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10 AZR 322/19

Stichtagsregelung für Sonderzahlung in AVR Caritas

Court Details

  • File Number

    10 AZR 322/19

  • ECLI Number

    ECLI:DE:BAG:2021:080921.U.10AZR322.19.0

  • Type

    Urteil

  • Date

    08.09.2021

  • Senate

    10. Senat

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. März 2019 – 10 Sa 372/18 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Leitsatz

Stichtagsregelungen für Sonderzahlungen in kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem Dritten Weg ausgehandelt worden sind, unterliegen mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG denselben Grenzen wie entsprechende Regelungen in Tarifverträgen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten nach Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses über eine anteilige Jahressonderzahlung.

2

Der Kläger ist examinierter Altenpfleger. Er war vom 15. März 2010 bis zum 31. Juli 2017 als Wohnbereichsleiter bei der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte gehört dem Caritasverband an. Nach § 2 des Arbeitsvertrags gelten für das Arbeitsverhältnis die „Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes“ (AVR Caritas) in ihrer jeweiligen Fassung. Nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses mit der Beklagten begründete der Kläger ohne zeitliche Unterbrechung ein Arbeitsverhältnis mit dem Caritasverband W. Der Arbeitsvertrag mit dem neuen Arbeitgeber nimmt ebenfalls Bezug auf die AVR Caritas in ihrer jeweils geltenden Fassung.

3

Nach Abschn. XIV (a) Satz 1 der Vergütungsregelung in Anlage 1 zu den AVR Caritas erhalten Mitarbeiter eine Weihnachtszuwendung, wenn sie am 1. Dezember des laufenden Kalenderjahres in einem Dienst- oder Ausbildungsverhältnis stehen. Endet das Dienst- oder Ausbildungsverhältnis vor dem 1. Dezember und hat es mindestens vom Beginn des Kalenderjahres an ununterbrochen bestanden, wird eine anteilige Weihnachtszuwendung nach Abschn. XIV (b) der Anlage 1 zu den AVR Caritas gezahlt, wenn im unmittelbaren Anschluss ein Dienst- oder Ausbildungsverhältnis im Geltungsbereich der AVR Caritas oder in einem anderen Tätigkeitsbereich der katholischen Kirche begründet wird.

4

Nach § 16 Abs. 1 der Besonderen Regelungen für Mitarbeiter im Pflegedienst in Krankenhäusern in Anlage 31 zu den AVR Caritas haben Mitarbeiter, die am 1. Dezember im Dienstverhältnis stehen, Anspruch auf eine Jahressonderzahlung. Nach § 16 Abs. 6 Satz 1 der Anlage 31 zu den AVR Caritas erhalten sie die Jahressonderzahlung auch dann, wenn ihr Dienstverhältnis vor dem 1. Dezember endet.

5

Die Beklagte wendet auf das Arbeitsverhältnis die Besonderen Regelungen für Mitarbeiter im Pflegedienst in sonstigen Einrichtungen in Anlage 32 zu den AVR Caritas an. § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas lautet:

        

„Mitarbeiter, die am 1. Dezember im Dienstverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.“

6

In Anlage 32 zu den AVR Caritas ist kein Anspruch auf eine Jahressonderzahlung für den Fall geregelt, dass das Dienstverhältnis vor dem Stichtag endet.

7

Die Zentrale Kommission der Zentral-KODA beschloss am 23. November 2016 die Ordnung über die Rechtsfolgen eines Dienstgeberwechsels im Geltungsbereich der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse. Sie lautet:

        

„Bei jedem Wechsel eines oder einer Beschäftigten von einem Dienstgeber im Bereich der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse zu einem anderen Dienstgeber im Bereich der Grundordnung, für den ein anderer arbeitsrechtlicher Regelungsbereich gilt (Wechsel in der Zuständigkeit der nach Art. 7 Grundordnung gebildeten Kommission), gilt Folgendes:

        

1. …   

        

2. Der oder die Beschäftigte erhält auf Antrag vom bisherigen Dienstgeber die Jahressonderzahlung bzw. das Weihnachtsgeld beim Ausscheiden anteilig auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor einem festgelegten Stichtag endet. …“

8

Mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 beantragte der Kläger bei der Beklagten eine anteilige Sonderzahlung für das Jahr 2017 unter Hinweis auf seine Betriebszugehörigkeit bis zum 31. Juli 2017. Die Beklagte lehnte das mit Schreiben vom 19. Oktober 2017 ab.

9

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung für das Jahr 2017. Dem stehe nicht entgegen, dass er zum Stichtag des § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas am 1. Dezember 2017 nicht mehr in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten gestanden habe. Soweit bei einem Arbeitgeberwechsel innerhalb des Caritasverbands kein Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung bestehe, seien Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG sowie der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt. Der Gesichtspunkt der Betriebstreue sei nicht geeignet, eine Schlechterstellung derjenigen Arbeitnehmer zu rechtfertigen, die zwischen zwei kirchlichen Arbeitgebern wechselten. Anders als in der freien Wirtschaft bestehe zwischen verschiedenen kirchlichen Arbeitgebern kein Wettbewerbsverhältnis. Wer innerhalb des Caritasverbands den Arbeitgeber wechsele, dürfe nicht schlechtergestellt werden als derjenige, der von einem Arbeitgeber des Caritasverbands in eine Einrichtung wechsele, in der eine Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) gelte. Die Stichtagsregelung in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas iVm. dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 diskriminiere kirchliche Arbeitnehmer nach dem Merkmal der Zugehörigkeit des Arbeitgebers zu einer Arbeitsrechtlichen Kommission bzw. einer Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechts (KODA). Sie sei im Übrigen nicht hinreichend klar und verständlich.

10

Der Kläger hat beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.781,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19. Oktober 2017 zu zahlen.

