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8 AZM 19/25

Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde - Grundsatzbeschwerde - Divergenzbeschwerde - Wert des Beschwerdegegenstands - Abwehrinteresse bei einer Datenauskunft nach Art. 15 DSGVO

Court Details

  • File Number

    8 AZM 19/25

  • ECLI Number

    ECLI:DE:BAG:2025:300925.B.8AZM19.25.0

  • Type

    Beschluss

  • Date

    30.09.2025

  • Senate

    8. Senat

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde in dem Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 1. April 2025 – 6 SLa 827/24 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Entscheidungsgründe

1

I. Der Kläger hat erstinstanzlich gegenüber der Beklagten neben einem Anspruch auf immateriellen Schadenersatz und einem Unterlassungsanspruch einen Auskunftsanspruch aus Art. 15 DSGVO erhoben. Das Arbeitsgericht hat dem Auskunftsbegehren stattgegeben, die Klage im Übrigen abgewiesen und im Urteilstenor den Streitwert auf 20.000,00 Euro festgesetzt. Nach der Begründung des Urteils hat es für den Auskunftsanspruch einen Gegenstandswert iHv. 5.000,00 Euro angenommen. Einen Ausspruch über die Zulassung oder Nichtzulassung der Berufung enthält der arbeitsgerichtliche Tenor nicht. In der dem Urteil beigefügten Rechtsmittelbelehrung heißt es im Eingangssatz: „Gegen dieses Urteil kann von jeder Partei Berufung eingelegt werden“.

2

Das Landesarbeitsgericht hat die allein von der Beklagten eingelegte Berufung – unter der Annahme, das Rechtsmittel sei weder nach dem Beschwerdewert statthaft (§ 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG), noch lägen die Voraussetzungen einer Zulassung (§ 64 Abs. 2 Buchst. a, Abs. 3 ArbGG) vor – nach vorangegangenem Hinweis durch Beschluss (§ 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 ZPO) als unzulässig verworfen, ohne die Revisionsbeschwerde zuzulassen. Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten.

3

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG).

4

1. Die Voraussetzungen einer zulässigen Grundsatzbeschwerde nach § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG sind nicht erfüllt (vgl. hierzu: BAG 24. Oktober 2019 – 8 AZN 624/19 – Rn. 23; 31. Juli 2018 – 3 AZN 320/18 – Rn. 27, BAGE 163, 183).

5

a) Die Beschwerde macht (unter D I 1 der Beschwerdebegründung) geltend, der anzufechtende Beschluss werfe die Fragen auf,

        

„(1)   

[Ob] sich der Wert des Beschwerdegegenstandes eines datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs nach dem typischerweise entstehenden Aufwand für den Auskunftsschuldner [richtet], der mit Blick auf die durchgängig vorhandene EDV-Technik mit pauschal 500,00 EUR zu bewerten ist?“,

        

(2)     

[Ob] die Rechte, Interessen und Freiheiten Dritter, deretwegen sich der Auskunftsverpflichtete auf ein Auskunftsverweigerungsrecht nach Art. 23 Abs. 1 lit. i) DSGVO i.V.m. § 12 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 DSG NRW bzw. nach Art. 15 Abs. 4 DSGVO beruft, bei der Bemessung des Beschwerdegegenstandes herangezogen werden [können]?“,

        

und     

        
        

(3)     

[Ob] ein am Wortlaut des Art. 15 DSGVO ausgerichteter Antrag hinreichend bestimmt i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO [ist]?“.

6

b) Insoweit handelt es sich bereits nicht um abstrakte Rechtsfragen iSv. § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ArbGG (vgl. hierzu BAG 3. Mai 2022 – 3 AZN 45/22 – Rn. 2). Die Fragen können nicht fallübergreifend mit „Ja“ oder „Nein“, sondern nur in Abhängigkeit von den Umständen des konkreten Einzelfalls beantwortet werden.

7

aa) Die Beantwortung der zu D I 1 (1) benannten Frage bei einer Berufungseinlegung hängt davon ab, ob es sich bei dem Berufungskläger um diejenige Partei handelt, die Auskunft erlangen will oder um diejenige Partei, die zur Auskunftserteilung verurteilt worden ist (zur gebotenen Differenzierung: vgl. BGH Großer Senat für Zivilsachen 24. November 1994 – GSZ 1/94 – zu II 2 der Gründe, BGHZ 128, 85; BAG 27. Mai 1994 – 5 AZB 3/94 – zu II 1 b der Gründe). Selbst ausgehend davon, dass sich die Frage – unter Einbeziehung der Beschwerdebegründung – auf den letztgenannten Fall beschränken sollte, hängt ihre Beantwortung im zweiten Halbsatz davon ab, welcher Aufwand mit der Auskunftserteilung verbunden ist. Dieser kann nach den eigenen Ausführungen der Beschwerdebegründung (im dritten Absatz auf Seite 6) nicht losgelöst von den Umständen des Einzelfalls bemessen werden.

