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9 AZR 145/21

Arbeitnehmerstatus - Sportfotograf

Court Details

  • File Number

    9 AZR 145/21

  • ECLI Number

    ECLI:DE:BAG:2021:301121.U.9AZR145.21.0

  • Type

    Urteil

  • Date

    30.11.2021

  • Senate

    9. Senat

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 2. Oktober 2020 – 10 Sa 129/19 – aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten – soweit für die Revision von Bedeutung – über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung und Urlaubsansprüche des Klägers. Im Kern geht es dabei um die Frage, ob der Kläger für die Beklagte Leistungen im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbringt.

2

Die Beklagte ist ein Verlagshaus, das mehrere Zeitungen herausgibt. Der Kläger ist für die Beklagte, die in ihrem Betrieb ständig mehr als zehn Arbeitnehmer beschäftigt, seit dem 1. Januar 1990 als Sportfotograf tätig. Zu Beginn seiner Tätigkeit erhielt der Kläger, der Mitglied der Künstlersozialkasse ist, eine an der Anzahl der von ihm eingereichten Bilder orientierte Vergütung, die zwischen 20,00 DM und 150,00 DM je Bild variierte. Unter dem 1. Februar 1995 schlossen die Parteien einen sog. Pauschalistenvertrag, der ua. folgende Regelungen enthält:

        

Vereinbarung

        

…       

        

1.)     

Vom 1. Januar 1995 an erhält Herr D vom K für seine Tätigkeit als freier Sportfotograf eine Pauschale.

        

2.)     

Die Leistungen von Herrn D für den K orientieren sich am Umfang seiner bisherigen Tätigkeit für den K, der durch Honorarabrechnungen in den Jahren 1993 und 1994 belegt ist.

        

3.)     

Die Pauschale beträgt 4650 DM.

        

4.)     

Darüber hinaus rechnet Herr D seine Auslagen bei Terminen für den K ab.

        

5.)     

Diese Vereinbarung kann von beiden Seiten mit einer Ansagefrist von drei Monaten widerrufen werden.“

3

Der Tarifvertrag für arbeitnehmerähnliche freie Journalisten und Journalistinnen an Tageszeitungen vom 1. Mai 1991 (TV), der am selben Tag in Kraft trat, enthält ua. folgende Regelungen:

        

§ 1 Geltungsbereich

        

Der Tarifvertrag gilt …

        

für alle hauptberuflichen freien Journalisten und Journalistinnen, die als arbeitnehmerähnlich … gelten, soweit sie für Tageszeitungen aufgrund von Dienst- oder Werkverträgen tätig sind.

        

…       

        

§ 7 Honorare für Bildbeiträge

        

Für Bildbeiträge (schwarz-weiß) gelten folgende Honorare:

        

…       

        

§ 8     

Pauschalisten

        

1.    

Anstelle der in §… 7 aufgeführten Honorare kann auch die Zahlung einer monatlichen Pauschale vereinbart werden.

        

2.    

Bei Bemessung der Pauschale ist nicht die Summe der veröffentlichten Zeilen oder Bilder ausschlaggebend, vielmehr sind die Besonderheiten des Einzelfalls, ggf. auch zusätzliche Leistungen eines Vertragspartners zu berücksichtigen.

        

3.    

Werden die Honorarsätze (§ … 7) geändert, ist die Höhe der Pauschale zu überprüfen.“

4

Der Kläger fotografierte auf Sportveranstaltungen und leitete eine Vorauswahl der Aufnahmen an die Beklagte. Solange er analog fotografierte, entwickelte er die Bilder in einem zeitlichen Umfang von täglich zwei bis fünf Stunden in den Betriebsräumen in K. Die Beklagte richtete für ihn einen E-Mail-Account ein. An den Sitzungen der Sportredaktion nahm er nicht regelmäßig teil.

5

Die in den Honorarabrechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer führte der Kläger an das zuständige Finanzamt ab. Bis zum Jahr 2013 buchte die Beklagte Reisen für den Kläger und erstattete ihm, wie auch in späteren Jahren, die damit verbundenen Auslagen. Der Kläger rechnete seine Spesen auf einem von der Beklagten zur Verfügung gestellten Formular „Honorarerfassungsbeleg – Spesenabrechnung für freie Mitarbeiter“ – ab.

6

Anfang des Jahres 2018 bot die Beklagte dem Kläger den Abschluss eines „Vertrages für freie Mitarbeiter“ zu veränderten Bedingungen an. Unter dem 6. Februar 2018 lehnte der Kläger das Angebot ab. Mit Schreiben vom 20. Juni 2018 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis fristgerecht zum 30. September 2018.

