7./8. November 2014 beschloss die DHV die am 25. Februar 2015 in das Vereinsregister eingetragene Satzung (Satzung 2014). Deren § 2 lautet:

        

„1.     

Die DHV ist tarifzuständig für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den nachfolgenden Bereichen und schließt für diese Tarifverträge ab:

                 

●       

private Banken und Bausparkassen, Volks- und Raiffeisenbanken, Landes-/Förderbanken, Spezialinstitute, Sparkassen

                 

●       

Einzelhandelsgeschäfte, Waren- und Kaufhäuser, Verbrauchermärkte, Filialbetriebe im Einzelhandel, Versandhandel, Drogerien, Zentrallager, Tankstellen, zuzüglich der handelsunterstützenden, stationären und straßengebundenen Warenlogistik

                 

●       

Binnengroßhandel, Cash- und Carrymärkte, Handelsunternehmen und Auslieferungslager aller Industrien, Ein- und Ausfuhrhandel, genossenschaftlicher Großhandel, zuzüglich der handelsunterstützenden, stationären und straßengebundenen Warenlogistik

                 

●       

Gesetzliche Krankenkassen

                 

●       

Privates und öffentlich-rechtliches Versicherungsgewerbe

                 

●       

Einrichtungen der privaten Alten- und Behindertenpflege sowie der Jugendhilfe

                 

●       

Kliniken und Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform

                 

●       

Rettungsdienste

                 

●       

Arbeiterwohlfahrt und Tochtergesellschaften

                 

●       

Deutsches Rotes Kreuz und Tochtergesellschaften

                 

●       

Textilreinigung und Textilreinigungsdienstleistungen

                 

●       

Fleischwarenindustrie

                 

●       

IT Dienstleistungsunternehmen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte

                 

●       

Reiseveranstalter

        

sowie Nebenbetriebe, die Dienstleistungen für diese erbringen, jedoch rechtlich ausgegliedert und selbständig sind.

        

2.    

Die DHV ist auch tarifzuständig für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kaufmännischen und verwaltenden Berufen bei kommunalen Arbeitgebern und bei Körperschaften des öffentlichen Rechts auf kommunaler Ebene.“

4

Die Tariffähigkeit der DHV war in der Vergangenheit mehrfach Gegenstand von Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen. Das Arbeitsgericht Hamburg stellte mit rechtskräftigem Beschluss vom 10. Dezember 1956 (- 2 BV 366/1956 -) fest, „daß der Beteiligte zu 4)“ (DHV – Deutscher Handels- und Industrieangestellten-Verband e. V.) „eine tariffähige Gewerkschaft im Sinne des § 2 Abs. 1 TVG ist“. Mit Beschluss vom 7. Februar 1980 wies das Arbeitsgericht Hamburg (- 1 Bv 15/78 -) einen Antrag der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen auf Feststellung der Tarifunfähigkeit der DHV als unbegründet ab. Die dagegen gerichtete Beschwerde blieb vor dem Landesarbeitsgericht Hamburg (29. Oktober 1980 – 5 TaBv 1/80 -) ohne Erfolg. Es hielt den Antrag für unzulässig, da „die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Dezember 1956 … auch heute noch in diesem Verfahren zu beachten“ sei. Das Arbeitsgericht Hamburg wies einen Antrag des Landes Hessen auf Feststellung, dass die DHV keine tariffähige Gewerkschaft ist, am 11. August 1992 (- 1 Bv 8/92 -) als unzulässig ab. Ein – ebenfalls auf das Fehlen der Tariffähigkeit der DHV gerichteter – Antrag der Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) wurde vom Landesarbeitsgericht Hamburg am 18. Februar 1997 (- 2 TaBV 9/95 -) als unzulässig angesehen, weil ihm die Rechtskraft des Beschlusses des Arbeitsgerichts Hamburg vom 11. August 1992 entgegenstehe; die Verhältnisse hätten sich seit dieser Entscheidung nicht wesentlich geändert. Die im Zeitpunkt dieser Entscheidung geltende Satzung der DHV vom 12./13. November 1994 entsprach im Wesentlichen der Satzung 1972.

5

Außerdem war die Tarifzuständigkeit der DHV auf der Grundlage ihrer Satzungen 2006, 2009, 2011 und 2012 Gegenstand von Verfahren und Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts (10. Februar 2009 – 1 ABR 36/08 – BAGE 129, 322; 17. April 2012 – 1 ABR 5/11 – BAGE 141, 110; 11. Juni 2013 – 1 ABR 32/12 – BAGE 145, 211).

6

Die DHV hat nach eigenen Angaben seit ihrer Neugründung im Jahr 1950 ca. 24.000 Tarifverträge geschlossen, zu Warnstreiks aufgerufen und Tarifverhandlungen ggf. auch abgebrochen. Sie gliedert sich bundesweit in neun Landesverbände, unterhält nach ihren Darlegungen an elf verschiedenen Standorten Büroräume und verfügt über 13 hauptamtliche Gewerkschaftssekretäre, 18 Büro- und Verwaltungskräfte, neun Mitarbeiter der kaufmännischen Bildungseinrichtungen sowie – je nach Arbeitsanfall – bis zu zwölf Honorarkräfte.

7

Der Organisationsbereich der DHV nach der Satzung 2012 bezog sich nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts auf etwa 15 Millionen Beschäftigungsverhältnisse. Ihr Organisationsbereich nach der Satzung 2014 erfasst nach Vortrag der DHV insgesamt etwa 6,294 Millionen, nach den Ausführungen der Antragsteller ca. 11,127 Millionen Beschäftigungsverhältnisse. Die Zahl ihrer Mitglieder gibt die DHV zum 31. Dezember 2014 mit 75.065, zum 19. Januar 2016 mit 73.451 und zum 19. Februar 2020 mit 71.829 Mitgliedern an, wobei von letzteren 66.826 Mitglieder in ihren nach der Satzung 2014 reklamierten Zuständigkeitsbereich fallen und weitere 5.003 Mitglieder Rentner, Arbeitslose, Studenten oder außerhalb ihres Organisationsbereichs tätig sind.

8

Mit einer der DHV am 16. Dezember 2013 zugestellten Antragsschrift haben die zu 1. beteiligte IG Metall, die zu 2. beteiligte ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di), die zu 3. beteiligte Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und die zu 4. beteiligte Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin das vorliegende Verfahren eingeleitet. Das zu 10. beteiligte Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen hat sich mit Schriftsatz vom 13. Februar 2014 diesem Antrag angeschlossen sowie diesen – nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts – auch selbst gestellt. An dem Verfahren weiter beteiligt sind zu 6. der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB), dem die DHV angehört, zu 7. die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V. (BDA), zu 8. der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und zu 9. das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS). Beteiligter zu 11. ist der Arbeitgeberverband Wohlfahrts- und Gesundheitsdienste e. V., welcher nach seinen Angaben Tarifverträge mit der DHV geschlossen hat.

9

Die Antragsteller haben – ebenso wie der zu 8. beteiligte DGB – die Auffassung vertreten, bei der DHV handele es sich mit Blick auf den von ihr beanspruchten Organisationsbereich um keine Gewerkschaft. Sie verfüge insbesondere nicht über die erforderliche hinreichende Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit. Der DHV gehörten höchstens 10.000 Mitglieder an.

10

Die Antragsteller haben beantragt

        

festzustellen, dass die DHV nicht tariffähig ist.

11

Die DHV und der zu 11. beteiligte Arbeitgeberverband haben beantragt, den Antrag abzuweisen.

12

Die DHV hat die Auffassung vertreten, der Antrag sei unzulässig; ihm stehe die Rechtskraft der Entscheidungen in den vorangegangenen Verfahren zu ihrer Tariffähigkeit entgegen. Das Verfahren sei zudem missbräuchlich eingeleitet und dadurch motiviert, sie als Konkurrenzgewerkschaft aus dem gewerkschaftlichen Wettbewerb zu verdrängen. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung seien verfassungs- und unionsrechtswidrig. Die Beurteilung der Durchsetzungsmacht dürfe nicht lediglich organisationsbereichs- und mitgliederbezogen erfolgen; auch ihre Tarifabschlüsse seit 1950, jedenfalls aber seit Inkrafttreten ihrer Satzung 2014 seien ein zwingend und maßgeblich zu berücksichtigendes Indiz für ihre Tariffähigkeit. Darüber hinaus sei sie auch in einem nicht unbedeutenden Teilbereich ihrer Zuständigkeit – insbesondere in ihren „Markenkernbereichen“ (Banken, Einzel- und Großhandel, gesetzliche Krankenkassen, Versicherungsgewerbe, Alten- und Behindertenpflege, Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform und Deutsches Rotes Kreuz) – mit einem hohen Organisationsgrad vertreten. Im Bereich Banken verfüge sie – ausgehend von etwa 540.000 dort beschäftigten Arbeitnehmern – über ca. 6.780 Mitglieder und somit eine Organisationsstärke von 1,256 vH. Im Einzelhandel seien etwa 2,26 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer tätig; hiervon organisiere sie mit 22.742 Mitgliedern ca. 1,01 vH. Im Großhandel belaufe sich der Anteil ihrer Mitglieder (14.506) an den in diesem Bereich insgesamt ungefähr 1,16 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten auf etwa 1,25 vH. Bei den gesetzlichen Krankenkassen seien (aufgerundet) 136.000 Arbeitnehmer tätig, von denen 2.748 und damit 2,024 vH bei ihr organisiert seien. Im Versicherungsgewerbe seien – von den dort etwa 166.800 Arbeitnehmern – ca. 2,39 vH (3.985) bei ihr Mitglied. In der privaten Alten- und Krankenpflege habe sie – bei dort insgesamt etwa 644.700 Arbeitnehmern und 4.348 Mitgliedern – einen Organisationsgrad von 0,674 vH, in den Kliniken mit privatrechtlicher Rechtsform – bei dort ca. 453.400 Beschäftigten und 5.644 Mitgliedern – von 1,245 vH und bei den Rettungsdiensten – bei dort ungefähr 62.400 Arbeitnehmern und 276 Mitgliedern – von ca. 0,44 vH. Bei der Arbeiterwohlfahrt und ihren Tochtergesellschaften verfüge sie mit 1.531 Mitgliedern bei ca. 231.000 Beschäftigten über eine Organisationsstärke von 0,663 vH und beim Deutschen Roten Kreuz (177.000 Arbeitnehmer, 2.461 Mitglieder) über eine von 1,39 vH. Im Bereich der Textilreinigung habe sie 195 Mitglieder; dies entspreche bei etwa 23.500 dort Beschäftigten einem Prozentsatz von etwa 0,83. In der Fleischwarenindustrie organisiere sie 317 und damit 1,223 vH der dort ca. 26.000 tätigen Arbeitnehmer, bei den IT-Dienstleistungsunternehmen 124 und somit ca. 0,33 vH der dort ungefähr 37.800 Beschäftigten sowie bei den Reiseveranstaltern 236 und dementsprechend ca. 0,42 vH der dort ungefähr 56.000 Tätigen. Die Anzahl der Arbeitnehmer, für die sie nach § 2 Nr. 2 der Satzung 2014 zuständig sei, belaufe sich aufgerundet auf 323.500, von denen 935 und damit 0,29 vH bei ihr Mitglied seien. Auch ihre finanzielle Ausstattung sei ausreichend. Der durchschnittliche monatliche Mitgliedsbetrag betrage 11,66 Euro; sie verfüge zudem über eine Streikrücklage iHv. ca. 800.000 Euro und eine zweckungebundene Rücklage iHv. 2,4 Millionen Euro.

13

Der zu 6. beteiligte CGB hat ua. die Auffassung vertreten, die Anforderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Gewerkschaftseigenschaft einer Arbeitnehmerkoalition seien nicht verfassungs- und unionsrechtskonform; insoweit hat er die Aussetzung des Verfahrens und Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG angeregt. Der zu 11. beteiligte Arbeitgeberverband hat ein Vorabentscheidungsverfahren zum Gerichtshof der Europäischen Union begehrt.

14

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag entsprochen. Auf die Beschwerden der DHV und des zu 11. beteiligten Arbeitgeberverbands hat das Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 4. Mai 2016 (- 5 TaBV 8/15 -) den Antrag abgewiesen. Auf die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 1. bis 4., 8. und 10. hat das Bundesarbeitsgericht durch Beschluss vom 26. Juni 2018 (- 1 ABR 37/16 -) den landesarbeitsgerichtlichen Beschluss aufgehoben und die Sache zur neuen Anhörung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Durch Beschluss vom 22. Mai 2020 hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerden der DHV und des Beteiligten zu 11. gegen den arbeitsgerichtlichen Beschluss „mit der Maßgabe zurückgewiesen“, dass festgestellt wird, dass die Beteiligte zu 5. „seit dem 21. April 2015 nicht tariffähig ist“. Mit ihren Rechtsbeschwerden erstreben die DHV und der zu 11. beteiligte Verband die Abweisung des Antrags; der Beteiligte zu 11. begehrt hilfsweise die Feststellung einer Tarifunfähigkeit der DHV erst „mit Rechtskraft der Entscheidung“.

15

B. Die Rechtsbeschwerden sind erfolglos. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass die DHV seit dem 21. April 2015 nicht tariffähig ist. Der mit diesem Inhalt im Rechtsbeschwerdeverfahren noch gegenständliche Antrag ist zulässig und begründet.

16

I. Am Verfahren sind – neben den Antragstellern (IG Metall, ver.di, NGG, Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales des Landes Berlin sowie das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen) – die DHV als Arbeitnehmervereinigung, über deren Tariffähigkeit gestritten wird, der CGB, der DGB und die BDA als Spitzenorganisationen sowie der – im Rechtsbeschwerdeverfahren vorrangig an seinem Begehren einer Antragsabweisung festhaltende – Arbeitgeberverband Wohlfahrts- und Gesundheitsdienste e. V. beteiligt (vgl. ausf. dazu BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 18 bis 21, BAGE 163, 108). Da sich die beanspruchte Zuständigkeit der DHV auf das Gebiet mehrerer Bundesländer erstreckt, ist auch das BMAS als oberste Arbeitsbehörde des Bundes im Verfahren zu hören.

