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6 AZR 32/24

Insolvenzanmeldung - Bestimmtheit - Schriftlichkeit

Court Details

  • File Number

    6 AZR 32/24

  • ECLI Number

    ECLI:DE:BAG:2025:200225.U.6AZR32.24.0

  • Type

    Urteil

  • Date

    20.02.2025

  • Senate

    6. Senat

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. Dezember 2023 – 10 Sa 79/23 – aufgehoben.

2. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Berlin vom 13. Dezember 2022 – 34 Ca 9282/22 – abgeändert.

Die Klage wird zurückgewiesen.

3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Leitsatz

1. § 130 Nr. 6 ZPO findet auf Forderungsanmeldungen zur Insolvenztabelle nach § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO keine Anwendung.

2. Bei einer Forderungsanmeldung der Bundesagentur für Arbeit zur Insolvenztabelle, mit der Ansprüche mehrerer Arbeitnehmer aus übergegangenem Recht nach § 169 Satz 1 SGB III (juris: SGB 3) geltend gemacht werden, handelt es sich um eine Sammelanmeldung, die nur dann ordnungsgemäß iSv. § 174 Abs. 2 InsO erfolgt ist, wenn die einzelnen betreffenden Arbeitnehmer, ihr jeweiliges monatliches Bruttoentgelt und die konkreten Anspruchszeiträume angegeben sind.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Ordnungsgemäßheit einer Forderungsanmeldung der Klägerin zur Insolvenztabelle.

2

Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter in dem am 15. Februar 2021 über das Vermögen der W GmbH & Co. KG in B (im Folgenden Schuldnerin) eröffneten und im schriftlichen Verfahren durchgeführten Insolvenzverfahren. Die Klägerin ist die Bundesagentur für Arbeit in der Rechtsform einer bundesunmittelbaren Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung (§ 367 Abs. 1 SGB III) und ua. für die Gewährung von Insolvenzgeld zuständig.

3

Den Insolvenzgläubigern wurde im Eröffnungsbeschluss aufgegeben, ihre Insolvenzforderungen iSv. § 38 InsO unter Angabe von Grund und Betrag bis zum 31. März 2021 schriftlich beim Insolvenzverwalter anzumelden. Gleichzeitig erhielten sie Gelegenheit, etwaigen Forderungsanmeldungen schriftlich bis zum 21. Mai 2021 zu widersprechen.

4

Daraufhin meldete die Klägerin mit Schreiben vom 22. Februar 2021 beim Beklagten eine Insolvenzforderung in Höhe eines Schätzwerts von 100.000,00 Euro an. Sie begründete die Forderung mit Anträgen auf Insolvenzgeld nach §§ 165 ff. SGB III, denen sie im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften entsprochen habe, sodass die zugrunde liegenden Ansprüche auf Arbeitsentgelt gemäß § 169 SGB III auf sie übergegangen und als Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO zu berücksichtigen seien. Das Schreiben endete nach der Grußformel mit dem Satz: „Dieses Schreiben wurde maschinell erstellt und ist ohne Unterschrift rechtswirksam.“

5

Bei der Schuldnerin waren sieben Arbeitnehmer beschäftigt. Sechs von ihnen stellten im Dezember 2020 Anträge auf Insolvenzgeld. Sie erhielten zunächst teilweise einen Vorschuss von der Klägerin. Mit Bescheid vom 16. März 2021 wurde ihnen sodann Insolvenzgeld bewilligt. Sie erhielten eine Berechnung des konkreten Insolvenzgeldes, das unter Anrechnung etwaiger Vorschüsse ausgezahlt wurde. Die siebte Arbeitnehmerin stellte während ihres laufenden Kündigungsschutzverfahrens am 8. Januar 2021 einen Insolvenzgeldantrag. Ihr wurde am 13. April 2021 Insolvenzgeld bewilligt und gezahlt. Bis auf einen Arbeitnehmer, dessen Insolvenzgeldzeitraum 1. September 2020 bis 30. November 2020 war, erhielten die anderen Arbeitnehmer Insolvenzgeld für die Zeit vom 1. November 2020 bis zum 31. Januar 2021. Die Höhe des Insolvenzgeldes richtete sich nach ihrem jeweiligen Bruttoentgelt und betrug insgesamt 52.607,81 Euro.