7

Mit Bescheid vom 19. Juni 2020 stellte die Deutsche Rentenversicherung Bund fest, das „Auftragsverhältnis“ der Parteien begründe keine Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Kündigung der Beklagten sei unwirksam. Es fehle sowohl an einem die Kündigung rechtfertigenden Grund als auch an der erforderlichen Anhörung des Betriebsrats. Darüber hinaus sei die Kündigung wegen Verstoßes gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB unwirksam. Die Parteien verbinde ein Arbeitsverhältnis. Er sei in die Arbeitsorganisation der Beklagten eingebunden, die ihm sowohl in zeitlicher als auch in fachlicher Hinsicht Weisungen erteilt habe. Die von ihm geschuldete Leistung sei in 1.) des Pauschalistenvertrags lediglich in allgemeiner Form beschrieben, so dass der Vertragsgegenstand notwendigerweise durch Weisungen seitens der Beklagten konkretisiert werden müsse. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang behauptet, er habe sich seit Beginn seiner Tätigkeit ständig verfügbar halten müssen. Der stellvertretende Ressortleiter B habe ihn angewiesen, Bildmaterial von allen wesentlichen Sportereignissen der Region zu liefern. Er sei daraufhin an durchschnittlich 28 Tagen je Monat und damit nahezu ausschließlich für die Beklagte tätig gewesen. Die Mitarbeiter der Beklagten O und S hätten ihm konkrete Vorgaben bezüglich einzelner Sportveranstaltungen unter Einschluss von Pressekonferenzen und Interviews sowie der Motive gemacht. Zur Abstimmung des Fotomaterials habe er sich täglich in der Redaktion einfinden müssen. Er sei verpflichtet gewesen, Urlaub mit der Beklagten abzustimmen. Bei Ausfall eines anderen Fotografen habe er diesen zu vertreten gehabt. Für seine Arbeitnehmereigenschaft spreche die Vereinbarung eines Honorars, das unabhängig von der Anzahl der eingereichten Fotos in festgelegter Höhe an ihn gezahlt worden sei.

9

Der Kläger hat außerdem den Standpunkt eingenommen, unabhängig von seinem Status als Arbeitnehmer nach deutschem Recht stehe ihm ein Urlaubsanspruch für die Jahre 1991 bis 2018 im Umfang von 290 Tagen zu, da er zumindest Arbeitnehmer iSd. Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG sei.

10

Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – beantragt,

        

1.    

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 20. Juni 2018 beendet worden ist, und

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm aus den Jahren 1991 bis 2018 einen Urlaubsanspruch von 290 Tagen zu gewähren,

                 

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1.

                 

die Beklagte zu verurteilen, an ihn Urlaubsabgeltung iHv. 38.668,60 Euro zu zahlen.

11

Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, die Parteien verbinde ein freier Dienstvertrag. Der Kläger habe – insbesondere im Falle terminlicher Überschneidungen – eigenverantwortlich entschieden, welche Sportveranstaltung er besuche, um Fotografien zu fertigen. Die Natur einer Bildberichterstattung von Sportereignissen bringe es dabei mit sich, dass die Fotos nur an bestimmten Orten zu bestimmten Zeiten angefertigt werden könnten. Im Übrigen sei der Kläger in der Gestaltung seiner Tätigkeit frei gewesen. So habe ihm das Recht zugestanden zu entscheiden, welches Bildmaterial er der Beklagten zur Verfügung stelle. Ihre Infrastruktur habe sie dem Kläger nur zugänglich gemacht, soweit dies produktionstechnisch erforderlich gewesen sei. Es habe dem Kläger freigestanden, für andere Auftraggeber tätig zu werden. Von dieser Möglichkeit habe er Gebrauch gemacht. Über Zeiten, in denen der Kläger urlaubsbedingt nicht für sie habe tätig werden können, sei sie nicht unterrichtet gewesen. Die Vereinbarung eines Festhonorars für Fotoarbeiten sei in der Zeitungsbranche nicht unüblich, wie § 8 Nr. 1 des Tarifvertrags belege.

12

Die Beklagte, die sich hinsichtlich des Urlaubsanspruchs auf Verjährung beruft, bestreitet, der Kläger habe ihr an höchstens zehn Tagen je Kalenderjahr urlaubsbedingt nicht zur Verfügung gestanden.

13

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und der Klage – soweit für die Revision von Bedeutung – stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist begründet. Dies führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

15

I. Die Klage ist zulässig.

16

1. Der Klageantrag zu 1., mit dem der Kläger die gerichtliche Feststellung begehrt, das Arbeitsverhältnis der Parteien sei durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 2018 nicht beendet worden, ist als Kündigungsschutzantrag iSd. § 4 Satz 1 KSchG zulässig.

17

2. Auch der Klageantrag zu 2. ist nach der gebotenen Auslegung zulässig.

18

a) Der Kläger verfolgt das auf Gewährung von Urlaub gerichtete Klagebegehren nicht im Wege eines Hauptantrags, sondern im Wege eines uneigentlichen Hilfsantrags, der dem Senat nur dann zur Entscheidung anfällt, wenn der Klageantrag zu 1. Erfolg hat.

19

aa) Das Revisionsgericht hat prozessuale Erklärungen selbstständig auszulegen. Klageanträge sind entsprechend den für Willenserklärungen geltenden Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) so zu verstehen, dass im Zweifel gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der richtig verstandenen Interessenlage entspricht. Für die Auslegung eines Klageantrags ist deshalb nicht allein dessen buchstäblicher Wortlaut maßgebend (vgl. BAG 15. Juni 2021 – 9 AZR 217/20 – Rn. 29).