11

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat gemeint, ein anteiliger Anspruch des Klägers auf Jahressonderzahlung ergebe sich weder aus § 16 der Anlage 32 zu den AVR Caritas noch aus dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016. Die Stichtagsregelung in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas sei wirksam. Für den Bereich des Pflegedienstes in sonstigen Einrichtungen sei in Abgrenzung zu dem in Anlage 31 zu den AVR Caritas geregelten Krankenhausbereich bewusst darauf verzichtet worden, einen Anspruch auf Jahressonderzahlung bei Ausscheiden vor dem Stichtag zu begründen. Der Wechsel des Klägers von einem Arbeitgeber, der in den Geltungsbereich der AVR Caritas falle, zu einem anderen in denselben Geltungsbereich fallenden Arbeitgeber sei nicht vom Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 erfasst. Er greife nur ein, wenn ein Arbeitnehmer zwischen den Bereichen der AVR Caritas und einer KAVO oder aus dem Bereich einer KAVO in den Bereich einer anderen KAVO wechsele. Die unterschiedliche Behandlung sei gerechtfertigt, weil Arbeitnehmer, die den arbeitsrechtlichen Regelungsbereich wechselten, von Einkommenseinbußen und sonstigen Nachteilen betroffen sein könnten, die durch eine anteilige Jahressonderzahlung teilweise ausgeglichen würden.

12

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler entschieden, dass der Kläger keinen Anspruch gegen die Beklagte auf eine anteilige Jahressonderzahlung für das Jahr 2017 hat.

14

I. Die Klage ist zulässig. Es kommt nicht darauf an, ob die Parteien ein Schlichtungsverfahren nach § 22 Abs. 1 des Allgemeinen Teils der AVR Caritas durchgeführt haben.

15

1. Nach § 22 Abs. 1 des Allgemeinen Teils der AVR Caritas sind Dienstgeber und Mitarbeiter verpflichtet, bei Meinungsverschiedenheiten, die sich bei der Anwendung der AVR Caritas oder aus dem Dienstverhältnis ergeben, zunächst die bei dem zuständigen Diözesancaritasverband errichtete Schlichtungsstelle anzurufen. Nach § 22 Abs. 4 des Allgemeinen Teils der AVR Caritas schließt die Behandlung eines Falls vor der Schlichtungsstelle die fristgerechte Anrufung des Arbeitsgerichts nicht aus.

16

2. Es kann dahinstehen, ob es sich um ein zulässigerweise als Prozessvoraussetzung ausgestaltetes Schlichtungsverfahren handelt (ablehnend BAG 21. November 2006 – 9 AZR 176/06 – Rn. 13; 3. Dezember 2002 – 9 AZR 462/01 – zu A I 1 der Gründe, BAGE 104, 73). Entscheidend ist auch nicht, ob die Schlichtungsstelle bei Streitigkeiten nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzurufen ist (vgl. BAG 18. Mai 1999 – 9 AZR 682/98 – zu III 2 d der Gründe). Wird das Schlichtungsverfahren nicht durchgeführt, wäre eine Klage allenfalls unzulässig, wenn die Beklagte eine entsprechende Rüge erhoben hätte. Einen solchen Angriff hat die Beklagte hier nicht geführt. Es ist deshalb anzunehmen, dass die Parteien auf die Einhaltung des Schlichtungsverfahrens jedenfalls konkludent verzichtet haben (vgl. BAG 11. November 2015 – 10 AZR 719/14 – Rn. 12, BAGE 153, 215; 8. Juni 1994 – 10 AZR 341/93 – zu II 1 der Gründe).

17

II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung für das Jahr 2017.

18

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien sind aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung die AVR Caritas anzuwenden.

19

a) Bei kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen wie den AVR Caritas handelt es sich um Kollektivvereinbarungen besonderer Art, in denen allgemeine Bedingungen für die Vertragsverhältnisse der Arbeitnehmer durch eine paritätisch zusammengesetzte Arbeitsrechtliche Kommission festgelegt werden (BAG 11. Juli 2019 – 6 AZR 40/17 – Rn. 22; 19. April 2012 – 6 AZR 677/10 – Rn. 23). Eine normative Wirkung besteht nicht, weil das säkulare Recht für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen keine unmittelbare und zwingende Geltung anordnet. Es fehlt eine § 4 Abs. 1 TVG entsprechende Bestimmung (BAG 22. März 2018 – 6 AZR 835/16 – Rn. 29, BAGE 162, 247; 13. November 2002 – 4 AZR 73/01 – zu I 3 b bb der Gründe, BAGE 103, 353). Mangels normativer Wirkung in privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen können kirchliche Arbeitsrechtsregelungen nur über Bezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen im Arbeitsverhältnis wirksam werden (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 22, BAGE 168, 254; 15. November 2018 – 6 AZR 240/17 – Rn. 20).

20

b) In § 2 des zwischen den Parteien geschlossenen Arbeitsvertrags sind die AVR Caritas wirksam in Bezug genommen.

21

aa) Die Bezugnahmeklausel ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung. Dafür begründet das äußere Erscheinungsbild des Vertrags eine tatsächliche Vermutung (vgl. BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 23, BAGE 168, 254; 25. Juni 2015 – 6 AZR 383/14 – Rn. 23, BAGE 152, 82).

22

bb) Die Klausel genügt dem Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 23, BAGE 168, 254; 28. Juni 2012 – 6 AZR 217/11 – Rn. 39, BAGE 142, 247). Sie steht nicht in Widerspruch zu anderen im Arbeitsvertrag getroffenen Vereinbarungen.