6

Nach Ablauf der Widerspruchsfrist am 21. Mai 2021 bestritt der Beklagte mit Schreiben vom 14. Juni 2021 die klägerische Forderung von 100.000,00 Euro in voller Höhe mit der Begründung, der Betrag sei lediglich geschätzt und bat um Berichtigung. Die Klägerin korrigierte am 18. Juni 2021 die Forderung auf 52.607,81 Euro. Zugleich teilte sie dem Beklagten in einer Liste die Namen der Arbeitnehmer, denen sie Insolvenzgeld gewährt hatte, die Höhe des jeweils gezahlten Insolvenzgeldes und die Zeiträume der Leistungsgewährung mit.

7

Der Beklagte informierte die Klägerin am 2. März 2022 darüber, dass eine Konkretisierung der ursprünglichen Schätzanmeldung vom 22. Februar 2021 ausscheide, da es sich um eine Mehrzahl von Forderungen verschiedener Arbeitnehmer und Beitragsmonate und somit um eine Sammelanmeldung gehandelt habe. Er bat zudem um Benachrichtigung, ob die Konkretisierung vom 18. Juni 2021 als Neuanmeldung behandelt werden solle.

8

Mit der zunächst beim Amtsgericht erhobenen und von diesem an das Arbeitsgericht verwiesenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihre Forderungsanmeldung vom 22. Februar 2021 erfülle in der konkretisierten Fassung vom 18. Juni 2021 die Anforderungen gemäß § 174 Abs. 2 InsO. Der bezeichnete Lebenssachverhalt sei anhand der angegebenen Umstände hinreichend bestimmt. Die Forderung sei von anderen Anmeldungstatbeständen zweifelsfrei zu unterscheiden. Die Bundesagentur für Arbeit sei die einzige gesetzlich befugte und verpflichtete Stelle zur Auszahlung von Insolvenzgeld. Eine Bezifferung ihrer gesamten Forderung sei innerhalb der hierfür im Eröffnungsbeschluss gesetzten Frist nicht möglich gewesen. Insoweit sei die Schätzanmeldung zulässig erfolgt. Andernfalls müsse sie in den einzelnen Verfahren jedes Mal eine gebührenauslösende Neu- bzw. nachträgliche Anmeldung vornehmen, auch wenn eine Masseunzulänglichkeit bereits abzusehen sei. Sonderwissen des Insolvenzverwalters – wie zB die im Verfahren bekannt gewesene Anzahl der potenziell anspruchsberechtigten Arbeitnehmer der Schuldnerin – sei zu berücksichtigen, selbst wenn die übrigen Insolvenzgläubiger hierüber nicht verfügten.

9

Die Klägerin hat beantragt

        

festzustellen, dass ihre Forderung in Höhe von 52.607,81 Euro im Insolvenzverfahren über das Vermögen der W GmbH & Co. KG, – 36w IN 6134/30 – des Amtsgerichts Charlottenburg, unter laufender Nummer 3 der Tabelle anerkannt wird.

