1 ABR 14/24

Zustimmungsersetzung - Einstellung - Auswahlrichtlinien

Details

  • Aktenzeichen

    1 ABR 14/24

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2025:200525.B.1ABR14.24.0

  • Art

    Beschluss

  • Datum

    20.05.2025

  • Senat

    1. Senat

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 7. Mai 2024 – 3 TaBV 8/23 – wird zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

1

A. Die Beteiligten streiten über die Zustimmung des Betriebsrats zu einer Einstellung.

2

Die Arbeitgeberin, die in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt, betreibt ein Krankenhaus. Dort ist der beteiligte Betriebsrat gebildet.

3

Im Betrieb gilt eine Betriebsvereinbarung „zu Stellenausschreibungen gem. § 93 BetrVG sowie Auswahlrichtlinien gem. § 95 BetrVG“ (BV). Dort heißt es auszugsweise:

        

§ 2   

Grundsätze betreffend Personalplanung und Stellenausschreibung

        

…       

        
        

(2)     

Die Arbeitgeberin wird bei der Besetzung von Arbeitsplätzen sicherstellen, dass die in Aussicht genommenen Bewerber über die notwendigen Qualifikationen für die auszuübende Tätigkeit, die in der Stellenausschreibung genannt werden, verfügen. …

        

(3)     

Die Arbeitgeberin benennt in einer Stellenausschreibung nur solche Voraussetzungen (fachliche und persönliche Anforderungen, notwendige Qualifikationen etc.), die für die auszuübende Tätigkeit objektiv notwendig und erforderlich sind.

        

§ 3     

Verfahren betreffend die Ausschreibung zu besetzender Arbeitsplätze

        

…       

        
        

(4)     

Die Ausschreibung muss zwingend folgende Angaben enthalten:

                 

…       

        
                 

d.    

Beschreibung der fachlichen Anforderungen bzw. der notwendigen Qualifikation

                 

…       

        
        

§ 5     

Auswahlentscheidung

        

(1)     

Die Auswahlentscheidung hinsichtlich der Besetzung einer Stelle erfolgt nach Maßgabe der besten fachlichen und persönlichen Eignung in Hinblick auf den konkreten Arbeitsplatz. …

        

(2)     

Bei der fachlichen Eignung werden berücksichtigt:

                 

a.    

Ausbildung und Befähigungen, nachgewiesen durch entsprechende Zeugnisse und Nachweise

                 

b.    

Eignungsprüfungen

                 

c.    

tätigkeitsbezogene Erfahrungen

                 

Bei der persönlichen Eignung sind zu berücksichtigen:

                 

a.    

ärztliche und betriebliche Eignungsuntersuchung

                 

b.    

Teamfähigkeit

                 

c.    

Führungseigenschaften soweit erforderlich

                 

d.    

Bereitschaft zusätzlich erforderliche Kenntnisse und Erfahrungen zu erwerben

                 

e.    

die sich aus § 80 Abs. 1 BetrVG ergebenden Gesichtspunkte

        

(3)     

Bei gleicher fachlicher und persönlicher Eignung gilt für die Besetzung eines Arbeitsplatzes folgende Rangfolge:

                 

…“    

        
4

Im September 2022 schrieb die Arbeitgeberin die Stelle der Pflegerischen Gesamtleitung für die Psychiatrischen Tageskliniken und Psychiatrischen Institutsambulanzen in der Abteilung „Psychiatrische Tageskliniken“ aus. Darauf bewarben sich eine externe Bewerberin – Frau G – sowie drei interne Bewerber, darunter die Arbeitnehmer Z und K.