20

bb) Danach ist der Klageantrag zu 2. als uneigentlicher Hilfsantrag zu verstehen. Der Kläger begehrt die gerichtliche Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm aus den Jahren 1991 bis 2018 Urlaub im Umfang von 290 Tagen zu gewähren. Die Gewährung von Urlaub setzt voraus, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung fortbesteht. Ist das Rechtsverhältnis beendet, kann der Arbeitnehmer nicht mehr von der Pflicht entbunden werden, die vertraglich versprochene Leistung zu erbringen. Der auf Feststellung gerichtete Antrag zu 2. fällt dem Senat daher nur zur Entscheidung an, wenn das Rechtsverhältnis, das der Kläger als Arbeits- und die Beklagte als freies Dienstverhältnis qualifiziert, fortbesteht.

21

b) Der so verstandene Antrag genügt den gesetzlichen Bestimmtheitsanforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Danach muss die Klageschrift neben einem bestimmten Antrag eine bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs enthalten.

22

aa) Auch wenn der Klageantrag seinem Wortlaut nach nicht erkennen lässt, ob es sich bei den „290 Tagen“ um Werk- oder um Arbeitstage handeln soll, hat der Senat davon auszugehen, dass der Kläger Urlaubstage in Form von Arbeitstagen geltend macht. In der Klagebegründung findet sich der Hinweis, dem Kläger stünden „jedenfalls 20 Arbeitstage“ Urlaub zu. Umstände, die darauf schließen lassen, der Kläger lege seinem Klageantrag einen abweichenden Tagesbegriff zugrunde, finden sich in der Akte nicht.

23

bb) Der Kläger hat eine Teilgesamtklage erhoben, mit der er von der Beklagten für die Jahre 1991 bis 2017 jeweils zehn und für das Jahr 2018 20 Arbeitstage Urlaub verlangt.

24

(1) Bei mehreren in einer Klage verfolgten Ansprüchen (§ 260 ZPO) muss erkennbar sein, aus welchen Einzelforderungen sich die Klage zusammensetzt (vgl. BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 43/19 – Rn. 15). Dies gilt insbesondere für Urlaubsansprüche, die – wie im Streitfall – aus verschiedenen Urlaubsjahren stammen. Will der Arbeitnehmer eine konkrete Anzahl von Urlaubstagen, deren Gewährung der Arbeitgeber zu einem bestimmten Zeitpunkt schuldet, festgestellt wissen, ist Bezugspunkt des prozessualen Anspruchs das Kalenderjahr als Referenzzeitraum des Urlaubsanspruchs. Macht der Kläger Urlaubsansprüche aus verschiedenen Kalenderjahren geltend, handelt es sich um eine „Gesamtklage“. In diesem Fall hat er darzulegen, wie sich die einzelnen Urlausansprüche auf die einzelnen Kalenderjahre verteilen. Werden im Wege einer „Teilgesamtklage“ (BAG 29. August 2018 – 7 AZR 206/17 – Rn. 20) mehrere Ansprüche nicht in voller Höhe, sondern teilweise verfolgt, muss die Klagepartei genau angeben, in welcher Höhe sie aus den einzelnen Ansprüchen welche Teile einklagt (BAG 19. Februar 2019 – 3 AZR 215/18 – Rn. 16, BAGE 165, 357).

25

(2) Der Kläger hat eine Teilgesamtklage erhoben. Er will seine Urlaubsansprüche nicht vollständig, sondern nur einen Teil derselben gerichtlich festgestellt wissen. Dabei legt er seiner Anspruchsberechnung abweichend von § 3 Abs. 1 BUrlG einen jährlichen Urlaubsanspruch im Umfang von 20 Arbeitstagen zugrunde. Da er nach eigenem Vortrag in der Vergangenheit nicht in einer Fünftagewoche arbeitete, sondern an durchschnittlich 28 Kalendertagen im Monat für die Beklagte tätig war, macht er nicht den vollen Urlaubsanspruch, sondern lediglich anteilige Urlaubsansprüche für jedes Kalenderjahr geltend.

26

c) Feststellungsklagen müssen sich nicht auf das Rechtsverhältnis im Ganzen beziehen, sondern können einzelne daraus entstehende Rechte, Pflichten oder Folgen – wie hier das gegenwärtige Bestehen eines Urlaubsanspruchs aus bestimmten Kalenderjahren – zum Gegenstand haben (vgl. BAG 21. Juli 2015 – 9 AZR 145/14 – Rn. 9). Da der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, das Bestehen und den Umfang seiner Urlaubsansprüche gerichtlich feststellen zu lassen, liegt das erforderliche Feststellungsinteresse (§ 256 Abs. 1 ZPO) vor. Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage steht der Zulässigkeit einer Klage, mit der ein Arbeitnehmer Urlaubsansprüche gerichtlich festgestellt wissen will, nicht entgegen (vgl. BAG 14. Februar 2017 – 9 AZR 207/16 – Rn. 9).

27

II. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht dem Feststellungsantrag zu 1. nicht stattgeben. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landesarbeitsgerichts kann der Senat nicht abschließend entscheiden, ob zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis besteht, das durch die Kündigung der Beklagten vom 20. Juni 2018 beendet worden ist.