17

II. Rechtsbeschwerderechtlicher Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Tariffähigkeit der DHV ab dem Zeitpunkt des 21. April 2015.

18

1. Zwar sind nach allgemeinem und – ausgehend vom Normzweck des § 97 Abs. 1 ArbGG – gebotenem Verständnis mit einem gegenwartsbezogenen Feststellungsantrag die in § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG genannten Eigenschaften in zeitlicher Hinsicht grundsätzlich ab dem Zeitpunkt der Zustellung der Antragsschrift bis zu dem der letzten Anhörung zur gerichtlichen Entscheidung gestellt (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 16 mwN, BAGE 163, 108). Allerdings hatte bereits das Arbeitsgericht seine dem Antrag stattgebende Entscheidung vom 19. Juni 2015 in zeitlicher Hinsicht allein mit dem „zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Anhörung“ (21. April 2015) „geltenden satzungsmäßigen Zuständigkeitsbereich“ begründet und damit über die Tariffähigkeit der DHV im Zeitraum ab Zustellung der verfahrenseinleitenden Antragsschrift bis zum Inkrafttreten der Satzung 2014 am 25. Februar 2015 nicht befunden. Nachdem sich die erstinstanzlich obsiegenden Antragsteller mit ihrem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde dieses Antragsverständnis zu eigen gemacht hatten, beschränkte sich der Gegenstand des vorliegenden Verfahrens im Rahmen des ersten Rechtsbeschwerdeverfahrens und auch nach Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht auf die Feststellung, dass die DHV ab Inkrafttreten der Satzung 2014 und damit gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 BGB iVm. § 17 der Satzung 2014 ab dem 25. Februar 2015 nicht tariffähig ist (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 15 ff., 23, aaO).

19

2. Demgegenüber hat das Landesarbeitsgericht in der angefochtenen Entscheidung angenommen, das Begehren der Antragsteller erfasse nur noch die Feststellung der Tarifunfähigkeit der DHV für die Zeit ab dem 21. April 2015. Zwar hat es mit diesem Antragsverständnis nicht gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen, da es nicht etwas anderes, sondern nur weniger zuerkannt hat. Denn das mit einem Antrag iSd. § 97 Abs. 1 ArbGG verfolgte Begehren, das Fehlen der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung ab einem bestimmten, vor der gerichtlichen Anhörung liegenden Zeitpunkt feststellen zu lassen, ist in zeitlicher Hinsicht regelmäßig teilbar. Die darin dennoch liegende, rechtsfehlerhafte teilweise Nichtbescheidung des verfahrensgegenständlichen Verlangens hätte allerdings von den – insoweit allein beschwerten – Antragstellern durch eine angesichts der subjektiv beschränkten Zulassung der Rechtsbeschwerde allein statthafte Anschlussrechtsbeschwerde geltend gemacht werden müssen (vgl. BGH 5. März 2019 – VIII ZR 190/18 – Rn. 20 mwN). Ein solche Anschließung ist nicht – auch nicht konkludent – erfolgt. Damit beschränkt sich der rechtsbeschwerderechtliche Gegenstand des vorliegenden Verfahrens auf die Tariffähigkeit der DHV ab dem Zeitpunkt des 21. April 2015.

20

III. Der im Wege einer zulässigen subjektiven Antragshäufung (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 24, BAGE 163, 108) angebrachte Antrag ist auch in seiner jetzigen Fassung zulässig.

21

1. Er ist hinreichend bestimmt im Sinne des im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren anwendbaren § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Nach seinem zuletzt in der Rechtsbeschwerdeinstanz angefallenen Inhalt soll mit ihm gegenwarts- und zukunftsbezogen geklärt werden, ob die DHV ab dem 21. April 2015 Tarifvertragspartei iSd. § 2 Abs. 1 TVG sein kann.

22

2. Die Antragsteller sind – auch zum Zeitpunkt der letzten Anhörung vor dem Senat – antragsberechtigt (siehe ausf. dazu BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 26 bis 30, BAGE 163, 108) und verfügen damit über ein ihrer Antragsbefugnis nach § 97 Abs. 1 ArbGG und der Erga-omnes-Wirkung eines Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG immanentes Rechtsschutzinteresse für den – von keinem der Antragsteller missbräuchlich – gestellten Antrag (siehe ausf. dazu BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 31 bis 34, aaO). Für die zu 1. bis 3. antragstellenden Gewerkschaften ist nach deren satzungsmäßig jeweils beanspruchten Organisationsbereichen die erforderliche Zuständigkeitskonkurrenz gegenüber dem von der DHV reklamierten Organisationsbereich gegeben.

23

3. Der Zulässigkeit des Antrags steht nicht der Einwand der Rechtskraft iSd. § 322 Abs. 1 ZPO entgegen. Da sich die für die Beurteilung der Tariffähigkeit der DHV maßgebende Tatsachengrundlage nach der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 18. Februar 1997 erheblich geändert hat, hindert die Rechtskraft der in den vorangegangenen Verfahren zur Tariffähigkeit der DHV ergangenen Beschlüsse eine Sachentscheidung im vorliegenden Verfahren nicht. Dies hat der Senat in seinem Beschluss vom 26. Juni 2018 (- 1 ABR 37/16 – Rn. 35 bis 48, BAGE 163, 108) bereits entschieden und ausführlich begründet.

24

IV. Der Antrag ist begründet. Die DHV ist seit dem 21. April 2015 nicht tariffähig.

25

1. Weder das Grundgesetz noch das Tarifvertragsgesetz regeln ausdrücklich, wann eine Arbeitnehmerkoalition als tariffähig und damit als Gewerkschaft anzusehen ist. § 2 Abs. 1 TVG bestimmt den Begriff der tariffähigen Arbeitnehmerkoalition (Gewerkschaft) nicht, sondern setzt ihn voraus. Auch die Regelung in A III 2 des Gemeinsamen Protokolls über Leitsätze zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990, die nahezu wortgleich den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen entspricht, stellt keine gesetzliche Normierung der an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung zu stellenden Voraussetzungen dar. Sie hat zwar durch das Zustimmungsgesetz vom 25. Juni 1990 (BGBl. II S. 518) Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers gefunden. Materielles Gesetz ist sie dadurch aber nicht geworden. Solange der Gesetzgeber auf die Normierung der Voraussetzungen für die Gewerkschaftseigenschaft und die Tariffähigkeit im Einzelnen verzichtet, ist es daher Aufgabe der Gerichte für Arbeitssachen, im Rahmen der an sie herangetragenen Streitigkeit den unbestimmten Rechtsbegriff durch Auslegung im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG auszufüllen (vgl. BVerfG 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – Rn. 8; BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 51 mwN, BAGE 163, 108) und dabei die im Zustimmungsgesetz vom 25. Juni 1990 zum Ausdruck gekommene Willensbekundung der Gesetzgebungsorgane der Bundesrepublik Deutschland zu beachten (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – aaO; 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 36, BAGE 117, 308).

26

2. Nach der Rechtsprechung des Senats muss eine Arbeitnehmervereinigung bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, um tariffähig zu sein.

27

a) Die Koalition muss sich als satzungsgemäße Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer gesetzt haben und willens sein, Tarifverträge zu schließen. Sie muss zudem frei gebildet, gegnerfrei, unabhängig und auf überbetrieblicher Grundlage organisiert sein und das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennen. Darüber hinaus muss sie über Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler und über eine leistungsfähige Organisation verfügen (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 53 f., BAGE 163, 108; 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 29 f., BAGE 136, 1).

28

aa) Das Erfordernis der Gegnerunabhängigkeit ist nicht im formalen, sondern im materiellen Sinne zu verstehen. Es soll sicherstellen, dass die Vereinigung durch ihre koalitionsmäßige Betätigung zu einer sinnvollen Ordnung des Arbeitslebens beitragen kann. Die erforderliche Gegnerunabhängigkeit fehlt, wenn die Abhängigkeit vom sozialen Gegenspieler in der Struktur der Arbeitnehmervereinigung angelegt und verstetigt und die eigenständige Interessenwahrnehmung der Tarifvertragspartei durch personelle Verflechtungen, auf organisatorischem Weg oder durch wesentliche finanzielle Zuwendungen ernsthaft gefährdet ist (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 55, BAGE 163, 108; 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 31, BAGE 136, 1).

29

bb) Eine tariffähige Arbeitnehmervereinigung muss sozial mächtig und von ihrem organisatorischen Aufbau her in der Lage sein, die ihr gestellten Aufgaben einer Tarifvertragspartei zu erfüllen (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 56, BAGE 163, 108; 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 32, BAGE 136, 1).

30

(1) Nur diejenige Vereinigung, die ein Mindestmaß an Verhandlungsgewicht und damit eine gewisse Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler aufweist, ist tariffähig. Davon geht auch das Bundesverfassungsgericht aus (11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 164, BVerfGE 146, 71). Der einer Arbeitnehmerkoalition obliegenden Mitwirkung am Zustandekommen eines angemessenen, sozial befriedenden Interessenausgleichs kann diese nur sachgerecht nachkommen, wenn sie auf die Arbeitgeberseite zumindest so viel Druck ausüben kann, dass diese sich veranlasst sieht, sich ernsthaft auf Verhandlungen über tarifvertraglich regelbare Arbeitsbedingungen einzulassen (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 57 mwN, BAGE 163, 108; 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 32 mwN, BAGE 136, 1).

31

(2) Von ihrem organisatorischen Aufbau her muss eine Gewerkschaft in der Lage sein, die ihr gestellten Aufgaben in ihrem selbst gewählten Zuständigkeitsbereich zu erfüllen. Maßgebend sind auch insoweit die Umstände des Einzelfalls (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 58, BAGE 163, 108; 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 53 mwN, BAGE 117, 308).

32

(3) Dafür genügt, dass die Arbeitnehmervereinigung Durchsetzungskraft und organisatorische Leistungsfähigkeit in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs besitzt. Es gibt keine partielle, auf bestimmte Regionen, Berufskreise oder Branchen beschränkte Tariffähigkeit. Die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich ist einheitlich und unteilbar (ausf. BAG 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 56 ff., BAGE 117, 308). Danach kann einer Arbeitnehmerkoalition einerseits die Tariffähigkeit insgesamt nicht versagt werden, wenn die Durchsetzungskraft oder die organisatorische Leistungsfähigkeit in irgendeinem Teilbereich fehlt, während sie andererseits nicht festgestellt werden kann, wenn sie nur in irgendeinem Teilbereich ihrer Tarifzuständigkeit über eine Durchsetzungskraft verfügt (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 59, BAGE 163, 108; 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – Rn. 81 mwN, BAGE 136, 302).

33

(4) Die nach § 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO festzustellende hinreichende Durchsetzungskraft und Leistungsfähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung wird regelmäßig durch die Zahl ihrer Mitglieder vermittelt (ausf. BAG 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 38 ff., BAGE 136, 1; 6. Juni 2000 – 1 ABR 10/99 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 95, 36). Dabei ist die Organisationsstärke im Verhältnis zu dem von der Arbeitnehmerkoalition selbst gewählten räumlichen, fachlichen und ggf. persönlichen Organisationsbereich zu bewerten. In diesem muss sie sich gegenüber der Arbeitgeberseite – vermittelt durch ihre Mitgliederstärke – durchsetzen können. Bei einer nur kleinen Zahl von Mitgliedern kann sich die Möglichkeit einer Arbeitnehmervereinigung, empfindlichen Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben, daraus ergeben, dass es sich bei den organisierten Arbeitnehmern um solche in Schlüsselstellungen handelt, die von der Arbeitgeberseite im Falle eines Arbeitskampfs kurzfristig überhaupt nicht oder nur schwer ersetzt werden können (vgl. BAG 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 64 f., BAGE 117, 308). Verbleiben danach Zweifel, können die Durchsetzungsfähigkeit und organisatorische Leistungsfähigkeit ausnahmsweise bei einer langjährig am Tarifgeschehen teilnehmenden Arbeitnehmervereinigung indiziert sein, wenn diese bereits in nennenswertem Umfang Tarifverträge innerhalb ihrer weitgehend gleichbleibenden satzungsmäßigen Zuständigkeit abgeschlossen hat (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 60 mwN, BAGE 163, 108).

34

b) An dem Erfordernis einer Durchsetzungs- und Leistungsfähigkeit als Voraussetzung der Teilnahme an der tarifvertraglichen Regelung von Arbeitsbedingungen haben weder das Gesetz zur Tarifeinheit (Tarifeinheitsgesetz) vom 3. Juli 2015 (BGBl. I S. 1130) noch das Gesetz zur Regelung eines allgemeinen Mindestlohns (Mindestlohngesetz – MiLoG) vom 11. August 2014 (BGBl. I S. 1348) in der zuletzt durch Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes vom 10. Juli 2020 modifizierten Fassung (BGBl. I S. 1657) etwas geändert (vgl. BVerfG 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – Rn. 10 mwN; ausf. dazu BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 65 bis 70 mwN, BAGE 163, 108). Das Bedürfnis, zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie Mindestanforderungen an die Durchsetzungsfähigkeit von Gewerkschaften zu stellen, ist dadurch nicht entfallen. Der neue § 4a TVG gestaltet nicht das Verhältnis der sozialen Gegenspieler als Tarifvertragsparteien zueinander, sondern das der tariffähigen Arbeitnehmervereinigungen untereinander. Auch unter der neuen Rechtslage bleiben zudem Tarifpluralitäten im Betrieb möglich. Der gesetzliche Mindestlohn zielt im Unterschied zum Tarifvertrag ebenfalls nicht darauf ab, einen umfassenden Schutz der Beschäftigten sicherzustellen (vgl. BVerfG 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – Rn. 10 mwN).

35

3. Die Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition sichern die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie und sind gemessen an diesem Regelungsziel verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (ausf. schon BAG 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 33 bis 37, BAGE 136, 1; 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 37 bis 54, BAGE 117, 308). Das gilt insbesondere für das Erfordernis der Durchsetzungs- und Leistungsfähigkeit.