23

cc) Die Bezugnahme in § 2 des Arbeitsvertrags ist nicht überraschend iSv. § 305c Abs. 1 BGB. Ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einem kirchlichen Arbeitgeber schließt, muss davon ausgehen, dass sein Arbeitgeber das spezifisch kirchliche Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen und damit idR kirchenrechtlichen Geboten genügen will (BAG 26. September 2013 – 8 AZR 1013/12 – Rn. 21; 28. Juni 2012 – 6 AZR 217/11 – Rn. 40, BAGE 142, 247).

24

c) Auf das Arbeitsverhältnis sind die besonderen Regelungen der Anlage 32 zu den AVR Caritas anzuwenden.

25

aa) Anlage 32 zu den AVR Caritas gilt für Mitarbeiter im Pflegedienst in sonstigen Einrichtungen. Nach § 1 Abs. 1 Buchst. c der Anlage 32 zu den AVR Caritas sind insbesondere Mitarbeiter im Pflegedienst erfasst, die in Pflegeeinrichtungen sowie sonstigen Einrichtungen und Heimen beschäftigt sind, in denen die betreuten Personen in ärztlicher Behandlung stehen, wenn die Behandlung durch nicht in den Einrichtungen selbst beschäftigte Ärztinnen oder Ärzte erfolgt. Nach § 1 Abs. 1 Buchst. d der Anlage 32 zu den AVR Caritas gilt sie auch für Mitarbeiter im Pflegedienst in Einrichtungen und Heimen, die beispielsweise der Fürsorge und Betreuung von alten Personen dienen, auch wenn diese Einrichtungen nicht der ärztlichen Behandlung der betreuten Personen dienen.

26

bb) Auf der Grundlage dieser Regelungen sind das Landesarbeitsgericht und die Parteien zutreffend davon ausgegangen, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Anlage 32 zu den AVR Caritas anzuwenden ist. Der Kläger war bei der Beklagten in einer Einrichtung mit Wohnbereichen beschäftigt. Das Landesarbeitsgericht hat nicht festgestellt, dass die betreuten Personen durch bei der Beklagten selbst beschäftigte Ärzte und Ärztinnen versorgt werden. Der Kläger war bei der Beklagten daher nicht in einem Krankenhaus oder einer anderen unter die Anlage 31 zu den AVR Caritas fallenden Einrichtung, sondern in einer sonstigen Einrichtung iSd. Anlage 32 zu den AVR Caritas beschäftigt.

27

2. Aus § 16 der Anlage 32 zu den AVR Caritas ergibt sich kein Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung für das Jahr 2017. Nach § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas haben Mitarbeiter, die am 1. Dezember im Dienstverhältnis stehen, Anspruch auf eine Jahressonderzahlung. § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas enthält eine Stichtagsregelung, nach der Arbeitnehmer von dem Anspruch auf eine Jahressonderzahlung ausgenommen sind, die am 1. Dezember des betreffenden Jahres nicht in einem Dienstverhältnis stehen (Beyer in Beyer/Papenheim Arbeitsrecht der Caritas Anlagen 31/32 § 16 Stand Februar 2020 Rn. 3; zu der vergleichbaren Regelung in § 20 Abs. 1 TVöD-AT BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 718/11 – Rn. 10 f.). § 16 der Anlage 32 zu den AVR Caritas enthält keine der allgemeinen Regelung in Abschn. XIV (b) Satz 1 der Anlage 1 zu den AVR Caritas vergleichbare Bestimmung, nach der Mitarbeiter, die vor dem 1. Dezember ausscheiden, unter Umständen eine anteilige Jahressonderzahlung erhalten. Eine der besonderen Regelung des § 16 Abs. 6 Satz 1 der Anlage 31 zu den AVR Caritas für den Pflegedienst in Krankenhäusern entsprechende Bestimmung über einen Anspruch auf Jahressonderzahlung bei vorzeitigem Ausscheiden enthält § 16 der Anlage 32 zu den AVR Caritas ebenfalls nicht. Der am 31. Juli 2017 aus dem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten ausgeschiedene Kläger erfüllt damit die Anspruchsvoraussetzungen für eine Jahressonderzahlung nach den Besonderen Regelungen für Mitarbeiter im Pflegedienst in sonstigen Einrichtungen nach § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas nicht.

28

3. Ein Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung ergibt sich auch nicht aus Nr. 2 des Beschlusses der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016.

29

a) Danach gelten besondere Regelungen bei „jedem Wechsel eines oder einer Beschäftigten von einem Dienstgeber im Bereich der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse zu einem anderen Dienstgeber im Bereich der Grundordnung, für den ein anderer arbeitsrechtlicher Regelungsbereich gilt (Wechsel in der Zuständigkeit der nach Art. 7 Grundordnung gebildeten Kommission)“. Unter diesen Voraussetzungen erhalten Beschäftigte nach Nr. 2 des Beschlusses auf Antrag vom bisherigen Dienstgeber die Jahressonderzahlung bzw. das Weihnachtsgeld beim Ausscheiden anteilig auch dann, wenn das Arbeitsverhältnis vor dem festgelegten Stichtag endet.

30

b) Die Voraussetzungen, unter denen nach dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 ein Anspruch auf anteilige Jahressonderzahlung bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis vor dem Stichtag gegeben ist, sind nicht erfüllt.

31

aa) Zwar ist der Kläger von der Beklagten in ein Arbeitsverhältnis mit dem Caritasverband W gewechselt. Der neue Dienstgeber gehört ebenfalls zum Bereich der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse. Der Kläger hat mit Schreiben vom 2. Oktober 2017 eine anteilige Jahressonderzahlung von der Beklagten beantragt.