5

Nach Durchführung von Bewerbungsgesprächen bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat mit Schreiben vom 12. Dezember 2022 um Zustimmung zur Einstellung der Bewerberin G ab dem 1. Januar 2023. Als Anlagen fügte sie die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber sowie die Protokolle der mit ihnen geführten Gespräche bei. Im Rahmen ihrer Auswahlbegründung nannte die Arbeitgeberin die Beschäftigungszeiten, die ausgeübten Funktionen und die nachgewiesenen Qualifikationen aller internen Bewerber in tabellarischer Form. Weiter führte sie aus, Frau G sei ausgebildete Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen und verfüge zudem über Leitungserfahrung. Demgegenüber weise lediglich ein interner Bewerber – Herr Z – eine nachgewiesene Qualifikation als Stationsleitung auf. Er verfüge aber nur über Erfahrung als Stellvertreter. Unter der Überschrift „Persönliche Eignung“ begründete die Arbeitgeberin unter Angabe einzelner Aspekte, warum aus ihrer Sicht Frau G im Vergleich zu Herrn Z auf die gestellten Fragen überzeugendere Antworten gegeben habe.

6

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2022 verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung mit der Begründung, die Einstellung von Frau G verstoße gegen die Betriebsvereinbarung. Zudem benachteilige die Auswahlentscheidung den internen Bewerber Herrn K.

7

Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Frau G sei zu ersetzen. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund sei nicht gegeben.

8

Die Arbeitgeberin hat – soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Belang – sinngemäß beantragt,

        

die Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Frau G als Pflegerische Gesamtleitung für die Psychiatrischen Tageskliniken und Psychiatrischen Institutsambulanzen in der Abteilung „Psychiatrische Tageskliniken“ zum 1. Januar 2023 zu ersetzen.

9

Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er sei schon nicht ordnungsgemäß iSv. § 99 Abs. 1 BetrVG unterrichtet worden. Zudem verstoße die beabsichtigte Einstellung gegen die Betriebsvereinbarung und die darin enthaltenen Auswahlrichtlinien. Die Qualifikation von Frau G als Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen sei nicht zu berücksichtigen. Weder die Qualifikation als solche noch die durch sie erworbenen Kenntnisse seien in der Stellenausschreibung gefordert worden.

10

Das Arbeitsgericht hat die Zustimmung des Betriebsrats ersetzt. Das Landesarbeitsgericht hat dessen Beschwerde – soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Belang – zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat sein Begehren der Antragsabweisung weiter.

11

B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zu Recht zurückgewiesen. Der Antrag der Arbeitgeberin auf Zustimmungsersetzung hat Erfolg.

12

I. Der Antrag ist zulässig.

13

1. Er ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Arbeitgeberin begehrt die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung von Frau G auf die im Antrag konkret benannte Stelle. Der Angabe des Datums („zum 1. Januar 2023“) kommt keine eigenständige Bedeutung zu. Sie dient lediglich der Beschreibung der verfahrensgegenständlichen Maßnahme. Gegenstand eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG ist die betriebsverfassungsrechtliche Befugnis des Arbeitgebers, die beabsichtigte personelle Maßnahme auf der Grundlage eines bestimmten Zustimmungsersuchens nach § 99 Abs. 1 BetrVG auch angesichts der vom Betriebsrat vorgebrachten Verweigerungsgründe gegenwärtig und zukünftig durchzuführen (vgl. BAG 17. November 2021 – 7 ABR 39/19 – Rn. 19). Nicht maßgebend ist, ob die Maßnahme zu dem vom Arbeitgeber beabsichtigten Zeitpunkt zulässig war.

14

2. Für den Zustimmungsersetzungsantrag besteht zudem ein Rechtsschutzbedürfnis. Die personelle Maßnahme unterliegt als Einstellung der Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG. Die Arbeitgeberin beschäftigt in der Regel mehr als 20 wahlberechtigte Arbeitnehmer.

15

II. Der Antrag ist begründet. Die Zustimmung des Betriebsrats ist zu ersetzen.

16

1. Die Arbeitgeberin hat den Betriebsrat ordnungsgemäß unterrichtet.

17

a) Die gerichtliche Zustimmungsersetzung nach § 99 Abs. 4 BetrVG setzt eine ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG voraus.