36

a) Es ist mit dem Grundrecht der Koalitionsfreiheit vereinbar, lediglich solche Koalitionen an der Tarifautonomie teilnehmen zu lassen, die in der Lage sind, den von der staatlichen Rechtsordnung freigelassenen Raum des Arbeitslebens durch Tarifverträge sinnvoll zu gestalten, um so die Gemeinschaft sozial zu befrieden (BVerfG 9. Juli 2020 – 1 BvR 719/19 ua. – Rn. 23; 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – Rn. 9 mwN). Die von Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie ist nur funktionsfähig, solange zwischen den Tarifvertragsparteien ein ungefähres Kräftegleichgewicht besteht (vgl. BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 146 mwN, BVerfGE 146, 71). Parität zwischen den Tarifvertragsparteien als Funktionsbedingung für die Tarifautonomie setzt Durchsetzungskraft der Arbeitnehmerkoalition gegenüber dem sozialen Gegenspieler voraus (vgl. auch BVerfG 24. Februar 1999 – 1 BvR 123/93 – zu B II 2 b bb der Gründe, BVerfGE 100, 214). Die zur Gewährleistung einer annähernd gleichen Verhandlungsstärke erforderliche Durchsetzungskraft stellt sicher, dass ein fairer und ausgewogener Ausgleich gegensätzlicher Arbeitsvertragsinteressen im Wege kollektiver Verhandlungen erzielt werden kann (vgl. auch BVerfG 9. Juli 2020 – 1 BvR 719/19 ua. – Rn. 14). Nur unter diesen Voraussetzungen greift die Vermutung der Angemessenheit des zwischen den Tarifvertragsparteien Ausgehandelten (vgl. BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 146, aaO). Angesichts der arbeitsrechtlich strukturellen Überlegenheit der Arbeitgeberseite ist die soziale Mächtigkeit einer Gewerkschaft eine Voraussetzung dafür, dass ein Verhandlungsgleichgewicht überhaupt erst entstehen kann (vgl. BVerfG 9. Juli 2020 – 1 BvR 719/19 ua. – Rn. 10, 24).

37

b) Zudem ist die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie dort, wo der Gesetzgeber seine normativen Regelungskompetenzen zur Gestaltung von Arbeitsbedingungen wahrnimmt, eine notwendige Bedingung, um den Tarifvertragsparteien durch – im Hinblick auf Art. 9 Abs. 3 GG ggf. sogar gebotene (vgl. BVerfG 29. Dezember 2004 – 1 BvR 2283/03 ua. – zu C II 3 b bb (2) (d) der Gründe) – Tariföffnungsklauseln Regelungsbefugnisse einzuräumen, die aus Gründen des Arbeitnehmerschutzes den Arbeitsvertragsparteien versagt sind. Zwingende Arbeitsschutzgesetze enthalten häufig Bestimmungen, die es den Tarifvertragsparteien gestatten, von der gesetzlichen Regelung zulasten der Arbeitnehmer abzuweichen (vgl. etwa § 8 Abs. 4 Satz 3 und Satz 4, § 9a Abs. 6, § 12 Abs. 6, § 13 Abs. 4, § 14 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 TzBfG; § 4 Abs. 4 EFZG; § 13 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BUrlG; § 19 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG; § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 4, § 8 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3, Abs. 4 Satz 1 bis Satz 3 AÜG; vgl. auch § 622 Abs. 4 BGB). Selbst wenn die Arbeitnehmer nicht der tarifvertragschließenden Gewerkschaft angehören und die Tarifnormen deshalb für sie nicht unmittelbar und zwingend gelten, wird die Möglichkeit eröffnet, die für die Arbeitnehmer günstigere gesetzliche Regelung arbeitsvertraglich durch eine ungünstigere tarifvertragliche Regelung zu ersetzen. Diese kann sich daher auch zum Nachteil nicht tarifgebundener Arbeitnehmer auswirken. Im Übrigen bestehen ua. nach §§ 7, 12 ArbZG weitreichende Möglichkeiten für Tarifvertragsparteien, von gesetzlichen Standards zur Flexibilisierung und Anpassung an die Bedürfnisse vor Ort abzuweichen. Die entsprechenden tariflichen Regelungen sind, auch wenn sie nur arbeitsvertraglich in Bezug genommen werden, nach § 310 Abs. 4 BGB einer inhaltlichen Angemessenheitskontrolle durch die Gerichte entzogen. Diese gesetzlichen Konzeptionen beruhen auf der Annahme, dass Tarifverträgen eine materielle Angemessenheitsgewähr zukommt. Eine solche ist nur gerechtfertigt, wenn zwischen den Tarifvertragsparteien ein Verhandlungsgleichgewicht besteht. Nur dann ist gewährleistet, dass vereinbarte tarifliche Regelungen den Bedürfnissen beider Seiten gerecht werden und die widerstreitenden Interessen angemessen ausgleichen. Grundlage der den Tarifvertragsparteien mit der gesetzlich eröffneten Abweichung von zwingenden Arbeitsschutzgesetzen zugewiesenen Ordnungs- und Schutzfunktion (vgl. Richardi RdA 2007, 117, 119 f.) bildet die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie. Diese wird durch das Erfordernis einer Durchsetzungsfähigkeit und organisatorischen Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmervereinigung sichergestellt. Eine Arbeitnehmerkoalition ohne hinreichende soziale Mächtigkeit ist außerstande, die strukturelle Unterlegenheit der Arbeitnehmerseite in Verhandlungen mit der Arbeitgeberseite im Wege kollektiver Verhandlungen zu kompensieren.

38

c) Bei der Beurteilung der sozialen Mächtigkeit einer Arbeitnehmervereinigung maßgeblich auf die Anzahl und Zusammensetzung ihrer Mitglieder abzustellen, unterliegt gleichfalls keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfG 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – Rn. 12). Die Mitgliederstärke ist für die Durchsetzungskraft wesentlich (vgl. BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 198, BVerfGE 146, 71). Ohne eine gewisse Geschlossenheit der Organisation und Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler wäre eine Arbeitnehmervereinigung vom guten Willen der Arbeitgeberseite abhängig und könnte den Aufgaben der Tarifautonomie nicht gerecht werden (vgl. BVerfG 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – aaO; 24. Februar 1999 – 1 BvR 123/93 – zu B II 2 b bb der Gründe, BVerfGE 100, 214; 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Von der Mitgliederzahl einer Koalition hängt ihre Verhandlungsstärke ab (BVerfG 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – aaO; 14. November 1995 – 1 BvR 601/92 – zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 93, 352). Vor allem gibt die Mitgliederzahl im selbst gewählten fachlichen und räumlichen Zuständigkeitsbereich Aufschluss darüber, ob eine Arbeitnehmervereinigung hinreichenden Druck auf den sozialen Gegenspieler aufbauen kann, um Verhandlungen über den Abschluss eines Tarifvertrags ggf. auch gegen dessen Willen zu erzwingen und zu Ergebnissen zu gelangen, die den Belangen ihrer Mitglieder genügen und die sie diesen gegenüber verantwortet. Zudem bestimmt die Zahl der organisierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer die finanzielle Ausstattung einer Koalition und deren organisatorische Leistungsfähigkeit; sie ist somit auch entscheidend dafür, ob sie in der Lage ist, die mit dem Abschluss von Tarifverträgen verbundenen finanziellen und personellen Lasten zu tragen (vgl. BVerfG 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – aaO).

39

d) Die von der DHV und dem CGB erhobenen verfassungsrechtlichen Einwände gegen die Rechtsprechung des Senats zu den Mindestvoraussetzungen einer tariffähigen Arbeitnehmervereinigung greifen nicht durch.

40

aa) Die Annahme, die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie diene ausschließlich der individuellen Koalitionsfreiheit und vermöge daher das Erfordernis einer sozialen Mächtigkeit von Arbeitnehmerkoalitionen nicht zu rechtfertigen, verkennt, dass Art. 9 Abs. 3 GG alle koalitionsspezifischen Verhaltensweisen schützt und damit – gleichermaßen und selbständig neben der individuellen Koalitionsfreiheit – auch die Tarifautonomie gewährleistet. Diese steht im Zentrum der den Koalitionen eingeräumten Möglichkeiten zur Verfolgung ihrer Zwecke (vgl. BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 131 mwN, BVerfGE 146, 71; 11. Juli 2006 – 1 BvL 4/00 – Rn. 70 f., BVerfGE 116, 202; 27. April 1999 – 1 BvR 2203/93 ua. – zu B II 1 a der Gründe, BVerfGE 100, 271; vgl. auch BVerfG 14. Januar 2015 – 1 BvR 931/12 – Rn. 62, BVerfGE 138, 261 [„Grundrecht der Tarifautonomie aus Art. 9 Abs. 3 Satz 1 GG“]) und gewährt ihnen einen Freiraum, in dem Arbeitnehmer und Arbeitgeber ihre Interessengegensätze in eigener Verantwortung austragen können (BVerfG 2. März 1993 – 1 BvR 1213/85 – zu C II der Gründe, BVerfGE 88, 103). Hierzu gehört das Aushandeln von Tarifverträgen, das einen wesentlichen Zweck der Koalitionen bildet (vgl. etwa BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – aaO). Schon vor diesem Hintergrund stellen weder eine erweiterte Inhaltskontrolle von Tarifverträgen noch eine – wie auch immer geartete – „Bagatellkontrolle“ ein milderes Mittel gegenüber der für die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie unerlässlichen sozialen Mächtigkeit einer Arbeitnehmervereinigung als Voraussetzung für deren Tariffähigkeit dar. Eine über die bloße Rechtskontrolle hinausgehende inhaltliche Bewertung von Tarifverträgen wäre mit der grundrechtlich verbürgten Tarifautonomie nicht vereinbar.

41

bb) Auch ein Verstoß gegen Art. 20 Abs. 2 und Abs. 3 sowie Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG liegt nicht vor.

42

(1) Es ist unschädlich, dass die Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung nicht auf einer formalgesetzlichen Grundlage beruhen. Die Gerichte für Arbeitssachen sind nicht nur befugt, sondern sogar gehalten, wenn und solange der Gesetzgeber die Voraussetzungen für die Gewerkschaftseigenschaft und damit die Tariffähigkeit nicht regelt, diese im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG näher zu umschreiben (vgl. BVerfG 13. September 2019 – 1 BvR 1/16 – Rn. 8). Die Wesentlichkeitstheorie, nach welcher der Gesetzgeber in grundlegenden normativen Bereichen alle wesentlichen Entscheidungen selbst treffen muss (vgl. etwa BVerfG 8. August 1978 – 2 BvL 8/77 – zu B II 1 b der Gründe, BVerfGE 49, 89), gilt lediglich für das Verhältnis von Staat und Bürger. Die Feststellung der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation betrifft hingegen das Verhältnis gleichgeordneter Grundrechtsträger. In diesem Bereich müssen die Gerichte bei unzureichenden gesetzlichen Vorgaben das materielle Recht mit den anerkannten Methoden der Rechtsfindung aus den allgemeinen Rechtsgrundlagen ableiten, die für das betreffende Rechtsverhältnis maßgeblich sind (BVerfG 16. September 1991 – 1 BvR 453/90 – zu 1 der Gründe; vgl. auch BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – C I 2 a der Gründe, BVerfGE 84, 212).

43

(2) Eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Grenzen einer solchen etwa BVerfG 5. Juli 2019 – 2 BvR 167/18 – Rn. 41 mwN) liegt schon deshalb nicht vor, weil die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung verfassungsrechtlich (Art. 9 Abs. 3 GG) determiniert sind und die sich hieraus ergebenden Grenzen beachten. Dass sich der Gesetzgeber im Interesse einer besseren Lesbarkeit und Verständlichkeit des Tarifvertragsgesetzes dafür entschieden hat, dort keine eigene Definition für den Gewerkschaftsbegriff aufzunehmen (vgl. BAG 14. Dezember 2010 – 1 ABR 19/10 – Rn. 64 mwN, BAGE 136, 302), bedeutet nicht, dass an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung keine Anforderungen zu stellen sind. Im Übrigen hat das Erfordernis der „Mächtigkeit“ bzw. „Durchsetzungsfähigkeit“ einer Arbeitnehmerkoalition mit dem Zustimmungsgesetz vom 25. Juni 1990 (BGBl. II S. 518) zum Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik vom 18. Mai 1990 und dem Gemeinsamen Protokoll über Leitsätze Aufnahme in den Willen des Gesetzgebers gefunden.

44

(3) Auch unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit begegnet die Rechtsprechung zum Erfordernis der sozialen Mächtigkeit einer Arbeitnehmerorganisation keinen Bedenken (vgl. schon BVerfG 16. September 1991 – 1 BvR 453/90 – zu 1 der Gründe). Das Bestimmtheitsgebot verlangt nicht, dass höchstrichterliche Rechtssätze einen Tatbestand stets mit genau erfassbaren Merkmalen umschreiben müssen, um „subsumtionsfähig“ zu sein (vgl. BVerfG 17. November 1992 – 1 BvL 8/87 – zu C II 1 der Gründe, BVerfGE 87, 234). Ob die Durchsetzungsfähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung gegeben ist, muss – auch nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233) – bei jeder Koalition nach ihrer konkreten Situation im Einzelfall beurteilt werden. Damit scheiden schon von Verfassungs wegen strikte schematische Vorgaben, etwa im Sinne eines Mindestprozentsatzes des Organisationsgrads (vgl. etwa Rieble FS Wiedemann 2002, 519, 537, der einen Nettoorganisationsgrad in Parallele zum Wahlrecht von 5 vH erwägt) oder (wie vom Landesarbeitsgericht angenommen) eines „Schwellenwert[s] von 1,6 %“, für die Annahme einer hinreichenden Durchsetzungskraft aus. Die notwendige einzelfallbezogene Würdigung verletzt – anders als die Rechtsbeschwerden meinen – nicht die Koalitionsfreiheit kleinerer oder neugegründeter Gewerkschaften. Nimmt eine solche Arbeitnehmervereinigung am Tarifgeschehen teil, kann erwartet werden, dass sie sich Klarheit über ihre Fähigkeit verschafft, über ihre Mitglieder einen Verhandlungsdruck auf die Gegenseite aufzubauen. Soweit die Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerorganisation dieser in tatsächlicher Hinsicht erschweren sollte, Mitglieder zu gewinnen, wäre eine damit einhergehende Beeinträchtigung ihrer Koalitionsbetätigungsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG jedenfalls durch das Erfordernis der Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie gerechtfertigt.