32

bb) Für den neuen Dienstgeber des Klägers gilt jedoch kein anderer arbeitsrechtlicher Regelungsbereich iSd. Beschlusses der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016. Ein Wechsel in der Zuständigkeit der nach Art. 7 Grundordnung gebildeten Kommission ist nicht gegeben. Der neue Dienstgeber gehört derselben Arbeitsrechtlichen Kommission an wie die Beklagte. Ein Wechsel des Dienstgebers ohne einen Wechsel der zuständigen Arbeitsrechtlichen Kommission wird vom Beschluss vom 23. November 2016 nicht erfasst (Eder ZTR 2019, 201, 204). Das gilt insbesondere für einen Wechsel innerhalb der Caritas (Weidenthaler in Die AVR von A bis Z Erläuterungen zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes Stand Februar 2019 E 4 Rn. 55).

33

4. Die Stichtagsregelung in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas ist nicht nach §§ 305 ff. BGB unwirksam.

34

a) Kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, die wie die AVR Caritas auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind und arbeitsvertraglich in Bezug genommen werden, unterliegen als Allgemeine Geschäftsbedingungen der Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 33, BAGE 168, 254; 22. Juli 2010 – 6 AZR 847/07 – Rn. 24 ff., BAGE 135, 163). Bei der Kontrolle ist als im Arbeitsrecht geltende Besonderheit (§ 310 Abs. 4 Satz 2 BGB) jedoch angemessen zu berücksichtigen, dass die Arbeitgeberseite ihre Interessen im Verfahren des Dritten Wegs nicht einseitig durchsetzen kann. Die paritätische Besetzung der Arbeitsrechtlichen Kommission und die mangelnde Weisungsgebundenheit ihrer Mitglieder verhindern eine solche Übermacht. Diese Besonderheit bewirkt, dass auf dem Dritten Weg zustande gekommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen grundsätzlich wie Tarifverträge nur darauf zu untersuchen sind, ob sie gegen die Verfassung, anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – aaO; 22. März 2018 – 6 AZR 835/16 – Rn. 66, BAGE 162, 247; 4. August 2016 – 6 AZR 129/15 – Rn. 26; Spelge ZAT 2020, 127, 132). Anders verhält es sich, wenn ein kirchlicher Arbeitgeber unter Verstoß gegen seine kirchenrechtliche Verpflichtung die kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nur teilweise vertraglich in Bezug nimmt oder sich gänzlich von ihnen löst und ein eigenes Vertragswerk erstellt. In diesem Fall handelt es sich um außerhalb des Dritten Wegs zustande gekommene Allgemeine Geschäftsbedingungen, die uneingeschränkt nach den §§ 305 ff. BGB zu kontrollieren sind (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – aaO; Spelge ZAT 2020, 127, 134).

35

b) Nach diesen Grundsätzen sind die auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendenden AVR Caritas wie Tarifverträge nur darauf zu überprüfen, ob sie gegen die Verfassung, anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen. Der Arbeitsvertrag der Parteien verweist in § 2 vollständig auf die AVR Caritas. Davon abweichende Regelungen sind im Arbeitsvertrag nicht getroffen.

36

c) Vollständig in Bezug genommene kirchliche Arbeitsrechtsregelungen sind insbesondere nicht nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB darauf zu überprüfen, ob sie transparent sind (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 34, BAGE 168, 254). Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob die Stichtagsregelung in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas iVm. dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 klar und verständlich iSv. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB ist.

37

5. Die Stichtagsregelung in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas iVm. dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 verstößt nicht gegen das verfassungsrechtliche Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, es sei nicht hinreichend erkennbar, in welchen Konstellationen Arbeitnehmer beim Wechsel des kirchlichen Arbeitgebers Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung hätten.

38

a) Kirchliche Arbeitsvertragsregelungen müssen wie Tarifverträge dem Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit genügen (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 34, BAGE 168, 254). Mit dieser gleichen Kontrolldichte wird eine nicht zu rechtfertigende Besserstellung kirchlicher Arbeitsrechtsregelungen im Verhältnis zu Tarifverträgen vermieden. Auch die typische inhaltliche Verwandtschaft des kirchlichen Arbeitsrechts und der Tarifverträge des öffentlichen Dienstes spricht dafür, gleiche Kontrollmaßstäbe anzulegen. Sonst entstünden unauflösbare Wertungswidersprüche (BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – aaO).

39

b) Das Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit gilt grundsätzlich für tarifvertragliche Regelungen. Der Normadressat muss ebenso wie bei Gesetzen erkennen können, ob er von einer Regelung erfasst ist und welchen Regelungsgehalt die tarifliche Vorschrift hat. Dem Tarifvertrag als Normenvertrag für eine Vielzahl von Arbeitsverhältnissen ist eine gewisse Unschärfe immanent. Lediglich in ganz besonderen Ausnahmefällen dürfen Gerichte tarifliche Regelungen wegen mangelnder Bestimmtheit und des darauf beruhenden Verstoßes gegen rechtsstaatliche Grundsätze für unwirksam erachten (BAG 26. Februar 2020 – 4 AZR 48/19 – Rn. 38, BAGE 170, 56; 19. April 2012 – 6 AZR 677/10 – Rn. 27).

40

c) Gesetze müssen so bestimmt sein, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist. Dass ein Gesetz unbestimmte, der Auslegung und Konkretisierung bedürftige Begriffe verwendet, verstößt allein noch nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der Normenklarheit und Justiziabilität. Unvermeidbare Auslegungsschwierigkeiten in Randbereichen sind dann aus verfassungsrechtlichen Gründen hinzunehmen. Erforderlich ist allerdings, dass die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Sie müssen in zumutbarer Weise feststellen können, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für die Rechtsfolge erfüllt sind (BVerfG 3. September 2014 – 1 BvR 3353/13 – Rn. 16; 7. Mai 2001 – 2 BvK 1/00 – zu C II der Gründe mwN, BVerfGE 103, 332; BAG 31. Januar 2019 – 8 AZR 1073/12 – Rn. 61).