10

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Forderungsanmeldung vom 22. Februar 2021 sei eine unzulässige Sammelanmeldung. Sie lasse nicht erkennen, für welche Arbeitnehmer in welchem Zeitraum welche Summe beantragt werde. Da es sich um übergegangene Entgeltansprüche von sieben Arbeitnehmern handele, seien mindestens sieben, bei Zugrundelegung der einzelnen Anspruchsmonate sogar 21 verschiedene Ansprüche betroffen. Die Forderungsanmeldung müsse eindeutig konkretisiert sein, damit auch die übrigen Insolvenzgläubiger den jeweils geltend gemachten Schuldgrund überprüfen können. Daher genüge es nicht, dass der Insolvenzverwalter die Entgeltrückstände kenne. Spätere Korrekturen nach dem Prüfungstermin seien nicht zu berücksichtigen. Allerdings habe die Klägerin die Ansprüche vorliegend bis zu diesem Termin individualisiert anmelden können. Für sechs Arbeitnehmer sei bereits mit Bescheid vom 16. März 2021 und somit vor dem 31. März 2021 erkennbar gewesen, wieviel Insolvenzgeld die Klägerin gezahlt habe. Zum allgemeinen Prüfungstermin am 21. Mai 2021 sei der Forderungsübergang der siebten Arbeitnehmerin ebenfalls bekannt gewesen.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage auf Feststellung der Forderung zur Tabelle ist unzulässig. Es fehlt an der erforderlichen Sachurteilsvoraussetzung einer ordnungsgemäßen Anmeldung durch die Klägerin.

13

I. Der Klageantrag ist in der gebotenen Auslegung (zum Gebot der rechtsschutzgewährenden Antragsauslegung vgl. zB BAG 19. November 2015 – 6 AZR 559/14 – Rn. 16 mwN, BAGE 153, 271) als Antrag auf Feststellung zur Tabelle nach § 179 Abs. 1 InsO zu behandeln. Die Klägerin erstrebt mit der Klage das Recht auf Teilnahme an der Verteilung der Insolvenzmasse. Voraussetzung hierfür ist, dass die Forderung zuvor ordnungsgemäß zur Tabelle angemeldet worden ist (vgl. zB BGH 12. Dezember 2019 – IX ZR 77/19 – Rn. 9; 11. Oktober 2018 – IX ZR 217/17 – Rn. 14 mwN). Ein hierüber bestehender Streit zwischen den Parteien ist im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung der Forderungsfeststellungsklage gerichtlich zu klären.

14

II. Die insolvenzrechtliche Feststellungsklage nach § 179 Abs. 1, § 185 InsO ist unzulässig. Es fehlt an einer ordnungsgemäßen Anmeldung und Prüfung der geltend gemachten Forderung iSd. §§ 174 ff. InsO.

15

1. Unschädlich ist allerdings, dass das Schreiben der Klägerin vom 22. Februar 2021 weder eine Unterschrift trägt noch eine Wiedergabe des Verfassernamens mit Beglaubigungsvermerk aufweist.

16

a) Vor dem Hintergrund, dass Insolvenzgläubiger ihre Forderungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens nur noch nach den Vorschriften des Insolvenzrechts, also durch Anmeldung zur Insolvenztabelle gemäß §§ 174 ff. InsO verfolgen können (§ 87 InsO) und die wirksame Anmeldung der Forderung die verfahrensrechtliche Grundlage für die Geltendmachung der Insolvenzforderung im Insolvenzverfahren ist (KPB/Pape/Schaltke InsO § 174 Stand September 2014 Rn. 8), handelt es sich bei der Forderungsanmeldung um eine Prozesshandlung, auf die gemäß § 4 InsO die allgemeinen zivilprozessualen Grundsätze zur Prozesshandlung entsprechende Anwendung findet (vgl. zB BGH 11. April 2019 – IX ZR 79/18 – Rn. 25 mwN). Daraus folgt, dass die Anmeldung zur Tabelle nach § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO zwar schriftlich beim Insolvenzverwalter vorzunehmen ist, hieran aber nicht die Anforderungen iSd. § 126 BGB zu stellen sind (sh. zB Preuß in Jaeger InsO 2. Aufl. § 174 Rn. 40; Uhlenbruck/Sinz 15. Aufl. § 174 InsO Rn. 18; Römermann/Becker InsO § 174 Stand Mai 2007 Rn. 13; BeckOK InsR/Zenker Stand 1. November 2024 InsO § 174 Rn. 16; Braun/Specovius 10. Aufl. InsO § 174 Rn. 17; Kollbach ZInsO 2023, 723, 724; aA Thüringer OLG 11. April 2018 – 2 U 375/16 – Rn. 70).