45

(4) Das in Art. 19 Abs. 1 Satz 1 GG normierte Verbot eines Einzelfallgesetzes bildet – entgegen der Annahme der Rechtsbeschwerden – schon deswegen keinen Maßstab für die Verfassungsmäßigkeit höchstrichterlicher Rechtsprechung, weil es sich an den Gesetzgeber richtet. Diesem ist es untersagt, aus einer Reihe gleichgelagerter Sachverhalte einen Fall herauszugreifen und zum Gegenstand einer Sonderregel zu machen (vgl. BVerfG 6. Dezember 2016 – 1 BvR 2821/11 ua. – Rn. 394 mwN, BVerfGE 143, 246). Ungeachtet dessen läge – hieran gemessen – auch keine unzulässige „Einzelfallrechtsprechung“ vor. Die insoweit maßgebenden Voraussetzungen für die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition gelten nicht nur für die DHV, sondern für alle Arbeitnehmerorganisationen gleichermaßen.

46

4. Den Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung – und insbesondere dem Erfordernis ihrer hinreichenden Durchsetzungs- und Leistungsfähigkeit – stehen weder unions- noch völkerrechtliche Vorgaben entgegen (ausf. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 71 bis 73 mwN, BAGE 163, 108). Art. 28 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) ist nicht anwendbar, da der Geltungsbereich des Unionsrechts nicht eröffnet ist. Die Europäische Union hat gemäß Art. 153 Abs. 5 AEUV keine Kompetenz zur Regelung des Koalitionsrechts, Streikrechts sowie des Aussperrungsrechts (ausf. BAG 20. November 2012 – 1 AZR 611/11 – Rn. 64 bis 67, BAGE 144, 1). Ungeachtet dessen handelte es sich allenfalls um unionsrechtlich nicht vollständig determiniertes innerstaatliches Recht, dessen Prüfung allein am Maßstab der deutschen Grundrechte zu erfolgen hätte (vgl. BVerfG 6. November 2019 – 1 BvR 16/13 – Rn. 42 ff., BVerfGE 152, 152). Konkrete und hinreichende Anhaltspunkte, dass das Schutzniveau des Art. 28 GRC dadurch nicht gewahrt sein könnte, bestehen nicht. Auch der mit Blick auf die Garantie der Koalitionsfreiheit aus Art. 11 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und ihrer Zusatzprotokolle erwachsende Schutz reicht nicht über das nach Art. 9 Abs. 3 GG Garantierte hinaus (vgl. BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 207 ff., BVerfGE 146, 71). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat eine Beschränkung des Rechts auf Kollektivverhandlungen auf repräsentative Gewerkschaften im Interesse der Vertretung der Arbeitnehmer durch mächtige („powerful“) Arbeitnehmerkoalitionen ausdrücklich gebilligt, solange mit diesen Vorgaben keine anderen Ziele verfolgt werden und die Methoden zur Ermittlung der repräsentierten Arbeitnehmer nicht unangemessen sind (EGMR 4. April 2017 – 35009/05 – Rn. 40 ff.; vgl. EuArbRK/Schubert 3. Aufl. EMRK Art. 11 Rn. 68). Weitergehende Anforderungen lassen sich auch nicht aus der Europäischen Sozialcharta, Art. 22 des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte, Art. 8 Abs. 1 Buchst. a des Internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte oder den Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation ableiten (ausf. BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 206, 208, aaO). Gleiches gilt für die Gemeinschaftscharta der sozialen Grundrechte der Arbeitnehmer vom 9. Dezember 1989 (SozGRCh). Ihr Titel I Nr. 11 entspricht Art. 9 Abs. 3 GG. Soweit Titel I Nr. 12 SozGRCh den Arbeitgebern und Arbeitgebervereinigungen einerseits und den Arbeitnehmervereinigungen andererseits das Recht garantiert, Tarifverträge auszuhandeln und zu schließen, steht dies ausdrücklich unter den Bedingungen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten (vgl. auch EuGH 18. Dezember 2007 – C-341/05 – [Laval un Partneri] Rn. 90 f.; 11. Dezember 2007 – C-438/05 – [Viking] Rn. 40 f.).

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5. Gemessen hieran ist die DHV seit dem 21. April 2015 nicht tariffähig. Zwar hat sie sich nach § 3 ihrer Satzung 2014 ua. die Aufgabe gestellt, die Interessen ihrer Mitglieder in deren Eigenschaft als Arbeitnehmer wahrzunehmen. Auch ist sie willens, Tarifverträge zu schließen. Des Weiteren ist davon auszugehen, dass sie frei und auf überbetrieblicher Grundlage gebildet ist, das geltende Tarifrecht als verbindlich anerkennt sowie eigenständig und gegnerunabhängig ist (vgl. dazu BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 75, BAGE 163, 108). Allerdings besitzt die DHV bezogen auf den von ihr mit der Satzung 2014 beanspruchten Organisationsbereich nicht die erforderliche Durchsetzungsfähigkeit. Dies hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zutreffend erkannt.

48

a) Unter Zugrundelegung der von der ihr genannten Mitgliederzahlen und der Verteilung ihrer Mitglieder auf die einzelnen Zuständigkeitsbereiche nach der Satzung 2014 verfügt die DHV nicht über eine durch eine ausreichende Organisationsstärke vermittelte, hinreichende soziale Mächtigkeit in einem zumindest nicht unerheblichen Teil ihres beanspruchten Zuständigkeitsbereichs. Dies ergibt die gebotene Gesamtwürdigung.

49

aa) Da die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung für den beanspruchten Zuständigkeitsbereich einheitlich und unteilbar ist, genügt es für die Annahme einer Durchsetzungskraft, dass die Arbeitnehmervereinigung diese in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des beanspruchten Zuständigkeitsbereichs besitzt (vgl. BAG 28. März 2006 – 1 ABR 58/04 – Rn. 56, BAGE 117, 308). Dies lässt im Normalfall erwarten, dass sich die Arbeitnehmerkoalition auch in den Bereichen, in denen es ihr an Durchsetzungskraft fehlt, beim Abschluss von Tarifverträgen nicht den Forderungen der Arbeitgeberseite unterwirft. Zugleich steht dies von vornherein einer Annahme entgegen, die Arbeitgeberseite ließe sich dort nur auf Tarifverhandlungen und -abschlüsse mit der Arbeitnehmervereinigung ein, um auf diesem Weg gesetzliche Tarifvorbehalte oder -öffnungen zu ihren Gunsten nutzen, die geltenden Regelungen einer weiteren Angemessenheitskontrolle entziehen (vgl. § 310 Abs. 4 BGB) und die Arbeitsbedingungen auch der nichtorganisierten Arbeitnehmer durch entsprechende Verweise regeln zu können. Welche relative Größe der (Teil-)Bereich einer mitgliedervermittelten Durchsetzungsfähigkeit im Verhältnis zum Gesamtzuständigkeitsbereich haben muss, ist dabei nicht generalisierend vorgegeben. Dies bedarf einer auf die voneinander abgegrenzten und abgrenzbaren Zuständigkeitsbereiche – die ihrerseits in ihrem Verhältnis zueinander zu bewerten sind – bezogenen Betrachtung. Organisiert sich eine Arbeitnehmerkoalition branchendivers, muss dieser Bereich eine gewisse Signifikanz aufweisen, die es rechtfertigt, die Durchsetzungsfähigkeit in einem oder mehreren Bereichen auch auf solche zu erstrecken, die durch völlig andere Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen gekennzeichnet sind. Weil die Versagung der Tariffähigkeit einen erheblichen Eingriff in die Koalitionsfreiheit darstellt, ist hierbei eine grundrechtsfreundliche, eher großzügige Bewertung geboten (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 92 mwN, BAGE 163, 108).

50

(1) Für die Beurteilung, ob der Mitgliederbestand einer Arbeitnehmerkoalition deren Durchsetzungsfähigkeit indiziert, kommt es auf ihre Organisationsstärke in dem von der Vereinigung selbst gewählten räumlichen, fachlichen und ggf. persönlichen (Teil-)Organisationsbereich an. Anders als von der DHV und dem CGB angenommen, kann die soziale Mächtigkeit einer Arbeitnehmervereinigung nicht anhand des Verhältnisses ihrer Mitgliederzahlen zu den insgesamt in ihrem Zuständigkeitsbereich gewerkschaftlich Organisierten beurteilt werden. Auch Art. 9 Abs. 3 GG gebietet dies nicht. Mit dem Erfordernis der Durchsetzungskraft soll die Gegen- und Gleichgewichtigkeit der Tarifvertragspartner zum Zwecke der Gewährleistung angemessener Tarifvertragsregelungen sichergestellt werden. Dies erfordert eine soziale Mächtigkeit gegenüber den antagonistischen Gegenspielern, nicht im Verhältnis zu einer etwaigen gewerkschaftlichen Konkurrenz. Im Übrigen hätte eine solche Sichtweise zur Folge, dass eine Arbeitnehmervereinigung auch dann als sozial mächtig anzusehen wäre, wenn sie bei einem verschwindend geringen Anteil insgesamt gewerkschaftlich organisierter Arbeitnehmer in einem nicht unerheblichen Teil ihres Zuständigkeitsbereichs dort über nur wenige Mitglieder verfügt. Die Annahme, auch eine nur sehr geringe Organisationsstärke eröffne einer Arbeitnehmerkoalition die Möglichkeit, empfindlichen Druck auf den sozialen Gegenspieler auszuüben, kann jedoch allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn es sich bei den Mitgliedern um Spezialisten in Schlüsselstellungen handelt, die – im Fall eines Arbeitskampfs – von Seiten der Arbeitgeber kurzfristig nicht oder nur schwerlich ersetzt werden können. Auch eine auf die Relation zur normativen Tarifbindung von Arbeitnehmern im von der Arbeitnehmervereinigung reklamierten Zuständigkeits(teil)bereich abstellende Bewertung lässt keinen Schluss auf deren mitgliedervermittelte Organisationsstärke zu. Dies verkennt, dass angesichts der Möglichkeit des Abschlusses von Firmentarifverträgen (vgl. § 2 Abs. 1 TVG), aber vor allem wegen des Erfordernisses einer kongruenten Tarifbindung der Arbeitsvertragsparteien (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 TVG) die bloße Mitgliedschaft in einer Arbeitnehmerkoalition nicht zur Folge hat, dass für die gewerkschaftlich organisierten Arbeitnehmer auch stets ein Tarifvertrag unmittelbar und zwingend gilt. Zudem hinge damit die Durchsetzungskraft einer Arbeitnehmervereinigung mittelbar von der Mitgliederstärke ihrer verbandlichen Gegenspieler ab. Darüber hinaus kann auch eine junge Arbeitnehmerkoalition, die ihre Aktivität auf einen räumlich, fachlich und ggf. persönlich eng begrenzten Bereich beschränkt, bereits frühzeitig – und ohne, dass es zu einem Abschluss flächendeckender Tarifverträge gekommen sein muss – schon eine hinreichende Durchsetzungskraft haben, wenn sie mangels ausreichenden Organisationsgrads über eine Mitgliederstruktur verfügt, die sich zwar aus einer vergleichsweise kleinen Berufsgruppe zusammensetzt, deren Angehörige aber wegen ihrer besonderen Stellung im Arbeitsprozess bei einem Arbeitskampf in der Lage sind, die Arbeitgeberseite gleichwohl unter einen erheblichen wirtschaftlichen Druck zu setzen, weil auch ihr kurzzeitiger Ausfall zu beträchtlichen finanziellen Einbußen führen würde. In einem solchen Fall kann daher die Annahme gerechtfertigt sein, dass – trotz ggf. anfänglich noch fehlender oder geringer normativer Tarifbindung in diesem Bereich – die Koalition eine ausreichende Mächtigkeit besitzt, um die Arbeitgeberseite zu ernsthaften Verhandlungen zu zwingen.

51

(2) Bei der Beurteilung der Durchsetzungsfähigkeit ist die von der Arbeitnehmervereinigung selbst gewählte Organisationszuständigkeit in räumlicher, fachlicher und ggf. personeller Hinsicht zugrunde zu legen. Anders als die DHV meint, kommt es nicht darauf an, in welchem Bereich die Arbeitnehmerkoalition, deren Tariffähigkeit umstritten ist, tatsächlich Tarifverhandlungen führt oder -abschlüsse tätigt. Nicht das konkrete tarifliche Wollen, sondern das beanspruchte rechtliche Können ist entscheidend. Die Tariffähigkeit ist die rechtliche Fähigkeit, im selbst beanspruchten Organisationsbereich wirksame Tarifverträge mit dem sozialen Gegenspieler abzuschließen. Diese Fähigkeit ist einheitlich und unteilbar. Daher ist diejenige satzungsgemäße Zuständigkeit maßgebend, die eine Arbeitnehmervereinigung sich selbst gegeben hat. Der autonom von ihr in der Satzung festgelegte Organisationsbereich bestimmt nicht nur für die eigenen Mitglieder und Verbandsorgane, sondern auch für den sozialen Gegenspieler die – selbst gezogene – Grenze wirksamen Handelns der Vereinigung (vgl. BAG 10. Februar 2009 – 1 ABR 36/08 – Rn. 27, BAGE 129, 322). Ebenso wie ein bloßes Tätigwerden außerhalb des satzungsgemäßen Organisationsbereichs diesen nicht erweitern und eine nach der Satzung fehlende Tarifzuständigkeit nicht begründen kann (vgl. BAG 17. April 2012 – 1 ABR 5/11 – Rn. 55 mwN, BAGE 141, 110), vermögen dahinter zurückbleibende Aktivitäten diese nicht einzuschränken. Aus Art. 9 Abs. 3 GG folgt nichts Gegenteiliges. Mit der Ausgestaltung ihres Organisationsbereichs legt die Arbeitnehmerkoalition ihre Tarifzuständigkeit fest. Die Selbstbestimmung über ihre innere Ordnung ist wesentlicher Teil der durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleisteten Koalitionsfreiheit. Damit hat die jeweilige Vereinigung es selbst in der Hand, über den Umfang ihrer reklamierten Zuständigkeit zu entscheiden und diesen nach Branchen, Fachbereichen oder Berufsgruppen abzugrenzen. Gerade weil das Grundgesetz „Koalitionen in ihrer Mannigfaltigkeit“ schützt, wäre die Vorgabe eines bestimmten Profils unzulässig (vgl. BVerfG 11. Juli 2017 – 1 BvR 1571/15 ua. – Rn. 133 mwN, BVerfGE 146, 71).