41

d) Nach diesen Grundsätzen verstößt § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas iVm. dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 nicht gegen das Gebot der Bestimmtheit und Normenklarheit. Die Regelung in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas ist sprachlich eindeutig. Danach hat nur Anspruch auf eine Jahressonderzahlung, wer am 1. Dezember des jeweiligen Jahres in einem Dienstverhältnis steht. Ein Anspruch auf anteilige Jahressonderzahlung bei vorzeitigem Ausscheiden besteht nicht. Die Modifikation im Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 führt nicht dazu, dass die Stichtagsregelung nicht mehr hinreichend bestimmt wäre. Die betroffenen Arbeitnehmer können in zumutbarer Weise feststellen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen für eine anteilige Jahressonderzahlung gegeben sind. Der neue Dienstgeber muss ebenfalls der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse unterliegen, der Arbeitnehmer muss die anteilige Jahressonderzahlung beantragen. Für den neuen Dienstgeber muss ein anderer arbeitsrechtlicher Regelungsbereich gelten. Aufgrund des Klammerzusatzes ist erkennbar, dass es hierfür auf die Zuständigkeit einer anderen Arbeitsrechtlichen Kommission ankommt.

42

6. Die Stichtagsregelung in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 GG. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

43

a) Stichtagsregelungen für Sonderzahlungen in kirchlichen Arbeitsvertragsregelungen, die auf dem Dritten Weg ausgehandelt worden sind, unterliegen mit Blick auf Art. 3 Abs. 1 und Art. 12 Abs. 1 GG denselben Grenzen wie entsprechende Regelungen in Tarifverträgen.

44

b) Der Arbeitsrechtlichen Kommission kommt wie den Tarifvertragsparteien eine Einschätzungsprärogative zu (BAG 14. März 2019 – 6 AZR 90/18 – Rn. 28; 19. April 2012 – 6 AZR 677/10 – Rn. 31 mwN). Sie bezieht sich auf die tatsächlichen Gegebenheiten, die betroffenen Interessen und die Regelungsfolgen. Auch die Arbeitsrechtliche Kommission verfügt über einen weiten Gestaltungsspielraum für die inhaltliche Ausformung ihrer Regelungen, dessen Reichweite im Einzelfall von den Differenzierungsmerkmalen abhängt (vgl. für die Tarifvertragsparteien BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – Rn. 66; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 41). Es ist nicht Sache der Gerichte zu prüfen, ob die Arbeitsrechtliche Kommission jeweils die gerechteste oder zweckmäßigste Regelung gefunden hat (BAG 14. März 2019 – 6 AZR 90/18 – aaO; 19. April 2012 – 6 AZR 677/10 – aaO).

45

aa) § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas kann Arbeitnehmer ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG von dem Anspruch auf eine Sonderzahlung ausnehmen, die am 1. Dezember des jeweiligen Jahres nicht in einem Dienstverhältnis mit dem Dienstgeber stehen.

46

(1) Nach Art. 3 Abs. 1 GG sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich.

47

(a) Das daraus folgende Gebot, wesentlich Gleiches gleich- und wesentlich Ungleiches ungleichzubehandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Verboten ist auch ein gleichheitswidriger Begünstigungsausschluss, bei dem die Begünstigung einem Personenkreis gewährt und einem anderen Personenkreis vorenthalten wird. Differenzierungen sind nicht untersagt. Sie müssen jedoch durch Sachgründe gerechtfertigt sein, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (BVerfG 26. Mai 2020 – 1 BvL 5/18 – Rn. 94, BVerfGE 153, 358; BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – Rn. 58; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 33).

48

(b) Der Gesetzgeber unterliegt im Hinblick auf die verfassungsrechtlichen Anforderungen des allgemeinen Gleichheitsgrundrechts an den Sachgrund, der eine Ungleichbehandlung trägt, je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedlichen Grenzen. Sie können von gelockerten, auf das Willkürverbot beschränkten Bindungen bis hin zu strengen Verhältnismäßigkeitserfordernissen reichen. Eine strengere Bindung des Gesetzgebers kann sich aus den jeweils betroffenen Freiheitsrechten ergeben (BVerfG 26. Mai 2020 – 1 BvL 5/18 – Rn. 94 f. mwN, BVerfGE 153, 358; BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – Rn. 59; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 34).

49

(c) Die verfassungsrechtlichen Anforderungen verschärfen sich zudem, je weniger die Merkmale, an die die gesetzliche Differenzierung anknüpft, für den Einzelnen verfügbar sind oder je mehr sie sich denen des Art. 3 Abs. 3 GG annähern (BVerfG 17. Juni 2020 – 1 BvR 1134/15 – Rn. 9 mwN; 26. Mai 2020 – 1 BvL 5/18 – Rn. 95 mwN, BVerfGE 153, 358; BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – Rn. 60; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 35).

50

(d) Art. 3 Abs. 1 GG verlangt für das Maß der Differenzierung einen inneren Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung. Dieser innere Zusammenhang muss sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht erweisen (BVerfG 19. Dezember 2012 – 1 BvL 18/11 – Rn. 44, BVerfGE 133, 1; 18. Dezember 2012 – 1 BvL 8/11 ua. – Rn. 45, BVerfGE 132, 372; BAG 9. Dezember 2020 – 10 AZR 332/20 (A) – Rn. 61; 9. Dezember 2020 – 10 AZR 334/20 – Rn. 36).

51

(2) Die in § 16 der Anlage 32 zu den AVR Caritas geregelte Jahresleistung soll sowohl erbrachte Arbeitsleistung vergüten als auch Betriebstreue belohnen.