17

b) Es bedarf auch keiner eigenhändigen Unterschrift oder Wiedergabe des Verfassernamens mit Beglaubigungsvermerk (hM im Schrifttum, zB BeckOK InsR/Zenker Stand 1. November 2024 InsO § 174 Rn. 16; Uhlenbruck/Sinz 15. Aufl. § 174 InsO Rn. 18; KPB/Pape/Schaltke InsO § 174 Stand September 2014 Rn. 43; Römermann/Becker InsO § 174 Stand Mai 2007 Rn. 13; Braun/Specovius 10. Aufl. InsO § 174 Rn. 17; Preuß in Jaeger InsO 2. Aufl. § 174 Rn. 40; Kollbach ZInsO 2023, 723, 724; aA Jaeschke Anmeldung und Feststellung von Forderungen im Insolvenzverfahren Diss. Göttingen 2011 S. 38 ff.).

18

aa) § 4 Satz 1 InsO erklärt die Vorschriften der ZPO lediglich für entsprechend anwendbar. Somit ist darauf abzustellen, welcher Grad von Formstrenge beim Schriftformerfordernis des § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO sinnvoll zu fordern ist (vgl. insoweit BVerfG 4. Juli 2002 – 2 BvR 2168/00 – zu III 2 a aa der Gründe; 19. Februar 1963 – 1 BvR 610/62 – zu II 1 der Gründe, BVerfGE 15, 288). Andernfalls hätte es der Wendung „entsprechend“ nicht bedurft.

19

bb) Danach sind die Anforderungen des § 130 Nr. 6 ZPO für vorbereitende bzw. bestimmende Schriftsätze (vgl. hierzu etwa BAG 24. Oktober 2018 – 10 AZR 278/17 – Rn. 26 f. mwN) auf die Anmeldung nach § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht zu übertragen. Die Anmeldung ist Voraussetzung für die Prüfung und Feststellung der Forderung sowie die Teilnahme an der insolvenzmäßigen Forderungsbefriedigung. Sie begründet – wie die Möglichkeit, bereits rechtshängige oder rechtskräftig zuerkannte Ansprüche anzumelden, zeigt – nicht die Rechtshängigkeit iSd. §§ 261 ff. ZPO (Preuß in Jaeger InsO 2. Aufl. § 174 Rn. 13 f. mwN; aA AG Köln 8. Januar 2016 – 71 IN 20/13 – Rn. 10). Sie ist keine „an die Stelle der Klage“ tretende Form der gerichtlichen Geltendmachung; die Feststellung eines anerkannten Anspruchs zur Tabelle ist kein Urteil, sondern ersetzt ein solches lediglich vollwertig im Fall einer Anerkennung zur Tabelle. Entsprechend sind bei der Anwendung der Vorschriften der Zivilprozessordnung die unterschiedliche Funktion und Natur von streitigem Zivilprozess und insolvenzrechtlichem Feststellungsverfahren zu berücksichtigen (Preuß aaO Rn. 12 ff. mwN). Dabei ist zu beachten, dass Verfahrensvorschriften kein Selbstzweck sind, sondern der Einhaltung des materiellen Rechts der Beteiligten dienen (vgl. Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 – zu III 1 der Gründe, BGHZ 144, 160; BAG 24. September 2015 – 6 AZR 497/14 – Rn. 24; BGH 4. Mai 2016 – III ZR 100/15 – Rn. 4).