28

1. In einem Kündigungsschutzverfahren hat das Gericht inzident zu prüfen, ob das Rechtsverhältnis der Parteien zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung als Arbeitsverhältnis zu qualifizieren ist. Gegenstand einer Kündigungsschutzklage nach § 4 Satz 1 KSchG ist das Begehren festzustellen, dass „das Arbeitsverhältnis“ durch die konkrete, mit der Klage angegriffenen Kündigung zu dem darin vorgesehenen Termin nicht aufgelöst worden ist. Mit der Rechtskraft des der Klage stattgegebenen Urteils steht deshalb regelmäßig zugleich fest, dass jedenfalls bei Zugang der Kündigung ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien bestanden hat, das nicht zuvor durch andere Ereignisse aufgelöst wurde. Besteht kein Arbeitsverhältnis, kann ein der Kündigungsschutzklage stattgebendes Urteil nicht ergehen; vielmehr ist sie schon aus diesem Grund abzuweisen (BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 27).

29

2. Das Landesarbeitsgericht ist im Wesentlichen von den rechtlichen Grundsätzen ausgegangen, anhand deren der Senat ein Arbeitsverhältnis von dem Rechtsverhältnis eines selbständigen Unternehmers abgrenzt (grundlegend hierzu BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 31 ff.). Diese ergeben sich seit dem 1. April 2017 aus § 611a Abs. 1 BGB, der eine Legaldefinition des Arbeitsvertrags enthält und damit zusammenhängend regelt, wer Arbeitnehmer ist.

30

a) Nach § 611a Abs. 1 BGB wird ein Arbeitnehmer durch den Arbeitsvertrag im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet (Satz 1). Das Weisungsrecht kann Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen (Satz 2). Weisungsgebunden ist, wer nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmten kann (Satz 3). Der Grad der persönlichen Abhängigkeit hängt dabei auch von der Eigenart der jeweiligen Tätigkeit ab (Satz 4). Für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände vorzunehmen (Satz 5). Zeigt die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt, kommt es auf die Bezeichnung im Vertrag nicht an (Satz 6).

31

b) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich danach von dem Rechtsverhältnis eines selbstständig Tätigen durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit des Verpflichteten. Arbeitnehmer ist, wer aufgrund eines privatrechtlichen Vertrags im Dienste eines anderen zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet ist. Die Begriffe der Weisungsgebundenheit und Fremdbestimmung sind eng miteinander verbunden und überschneiden sich teilweise. Eine weisungsgebundene Tätigkeit ist in der Regel zugleich fremdbestimmt. Die Weisungsbindung ist das engere, den Vertragstyp im Kern kennzeichnende Kriterium, das durch § 611a Abs. 1 Sätze 2 bis 4 BGB näher ausgestaltet ist. Es kann, muss aber nicht gleichermaßen Inhalt, Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit betreffen. Nur wenn jedwede Weisungsgebundenheit fehlt, liegt idR kein Arbeitsverhältnis vor. Das Kriterium der Fremdbestimmung erfasst insbesondere vom Normaltyp des Arbeitsvertrags abweichende Vertragsgestaltungen. Sie zeigt sich insbesondere in der Eingliederung des Arbeitnehmers in die Arbeitsorganisation des Arbeitgebers (BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 31 mwN).

32

aa) Weisungsgebundenheit kann in verschiedenen Erscheinungsformen bestehen. In der Regel wird eine vertraglich nur rahmenmäßig bestimmte Arbeitspflicht – dh. die dem Umfang nach bereits bestimmte Leistung des Beschäftigten – durch die Ausübung des Weisungsrechts konkretisiert. Nach § 106 Satz 1 GewO kann der Arbeitgeber Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt sind. § 106 Satz 2 GewO erkennt zusätzlich die Ordnung und das Verhalten des Arbeitnehmers im Betrieb als Gegenstand des Weisungsrechts an. Die Weisungsgebundenheit des Arbeitnehmers korrespondiert mit dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Durch die Ausübung des Weisungsrechts nach § 106 Satz 2 GewO wird regelmäßig erst die Voraussetzung dafür geschaffen, dass der Beschäftigte seine Arbeit leisten und das Rechtsverhältnis praktisch durchgeführt werden kann (BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 33 mwN).

33

bb) In zeitlicher Hinsicht besteht eine Abhängigkeit von Weisungen, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung herangezogen wird, ihm also die Arbeitszeiten letztlich „zugewiesen“ werden. Die ständige Dienstbereitschaft kann sich sowohl aus den ausdrücklich getroffenen Vereinbarungen der Parteien als auch aus der praktischen Durchführung der Vertragsbeziehungen ergeben. Die Einteilung eines Mitarbeiters in Organisations-, Dienst- und Produktionspläne ohne vorherige Absprache stellt ein starkes Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft dar (BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 34 mwN).