52

(3) Durchsetzungsfähigkeit gegenüber dem sozialen Gegenspieler bedeutet nicht, dass die Arbeitnehmervereinigung in einem – für ihre Tariffähigkeit als Ganzes ausschlaggebenden – nicht unbedeutenden Teilbereich ihrer satzungsmäßigen Gesamtzuständigkeit über eine Organisationsstärke verfügen muss, die ihr die Chance des „vollständigen Sieges“ gegenüber der Arbeitgeberseite vermittelt. Ausreichend ist es, wenn erwartet werden kann, dass sie vom Gegner ernst genommen wird und die Regelung der Arbeitsbedingungen damit nicht dessen „Diktat“ entspringt, sondern ausgehandelt wird (vgl. BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 2 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Gegenstand der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Gewährleistungen auf sich wandelnde wirtschaftliche und soziale Bedingungen bezogen ist, die – mehr als bei anderen Freiheitsrechten – die Möglichkeit zu Modifikationen und Fortentwicklungen lassen müssen (vgl. BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 1 der Gründe, aaO; 1. März 1979 – 1 BvR 532/77 ua. – zu C IV 1 der Gründe, BVerfGE 50, 290). Dieser Umstand gebietet es, bei den Voraussetzungen der Tariffähigkeit von Arbeitnehmerkoalitionen auch – sich ggf. wandelnde – gesellschaftliche Wirklichkeiten in den Blick zu nehmen, damit diese überhaupt ihre Aufgabe erfüllen können (vgl. BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – aaO; 1. März 1979 – 1 BvR 532/77 ua. – aaO). Bei der Würdigung, ob eine Vereinigung von Arbeitnehmern die notwendige Autorität gegenüber ihren Gegenspielern bzw. deren Mitgliedern besitzt, dürfen daher auch allgemeine Organisationsgrade nicht außer Acht gelassen werden. Dies stellt sicher, dass keine Anforderungen an die Tariffähigkeit gestellt werden, die erheblich auf die Bildung und Betätigung einer Koalition zurückwirken, diese unverhältnismäßig einschränken und so zur Aushöhlung der durch Art. 9 Abs. 3 GG gesicherten freien Koalitionsbildung und -betätigung führen.

53

(4) Der Einwand des Beteiligten zu 11., angesichts von normativen Rahmenvorgaben sowie vor dem Hintergrund der gestiegenen Bedeutung sozialer Medien komme es für die soziale Mächtigkeit einer Arbeitnehmervereinigung nur noch begrenzt auf einen Mitgliederbezug an, übersieht, dass die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie nur bei einer realen Durchsetzungsfähigkeit und Geschlossenheit einer Arbeitnehmervereinigung gegeben ist. Dies erfordert, dass die Arbeitnehmerorganisation über ein hinreichendes mitgliederbegründetes Druckpotential gegenüber dem sozialen Gegenspieler verfügt. Die Entkoppelung der Tariffähigkeit einer Arbeitnehmerkoalition von einer ausreichenden Mitgliederbasis liefe auf die Begründung einer virtuell-imaginären Tarifmacht hinaus (Greiner NZA 2011, 825, 827). Damit bestünde die Gefahr, dass sog. „Phantomgewerkschaften“ Vorschub geleistet wird, also solchen Vereinigungen, denen keine oder nur eine zu vernachlässigende Zahl von Arbeitnehmern – deren Arbeitsbedingungen zu regeln sind – angehört, und auf deren Verhandlungsangebot die Arbeitgeberseite letztlich deswegen eingeht, um die Arbeitsbedingungen der nichtorganisierten Arbeitnehmer durch Gleichstellungsabreden regeln und damit einer AGB-Kontrolle entziehen zu können (vgl. BAG 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 47, BAGE 136, 1). Das für eine funktionierende Tarifautonomie erforderliche (ungefähre) Kräftegleichgewicht zwischen den sozialen Gegenspielern und die hieran anknüpfende Vermutung der Angemessenheit tariflich ausgehandelter Arbeitsbedingungen im Sinne eines fairen Ausgleichs sind – auch in Zeiten sinkender Organisationsgrade – nur dann gegeben, wenn ein Mindestmaß an mitgliedervermittelter sozialer Mächtigkeit vorhanden ist. Je geringer die Organisationsstärke der Arbeitnehmervereinigung in einem nicht unbeachtlichen Teilbereich ihrer selbst gewählten Zuständigkeit ist, desto weniger kann die Annahme gerechtfertigt sein, die Arbeitgeberseite lasse sich auch in den Bereichen, in denen es an einer Durchsetzungskraft fehlt, auf den Abschluss von Tarifverträgen ein, die den von Art. 9 Abs. 3 GG beabsichtigten Schutz gewährleisten.

54

bb) Hiervon ausgehend rechtfertigen – auch bei Zugrundelegung eines großzügigen Bewertungsmaßstabs – die von der DHV vorgebrachten Mitgliederzahlen nicht die Annahme, dass sie zumindest in einem hinreichend beachtlichen Teil ihres Zuständigkeitsbereichs über eine Durchsetzungsmacht verfügt, die ausreichen würde, um sich in dem für eine sinnvolle Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens erforderlichen Mindestumfang gegenüber dem sozialen Gegenspieler durchsetzen zu können.

55

(1) Obwohl das Landesarbeitsgericht weder Feststellungen zur Anzahl und Verteilung der Mitglieder der DHV auf ihre nach der Satzung 2014 reklamierten Zuständigkeitsbereiche noch zur Höhe der sich daraus ergebenden Organisationsgrade getroffen hat, ist dem Senat die notwendige Würdigung, ob der Mitgliederbestand der DHV in einem zumindest nicht unbeachtlichen Teil ihres Zuständigkeitsbereichs deren Durchsetzungsfähigkeit indiziert, nicht verwehrt. Das Gericht kann diese Beurteilung auf der Grundlage der von der DHV in das Verfahren eingeführten amtlichen Statistiken – bei denen es sich um öffentlich zugängliche Erkenntnisquellen handelt und die als allgemeinkundige Tatsachen iSd. § 291 ZPO keines Beweises bedürfen (vgl. BGH 6. Mai 1993 – I ZR 84/91 – zu II 3 der Gründe; vgl. auch BVerfG 3. November 1959 – 1 BvR 13/59 – zu B 3 der Gründe, BVerfGE 10, 177; BGH 7. Mai 2020 – IX ZB 84/19 – Rn. 15) – unter Heranziehung der von der DHV behaupteten und vorliegend zu ihren Gunsten als wahr unterstellten Mitgliederzahlen und deren Verteilung auf die einzelnen Teilbereiche ihrer Gesamtzuständigkeit selbst vornehmen.

56

(2) Danach lässt allein der von der DHV angegebene Organisationsgrad von nur wenig mehr als einem Prozent in dem von ihr insgesamt reklamierten Organisationsbereich nicht ohne Weiteres darauf schließen, sie verfüge über eine ausreichende mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit. Die DHV beansprucht mit der Satzung 2014 eine Zuständigkeit für zahlreiche, gänzlich verschiedene Wirtschaftszweige, Branchen und Berufe. Nicht nur die wirtschaftlichen Verhältnisse in den einzelnen in § 2 Nr. 1 und Nr. 2 der Satzung 2014 aufgeführten Branchen und Bereichen, sondern auch die konkrete Beschäftigungssituation und die Arbeitsbedingungen der dort tätigen Arbeitnehmer unterscheiden sich grundlegend. Zudem steht der DHV – bezogen auf die beanspruchte Gesamtzuständigkeit – eine große Anzahl erheblich heterogen zusammengesetzter sozialer Gegenspieler gegenüber, deren jeweilige ökonomische Situation durch wesentlich unterschiedliche rechtliche und tatsächliche Rahmenbedingungen bestimmt ist. Etwaige synergetische Effekte, die sich aus wirtschaftlichen oder rechtlichen Berührungspunkten der Akteure in den einzelnen Teilbereichen der von der DHV reklamierten disparaten Zuständigkeiten ergeben, sind – wenn überhaupt – nur in geringem Maße vorhanden. Angesichts der hieraus resultierenden Inhomogenität des von der DHV insgesamt in Anspruch genommenen Zuständigkeitsbereichs genügt eine mitgliedervermittelte Präsenz von kaum mehr als einem Prozent für sich genommen nicht, um – bezogen auf den gesamten Organisationsbereich, in dem (nach Angaben der DHV) ungefähr 6,3 Millionen Arbeitnehmer tätig sind – eine für die Annahme der Tariffähigkeit erforderliche soziale Mächtigkeit zu begründen. Eine derartig geringe Organisationsstärke in einem sich räumlich auf alle Bundesländer und fachlich auf etliche divergierende Bereiche erstreckenden Gebiet bietet keine ausreichende Gewähr dafür, dass die DHV über ein Druckpotential verfügt, welches sie in hinreichendem Maße in die Lage versetzt, tarifliche Regelungen auszuhandeln, die den Interessen beider Seiten angemessen gerecht werden.

57

(3) Unabhängig davon liegt der Gesamtorganisationsgrad der DHV – ausgehend von ihren in der Satzung 2014 reklamierten Zuständigkeiten – tatsächlich auch unterhalb von einem Prozent.

58

(a) Die Zahlenangaben der DHV für den Bereich Einzel- und Großhandel (§ 2 Nr. 1 Punkt 2 und 3 der Satzung 2014) lassen außer Acht, dass in diesen Bereichen nicht nur sozialversicherungspflichtig, sondern auch geringfügig Beschäftigte iSv. § 8 Abs. 1 SGB IV tätig sind. Im Einzelhandel entfällt ein nicht unbedeutender Anteil der dort insgesamt Beschäftigten auf diese (größtenteils weibliche) Personengruppe. Ausweislich der amtlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeit („Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen (WZ 2008)“ – Stand 30. Juni 2019) beläuft sich die Anzahl der (ausschließlich) geringfügig Beschäftigten im Einzel- und Großhandel auf eine Größenordnung von um die 700.000. Die Ansicht der DHV, diese Personengruppe müsse bei der Bewertung ihrer Durchsetzungskraft außer Betracht bleiben, verfängt nicht. Die betroffenen Personen sind ungeachtet der sozialversicherungsrechtlichen Besonderheiten ihrer Arbeitsverhältnisse Arbeitnehmer und fallen in den von der DHV reklamierten Organisationsbereich. Ob und inwieweit sie bei einem Arbeitskampf mobilisiert werden können oder ob sie in einem solchen Fall ohne Weiteres ersetzbar sind, ist – entgegen der Ansicht der DHV – insoweit nicht bedeutsam. Unerheblich ist auch, ob diese Personengruppe im Einzelfall aus dem Geltungsbereich tariflicher Regelungen herausgenommen wird. Ohnehin ist angesichts der gesetzlichen Vorgaben für Teilzeitbeschäftigte (vgl. etwa § 4 Abs. 1 TzBfG) und des Verbots einer mittelbaren Diskriminierung wegen des Geschlechts (vgl. §§ 1, 3 Abs. 2 AGG; Art. 157 AEUV) ihr Ausschluss aus dem Anwendungsbereich eines Tarifvertrags nur dann zulässig, wenn hierfür ausnahmsweise sachliche Gründe bestehen. Der Umstand einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV an sich genügt hierfür typischerweise nicht. Vor diesem Hintergrund verfängt auch nicht der Einwand der DHV, die Arbeitsbedingungen – insbesondere die Vergütungshöhe – dieser Arbeitnehmer seien angesichts der monatlichen finanziellen Begrenzung einer entgeltgeringfügigen Beschäftigung nur beschränkt durch Arbeitskampfmaßnahmen erzwingbar.

59

(b) Bei dem von der DHV angegebenen Organisationsgrad unberücksichtigt ist zudem, dass sich ihre Zuständigkeit auch auf den Versand- und damit den Onlinehandel erstreckt (§ 2 Nr. 1 Punkt 2 der Satzung 2014). Die dort beschäftigten Arbeitnehmer müssen bei der Bewertung ihrer mitgliederbezogenen Präsenz ebenfalls einfließen. Auf der Grundlage der in der amtlichen Statistik der Bundesagentur für Arbeit ausgewiesenen Daten kann davon ausgegangen werden, dass in diesem Wirtschaftszweig eine weitere nicht völlig unerhebliche Anzahl von Arbeitnehmern tätig ist. Nach den sich aus dieser Statistik („Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen (WZ 2008)“ – Stand 30. Juni 2019) ergebenden Werten beläuft sich die Zahl der dort sozialversicherungspflichtig und (ausschließlich) geringfügig Beschäftigten – allerdings einschließlich des Wirtschaftszweigs Haustür- und Automatenverkauf, der nicht in den von der DHV reklamierten Zuständigkeitsbereich fällt – auf eine Größenordnung von um die 175.000.