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cc) Gesetzlich vorgesehene Schriftformerfordernisse sollen allein gewährleisten, dass dem Schriftstück Erklärungsinhalt und Aussteller (bei juristischen Personen der Vertreter) hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht lediglich um einen Entwurf handelt (vgl. zB BVerfG 4. Juli 2002 – 2 BvR 2168/00 – zu III 2 a aa der Gründe; Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes 5. April 2000 – GmS-OGB 1/98 – zu III 1 der Gründe, BGHZ 144, 160; BSG 10. Juni 2021 – B 9 BL 1/20 R – Rn. 17, BSGE 132, 178; BFH 22. Juni 2010 – VIII R 38/08 – Rn. 12, 27, BFHE 230, 115; BGH 28. August 2003 – I ZB 1/03 – zu II 2 der Gründe). Dieser Zweck, der auch für § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO gilt, wird grundsätzlich durch eine eigenhändige Unterschrift des Erklärenden bzw. bei Anstalten oder Körperschaften des öffentlichen Rechts durch die Wiedergabe des Verfassernamens in Maschinenschrift mit Beglaubigungsvermerk erreicht. Fehlt es hieran, ist zur Wahrung des effektiven Rechtsschutzes eine an den Umständen des Einzelfalls ausgerichtete Prüfung der Urheberschaft und des Ausschlusses, dass ein bloßer Entwurf vorliegt, geboten (vgl. BVerfG 4. Juli 2002 – 2 BvR 2168/00 – zu III 2 a dd der Gründe; BSG 15. Oktober 1996 – 14 BEg 9/96 – juris-Rn. 6).

21

dd) Das Schreiben der Klägerin vom 22. Februar 2021 genügt dem Zweck des Schriftlichkeitserfordernisses in § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO. Der von ihr verwendete Kopfbogen der Bundesagentur für Arbeit enthält Name, Postanschrift, Angaben zum bearbeitenden Team unter Nennung der Sachbearbeiterin, Angaben zur internen Antragsnummer sowie im Betreff die Bezeichnung des konkreten Insolvenzverfahrens und die Angabe des Aktenzeichens des Insolvenzgerichts. Damit enthält es die wesentlichen, üblicherweise gerade bei einer arbeitsteilig organisierten juristischen Person des öffentlichen Rechts zu erwartenden formalen und inhaltlichen Anhaltspunkte für eine dem Insolvenzverwalter mit Wissen und Wollen einer vertretungsberechtigten Person zugeleitete Erklärung (zur Klageerhebung vgl. LSG Nordrhein-Westfalen 24. Mai 2022 – L 5 KR 729/21 KH – juris-Rn. 31 f.; 16. März 2022 – L 10 KR 755/21 KH – juris-Rn. 20 f.). Bei dem Hinweis, das Schreiben sei maschinell erstellt und ohne Unterschrift rechtswirksam, handelt es sich um eine bei Behörden ebenfalls übliche Verfahrensweise, die für sich genommen keinen Zweifel am Willen der Bundesagentur für Arbeit begründet, die Anmeldung dem Insolvenzverwalter willentlich zuzuleiten. Gegenteilige Indizien sind nicht ersichtlich.

22

2. Die Forderungsanmeldung der Klägerin vom 22. Februar 2021 genügt entgegen der Annahme der Vorinstanzen jedoch nicht den Anforderungen des § 174 Abs. 2 InsO. Es liegt eine unzulässige Sammelanmeldung vor.

23

a) Nach § 174 Abs. 2 InsO sind bei der Anmeldung Grund und Betrag der Forderung anzugeben. Da die Anmeldung eine Form der Rechtsverfolgung darstellt und der Gläubiger aus der Eintragung in die Tabelle die Zwangsvollstreckung betreiben kann (§ 178 Abs. 3 InsO), muss die Forderung zur Bestimmung der Reichweite der Rechtskraft eindeutig konkretisiert werden. Die Individualisierung der Forderung bezweckt zudem, den Verwalter und die übrigen Insolvenzgläubiger in den Stand zu setzen, den geltend gemachten Schuldgrund einer Prüfung zu unterziehen (vgl. zB BGH 19. Dezember 2024 – IX ZR 114/23 – Rn. 11; 25. Juni 2020 – IX ZR 47/19 – Rn. 20 mwN). Deshalb erfordert die Angabe des Forderungsgrundes die bestimmte Bezeichnung des Lebenssachverhalts, aus dem die Forderung nach der Behauptung des Gläubigers entspringt. Eine schlüssige Darlegung der Forderung ist dagegen nicht erforderlich (vgl. etwa BGH 19. Dezember 2024 – IX ZR 114/23 – Rn. 11; 25. Juni 2020 – IX ZR 47/19 – Rn. 19 ff.; Preuß in Jaeger InsO 2. Aufl. § 174 Rn. 63).