34

cc) Allerdings können Weisungsrechte auch außerhalb eines Arbeitsverhältnisses bestehen. Weisungsgebundenheit iSv. § 611a Abs. 1 Satz 3 BGB setzt voraus, dass der Beschäftigte in der Gestaltung seiner Tätigkeit nicht „im Wesentlichen frei“ ist. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind für sich allein kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch gegenüber einem freien Mitarbeiter können Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine arbeitnehmertypische zeitliche Weisungsgebundenheit folgt. Zudem steht einem Auftraggeber gegenüber einem freien Mitarbeiter grundsätzlich das Recht zu, Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsergebnisses zu erteilen. Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist daher gegenüber dem Weisungsrecht für Vertragsverhältnisse mit Selbständigen und Werkunternehmern abzugrenzen. Die Anweisung gegenüber einem Selbständigen ist typischerweise sachbezogen und ergebnisorientiert und damit auf die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung ausgerichtet. Im Unterschied dazu ist das arbeitsvertragliche Weisungsrecht personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert geprägt. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und zur Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind. Für die Bestimmung des Vertragstypus kommt es indiziell darauf an, inwieweit der Arbeitsvorgang durch verbindliche Anweisungen vorstrukturiert ist. Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Arbeitsergebnis beziehen, können auch gegenüber Selbständigen erteilt werden. Wird die Tätigkeit aber durch den „Auftraggeber“ geplant und organisiert und der Beschäftigte in einen arbeitsteiligen Prozess in einer Weise eingegliedert, die eine eigenverantwortliche Organisation der Erstellung des vereinbarten „Arbeitsergebnisses“ faktisch ausschließt, liegt ein Arbeitsverhältnis nahe. Richten sich die vom Auftragnehmer zu erbringenden Leistungen nach dem jeweiligen Bedarf des Auftraggebers, so kann auch darin ein Indiz gegen eine werk- und für eine arbeitsvertragliche Beziehung liegen, wenn mit der Bestimmung von Leistungen auch über Inhalt, Durchführung, Zeit, Dauer und Ort der Tätigkeit entschieden wird (BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 35 mwN).

35

dd) In die Beurteilung, ob der – für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses erforderliche – Grad der persönlichen Abhängigkeit erreicht ist, ist nach § 611a Abs. 1 Satz 4 BGB die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit einzubeziehen. Die Art der Dienstleistung und die Zugehörigkeit der Tätigkeit zu einem bestimmten Berufsbild können den zugrundeliegenden Vertragstyp ebenso beeinflussen wie die Organisation der zu verrichtenden Arbeiten. Bestimmte Tätigkeiten lassen sich sowohl in einem Arbeitsverhältnis als auch in einem Werk- oder freien Dienstvertrag verrichten, während andere regelmäßig im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden. Bei untergeordneten, einfachen Arbeiten besteht eher eine persönliche Abhängigkeit als bei gehobenen Tätigkeiten (BAG 1. Dezember 2020 – 9 AZR 102/20 – Rn. 37 mwN).

36

ee) Soweit § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB für die Feststellung, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt, eine Gesamtbetrachtung aller Umstände anordnet, haben die Gerichte für Arbeitssachen bei ihrer Entscheidungsfindung verfassungsrechtlichen Wertungen Rechnung zu tragen. Ist der Dienstberechtigte – wie im Streitfall die Beklagte – Träger des Grundrechts der Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), kann dieser Umstand iSd. § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB zu würdigen sein.

37

(1) Die Gerichte für Arbeitssachen sind von Verfassungs wegen gehalten, Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen, damit deren wertsetzender Gehalt auch auf der Rechtsanwendungsebene gewahrt bleibt. Für den Bereich des Zeitungswesens verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG in der Regel eine fallbezogene Abwägung zwischen der Bedeutung der Pressefreiheit auf der einen und dem Rang der von den Normen des Arbeitsrechts geschützten Rechtsgüter auf der anderen Seite (vgl. für den Bereich des Rundfunks zuletzt BAG 25. August 2020 – 9 AZR 373/19 – Rn. 21). Die Pressefreiheit erstreckt sich auf das Recht des Zeitungsverlags, der Freiheit der redaktionellen Berichterstattung bei der Auswahl, Einstellung und Beschäftigung derjenigen Mitarbeiter Rechnung zu tragen, die in nicht unwesentlichem Umfang auf den redaktionellen Inhalt der Zeitung Einfluss nehmen. Die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützte Pressefreiheit ist im Rahmen der nach § 611a Abs. 1 Satz 5 BGB gebotenen Gesamtbetrachtung zur Feststellung des Vertragsstatus zu berücksichtigen.

38

(2) Ein grundsätzlicher Bedarf an Beschäftigung in freier Mitarbeit kann aufgrund dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben bei redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern bestehen (vgl. zur Unterscheidung von programmgestaltenden und nicht programmgestaltenden Mitarbeitern im Rundfunkbereich BAG 17. April 2013 – 10 AZR 272/12 – Rn. 16 ff., BAGE 145, 26; grundlegend BAG 15. März 1978 – 5 AZR 819/76 – zu B II 2 a der Gründe, BAGE 30, 163).