60

(c) Auch die Anzahl der Arbeitnehmer, die die DHV für ihren in § 2 Nr. 1 Punkt 7 der Satzung 2014 („Kliniken und Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform“) reklamierten Organisationsbereich zugrunde legt, ist zu niedrig angesetzt. Die Zuständigkeit der DHV beschränkt sich nicht, wie noch nach der Satzung 2012, auf „Private Kliniken und Krankenhäuser“, also Einrichtungen, die sich in privater Trägerschaft befinden (vgl. zur Unterscheidung zwischen öffentlicher, freigemeinnütziger und privater Trägerschaft etwa Quaas/Zuck/Clemens/Quaas Medizinrecht 4. Aufl. § 25 Rn. 76). Vielmehr erfasst ihr selbst gewählter Organisationsbereich alle Kliniken und Krankenhäuser – unabhängig von der Trägerschaft – in privatrechtlicher Rechtsform. Dass auch die DHV hiervon ausgeht, zeigt der Umstand, dass sie bei der Ermittlung der durch diese Zuständigkeit erfassten Arbeitnehmer diejenigen in Abzug bringt, die in einem vom Deutschen Roten Kreuz getragenen, jedoch privatrechtlich verfassten Krankenhaus tätig sind. Unter Zugrundelegung der – auch von der DHV herangezogenen – Daten des Statistischen Bundesamts (Fachserie 12 Reihe 6.1.1 Grunddaten der Krankenhäuser 2017 S. 8), nach denen sich etwa 37 vH der Krankenhäuser in privater und ungefähr 29 vH in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft befinden, von denen ungefähr 60 vH in privatrechtlicher Rechtsform geführt werden, ist davon auszugehen, dass dieser Teilbereich bei dort ausweislich der Statistik der Bundesagentur für Arbeit insgesamt etwa 1,5 Millionen beschäftigten Arbeitnehmern („Beschäftigte nach Wirtschaftszweigen (WZ 2008)“ – Stand 30. Juni 2019) eine Größenordnung von nicht weniger als 800.000 Beschäftigten (anstatt der von der DHV behaupteten 453.400) umfasst. Dabei bleibt noch unberücksichtigt, dass nicht nur das von der DHV angeführte Deutsche Rote Kreuz, sondern auch andere freigemeinnützige Träger Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform unterhalten.

61

(d) Höher als von der DHV angegeben dürfte auch die Anzahl der Arbeitnehmer sein, die in ihre nach § 2 Nr. 2 der Satzung 2014 reklamierte Zuständigkeit fallen. Die DHV legt hier lediglich die sich aus den Daten des Statistischen Bundesamts (Fachserie 14 Reihe 6 Personal des öffentlichen Dienstes 2019 S. 66) ergebende Anzahl von Arbeitnehmern zugrunde, die – von insgesamt im kommunalen Bereich etwa 1,37 Millionen Beschäftigten – für die „Zentrale Verwaltung“ ausgewiesen ist. Dies verkennt, dass in den anderen in der Statistik aufgeführten Bereichen („Schule und Kultur“, „Soziales und Jugend“, „Gesundheit und Sport“ sowie „Gestaltung der Umwelt“) durchaus auch Arbeitnehmer in verwaltenden Berufen tätig sind.

62

(4) Eine ausreichende Durchsetzungsmacht wird der DHV auch nicht dadurch verliehen, dass sie in einem hinreichend beachtlichen Teil ihres Zuständigkeitsbereichs eine mitgliederbezogene Präsenz besitzt, die ausreichen würde, um sich in dem für eine angemessene Ordnung und Befriedung des Arbeitslebens erforderlichen Mindestumfang gegenüber dem sozialen Gegenspieler durchsetzen zu können.

63

(a) Die DHV verfügt – nach ihrem Bekunden – in den beiden Organisationsteilbereichen „Gesetzliche Krankenkassen“ (§ 2 Nr. 1 Punkt 4 der Satzung 2014) und „Privates und öffentlich-rechtliches Versicherungsgewerbe“ (§ 2 Nr. 1 Punkt 5 der Satzung 2014) über die höchsten Organisationsgrade von um die zwei Prozent bis etwa 2,3 vH. Selbst bei einer einheitlichen Betrachtung dieser beiden Teilbereiche sind dort allerdings nur weniger als 1/20 aller in die gewählte Gesamtzuständigkeit der DHV fallenden Arbeitnehmer beschäftigt. Hinzu kommt, dass es sich um fachlich eng umrissene Branchen mit einer überschaubaren Anzahl an sozialen Gegenspielern handelt. Damit bilden diese beiden Bereiche keinen ausreichend signifikanten Teil des insgesamt von der DHV beanspruchten Organisationsbereichs. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die DHV – nach ihren Angaben – dort etwa ein Drittel der normativ tarifgebundenen Arbeitnehmer organisiert. Der Anzahl der bei den gesetzlichen Krankenkassen und im Versicherungsgewerbe Beschäftigten kommt im Verhältnis zur Zahl der Arbeitnehmer, für die die DHV mit ihrer Satzung 2014 insgesamt eine Zuständigkeit reklamiert, nur eine untergeordnete Bedeutung zu. Selbst wenn die DHV in diesen Branchen über eine soziale Mächtigkeit verfügen sollte, spricht nichts dafür, dass sich diese auch auf die gänzlich anderen in § 2 der Satzung 2014 genannten Wirtschaftszweige und Bereiche, die durch völlig abweichende Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen und damit Interessen einer Vielzahl anderer sozialer Gegenspieler gekennzeichnet sind, erstrecken könnte.

64

(b) Die höchste Mitgliederzahl (22.742) weist die DHV im Zuständigkeitsbereich Einzelhandel (§ 2 Nr. 1 Punkt 2 der Satzung 2014) aus. Nach ihren Mitteilungen hat sie bei insgesamt um die 2,26 Millionen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten dort eine Mitgliederpräsenz von ungefähr einem Prozent. Unter Berücksichtigung nicht nur der sozialversicherungspflichtig, sondern auch der (ausschließlich) geringfügig Beschäftigten (etwa 600.000) beläuft sich die Zahl der in diesem Bereich tätigen Arbeitnehmer – auch ohne Berücksichtigung des Versand- und damit des Onlinehandels – auf um die 2,8 Millionen. Damit ergibt sich bei zutreffender Lesart des statistischen Zahlenmaterials eine Organisationsstärke der DHV in diesem Wirtschaftszweig von weniger als einem Prozent (etwa 0,8 vH). Auch wenn im Einzelhandel der Anteil derjenigen Arbeitnehmer, die einer Gewerkschaft angehören, nicht besonders hoch ist – die DHV gibt diesen selbst mit insgesamt 8 vH an – lässt die Zahl der bei ihr mitgliedschaftlich organisierten Beschäftigten vor dem Hintergrund der zahlreichen sozialen Gegenspieler im gesamten Einzelhandel nicht erkennen, dass die DHV damit im gesamten Teilbereich über eine soziale Mächtigkeit verfügen würde, die ihr bezogen auf die übrigen, völlig andersartigen Zuständigkeitsbereiche eine Tariffähigkeit vermittelt. Anhaltspunkte dafür, dass ihre Mitglieder in diesem Bereich ganz überwiegend Berufsgruppen angehören, die in wirtschaftlichen Schlüsselpositionen tätig und daher im Fall eines Arbeitskampfs nicht kurzfristig ersetzbar sind oder zumindest bei einem Ausfall einen erheblichen wirtschaftlichen Schaden erzeugen würden, sind weder vorgebracht noch ersichtlich.

65

(c) Entsprechendes gilt für den – ebenfalls in § 2 Nr. 1 Punkt 3 der Satzung 2014 abgegrenzten und im Verhältnis zu den anderen reklamierten Zuständigkeiten abgrenzbaren – Teilbereich Großhandel. Nach Behauptung der DHV liegt ihr Organisationsgrad dort (ohne Berücksichtigung ausschließlich geringfügig Beschäftigter) bei um die 1,25 vH; von den (aufgerundet) 1,16 Millionen Arbeitnehmern, die in diesem Bereich arbeiten, sind ca. 14.500 bei ihr Mitglied. Unter Einbeziehung der (ausschließlich) geringfügig Beschäftigten (etwa 103.000) ergibt sich eine mitgliederbezogene Präsenz der DHV im Großhandel von etwa 1,15 vH. Selbst wenn in Betracht gezogen wird, dass im Großhandel nur ein geringer Prozentsatz der Arbeitnehmer gewerkschaftlich organisiert ist (nach Angaben der DHV beläuft er sich auf etwa 7 vH), vermag die niedrige Organisationsstärke der DHV in diesem Teilbereich ihre soziale Mächtigkeit nicht zu indizieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Bereich Großhandel nur ca. 1/6 der Gesamtzuständigkeit der DHV ausmacht und damit – im Verhältnis zu ihrer insgesamt beanspruchten Zuständigkeit – keinen besonders bedeutsamen Teilbereich darstellt. Hinzu kommt, dass er sich durch eine größere Anzahl und Diversifikation der sozialen Gegenspieler auszeichnet. Angesichts dieser Umstände gewährleistet die mitgliedervermittelte Präsenz der DHV in diesem Bereich nicht, dass sie über eine Mächtigkeit verfügt, die es ihr ermöglicht, die Arbeitgeberseite unter ausreichenden Druck zu setzen. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Mitglieder der DHV in diesem Bereich in Funktionen tätig sind, deren Ausfall dem sozialen Gegenspieler im Fall eines Arbeitskampfs wegen ihrer jedenfalls kurzfristigen Unersetzbarkeit empfindliche wirtschaftliche Einbußen zufügen könnte.

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(d) Eine auf den Bereich „Handel“ als Ganzes bezogene Würdigung führt zu keinem anderen Ergebnis. Zwar nimmt diese Branche einen erheblichen Teil der von der DHV insgesamt beanspruchten Zuständigkeit ein. Jedoch beliefe sich auch in einem derart zugeschnittenen Teil ihres Organisationsbereichs der Anteil der dort von ihr organisierten Arbeitnehmer – nach Bekunden der DHV – auf etwa ein Prozent; unter Berücksichtigung auch der (ausschließlich) geringfügig Beschäftigten sowie des Versandhandels beträgt er weniger als ein Prozent. Eine solch geringe mitgliedervermittelte Präsenz in diesem sich durch zahlreiche unterschiedliche Sozialpartner und verschiedenartige Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen auszeichnenden Bereich stellt kein ausreichendes Indiz dafür dar, dass die DHV dort in der Lage ist, hinreichend Druck auf die sozialen Gegenspieler auszuüben, um – ggf. auch gegen deren Willen – tarifliche Regelungen zu erzwingen, die den Interessen beider Seiten angemessen gerecht werden können. Entgegen der Ansicht der DHV kann einem derart konturierten Teilbereich „Handel“ auch nicht die von ihr reklamierte Zuständigkeit für die Fleischwarenindustrie (§ 2 Nr. 1 Punkt 12 der Satzung 2014) zugeordnet werden. Dieser Wirtschaftszweig ist maßgebend durch die industrielle Herstellung von – erst später veräußerten – Fleischwaren geprägt. Damit unterscheiden sich die wirtschaftliche Situation und die rechtlichen Rahmenbedingungen der produzierenden Unternehmen und damit auch die tatsächlichen Arbeitsbedingungen der dort tätigen Arbeitnehmer grundlegend von denjenigen des Handels. Aber selbst eine diesen Wirtschaftszweig integrierende Betrachtung ergäbe keine andere Bewertung. Die DHV hätte in diesem Bereich bei insgesamt etwa 4,1 Millionen dort tätigen Arbeitnehmern – ohne den Versandhandel – (aufgerundet) 38.000 Mitglieder und damit einen Organisationsgrad von unter einem Prozent. Angesichts der Diversität dieses Bereichs und der hohen Anzahl unterschiedlichster Sozialpartner, die dort agieren, ließe das auf keine hierauf bezogene hinreichende Organisationsstärke schließen.

67

(e) Die anderen in § 2 Nr. 1 der Satzung 2014 angeführten Branchen und Bereiche, die zum Teil von der DHV als „Leuchttürme“ ihrer Tarifarbeit bezeichnet werden, sind – ungeachtet der dort teilweise ohnehin nur geringen mitgliederbezogenen Präsenz der DHV – angesichts ihrer in Relation zum gesamten Organisationsbereich geringen Größe ebenfalls nicht geeignet, deren Tariffähigkeit zu indizieren. Dies gilt insbesondere für das Bankengewerbe (§ 2 Nr. 1 Punkt 1 der Satzung 2014), das – selbst bei Zugrundelegung der von der DHV vorgebrachten Größenangaben – nur ungefähr 1/12 der insgesamt von ihr beanspruchten Satzungszuständigkeit darstellt. Die DHV verfügt auch bei großzügiger Betrachtung in keinem hinreichend bedeutenden Zuständigkeitsbereich über eine Organisationsstärke, die signifikant genug wäre, um ihr für ihre jeweils im Übrigen beanspruchten Zuständigkeiten und damit insgesamt eine Tariffähigkeit zu vermitteln.