18

aa) Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat über die geplante personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der notwendigen Unterlagen zu informieren. Erforderlich und ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist. Zudem soll der Betriebsrat vor einer Einstellung die Möglichkeit haben, Anregungen für die Auswahl der Bewerber zu geben und Gesichtspunkte vorzubringen, die aus seiner Sicht für die Berücksichtigung eines anderen – als dem vom Arbeitgeber ausgewählten – Stellenbewerbers sprechen (vgl. BAG 13. Dezember 2023 – 1 ABR 28/22 – Rn. 23, BAGE 182, 242; 21. Oktober 2014 – 1 ABR 10/13 – Rn. 28 mwN).

19

bb) Bei einer Einstellung sind nach § 99 Abs. 1 Satz 1 und 2 BetrVG insbesondere der in Aussicht genommene Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen (vgl. BAG 13. Dezember 2023 – 1 ABR 28/22 – Rn. 17, BAGE 182, 242; 12. Juni 2019 – 1 ABR 5/18 – Rn. 29, BAGE 167, 43) sowie die Unterlagen aller – auch der nicht berücksichtigten oder abgelehnten – Stellenbewerber vorzulegen (vgl. BAG 28. Juni 2005 – 1 ABR 26/04 – zu B II 2 b bb (1) der Gründe, BAGE 115, 173; 14. Dezember 2004 – 1 ABR 55/03 – zu B II 2 b aa der Gründe mwN, BAGE 113, 109). Ergeben sich die für die Auswahlentscheidung des Arbeitgebers maßgeblichen Umstände nicht allein aus den vorgelegten Unterlagen, sondern auch aus den von ihm mit den Bewerbern geführten Gesprächen, muss er den Betriebsrat außerdem über deren für ihn maßgeblichen Inhalt unterrichten (BAG 28. Juni 2005 – 1 ABR 26/04 – zu B II 2 b bb (2) der Gründe, aaO).

20

b) Diesen Anforderungen wird die Unterrichtung der Arbeitgeberin gerecht.

21

aa) Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat die Personalien der ausgewählten Bewerberin, die in Aussicht genommene Stelle sowie die beabsichtigte Eingruppierung mitgeteilt. Dem Zustimmungsgesuch beigefügt waren zudem die Bewerbungsunterlagen sämtlicher Bewerber einschließlich der Protokolle über die mit ihnen geführten Bewerbungsgespräche. Aus den Protokollen ergibt sich, welche Fragen den Bewerbern gestellt wurden und wie diese darauf geantwortet haben. Zudem hat die Arbeitgeberin – mit Blick auf § 5 Abs. 1 BV – die Gesichtspunkte angeführt, die aus ihrer Sicht die beste fachliche und persönliche Eignung der ausgewählten Bewerberin im Vergleich zu den übrigen Bewerbern belegen. Dabei hat sie hinsichtlich der fachlichen Eignung auf die Qualifikation von Frau G als Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen sowie ihre Leitungserfahrung verwiesen. Zur Begründung der besten persönlichen Eignung hat sie die beiden Bewerber, die ihrer Meinung nach eine nachgewiesene Qualifikation für eine Stationsleitung aufwiesen (Frau G und Herr Z), hinsichtlich verschiedener Gesichtspunkte, insbesondere ihres Führungsverhaltens und der von ihnen vertretenen Führungsansätze miteinander verglichen. Anhand dieser Informationen konnte der Betriebsrat beurteilen, ob Gründe für die Zustimmungsverweigerung gegeben waren, insbesondere ob die Arbeitgeberin bei ihrer Bewerberauswahl die Vorgaben der Betriebsvereinbarung eingehalten hat.