39

(a) Als „redaktionell verantwortlich“ ist der Kreis derjenigen Mitarbeiter anzusehen, die in nicht unwesentlichem Umfang am Inhalt des redaktionellen Teils der Zeitung gestaltend mitwirken. Das gilt namentlich, wenn sie typischerweise ihre eigene Auffassung zu politischen, wirtschaftlichen, künstlerischen oder anderen Sachfragen, ihre Fachkenntnisse und Informationen, ihre individuelle künstlerische Befähigung und Aussagekraft einbringen (vgl. zum Rundfunkbereich BAG 17. April 2013 – 10 AZR 272/12 – Rn. 17, BAGE 145, 26). Auch bei diesen Mitarbeitern kann allerdings ein Arbeitsverhältnis vorliegen, wenn sie weitgehenden inhaltlichen Weisungen unterliegen, ihnen also nur ein geringes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und Selbstständigkeit verbleibt, und der Zeitungsverlag innerhalb eines zeitlichen Rahmens über ihre Arbeitsleistung verfügen kann. Letzteres ist der Fall, wenn ständige Dienstbereitschaft erwartet wird oder wenn der Mitarbeiter in nicht unerheblichem Umfang auch ohne entsprechende Vereinbarung durch Dienstpläne herangezogen wird, ihm also die Arbeiten letztlich zugewiesen werden (vgl. zum Rundfunkbereich BAG 17. April 2013 – 10 AZR 272/12 – Rn. 18, aaO).

40

(b) Nicht zu den redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern gehören das betriebstechnische und das Verwaltungspersonal sowie diejenigen, die zwar bei der Erstellung der Zeitung mitwirken, aber keinen inhaltlichen Einfluss darauf haben. Zu dieser Gruppe zählen beispielsweise Übersetzer von Nachrichten- und Kommentartexten und Archivare. Diese Mitarbeiter, bei denen die Arbeitnehmereigenschaft anhand der allgemeinen Kriterien zu prüfen ist, werden im Regelfall häufiger die Kriterien eines Arbeitnehmers erfüllen, als es bei redaktionell verantwortlichen Mitarbeitern zu erwarten ist (in diesem Sinne für den Rundfunkbereich BAG 17. April 2013 – 10 AZR 272/12 – Rn. 17 und 19, BAGE 145, 26).

41

c) Die Tatsacheninstanzen haben bei der Prüfung des Arbeitnehmerstatus einen weiten Beurteilungsspielraum. Ihre Würdigung ist in der Revisionsinstanz nur daraufhin zu überprüfen, ob sie den Rechtsbegriff des Arbeitnehmers selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt, bei der Subsumtion den Rechtsbegriff wieder aufgegeben oder wesentliche Umstände außer Betracht gelassen haben (vgl. BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 14).

42

d) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs ist das Urteil des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern. Zum einen hat das Landesarbeitsgericht bei seiner Entscheidungsfindung Gesichtspunkte berücksichtigt, zu denen es keine tatbestandlichen Feststellungen getroffen hat. Zum anderen hat es Vortrag, den die Parteien gehalten haben, nicht vollständig gewürdigt. Schließlich hat es versäumt, die Gewichtung, die es den entscheidungsrelevanten Gesichtspunkten im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung beigemessen hat, in einer Weise zu verdeutlichen, die es dem Revisionsgericht ermöglicht, das Ergebnis in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht nachzuvollziehen.

43

aa) Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Entscheidungsfindung Gesichtspunkte gewürdigt, zu denen es keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat.

44

(1) Für die Annahme, der Kläger habe Fototermine nach konkreten Anweisungen der Beklagten wahrgenommen und sich nach Einzelweisungen durch die Redakteure B, O und S zu richten gehabt, fehlen tatbestandliche Feststellungen, die diesen Schluss zulassen. Die Beklagte hat den entsprechenden Vortrag des Klägers bestritten.

45

(2) Dies gilt entsprechend, soweit das Landesarbeitsgericht darauf abstellt, für den Kläger habe „in der Praxis eine ständige Verfügungsnotwendigkeit“ bestanden. Gemäß 2.) des Pauschalistenvertrags richtete sich der Umfang der Tätigkeit des Klägers nach dem Umfang der Tätigkeit in den Jahren 1993 und 1994. Diesen hat das Landesarbeitsgericht weder festgestellt noch hat der Kläger vorgetragen, die Vertragsklausel sei nachträglich geändert worden. Den Entscheidungsgründen lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, aufgrund welcher Tatsachen das Landesarbeitsgericht zu der Einschätzung gelangt ist, der Kläger habe „ohne die Gefahr, das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zu verlieren, Aufträge (nicht) einseitig und damit ohne weiteres … ablehnen können“.

46

(3) Auch konnte das Landesarbeitsgericht allein aus dem Umstand, dass der Kläger an durchschnittlich 28 Tagen im Monat Fototermine für die Beklagte wahrgenommen hat, nicht schlussfolgern, es sei ihm faktisch nicht möglich gewesen, daneben in nennenswertem Umfang für andere Auftraggeber tätig zu werden. Hierzu hätte es Feststellungen zur täglich aufgewandten durchschnittlichen Arbeitszeit bedurft.