68

(f) Entgegen der Ansicht der DHV lassen ihre Mitgliederzahlen in den von ihr so genannten „Markenkernbereichen“ – zu denen sie die Banken, den Einzel- und Großhandel, die gesetzlichen Krankenkassen, das Versicherungsgewerbe, die Alten- und Behindertenpflege, die Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform und das Deutsche Rote Kreuz zählt – keinen Schluss auf eine dadurch vermittelte Durchsetzungsfähigkeit zu. Das Prinzip der Einheitlichkeit und Unteilbarkeit der Tariffähigkeit beruht auf der Erwartung, eine Arbeitnehmervereinigung, die in einem zumindest nicht unbedeutenden Teil des von ihr beanspruchten Zuständigkeitsbereichs über eine Mächtigkeit verfügt, unterwerfe sich auch in den Bereichen, in denen es ihr an Durchsetzungskraft fehlt, beim Abschluss von Tarifverträgen nicht den Forderungen der Arbeitgeberseite und sei daher insgesamt durchsetzungsfähig. Eine solche Annahme erfordert, dass der die Durchsetzungsmacht vermittelnde Teilbereich über eine hinreichende innere Kohärenz verfügt, die sich regelmäßig dadurch auszeichnet, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und damit auch die Arbeitsbedingungen in diesem Bereich vergleichbar sind. Bei einer auf verschiedene Branchen bezogenen Arbeitnehmerkoalition kann sich dies etwa daraus ergeben, dass sie in einer der von ihr beanspruchten Branchen – deren Größe gemessen an ihrem reklamierten Gesamtzuständigkeitsgebiet nicht unerheblich sein darf – über eine signifikante Repräsentanz verfügt. Beschränkt die Arbeitnehmerkoalition ihre Zuständigkeit auf einen bestimmten Wirtschafts- oder Berufszweig, kann sich ihre soziale Mächtigkeit auch daraus ableiten, dass sie in einem bestimmten räumlichen oder regionalen Teil desselben über eine Durchsetzungskraft verfügt. Der Zuschnitt des ggf. eine Tariffähigkeit vermittelnden Teilbereichs kann hingegen nicht beliebig konturiert werden; stets bedarf es eines inneren Zusammenhangs. Dies gilt vor allem dann, wenn sich – wie vorliegend – der Kreis der Arbeitgeber(verbände) als sozialer Gegenspieler wegen der Diversität der beanspruchten Zuständigkeiten erheblich heterogen zusammensetzt. Eine solche, alle Gebiete umfassende Kohärenz lassen die von der DHV angeführten „Markenkernbereiche“ nicht erkennen. Der bloße Umstand, dass dort – wie in einem Großteil aller Branchen und Wirtschaftszweige – auch Arbeitnehmer beschäftigt sind, die verwaltende oder kaufmännische Berufe ausüben, genügt hierfür nicht.

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(g) Entsprechendes gilt, soweit die DHV eine Zuständigkeit für den – von ihr so bezeichneten – Bereich „Finanzdienstleistung“ (Banken, privates und öffentlich-rechtliches Versicherungsgewerbe und IT-Dienstleistungsunternehmen für Steuerberater, Wirtschaftsprüfer und Rechtsanwälte) reklamiert. Die den einzelnen Branchen angehörenden Unternehmen und Institute agieren in einem grundlegend unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Umfeld. Die damit zum Teil erheblich anders gearteten Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen stehen einer Zusammenfassung entgegen. Gleiches gölte für einen – von der DHV angeführten – Zuständigkeitsbereich „Gesundheit“, zu dem sie die in § 2 Nr. 1 Punkt 4 („Gesetzliche Krankenkassen“), Punkt 6 („Einrichtungen der privaten Alten- und Behindertenpflege sowie der Jugendhilfe“), Punkt 7 („Kliniken und Krankenhäuser in privatrechtlicher Rechtsform“), Punkt 8 („Rettungsdienste“), Punkt 9 („Arbeiterwohlfahrt und Tochtergesellschaften“) und Punkt 10 („Deutsches Rotes Kreuz und Tochtergesellschaften“) der Satzung 2014 genannten Wirtschaftszweige und Arbeitgeber zählt. Ungeachtet dessen verfügte die DHV in keinem dieser derart zugeschnittenen Bereiche über eine Mitgliederstärke, die den Schluss darauf zulassen könnte, dass sie bezogen auf ihre insgesamt beanspruchte, inhomogene Zuständigkeit eine ausreichende mitgliedervermittelte Durchsetzungsfähigkeit hätte.

70

(5) Soweit der DHV noch weitere Mitglieder angehören, die entweder keiner Erwerbstätigkeit (mehr) oder einer außerhalb der – mit § 2 der Satzung 2014 beanspruchten – Zuständigkeit liegenden nachgehen, kommt dem bei einer Würdigung ihrer Durchsetzungsmacht keine maßgebliche Bedeutung zu. Zwar trägt auch diese Personengruppe ggf. durch ihre Sachkenntnis zur Unterstützung, jedenfalls aber durch ihre Mitgliedsbeiträge zur finanziellen Ausstattung der Arbeitnehmervereinigung bei, die wiederum über deren organisatorische Leistungsfähigkeit und auch darüber entscheidet, ob die Vereinigung in der Lage ist, die mit dem Abschluss von Tarifverträgen verbundenen finanziellen und personellen Lasten zu tragen (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 79, BAGE 163, 108; 5. Oktober 2010 – 1 ABR 88/09 – Rn. 39 mwN, BAGE 136, 1). Allerdings kommt es für die Frage, ob eine Arbeitnehmervereinigung überhaupt in der Lage ist, hinreichenden Druck auf den sozialen Gegenspieler aufzubauen, um Tarifverträge auszuhandeln, die den Interessen beider Seiten gerecht werden, entscheidend auf solche Mitglieder an, die – innerhalb der reklamierten Zuständigkeit der Vereinigung – im Arbeitsleben stehen. Ihre Anzahl oder Stellung bestimmt, ob eine Arbeitnehmerkoalition auf ihre jeweilige Gegenseite fühlbaren Druck ausüben kann. Die Gegen- und Gleichgewichtigkeit der Sozialpartner verlangt ein gegenseitiges Spiel der Kräfte, zu dem ein Druckpotential auf beiden Seiten gehört (vgl. BAG 14. März 1978 – 1 ABR 2/76 – zu III 2 der Gründe). Nur dieser „Druck- und Gegendruckfaktor“ gewährleistet die Herbeiführung eines Tarifvertrags, dem eine Angemessenheitsvermutung zukommen kann.

71

b) Auch den von der DHV geschlossenen Tarifverträgen vermag keine ausschlaggebende Indizwirkung für ihre mit der Satzung 2014 beanspruchte Tariffähigkeit zuzukommen.

72

aa) Hat das Gericht Zweifel an der hinreichenden, mitgliedervermittelten Durchsetzungsfähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung, kann diese ausnahmsweise auch durch deren langjährige Teilnahme am Tarifgeschehen indiziert sein. Die eigene aktive und dauerhafte Beteiligung am Prozess der tariflichen Regelung von Arbeitsbedingungen im beanspruchten Zuständigkeitsbereich – oder in einem relevanten Teil davon – ist ein gewichtiger Beleg dafür, dass die Koalition von der Arbeitgeberseite wahr- und ernst genommen wird. Eine solche privilegierte Berücksichtigung der indiziellen Wirkung bereits geschlossener Tarifverträge kommt in typisierender Weise aber nur bei einer Arbeitnehmervereinigung in Betracht, die sich trotz eines marginalen Organisationsgrads langjährig am Tarifgeschehen beteiligt und hierdurch unter Beweis gestellt hat, dass sie von der Arbeitgeberseite dennoch nicht ignoriert werden konnte. Eine Indizwirkung für die soziale Mächtigkeit einer Arbeitnehmervereinigung allein und ausschließlich aufgrund der Anzahl der von ihr in der Vergangenheit geschlossenen Tarifverträge – ohne jegliche Berücksichtigung von Mitgliederzahlen – scheidet aus. Eine solche Sichtweise verbietet sich, weil aus dem Umstand des Abschlusses von Tarifverträgen – für sich gesehen – nur bedingt Schlüsse für die Tariffähigkeit als Abschlussvoraussetzung gezogen werden können (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 79 f. mwN, BAGE 163, 108).

73

bb) Die Annahme, dass bei einer langjährig am Tarifgeschehen beteiligten Arbeitnehmervereinigung deren Durchsetzungskraft gegenwarts- und zukunftsbezogen belegt ist, setzt voraus, dass es sich bei den in der Vergangenheit geschlossenen Tarifverträgen in nennenswerter Zahl um solche in einem von der Arbeitnehmerkoalition – jedenfalls im Wesentlichen – damals und nach wie vor beanspruchten Zuständigkeitsbereich handelt. Weil die Tariffähigkeit einheitlich und unteilbar ist, ist es ausreichend, aber auch erforderlich, dass die bisherigen Tarifabschlüsse einen für den gegenwärtig beanspruchten Organisationsbereich relevanten Teil betreffen. Nur insoweit kann davon ausgegangen werden, dass die Arbeitnehmervereinigung ein hinreichendes Gewicht besitzt, die Arbeitgeberseite zu Tarifvertragsverhandlungen und -abschlüssen zu veranlassen. Beansprucht eine langjährig in einem bestimmten Bereich am Tarifgeschehen beteiligte Arbeitnehmervereinigung nunmehr Zuständigkeiten in einem erheblich geänderten personellen, räumlichen und/oder fachlichen Zuständigkeitsbereich, der seinerseits für die Beurteilung ihrer Durchsetzungskraft und organisatorischen Leistungsfähigkeit von Bedeutung ist, ist die Zahl der im vormals anders gefassten Zuständigkeitsbereich geschlossenen Tarifverträge nicht maßgebend. Der durch die Anzahl geschlossener Tarifverträge belegten Wahrnehmung der Koalition durch den sozialen Gegenspieler kommt dann auch im Hinblick auf eine im neuen Bereich ganz wesentlich anders zusammengesetzte Arbeitgeberseite von vornherein kein ausschlaggebendes Gewicht zu. Noch weniger vermittelt eine zuständigkeitsübersteigende Beteiligung am Prozess der tariflichen Regelung von Arbeitsbedingungen eine hinreichende Durchsetzungsmacht (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 81, BAGE 163, 108).

74

cc) Die Relativierung der Indizwirkung der bisherigen Teilnahme einer Arbeitnehmervereinigung am Tarifgeschehen im Fall einer erheblichen Änderung ihrer satzungsmäßigen Zuständigkeit beeinträchtigt nicht unverhältnismäßig deren durch Art. 9 Abs. 3 GG geschütztes Recht zur eigenverantwortlichen Festlegung desjenigen Bereichs, für den sie künftig bereit sein will, mit der Arbeitgeberseite die Arbeitsbedingungen ihrer Mitglieder zu regeln. Erstreckt sie ihre bisherige Tarifzuständigkeit in einem erheblichen Maß auf Bereiche, in denen sie bisher – kraft eigenbestimmter Zuständigkeit – keine Arbeitnehmer organisieren konnte, liegt es an ihr, sich die Fähigkeit zu bewahren, auch für den erheblich geänderten Gesamtbereich in der Lage zu sein, tarifliche Regelungen auszuhandeln, die den Interessen beider Seiten gerecht werden (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 82, BAGE 163, 108).

75

dd) Danach kann den seit 1950 bis zum Inkrafttreten der Satzung 2014 von der DHV geschlossenen Tarifverträgen, die ihre langjährige Beteiligung am Tarifgeschehen bekunden, keine ausschlaggebende Indizwirkung für ihre seitdem beanspruchte Tariffähigkeit zukommen. Dies hat der Senat im Beschluss vom 26. Juni 2018 (- 1 ABR 37/16 – Rn. 83 bis 87, BAGE 163, 108) bereits ausführlich dargelegt. Die DHV hat Tarifverträge in wechselnden Zuständigkeiten und zudem signifikant außerhalb ihres Organisationsbereichs geschlossen. Nach ihrer Satzungshistorie fehlt es der DHV an der erforderlichen Homogenität und Kontinuität des selbst gewählten Tarifzuständigkeitsbereichs, die es rechtfertigen würden, in den im Zeitraum von 1950 bis zum Inkrafttreten der Satzung 2014 geschlossenen Tarifverträgen ein erheblich tragfähiges Zeugnis ihrer gegenwärtigen sozialen Mächtigkeit zu sehen (vgl. ausf. dazu BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 84 ff., aaO). Der hiergegen ua. von der DHV erhobene Einwand, bei den Tarifverträgen habe es sich überwiegend um solche in den von ihr damals und heute beanspruchten Zuständigkeiten für die Bereiche Banken, Handel, gesetzliche Krankenkassen und Versicherungen sowie für Arbeitnehmer in kaufmännisch-verwaltenden Berufen – ihrem „Markenkern“ – gehandelt, greift nicht durch. Er übersieht, dass sich die DHV in Folge ihrer fortlaufenden Satzungsänderungen sukzessive von einer strikt berufsgruppenbezogenen und damit branchenunabhängigen Arbeitnehmervereinigung zu einer Organisation gewandelt hat, die – wie das statistisch untermauerte Zahlenwerk zeigt – den ganz überwiegenden Schwerpunkt ihres selbst gewählten Zuständigkeitsbereichs nunmehr berufsgruppenunabhängig auf unterschiedlichste Wirtschaftszweige oder ausgewählte Teile davon erstreckt. Der jetzige Organisationsbereich der DHV nach ihrer Satzung 2014 ist erheblich disparat zusammengesetzt und zeichnet sich durch eine Vielzahl verschiedenster Bereiche aus. Eine derartige Entwicklung von einer ausschließlich berufsgruppenbezogen ausgerichteten Zuständigkeit zu einer diverse Wirtschaftszweige oder Teile davon umfassenden schließt die Annahme aus, die früheren Tarifvertragsabschlüsse der DHV betrafen einen für den gegenwärtig beanspruchten Organisationsbereich relevanten Teil. Eine solche Relevanz kann nur gegeben sein, wenn sich die langjährig in der Vergangenheit erfolgte Teilnahme einer Arbeitnehmerorganisation am Tarifgeschehen ganz überwiegend auf die von ihr damals wie heute weitgehend identisch beanspruchte – fachliche und persönliche – Zuständigkeit bezieht.

76

ee) Die seit Inkrafttreten der Satzung 2014 von der DHV erzielten Tarifabschlüsse vermögen ihre Tariffähigkeit für die Zeit ab dem 21. April 2015 ebenfalls nicht zu belegen. Nach Angaben der DHV handelt es sich hierbei neben einigen Zuordnungstarifverträgen iSd. § 3 Abs. 1 BetrVG – denen eine relevante indizielle Bedeutung für die Durchsetzungskraft einer Arbeitnehmervereinigung bereits deshalb kaum zukommt, weil sie gleichermaßen im Interesse des Arbeitgebers und der Arbeitnehmer liegen können (vgl. schon BAG 14. Dezember 2004 – 1 ABR 51/03 – zu B III 2 e bb (2) der Gründe, BAGE 113, 82; 6. Juni 2000 – 1 ABR 10/99 – zu B II 2 b aa (2) der Gründe, BAGE 95, 36) – und lediglich schuldrechtlich wirkenden Verhandlungsverpflichtungen um ungefähr 580 tarifliche Vereinbarungen (einschließlich der hierzu jeweils am selben Tag mit demselben sozialen Gegenspieler geschlossenen und daher indiziell nicht gesondert zu berücksichtigenden Anlagen bzw. deren Änderungen), die bis Ende 2020 getroffen wurden.