52

(a) Der Zweck einer tariflichen Leistung ist im Weg der Auslegung der Tarifnorm zu ermitteln. Er folgt insbesondere aus den in der Regelung selbst normierten Voraussetzungen sowie den Ausschluss- und Kürzungstatbeständen, die die Tarifvertragsparteien im Rahmen ihres Gestaltungsspielraums festgelegt haben (BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 300/18 – Rn. 22; 25. April 2007 – 10 AZR 110/06 – Rn. 17).

53

(b) Die Auslegung ergibt, dass der Jahressonderzahlung sowohl Entgelt- als auch Gratifikationscharakter zukommt.

54

(aa) Mit der Jahressonderzahlung soll einerseits die im Bezugszeitraum erbrachte Arbeitsleistung zusätzlich vergütet werden. Das folgt aus § 16 Abs. 4 der Anlage 32 zu den AVR Caritas. Danach vermindert sich der Anspruch auf die Jahressonderzahlung um ein Zwölftel für jeden Kalendermonat, in dem der Mitarbeiter keinen Anspruch auf Entgelt oder Fortzahlung des Entgelts hat. Sofern die Sonderzuwendung nur für Zeiten zu zahlen ist, in denen ein Vergütungsanspruch besteht, zeigt das, dass es sich um Vergütung für geleistete Arbeit handelt (BAG 27. Juni 2018 – 10 AZR 290/17 – Rn. 27, BAGE 163, 144).

55

(bb) Andererseits wird mit der Jahressonderzahlung auch Betriebstreue honoriert. Das belegt die Stichtagsregelung, die einen Bestand des Arbeitsverhältnisses am 1. Dezember verlangt. Darüber hinaus sollen die Arbeitnehmer durch die Jahressonderzahlung auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit motiviert werden (vgl. zu § 20 Abs. 1 TVöD-AT BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 718/11 – Rn. 36).

56

(3) Angesichts der Zwecke, die mit der Jahressonderzahlung verfolgt werden, verstößt die Differenzierung zwischen Arbeitnehmern, die vor dem 1. Dezember eines Jahres ausscheiden, und Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis am 1. Dezember eines Jahres noch besteht, nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

57

(a) Die unterschiedliche Behandlung ist sachlich gerechtfertigt. Ihren Zweck, Betriebstreue zu belohnen und die Arbeitnehmer auch für die Zukunft zu reger und engagierter Mitarbeit zu motivieren, kann die Jahressonderzahlung bei bereits ausgeschiedenen Arbeitnehmern nicht erfüllen. Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien wird mit einer solchen Regelung nicht überschritten (für die inhaltsgleiche Regelung des § 20 Abs. 1 TVöD-AT BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 718/11 – Rn. 37). Für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind, gilt das aufgrund des übereinstimmenden Prüfungsmaßstabs entsprechend.

58

(b) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, der Gesichtspunkt der fehlenden Betriebstreue sei nicht geeignet, eine schlechtere Behandlung derjenigen Arbeitnehmer zu rechtfertigen, die vor dem Stichtag zu einem anderen kirchlichen Arbeitgeber wechseln. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht darauf an, ob zwischen verschiedenen Arbeitgebern des Caritasverbands ein ähnliches Wettbewerbsverhältnis besteht wie zwischen nichtkirchlichen Arbeitgebern. Die Belohnung von Betriebstreue ist nicht ausschließlich ein Instrument, um sich im Wettbewerb mit anderen Arbeitgebern einen Vorteil zu verschaffen. Arbeitgeber können unabhängig von der konkreten Wettbewerbssituation ein Interesse an der langfristigen Bindung von Arbeitnehmern haben. Sie erhalten durch Personalbindung die Erfahrung im Unternehmen und vermeiden die Schwierigkeiten, die die Suche nach geeigneten neuen Arbeitskräften auf dem Arbeitsmarkt und ihre Einarbeitung im Unternehmen verursachen.

59

(4) Die Stichtagsklausel in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas verstößt auch iVm. dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.

60

(a) Arbeitnehmer, die den Dienstgeber innerhalb des Caritasverbands wechseln, werden nach dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 mit Blick auf die Jahressonderzahlung weniger günstig behandelt als Arbeitnehmer, die in einen anderen arbeitsrechtlichen Regelungsbereich wechseln. Nach dem Beschluss erhalten Arbeitnehmer, die zu einem anderen Dienstgeber im Bereich der Grundordnung wechseln, für den ein anderer arbeitsrechtlicher Regelungsbereich gilt, bei unterjährigem Ausscheiden vor dem Stichtag auf Antrag eine anteilige Jahressonderzahlung. Das ist der Fall, wenn ein Arbeitnehmer von einem Dienstgeber, der eine KAVO anwendet, in den Bereich der AVR Caritas wechselt oder umgekehrt (vgl. Weidenthaler in Die AVR von A bis Z Erläuterungen zu den Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes Stand Mai 2020 E 4 Rn. 60). Ein Dienstgeberwechsel innerhalb des Caritasverbands wird dagegen von dem Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 nicht erfasst (Weidenthaler aaO Stand Februar 2019 E 4 Rn. 55).

61

(b) Die schlechtere Behandlung von Arbeitnehmern, die den Arbeitgeber innerhalb des Caritasverbands wechseln, ist sachlich gerechtfertigt.

62

(aa) In Bezug auf die Anforderungen an den Sachgrund für die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung ist das Merkmal zu berücksichtigen, an das die Unterscheidung anknüpft. Der Wechsel in einen anderen arbeitsrechtlichen Regelungsbereich weist einen engen Bezug zur Berufsfreiheit auf, weil der Wechsel des Arbeitsplatzes in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG fällt (vgl. BVerfG 21. April 2015 – 2 BvR 1322/12 ua. – Rn. 58, BVerfGE 139, 19; BAG 31. Januar 2019 – 8 AZR 1073/12 – Rn. 71). Die Anforderungen an den Sachgrund für die Rechtfertigung der unterschiedlichen Behandlung dürfen daher nicht zu niedrig angesetzt werden. Andererseits weist das Merkmal des Wechsels in einen anderen arbeitsrechtlichen Regelungsbereich keine besondere Nähe zu den in Art. 3 Abs. 3 GG genannten Differenzierungsmerkmalen auf, sodass sich hieraus keine weitere Steigerung der Rechtfertigungsanforderungen ergibt.