8

bb) Die Antwort auf die zu D I 1 (2) gestellte Frage hängt nach der Begründung der Beschwerde davon ab, ob über eine Beschränkung des Auskunftsrechts wegen der Rechte, Freiheiten und (Geheimhaltungs-)Interessen Dritter „ernsthaft“ gestritten wird. Ob dies der Fall ist, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen.

9

cc) Was die zu D I 1 (3) benannte Frage betrifft, ist bereits unklar, was unter einem am Wortlaut des Art. 15 DSGVO „ausgerichteten“ Antrag konkret zu verstehen ist.

10

c) Unabhängig davon zeigt die Beschwerdebegründung auch die – nicht offensichtliche – Klärungsbedürftigkeit der zu D I 1 (1) und (2) benannten Fragen nicht ausreichend auf. Der bloße Hinweis auf eine ausstehende höchstrichterliche Entscheidung reicht hierzu nicht aus (BAG 28. Februar 2023 – 2 AZN 22/23 – Rn. 3; vgl. 14. Dezember 2010 – 6 AZN 986/10 – Rn. 16; vgl. auch BGH 2. Juli 2019 – VIII ZR 74/18 – Rn. 10). Im Übrigen geht die Beschwerde unter D I 3 (1) und (2) (auf Seite 6) der Beschwerdebegründung selbst davon aus, dass die Grundsätze, nach denen sich die Beschwer eines zur Auskunftserteilung verurteilten Berufungsklägers bemisst, in der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bzw. des Bundesgerichtshofs geklärt sind. Die Beschwerde hätte deshalb darlegen müssen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Übertragung dieser Grundsätze auf den datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO zweifelhaft und streitig sein soll. Daran fehlt es.

11

d) Hinsichtlich der zu D I 1 (3) benannten Frage zur Bestimmtheit eines auf Auskunftserteilung nach Art. 15 DSGVO gerichteten Klageantrags fehlt es neben der Formulierung einer abstrakten Rechtsfrage auch an einer hinreichenden Darlegung ihrer Klärungsfähigkeit, was voraussetzt, dass die Frage in der Revisionsinstanz nach Maßgabe des Prozessrechts beantwortet werden kann (vgl. dazu BAG 23. Juli 2019 – 9 AZN 252/19 – Rn. 11).

12

aa) Nach der Begründung der Beschwerde hat das Landesarbeitsgericht sich mit den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klageantrags allein im Zusammenhang mit der Prüfung befasst, ob – nachdem das Arbeitsgericht die Berufung im Tenor seines Urteils nicht gesondert zugelassen hat – die Voraussetzungen für eine Nachholung der Entscheidung über die Zulassung der Berufung durch das Landesarbeitsgericht vorliegen. In diesem Zusammenhang hat es angenommen, die Entscheidung des Arbeitsgerichts werfe – auch soweit der Klageantrag auf eine Auskunft durch „Überlassen in Kopie“ gerichtet sei – keine die Bestimmtheit des Antrags iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO betreffende klärungsbedürftige Rechtsfrage iSv. § 64 Abs. 3 Nr. 1 ArbGG auf.

13

bb) Hiervon ausgehend ist weder von der Beschwerde dargetan noch objektiv zu erkennen, dass die aufgeworfene Frage zur Bestimmtheit eines am Wortlaut des Art. 15 DSGVO „ausgerichteten“ Antrags auf Datenauskunft in der Revisionsinstanz nach Maßgabe des Prozessrechts beantwortet werden könnte.

14

(1) Nach § 64 Abs. 3a ArbGG ist die Entscheidung des Arbeitsgerichts über die Zulassung der Berufung in den Urteilstenor aufzunehmen. Ist dies unterblieben, kann binnen zwei Wochen ab Verkündung des Urteils eine entsprechende Ergänzung beantragt werden. Nach Verstreichen dieser Frist scheidet die Berufungsfähigkeit des Urteils nach § 64 Abs. 2 Buchst. a ArbGG aus. Eine Zulassung der Berufung kann nicht allein in der Rechtsmittelbelehrung des arbeitsgerichtlichen Urteils erfolgen (vgl. BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 519/15 – Rn. 19 f., BAGE 158, 75). Eine nachträgliche Zulassung der Berufung durch das Landesarbeitsgericht analog derjenigen der Revision (§ 72a ArbGG) ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht möglich. Etwas anderes folgt auch nicht aus der im anzufechtenden Berufungsurteil herangezogenen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. November 2007 (- VIII ZR 340/06 -), wonach das Berufungsgericht die Entscheidung darüber, ob die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 ZPO erfüllt sind, nachholen muss, wenn das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil es den Streitwert auf über 600,00 Euro festgesetzt hat und deswegen von einem entsprechenden Wert der Beschwer der unterlegenen Partei ausgegangen ist, das Berufungsgericht diesen Wert jedoch nicht für erreicht hält. Diese zu § 511 ZPO ergangene Entscheidung ist auf das arbeitsgerichtliche (Berufungs-)Verfahren nicht übertragbar (vgl. BAG 25. Januar 2017 – 4 AZR 519/15 – Rn. 24 f., aaO).