77

(1) Diese Tarifabschlüsse vermögen – trotz ihrer Anzahl – die soziale Mächtigkeit der DHV schon deshalb nicht zu indizieren, weil eine mitgliedervermittelte Durchsetzungsmacht bezogen auf ihre insgesamt oder in relevanten Teilbereichen nach der Satzung 2014 beanspruchte Zuständigkeit nicht ersichtlich ist. Die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie ist nur dann gewährleistet, wenn nicht bloß die Arbeitgeber-, sondern auch die Arbeitnehmerseite in der Lage ist, einen hinreichenden Druck auszuüben. Fehlt es hieran, weil die Arbeitnehmervereinigung in einem relevanten Teilbereich ihrer Zuständigkeit nicht über eine mitgliederbezogene Durchsetzungskraft verfügt, können auch die mit dem sozialen Gegenspieler geschlossenen Vereinbarungen nicht den Beleg dafür erbringen, dass sie die notwendige soziale Mächtigkeit besitzt. Ohne ausreichendes Druckpotential besteht das Risiko, dass die Arbeitgeberseite auf das Verhandlungsangebot einer Arbeitnehmervereinigung bloß deshalb eingeht, um die Arbeitsbedingungen der nichtorganisierten Arbeitnehmer durch vertragliche Bezugnahmeklausel auf die tariflichen Bestimmungen zu regeln und sie damit nach § 310 Abs. 4 BGB einer Angemessenheitskontrolle zu entziehen.

78

(2) Im Übrigen verschließen sich die von der DHV seit Februar 2015 geschlossenen Tarifverträge einer Belegwirkung für deren soziale Mächtigkeit für die Zeit ab dem 21. April 2015 auch deshalb, weil sie erst nach Inkrafttreten der Satzung 2014 zustande gekommen sind und sich demnach auf einen zeitlich überschaubaren Zeitraum beziehen. Grundsätzlich kann die Durchsetzungskraft einer Arbeitnehmerorganisation gegenwarts- und zukunftsbezogen nur ausnahmsweise durch eine dauerhafte, über mehrere Jahrzehnte in der Vergangenheit erfolgte Beteiligung am Prozess der tariflichen Regelung von Arbeitsbedingungen indiziert werden. Eine Tariffähigkeit entsteht nicht durch den Abschluss von Tarifverträgen, sondern ist für deren Wirksamkeit Voraussetzung (vgl. auch BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 80, BAGE 163, 108). Aus der Vereinbarung von Tarifverträgen kann daher für sich genommen nicht der Schluss gezogen werden, dass die Arbeitnehmerkoalition zu diesem Zeitpunkt auch tariffähig ist; dazu bedarf es vielmehr einer erheblichen zeitlichen Kontinuität, die ausschließt, dass die Arbeitnehmervereinigung nur um den Abschluss eines Tarifvertrags zu erwirken, sich dem Willen der Arbeitgeberseite unterwirft. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass es sich bei den genannten Tarifverträgen um solche handelt, die nach Einleitung des Verfahrens zur Feststellung der Tariffähigkeit iSv. § 97 ArbGG geschlossen wurden. Derartigen Tarifabschlüssen kann bei einer Arbeitnehmervereinigung, die – wie vorliegend die DHV – über eine nicht hinreichende, mitgliedervermittelte Organisationsstärke verfügt, keine ausschlaggebende Indizwirkung für deren soziale Mächtigkeit zukommen. Mit der grundrechtlichen Garantie der Tarifautonomie wird den Tarifpartnern ein Freiraum eingeräumt, in dem sie ihre Interessengegensätze in eigener Verantwortung austragen können und die Möglichkeit haben – im Sinne der Tarifverträgen zukommenden Angemessenheitsvermutung – sinnvolle Wirtschafts- und Arbeitsbedingungen auszuhandeln. Ziel des damit verbürgten kollektiven Vertragssystems ist es, die strukturelle Unterlegenheit der einzelnen Arbeitnehmer zu überwinden. Die ausschlaggebende Berücksichtigung auch solcher Tarifverträge, die eine in ihrem beanspruchten Organisationsbereich nicht ausreichend repräsentierte Arbeitnehmervereinigung während eines laufenden Verfahrens nach § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG schließt, birgt typischerweise die Gefahr, dass diese sich auf deren Abschluss bereits deswegen einlässt, weil sie sich hiervon eine indizielle Bedeutung für den Ausgang des Tariffähigkeitsverfahrens verspricht. Käme solchen Tarifabschlüssen entscheidende Indizwirkung für eine soziale Mächtigkeit der Arbeitnehmerkoalition zu, könnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Funktionsfähigkeit der Tarifautonomie beeinträchtigt würde.

79

c) Entgegen der Ansicht der DHV ist auch ihr sonstiges Vorbringen nicht geeignet, ihre soziale Mächtigkeit zu belegen.

80

aa) Im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung können die von ihr angeführten, bei Betriebsrats-, Personalrats- und Aufsichtsratswahlen errungenen Mandate nicht berücksichtigt werden. Denn diese besagen nichts über die Verbandsmacht der DHV (vgl. für Betriebsratsmandate BAG 14. März 1978 – 1 ABR 2/76 – zu IV 6 der Gründe), welche sich nicht betriebs- oder dienststellenbezogen bemisst und angesichts der Satzung 2014 auch nicht unternehmensbezogen determiniert ist (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 97, BAGE 163, 108).

81

bb) Auch die Berufung von Mitgliedern der DHV zu ehrenamtlichen Richtern in der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit lässt keine Rückschlüsse auf ihre Tariffähigkeit zu. Dies folgt schon daraus, dass hierfür nach § 20 Abs. 2 ArbGG, § 14 Abs. 1 Satz 2 SGG neben Gewerkschaften auch selbständige Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung vorschlagsberechtigt sind (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 97, BAGE 163, 108).

82

cc) Die Mitgliedschaften der DHV in der europäischen Organisation CESI („Confédération Européenne des Syndicats Indépendants“ – Europäische Union der Unabhängigen Gewerkschaften) und der Weltorganisation der Arbeitnehmer (WOW – „World Organization of Workers“) geben für die nach nationalem Recht zu entscheidende Frage, ob sie eine tariffähige Arbeitnehmerkoalition ist, ebenfalls nichts her (vgl. BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 97, BAGE 163, 108). Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese Mitgliedschaften die DHV befähigen würden, bei Tarifverhandlungen in der Bundesrepublik Deutschland einen ausreichenden Druck ausüben zu können (vgl. BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 3 f der Gründe, BVerfGE 58, 233).

83

dd) Keine Aussagekraft über die Durchsetzungsmächtigkeit hat zudem die von der DHV vorgebrachte Anerkennung ihrer Gewerkschaftseigenschaft durch Vertreter oder Repräsentanten von Regierungen und Parteien. Die Tariffähigkeit muss tatsächlich vorliegen. Subjektive Einschätzungen oder politische Anerkennungen sind ohne Bedeutung (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 97, BAGE 163, 108).

84

ee) Kein Beleg für die soziale Mächtigkeit der DHV sind schließlich die von ihr angeführten Betriebs- und Bundesfachgruppen, die unterschiedlichen von ihr herausgegebenen Informationsmaterialien sowie ihre sonstigen – zum Teil für bestimmte Bereiche bzw. einzelne Arbeitgeber ausführlich dargelegten – „gewerkschaftlichen“ Aktivitäten. Auch diese ermöglichen – ebenso wie ihre ehrenamtlichen Funktionsträger und Multiplikatoren – keine Rückschlüsse auf eine hinreichende Durchsetzungsfähigkeit der DHV im Sinne einer Verbandsmacht gegenüber den tariflichen Gegenspielern.

85

6. Soweit der Beteiligte zu 11. – wie sein Verfahrensbevollmächtigter in der Anhörung vor dem Senat klargestellt hat – mit seinem Verlangen, die fehlende Tariffähigkeit der DHV erst mit Rechtskraft der Entscheidung des Senats festzustellen, eine Gewährung von Vertrauensschutz für seine Mitglieder erstrebt, blieb dies erfolglos. Zwar handelte es sich bei diesem erstmals in der Rechtsbeschwerde hilfsweise angebrachten Begehren nicht um eine unzulässige Erweiterung des Verfahrensgegenstands. Denn der auf die Feststellung der Tarifunfähigkeit ab einem bestimmten – vor dem Schluss der letzten mündlichen Anhörung vor Gericht liegenden – Zeitpunkt gerichtete Antrag umfasst als Weniger immer die Prüfung, ob die Tariffähigkeit ggf. erst ab einem späteren Zeitpunkt und damit spätestens mit Rechtskraft der letztinstanzlichen Entscheidung fehlt. Die Gewährung von Vertrauensschutz für eine Tariffähigkeit der DHV vom 21. April 2015 bis zur zweiten Anhörung vor dem Senat am 22. Juni 2021 schied aber schon deshalb aus, weil die hierfür erforderlichen Voraussetzungen nicht vorlagen. Ein Vertrauenstatbestand kann allenfalls durch eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung begründet werden (vgl. ausf. dazu BAG 12. Juni 2019 – 7 AZR 477/17 – Rn. 33). Hieran fehlt es. Zudem wäre ein etwaiges Vertrauen in die Tariffähigkeit der DHV bis zur Entscheidung des Senats nicht schutzwürdig, da das vorliegende Verfahren bereits seit 2013 rechtshängig war.

86

V. Das Verfahren war nicht im Hinblick auf die Einholung einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 GG oder die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV auszusetzen.

87

1. Die Voraussetzungen eines Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GG liegen weder in Bezug auf die höchstrichterlichen Grundsätze zu den Anforderungen an die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung noch hinsichtlich § 97 iVm. § 2a Abs. 1 Nr. 4 ArbGG vor. Dies hat der Senat in seinem das vorliegende Verfahren betreffenden Beschluss vom 26. Juni 2018 (- 1 ABR 37/16 – Rn. 99 bis 104, BAGE 163, 108) bereits ausführlich begründet. Die Rechtsbeschwerdeführer bzw. der Beteiligte zu 6. haben nach der Zurückverweisung des Verfahrens an das Beschwerdegericht keine neuen Erwägungen vorgebracht, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.

88

2. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (Gerichtshof) nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist ebenfalls nicht geboten (siehe dazu auch schon BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 105 bis 108, BAGE 163, 108).

89

a) Eine Vorlagepflicht des Senats als national letztinstanzlichem Gericht besteht nach Art. 267 Abs. 3 AEUV, wenn sich in dem Verfahren eine Frage des Unionsrechts stellt, diese entscheidungserheblich ist und nicht bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war („acte éclairé“) oder die richtige Anwendung des Unionsrechts nicht derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt („acte clair“) (vgl. EuGH 15. September 2005 – C-495/03 – [Intermodal Transports] Rn. 33). Unterfällt ein Sachverhalt nicht dem Unionsrecht und geht es auch nicht um die Anwendung nationaler Regelungen, mit denen Unionsrecht durchgeführt wird, ist der Gerichtshof nicht zuständig (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – Rn. 106 mwN, BAGE 163, 108). Dessen Zuständigkeit beschränkt sich auf die Prüfung der Bestimmungen des Unionsrechts (EuGH 1. März 2011 – C-457/09 – [Chartry] Rn. 21 ff.). Als Anknüpfungspunkt kommt grundsätzlich das gesamte unionsrechtliche Primär- und Sekundärrecht in Betracht (BAG 26. Juni 2018 – 1 ABR 37/16 – aaO).

90

b) Danach fehlt es vorliegend an einem unionsrechtlichen Anknüpfungspunkt. Das Verfahren wirft keine entscheidungserhebliche unionsrechtliche Rechtsfrage auf. Sofern das insoweit vom Beteiligten zu 11. angeregte Vorabentscheidungsersuchen sich auch auf Art. 28 GRC beziehen sollte, findet diese unionsrechtliche Vorgabe – wie bereits ausgeführt – keine Anwendung.

91

VI. Die von den Rechtsbeschwerdeführern erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch.

92

1. Die Voraussetzungen des nach § 93 Abs. 1 Satz 1, § 92 Abs. 2 Satz 1, § 72 Abs. 5 ArbGG auch im Beschlussverfahren anwendbaren absoluten „Revisions“grunds nach § 547 Nr. 6 ZPO liegen nicht vor. Entgegen der Ansicht der DHV stellt der angefochtene Beschluss des Beschwerdegerichts keine Entscheidung ohne Gründe dar. Eine Entscheidung ist iSd. § 547 Nr. 6 ZPO nur dann „nicht mit Gründen versehen“, wenn aus ihr nicht zu erkennen ist, welche tatsächlichen Feststellungen und rechtlichen Erwägungen für die getroffene Entscheidung maßgebend waren oder auf welchen Überlegungen diese beruht (vgl. etwa BAG 21. Oktober 2014 – 1 ABR 10/13 – Rn. 11 mwN). Das ist vorliegend nicht der Fall.

93

2. Die vom Beteiligten zu 11. erhobene Rüge einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör wegen Zustellung der von der DHV eingereichten Rechtsbeschwerdebegründung erst am Tag des Fristablaufs zur Begründung der von ihm eingelegten Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Ungeachtet dessen, dass sich der Beteiligte zu 11. den Inhalt der Rechtsbeschwerdebegründung der DHV ausdrücklich zu eigen gemacht hat, war es ihm nicht verwehrt, hierzu noch nach Fristablauf Stellung zu nehmen.

94

3. Auf die übrigen von der DHV erhobenen Verfahrensrügen gegen die angefochtene Entscheidung kam es nach alledem nicht mehr an.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    Hayen    

        

    Dr. Ronny Schimmer