24

b) Diesen Anforderungen genügt die Anmeldung der Klägerin vom 22. Februar 2021 nicht.

25

aa) Bei dem Schreiben handelt es sich um eine – grundsätzlich mögliche – Sammelanmeldung.

26

(1) Nach § 169 Satz 1 SGB III gehen Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die einen Anspruch auf Insolvenzgeld begründen, mit dem Antrag auf Insolvenzgeld auf die Bundesagentur für Arbeit über (vgl. auch BSG 26. Februar 2019 – B 11 AL 3/18 R – Rn. 26). Der Anspruchsübergang vollzieht sich, ohne die arbeitsrechtliche Natur des Anspruchs zu ändern (LSG Berlin-Brandenburg 22. Januar 2020 – L 18 AL 120/18 – juris-Rn. 26 mwN; Scholz in Heinz/Schmidt-De Caluwe/Scholz SGB III 7. Aufl. § 169 Rn. 13). Wird der Antrag zurückgenommen oder abgelehnt, fällt der Anspruch auf Arbeitsentgelt auf den Arbeitnehmer zurück, der wieder Inhaber der vollen Bruttolohnforderung gegenüber dem Arbeitgeber wird (vgl. BAG 27. Juli 2017 – 6 AZR 801/16 – Rn. 22 mwN, BAGE 160, 6; zum Konkursausfallgeld vgl. BSG 17. Juli 1979 – 12 RAr 15/78 – juris-Rn. 22, BSGE 48, 269).

27

(2) Dies zugrunde gelegt handelt es sich bei dem Anmeldungsschreiben vom 22. Februar 2021 um die Geltendmachung unterschiedlicher Streitgegenstände. Die Klägerin reklamiert aus übergegangenem Recht die einzelnen Entgeltansprüche der Insolvenzgeld beantragenden Arbeitnehmer der Schuldnerin und damit verschiedene Einzelforderungen mit potentiell unterschiedlichen rechtlichen Schicksalen, nicht dagegen einen einheitlichen Anspruch aus der Gewährung von Insolvenzgeld (zur Einordnung der Anmeldung von Insolvenzgeldanträgen als Sammelanmeldungen sh. BeckOK InsR/Zenker Stand 1. Februar 2025 InsO § 174 Rn. 23.1; Preuß in Jaeger InsO 2. Aufl. § 174 Rn. 70; Uhlenbruck/Sinz 15. Aufl. § 174 InsO Rn. 25).

28

bb) Die streitgegenständliche Sammelanmeldung entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen nach § 174 Abs. 2 InsO. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt.

29

(1) Eine Sammelanmeldung, bei der mehrere Forderungen zusammengefasst werden, ist unzulässig, wenn Grund und Betrag der Forderungen nicht jeweils ausreichend bestimmt bezeichnet sind (vgl. zB BGH 23. Juli 2024 – II ZR 222/22 – Rn. 26; 22. Januar 2009 – IX ZR 3/08 – Rn. 11; sh. auch BAG 3. Dezember 1985 – 1 AZR 545/84 – zu II 2 der Gründe, BAGE 50, 221; Preuß in Jaeger InsO 2. Aufl. § 174 Rn. 71). Erst diese Angaben ermöglichen es dem Insolvenzverwalter und den übrigen Insolvenzgläubigern, bestimmte Einzelforderungen – zB unter Berufung auf eine Doppelanmeldung oder eines Ausschlusstatbestands nach §§ 166, 169 SGB III, §§ 129 ff. InsO – zu bestreiten (vgl. zB BGH 23. Juli 2024 – II ZR 222/22 – Rn. 26; 22. Januar 2009 – IX ZR 3/08 – Rn. 11 mwN; Preuß aaO Rn. 70 f.; Braun/Specovius 10. Aufl. InsO § 174 Rn. 33; umfassend zum rechtlichen Schicksal von Insolvenzgeldansprüchen sh. auch BAG 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 29 ff., BAGE 147, 172).