63

(bb) Davon ausgehend ist die unterschiedliche Behandlung von Arbeitnehmern bei der Jahressonderzahlung abhängig von dem Umstand, ob sie bei einem Wechsel des Arbeitgebers in demselben arbeitsrechtlichen Regelungsbereich bleiben, durch einen hinreichend gewichtigen Sachgrund gerechtfertigt. Die Entgeltsysteme und Stufensystematiken der verschiedenen Kirchlichen Arbeits- und Vergütungsordnungen sowie der AVR Caritas unterscheiden sich teilweise erheblich. Bei einem Wechsel des arbeitsrechtlichen Regelungsbereichs können Entgelteinbußen – etwa aufgrund einer geänderten Stufenzuordnung – eintreten. Die von einem Wechsel in eine andere Vergütungsordnung betroffenen Arbeitnehmer werden aufgrund des Beschlusses der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 für die Jahressonderzahlung bessergestellt, um damit mögliche Nachteile bei der Vergütungshöhe und andere verschlechternde Umstände auszugleichen.

64

(c) Die vom Kläger erhobenen Verfahrensrügen im Zusammenhang mit dem Geltungsbereich des Beschlusses der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 greifen nicht durch. Soweit der Kläger beanstandet, es hätte eines Hinweises des Landesarbeitsgerichts bedurft, versäumt er vorzutragen, welchen konkreten Hinweis das Landesarbeitsgericht hätte erteilen müssen und welche Tatsachen er auf einen entsprechenden Hinweis vorgebracht hätte (vgl. BAG 18. November 2019 – 4 AZR 105/19 – Rn. 18; 17. April 2019 – 7 AZR 292/17 – Rn. 47). Im Übrigen sieht der Senat nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. § 564 Satz 1 ZPO von einer Begründung ab.

65

(5) Art. 3 Abs. 1 GG ist nicht deswegen verletzt, weil in § 16 Abs. 6 Satz 1 der Anlage 31 zu den AVR Caritas für den Krankenhausbereich abweichend von § 16 der Anlage 32 zu den AVR Caritas geregelt ist, dass Arbeitnehmer die Jahressonderzahlung auch dann erhalten, wenn ihr Dienstverhältnis vor dem 1. Dezember endet.

66

(a) Die Differenzierung nach den Sparten Krankenhäuser einerseits sowie Pflege- und Betreuungseinrichtungen andererseits ist sachlich gerechtfertigt. Die Bundeskommission der Arbeitsrechtlichen Kommission hat sich bei der Gestaltung der Anlage 31 zu den AVR Caritas an den Bestimmungen des TVöD Besonderer Teil Krankenhäuser (BT-K) sowie bei der Gestaltung der Anlage 32 an den Bestimmungen des TVöD Besonderer Teil Pflege- und Betreuungseinrichtungen (BT-B) orientiert (Beyer in Beyer/Papenheim Arbeitsrecht der Caritas Anlage 31/Anlage 32 § 1 Stand Februar 2017 Rn. 2). Die Regelung in § 16 Abs. 6 Satz 1 der Anlage 31 zu den AVR Caritas über eine Jahressonderzahlung bei unterjährigem Ausscheiden entspricht derjenigen in § 54 Abs. 1 Satz 1 TVöD-BT-K. Eine vergleichbare Bestimmung ist weder in § 16 der Anlage 32 zu den AVR Caritas noch im TVöD-BT-B enthalten.

67

(b) Für die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes ist anerkannt, dass sie für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen vergleichbare Sachverhalte abweichend regeln dürfen. Im Bereich des öffentlichen Dienstes ist das nicht unüblich und unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Es ist dort Ausdruck der von Art. 9 Abs. 3 GG garantierten Tarifautonomie und des damit einhergehenden weiten Gestaltungsspielraums (BAG 11. Juli 2019 – 6 AZR 460/18 – Rn. 20). Der allgemeine Gleichheitssatz enthält kein verfassungsrechtliches Gebot, ähnliche Sachverhalte in verschiedenen Ordnungsbereichen mit anderen systematischen Zusammenhängen gleich zu regeln (BVerfG 26. Februar 2010 – 1 BvR 1541/09 ua. – Rn. 35; 8. April 1987 – 1 BvR 564/84 ua. – zu C III 5 der Gründe, BVerfGE 75, 78).

68

(c) Für kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, die sich inhaltlich an den Tarifverträgen für den öffentlichen Dienst orientieren, ist es ebenfalls als zulässig anzusehen, wenn für unterschiedliche Arbeitnehmergruppen verschiedene Regelungen getroffen werden. Das folgt aus dem Umstand, dass kirchliche Arbeitsrechtsregelungen grundsätzlich wie Tarifverträge nur darauf zu untersuchen sind, ob sie gegen die Verfassung, anderes höherrangiges zwingendes Recht oder die guten Sitten verstoßen (zum Prüfungsmaßstab BAG 30. Oktober 2019 – 6 AZR 465/18 – Rn. 33, BAGE 168, 254; 22. März 2018 – 6 AZR 835/16 – Rn. 66, BAGE 162, 247; 4. August 2016 – 6 AZR 129/15 – Rn. 26).