47

bb) Zudem hat das Landesarbeitsgericht nicht den gesamten Vortrag der Parteien in seine Entscheidungsfindung einbezogen. So hat es nicht berücksichtigt, dass der Kläger in den ersten Jahren des Vertragsverhältnisses die Fotografien in den Betriebsräumen der Beklagten unter Verwendung der von der Beklagten zur Verfügung gestellten technischen Einrichtungen entwickelt hat. Seinen Vortrag, er habe sich zwecks Abstimmung des Fotomaterials täglich in der Redaktion der Beklagten einfinden müssen, ist das Landesarbeitsgericht nicht nachgegangen. Den (unstreitigen) Vortrag der Beklagten, dem Kläger habe es freigestanden, nach eigenem Gutdünken eine Vorauswahl unter den der Beklagten zu überlassenden Fotografien zu treffen, hat es nicht gewürdigt. Keine Berücksichtigung hat auch der Vortrag der Beklagten gefunden, der Kläger habe nicht an den Sitzungen der Sportredaktion teilnehmen müssen und seine Spesen unter Verwendung eines für freie Mitarbeiter vorgesehenen Formulars abgerechnet. Nicht erkennbar gewürdigt wurde auch, ob und inwieweit die Eigenart der Tätigkeit eines Sportfotografen typischerweise unabhängig von dessen Vertragsstatus weisungsfrei ist. Schließlich hat sich das Landesarbeitsgericht nicht mit dem Einwand der Beklagten auseinandergesetzt, im Bereich journalistischer Tätigkeit, zu der auch der Fotojournalismus gehöre, sei ein Pauschalhonorar nicht unüblich, wie die tariflichen Regelungen in §§ 7, 8 Nr. 1 TV belegten. Nicht erkennbar ist, ob und gegebenenfalls in welchem Maße das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, das die Beklagte für sich in Anspruch nehmen kann, in die Abwägungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts Eingang gefunden hat.

48

cc) Schließlich rechtfertigen die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts nicht den Schluss, „im Rahmen einer Gesamtabwägung (sei festzustellen), dass vorliegend überwiegende Indizien für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses“ sprächen. Die Entscheidungsgründe verhalten sich nicht zu der Frage, ob und gegebenenfalls welches Gewicht die Vorinstanz welchen Kriterien beigemessen hat und aus welchen Gründen es zu diesem und nicht zu einem anderen Ergebnis gelangt ist.

49

(1) Das Landesarbeitsgericht hat widerstreitende Kriterien in die Gesamtabwägung eingestellt. Es hat auf der einen Seite angenommen, die Einbindung des Klägers in die Betriebsorganisation, die eine Zusammenarbeit mit den übrigen Mitarbeitern der Beklagten notwendig mache, spreche für ein Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien wie auch die pauschale Entlohnung des Klägers sowie der Umstand, dass die Beklagte für den Kläger einen E-Mail-Account eingerichtet habe. Weitere Gesichtspunkte hat das Landesarbeitsgericht andererseits als Indiz für einen freien Dienstvertrag gewertet. So hat es berücksichtigt, dass die Beklagte den Kläger nicht in die für ihre Sportredaktion geltenden Dienstpläne eingeteilt habe, der Kläger nicht an einen von der Beklagten vorgegebenen Dienstort gebunden gewesen sei und genehmigungsfrei für andere Auftraggeber habe tätig werden können.

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(2) Sprechen – wie vorliegend – einige Kriterien für die Annahme eines freien Dienstverhältnisses und andere für das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses, hat das Tatsachengericht eine umfassende Abwägung aller in die Entscheidung einzustellenden Gesichtspunkte vorzunehmen. Dabei hat es die seiner Entscheidung zugrunde liegenden Aspekte zu benennen, diese zu gewichten und schließlich im Wege der Abwägung nachvollziehbar zu erläutern, aus welchen Gründen es in der Gesamtschau zu dem von ihm gefundenen Ergebnis gelangt.

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(3) Diesen Anforderungen wird die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht hinreichend gerecht. In den Entscheidungsgründen findet sich der Hinweis, die „vorliegend überwiegenden Indizien“ sprächen für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses. Welches Gewicht das Landesarbeitsgericht den abwägungsrelevanten Gesichtspunkten beigemessen hat, lässt sich in der gebotenen Klarheit der Begründung ebenso wenig entnehmen wie die Gründe, die für ein Überwiegen dieser Indizien sprechen.

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III. Im Hinblick auf den Klageantrag zu 1. erweist sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Soweit der Kläger geltend macht, die Kündigung der Beklagten ermangele eines sie rechtfertigenden Grundes (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 KSchG), sei mangels Anhörung des Betriebsrats unwirksam (§ 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG) und verstoße darüber hinaus gegen das Maßregelungsverbot des § 612a BGB, ist der Feststellungsantrag nur begründet, wenn die Parteien – was bislang nicht feststeht – ein Arbeitsverhältnis verbindet (vgl. zu II 1 der Gründe).

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IV. Der Rechtsstreit ist nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Um abschließend darüber zu befinden, ob das Rechtsverhältnis der Parteien ein Arbeitsverhältnis ist, fehlt es an Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (vgl. zu II 2 d der Gründe). Das Landesarbeitsgericht wird im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens die für die Entscheidung erforderlichen Tatsachen festzustellen und sodann die gesamten Umstände unter Beachtung der folgenden Gesichtspunkte gegeneinander abzuwägen haben.