30

(2) Die Anforderungen einer ordnungsgemäßen Sammelanmeldung erfüllt das Schreiben vom 22. Februar 2021 nicht. Um zu gewährleisten, dass die einzelnen Forderungen verifiziert werden können, müssen in der Anmeldung die Arbeitnehmer, die Insolvenzgeld beantragt haben, der jeweilige konkrete Anspruchszeitraum und das nach § 165 Abs. 2 SGB III der Insolvenzgeldberechnung zugrunde liegende Bruttoentgelt zuzüglich etwaiger Sonderzahlungen bezeichnet werden. Erst diese Angaben ermöglichen dem Insolvenzverwalter und den übrigen Insolvenzgläubigern eine eingehende Prüfung der in der Sammelanmeldung zusammengefassten Forderungen und die Entscheidung, ob und gegebenenfalls gegen welche dieser Forderungen Widerspruch eingelegt werden soll. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt es deshalb nicht, dass durch ihre Mitteilung, der Forderung lägen Anträge auf Insolvenzgeld zugrunde, eine Verwechslungsgefahr mit anderen Insolvenzforderungen ausgeschlossen sei. Zwar erlaubt diese Information eine Abgrenzung zu anderen Insolvenzforderungen wie etwa aus Werk- bzw. Dienstleistungsverträgen oder Schadensersatzansprüchen. Dies befähigt jedoch nicht zur Überprüfung, welche Arbeitnehmer überhaupt einen Antrag auf Gewährung von Insolvenzgeld gestellt haben, denn nur für die damit übergegangenen Forderungen kann die Klägerin überhaupt eine Anmeldung zur Tabelle vornehmen. Auch erlaubt diese pauschale Bezeichnung dem Insolvenzverwalter bzw. den übrigen Insolvenzgläubigern nicht zu kontrollieren, ob zB Insolvenzgeldanträge vor dem Hintergrund von Anschlussarbeitsverhältnissen nur für einen Teil des gesetzlich vorgesehenen Anspruchszeitraums von drei Monaten (§ 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III) gestellt und bewilligt worden sind oder ob etwa Doppelanmeldungen vorliegen. Schließlich wäre der Umfang der Rechtskraft bei einer Anerkennung der nicht aufgeschlüsselt angemeldeten Forderungen der Klägerin zur Tabelle unklar. Es wäre nicht erkennbar, welche einzelnen Forderungen in dem festgestellten Betrag enthalten sind, welche Teilbeträge, zB wegen des Überschreitens der Beitragsbemessungsgrenze (zur Begrenzung des Insolvenzgeldanspruchs auf die Höhe der monatlichen Beitragsbemessungsgrenze sh. BAG 27. Juli 2017 – 6 AZR 801/16 – Rn. 22, BAGE 160, 6), von einzelnen Arbeitnehmern noch zur Tabelle angemeldet werden können oder nach Beendigung der Insolvenz uU vom Schuldner gefordert werden können.

31

(3) Der Beklagte muss sich – entgegen der von der Klägerin vertretenen Auffassung – auch keine Kenntnisse über die Anzahl der bei der Schuldnerin beschäftigten Arbeitnehmer und deren arbeitsvertragliche Daten zurechnen lassen. Ein etwaiges Sonderwissen des Insolvenzverwalters ist unbeachtlich, da § 174 Abs. 2 InsO nicht nur ihm, sondern auch den übrigen Insolvenzgläubigern ermöglichen will, über die Berechtigung oder Nichtberechtigung der angemeldeten Forderung zu entscheiden (vgl. zB BGH 25. Juni 2020 – IX ZR 47/19 – Rn. 23; 11. Oktober 2018 – IX ZR 217/17 – Rn. 14; 22. Januar 2009 – IX ZR 3/08 – Rn. 10; OLG Frankfurt 22. Januar 2019 – 5 U 85/17 – Rn. 46; vgl. aber auch K. Schmidt/Jungmann 20. Aufl. InsO § 174 Rn. 46). Der Insolvenzverwalter ist zudem grundsätzlich nicht gehalten, selbst Ermittlungen anzustellen (vgl. BGH 22. Januar 2009 – IX ZR 3/08 – Rn. 31).