15

(2) Vor diesem Hintergrund scheidet in einem Revisionsverfahren oder – wie hier – in einem angestrebten Revisionsbeschwerdeverfahren eine Beantwortung der von der Beschwerde aufgeworfenen Frage, die sich für das Landesarbeitsgericht allein im Zusammenhang mit der von ihm als geboten erachteten Nachholung der Entscheidung über die Berufungszulassung gestellt hat, nach Maßgabe des Prozessrechts im Streitfall aus. In einem Revisionsverfahren oder Revisionsbeschwerdeverfahren hätte das Bundesarbeitsgericht schon mangels wirksamer Berufungszulassung durch das Arbeitsgericht davon auszugehen, dass die Berufung jedenfalls nicht nach § 64 Abs. 2 Buchst. a ArbGG statthaft ist. Gegenteiliges behauptet die Beschwerde auch nicht.

16

2. Die Beschwerde zeigt auch keine entscheidungserhebliche Divergenz iSv. § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ArbGG auf (vgl. hierzu: BAG 24. Oktober 2019 – 8 AZN 624/19 – Rn. 10; 11. April 2019 – 3 AZN 720/18 – Rn. 8).

17

a) Es fehlt bereits an einer ausreichenden Begründung, warum das Landesarbeitsgericht den ihm zugeschriebenen Rechtssatz, „Der Streitwert des einheitlichen Datenschutzauskunftsanspruchs ist grundsätzlich mit 500,00 EUR anzusehen.“, aufgestellt haben soll, obwohl es nach der in der Beschwerdebegründung wiedergegebenen Urteilspassage dies nur unter dem Vorbehalt etwaiger, nach seiner Auffassung im Streitfall nicht gegebener „Besonderheiten“ angenommen hat.

18

b) Abgesehen davon beziehen sich die dem behaupteten Rechtssatz aus der anzufechtenden Entscheidung zugrunde liegenden Ausführungen auf den Wert des Beschwerdegegenstands iSv. § 64 Abs. 2 Buchst. b ArbGG, den das Landesarbeitsgericht nach §§ 3 ff. ZPO ermittelt hat, während sich die von der Beschwerde zitierten Ausführungen aus der angezogenen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 20. Juli 2022 (- 2 Ta 63/22 -) auf die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG beziehen. Ausgehend hiervon ist aber nicht dargetan, dass eine Abweichung in derselben Rechtsfrage vorläge. Es fehlt vielmehr – auch objektiv – an einem identischen Regelungsgehalt der angewandten Rechtsnormen.

19

c) Es kann deshalb dahinstehen, ob die Beschwerdebegründung eine ausreichende Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der gerügten Divergenz enthält.

20

3. Im Ergebnis wendet sich die Beschwerde mit ihren Ausführungen gegen eine ihrer Auffassung nach fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht. Angenommene Rechtsanwendungsfehler stellen nach § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 ArbGG jedoch keinen Grund für die Zulassung der Revisionsbeschwerde dar (vgl. BAG 27. Juli 2024 – 6 AZM 14/24 – Rn. 11; 25. April 2024 – 8 AZN 833/23 – Rn. 5). Dafür, dass im Streitfall die konkrete Feststellung des Beschwerdewerts durch das Landesarbeitsgericht auf sachfremden Erwägungen beruhen könnte, bringt die Beschwerde nichts vor. Eine – ohnehin nicht explizit geltend gemachte – Verletzung des Anspruchs der Beklagten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) ist insoweit auch objektiv nicht zu erkennen (vgl. dazu BVerfG 13. Februar 1997 – 2 BvR 2726/93 – zu 3 d der Gründe). Ob nur eine unterhalb der Berufungsgrenze liegende Festsetzung des Beschwerdewerts rechtsfehlerfrei sein kann, bedarf keiner Entscheidung.

21

III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revisionsbeschwerde zuzulassen ist. Weitergehende Ausführungen sind weder von Verfassungs wegen noch aus konventionsrechtlichen Gründen geboten (vgl. BVerfG 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 – Rn. 19, 25; 8. Dezember 2010 – 1 BvR 1382/10 – Rn. 12 ff.).

22

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Spinner    

        

    Pulz    

        

    Berger    

        

        

        

        

        

        

                 

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