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1. Die Vertragsbestimmungen als solche sind die eines Vertrags, den der Kläger als Selbstständiger erfüllen soll. Nach 1.) des Pauschalistenvertrags soll der Kläger als „freier Sportfotograf“ tätig werden. Weisungsrechte räumt der Vertrag der Beklagten nicht ein. Dass der Vertrag seinen Gegenstand abstrakt beschreibt und die von dem Kläger zu erbringende Leistung nicht im Einzelnen festlegt, spricht entgegen der Auffassung des Klägers nicht zwingend für ein Arbeitsverhältnis. Das Recht der selbstständigen Leistungserbringung kennt eine Vielzahl unterschiedlicher Verträge, in denen die Vertragsparteien die vereinbarte Leistung unter Verwendung abstrakter Begriffe regeln (vgl. BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 26). Für die rechtliche Einordnung des Vertrags kommt es maßgeblich darauf an, ob dem Verpflichteten das Recht zugebilligt wird, innerhalb der vertraglich bestimmten Grenzen frei tätig zu sein, oder ob dem Berechtigten die Befugnis zustehen soll, die zu erbringende Leistung einseitig und für die andere Partei verbindlich festzulegen. Zu dieser Frage verhält sich der Vertragstext nicht.

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2. Für den Status des Klägers maßgeblich ist nicht der Wortlaut des Vertrages, sondern die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses (§ 611a Abs. 1 Satz 6 BGB).

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a) Für die rechtliche Einordnung des Vertragsverhältnisses ist nicht von Bedeutung, dass die Deutsche Rentenversicherung Bund mit Bescheid vom 19. Juni 2020 festgestellt hat, es bestehe für den Kläger keine Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung. Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung der vereinbarten Vergütung ist für die Frage, welcher Natur das Rechtsverhältnis ist, ohne Belang. Dies folgt bereits daraus, dass das sozialversicherungsrechtliche Beschäftigungsverhältnis und das Arbeitsverhältnis nicht identisch sind (vgl. BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 22). Gleiches gilt für den Umstand, dass der Kläger Mitglied der Künstlersozialkasse ist.

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b) Ebenso wenig bestimmt die steuerrechtliche Behandlung des Rechtsverhältnisses durch die Parteien die Rechtsnatur des Vertrags (vgl. BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 22). Die Abrechnung und anschließende Abführung von Umsatz- oder Mehrwertsteuer an das zuständige Finanzamt gibt das Ergebnis der Statusprüfung im Streitfall deshalb nicht vor.

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c) Der Umstand, dass der Kläger ein Festgehalt bezog, ist im Streitfall statusneutral zu werten. Die Art der Vergütung spielt für die Abgrenzung verschiedener Vertragstypen keine Rolle, da sich die persönliche Abhängigkeit des Verpflichteten danach bestimmt, inwieweit die Ausführung der versprochenen Leistungen weisungsgebunden und damit fremdbestimmt erfolgt. Entscheidend sind die Umstände der Dienstleistung, nicht aber die Modalitäten der Vergütungszahlung (vgl. BAG 21. Mai 2019 – 9 AZR 295/18 – Rn. 21). Zudem schuldet die Beklagte – anders als der Kläger meint – die in 3.) des Pauschalistenvertrags bestimmte Vergütung nicht unabhängig von der Tätigkeit, die er erbringt. Den Umfang der Tätigkeit, zu der sich der Kläger verpflichtet hat, orientiert 2.) des Pauschalistenvertrags vielmehr an der Tätigkeit des Klägers in den Jahren 1993 und 1994, wie diese die für diesen Zeitraum erstellten Honorarabrechnungen ausweisen.

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d) Dass die Beklagte dem Kläger Reisekosten erstattete, spricht entgegen der Ansicht des Klägers weder für noch gegen seine Eigenschaft als Arbeitnehmer. Zum einen erfüllte die Beklagte mit der Erstattung ihre vertragliche Pflicht aus 3.) des Pauschalistenvertrags. Zum anderen besteht sowohl im Arbeits- als auch im Recht der freien Dienstleistung die Verpflichtung, dem Auftragnehmer Aufwendungen, die dieser zum Zwecke der Ausführung des Auftrags macht, zu ersetzen (§ 670 BGB). § 670 BGB enthält einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, der auch, aber nicht nur im Arbeitsverhältnis gilt (vgl. BAG 14. Juni 2016 – 9 AZR 181/15 – Rn. 18, BAGE 155, 257). Ebenso kann einem im Rahmen eines freien Dienstvertrags tätig werdenden Unternehmer gegen seinen Auftraggeber ein Aufwendungsersatzanspruch aus § 670 BGB zustehen (vgl. BGH 6. Juli 2006 – III ZR 2/06 – Rn. 9).

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V. Der Klageantrag zu 2., mit dem der Kläger im Wege eines uneigentlichen Hilfsantrags Urlaubsansprüche aus den Jahren 1991 bis 2018 festgestellt wissen will, ist dem Senat nicht zur Entscheidung angefallen. Die innerprozessuale Bedingung, das Obsiegen des Klägers mit dem Klageantrag zu 1., ist bislang nicht eingetreten (vgl. BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 434/13 – Rn. 55).

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VI. Die Entscheidung über die Kostentragungspflicht – auch im Hinblick auf die Kosten des Revisionsverfahrens – hat das Landesarbeitsgericht zu treffen.

        

    Kiel    

        

    Zimmermann    

        

    Suckow    

        

        

        

    Wullhorst    

        

    Matth. Dipper