69

(6) Aus denselben Gründen ist Art. 3 Abs. 1 GG nicht verletzt, obwohl in Abschn. XIV (b) der Anlage 1 zu den AVR Caritas ein Anspruch auf anteilige Weihnachtszuwendung für unterjährig ausscheidende Arbeitnehmer geregelt ist. Zwar fehlt eine entsprechende Bestimmung in den Besonderen Regelungen für Mitarbeiter im Pflegedienst in sonstigen Einrichtungen in § 16 der Anlage 32 zu den AVR Caritas. Es handelt sich um nicht zu beanstandende Unterschiede, die verschiedene Arbeitnehmergruppen betreffen.

70

bb) Die Regelung des § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas verstößt nicht gegen Art. 12 Abs. 1 GG, soweit sie Arbeitnehmer vom Anspruch auf eine Sonderzahlung ausnimmt, die am 1. Dezember des jeweiligen Jahres nicht in einem Dienstverhältnis mit dem Dienstgeber stehen (vgl. zu § 20 Abs. 1 TVöD-AT BAG 12. Dezember 2012 – 10 AZR 718/11 – Rn. 39 ff.). Der mit der Stichtagsregelung verbundene Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG ist sachlich gerechtfertigt. Die Arbeitsrechtliche Kommission hat den ihr zustehenden Gestaltungsspielraum nicht überschritten. Der Stichtagsregelung liegt das berechtigte Interesse der Arbeitgeber zugrunde, die Arbeitnehmer dazu anzuhalten, eine Eigenkündigung zu unterlassen oder jedenfalls aufzuschieben.

71

(1) Die Stichtagsregelung ist dazu geeignet, dieses Ziel zu erreichen. Sie schafft einen Anreiz für Arbeitnehmer, von einer an sich zulässigen Kündigungsmöglichkeit keinen oder nur verzögerten Gebrauch zu machen (vgl. BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 300/18 – Rn. 31).

72

(2) Die Stichtagsregelung ist erforderlich. Es ist kein anderes, gleich wirksames, die Berufsfreiheit des betroffenen Arbeitnehmers weniger einschränkendes Mittel ersichtlich, um ihn an der Arbeitsplatzaufgabe zu hindern (vgl. BAG 27. Juni 2018 – 10 AZR 290/17 – Rn. 46, BAGE 163, 144; 12. Dezember 2012 – 10 AZR 718/11 – Rn. 41).

73

(3) Die Einschränkung der Berufsfreiheit der Arbeitnehmer ist angesichts des der Arbeitsrechtlichen Kommission zustehenden Gestaltungsspielraums angemessen. Für Sonderzahlungen, die neben der Vergütung für die erbrachte Arbeitsleistung auch der Belohnung der erbrachten und der Förderung künftiger Betriebstreue dienen, hat der Senat sowohl innerhalb als auch außerhalb des Bezugszeitraums liegende Stichtage in Tarifverträgen als zulässig angesehen (BAG 3. Juli 2019 – 10 AZR 300/18 – Rn. 33; 27. Juni 2018 – 10 AZR 290/17 – Rn. 43 ff., BAGE 163, 144). Diese Rechtsprechung kann aufgrund des übereinstimmenden Prüfungsmaßstabs auf kirchliche Arbeitsrechtsregelungen, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind, übertragen werden.

74

7. Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine anteilige Jahressonderzahlung aufgrund des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes.

75

a) Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verlangt, dass ein Arbeitgeber, der Teilen seiner Arbeitnehmer freiwillig nach einem bestimmten erkennbaren generalisierenden Prinzip Leistungen gewährt, diese Gruppen mit anderen Gruppen von Arbeitnehmern, die sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden, gleichbehandelt. Untersagt ist ihm sowohl eine willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe als auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG 20. März 2018 – 1 ABR 15/17 – Rn. 20; 21. Mai 2014 – 4 AZR 50/13 – Rn. 19, BAGE 148, 139).

76

b) Das Bundesarbeitsgericht hat bisher offengelassen, ob Beschlüsse, die auf dem Dritten Weg zustande gekommen sind, am arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zu prüfen sind (BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 217/11 – Rn. 85, BAGE 142, 247; 21. Oktober 2009 – 10 AZR 786/08 – Rn. 51; 8. Juni 2005 – 4 AZR 417/04 – zu B II 1 d der Gründe; bejahend KAGH 16. Dezember 2011 – K 09/11 – zu B II 1 der Gründe). Unabhängig von der Frage, ob der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz auf § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas und den Beschluss der Zentralen Kommission der Zentral-KODA vom 23. November 2016 anzuwenden ist, scheidet ein Anspruch jedenfalls aus denselben Gründen aus wie ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz ist die privatrechtliche Ausprägung des Art. 3 Abs. 1 GG (BAG 3. Juni 2020 – 3 AZR 730/19 – Rn. 82, BAGE 171, 1; 17. Juni 2014 – 3 AZR 529/12 – Rn. 48). Er wird inhaltlich durch das allgemeine Gleichheitsgrundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG bestimmt (BAG 27. April 2021 – 9 AZR 662/19 – Rn. 17; 23. Oktober 2012 – 4 AZR 48/11 – Rn. 14).

77

8. Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die Stichtagsregelung in § 16 Abs. 1 der Anlage 32 zu den AVR Caritas diskriminiere kirchliche Arbeitnehmer in einer Weise, die mit den Vorgaben des Gerichtshofs der Europäischen Union im Urteil vom 17. April 2018 in der Sache Egenberger unvereinbar sei (- C-414/16 -). Der Gerichtshof der Europäischen Union beantwortet in der vom Kläger genannten Entscheidung Fragen der Ungleichbehandlung von Arbeitnehmern aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung. Der Kläger behauptet jedoch selbst nicht, eine anteilige Jahressonderzahlung aufgrund seiner Religion oder Weltanschauung nicht erhalten zu haben.

78

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Gallner    

        

    Brune    

        

    Pulz    

        

        

        

    Fieback    

        

    Frankenberg