32

(4) Die Klägerin kann sich schließlich nicht erfolgreich auf eine eigene Sonderstellung gegenüber anderen Insolvenzgläubigern berufen, weil sie zB wegen noch laufender Kündigungsschutzverfahren im Zeitpunkt des Ablaufs der Anmeldungsfrist die genaue Höhe ihrer Ansprüche häufig noch nicht beziffern könne und ein Abwarten des Abschlusses des jeweiligen Insolvenzgeldbewilligungs- oder Kündigungsschutzverfahrens sie mangels Stimmberechtigung davon ausschließen würde, ihre Gläubigerrechte wahrzunehmen. Sie hat selbst zutreffend vorgetragen, dass die angegebene Forderungshöhe keine Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Anmeldung hat, sondern allein die Begründetheit betrifft (vgl. zB BGH 11. Februar 2016 – III ZR 383/12 – Rn. 18). Die Klägerin ist zudem jederzeit berechtigt, zu hohe Forderungen zu reduzieren. Allerdings war es ihr vorliegend vor dem Hintergrund der konkreten Insolvenzgeldbewilligungen am 16. März 2021 und am 13. April 2021 sogar möglich, vor dem Prüfungstermin am 21. Mai 2021 Angaben zu den betreffenden Arbeitnehmern, den der Insolvenzgeldberechnung zugrunde liegenden jeweiligen Monatsvergütungen und den konkreten Anspruchszeiträumen zu machen.

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3. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund des Berichtigungsschreibens der Klägerin vom 18. Juni 2021. Der Mangel der Forderungsanmeldung vom 22. Februar 2021 kann nur durch eine Neuanmeldung behoben werden (vgl. zB BGH 22. Januar 2009 – IX ZR 3/08 – Rn. 17 mwN). Es kann dahinstehen, ob in dem Schreiben überhaupt eine Neuanmeldung (§ 177 Abs. 1 Satz 3 InsO) erblickt werden kann. Dies dürfte nach dem Wortlaut, eine Berichtigung der ursprünglichen Forderungsanmeldung vornehmen zu wollen, und dem Willen der Klägerin, keine Gebührenpflicht auszulösen, zweifelhaft sein. Jedenfalls fehlt es an der Sachurteilsvoraussetzung der Durchführung eines Prüfungstermins, in dem die Forderung einen Widerspruch erfahren hat. Eine Heilung von wesentlichen Mängeln der Anmeldung ist ohne dessen Absolvierung nicht möglich (vgl. BGH 22. Januar 2009 – IX ZR 3/08 – Rn. 17 mwN). Dass ein solcher stattgefunden hat, ist weder vom Landesarbeitsgericht festgestellt noch von den Parteien vorgetragen worden.

34

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu tragen. Dies betrifft auch diejenigen Kosten, die durch die rechtmäßig erfolgte Verweisung des Amtsgerichts an das Arbeitsgericht entstanden sind. Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit Feststellungen von Arbeitnehmerentgeltansprüchen, die aufgrund der Beantragung von Insolvenzgeld nach § 169 Satz 1 SGB III auf die Bundesagentur für Arbeit übergegangen sind, sind gemäß § 185 Satz 1 InsO die Gerichte für Arbeitssachen zuständig (Uhlenbruck/Sinz 15. Aufl. § 185 InsO Rn. 2; BeckOK InsR/Zenker Stand 1. Februar 2025 InsO § 185 Rn. 4 f.).

        

    Spelge    

        

    Volk    

        

    Wemheuer    

        

        

        

    Steinbrück    

        

    Kammann