22

bb) Aus der Betriebsvereinbarung ergibt sich keine – über die Vorgaben des § 99 Abs. 1 BetrVG hinausgehende – Unterrichtungs- oder Begründungspflicht. Nach § 6 Abs. 1 BV hat die Arbeitgeberin dem Betriebsrat – soweit hier relevant – „insbesondere“ die Personalien der Bewerber mitzuteilen und alle ihr bekannten Bewerbungsunterlagen – auch hinsichtlich der Qualifikationen – vorzulegen. Diese Informationen hat die Arbeitgeberin erteilt. Eine gesonderte Pflicht zur weitergehenden Begründung der Auswahlerwägungen durch die Arbeitgeberin ist dort nicht vorgesehen. Aus § 5 Abs. 4 BV ergibt sich vielmehr, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat die Gründe für ihre Entscheidung schriftlich mitzuteilen hat, wenn sie sie bei gleich geeigneten Bewerbern derselben Kategorie iSv. § 5 Abs. 3 BV nach billigem Ermessen trifft. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass das Ergebnis der Auswahlentscheidung in den übrigen Fällen – wie auch hier – nicht im Einzelnen zu begründen ist. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats kommt es deshalb für die ordnungsgemäße Unterrichtung auch nicht darauf an, ob die Entscheidung der Arbeitgeberin „nachvollziehbar“ ist.

23

cc) Die Unterrichtung ist nicht deshalb unzureichend, weil die Arbeitgeberin ihre Auswahlentscheidung letztlich nur bezogen auf Frau G und Herrn Z näher begründet hat. Anders als der Betriebsrat meint, bedeutet dies nicht, dass sie Herrn K nicht in ihre Erwägungen einbezogen hätte. Die Arbeitgeberin hat dem Betriebsrat im Unterrichtungsschreiben die Qualifikationen sämtlicher internen Bewerber in tabellarischer Form genannt und ausgeführt, dass sich aus ihrer Sicht die beste fachliche Eignung aus einer – nachgewiesenen – Qualifikation als Stationsleitung ergebe, über die Herr K nicht verfüge. Ob die zugrunde gelegten Kriterien zutreffend waren, ist keine Frage der ordnungsgemäßen Unterrichtung, sondern allenfalls des Vorliegens von Zustimmungsverweigerungsgründen.

24

dd) Die Arbeitgeberin musste im Rahmen der Unterrichtung nicht auf die Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss „Geprüfte Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen“ hinweisen. Zwar wird die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG im Fall mangelhafter Information regelmäßig auch dann nicht in Lauf gesetzt, wenn der Betriebsrat es unterlässt, den Arbeitgeber auf die offenkundige Unvollständigkeit der Unterrichtung hinzuweisen. Durfte der Arbeitgeber jedoch davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben, kann es Sache des Betriebsrats sein, innerhalb der Frist um Vervollständigung der Auskünfte zu bitten (vgl. BAG 9. April 2019 – 1 ABR 25/17 – Rn. 28 mwN; 13. März 2013 – 7 ABR 39/11 – Rn. 34 mwN). So lag der Fall hier. Die Arbeitgeberin hatte dem Betriebsrat in ihrer dem Unterrichtungsschreiben beigefügten Auswahlbegründung mitgeteilt, dass die Bewerberin G über „die Qualifikation Fachwirtin im Gesundheitswesen (IHK)“ verfüge. Die entsprechende Verordnung ist öffentlich zugänglich. Vor diesem Hintergrund durfte sie davon ausgehen, dem Betriebsrat die Inhalte dieser Qualifikation nicht näher darlegen zu müssen. Es hätte dem Betriebsrat oblegen, weitergehende Informationen zu erbitten. Das ist nicht erfolgt.

25

2. Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt.

26

a) Nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG muss der Betriebsrat dem Arbeitgeber seine Zustimmungsverweigerung innerhalb einer Woche nach ordnungsgemäßer Unterrichtung unter Angabe von Gründen schriftlich mitteilen. Verweigert er seine Zustimmung nicht fristgerecht mit beachtlicher Begründung, ist auf den Zustimmungsersetzungsantrag des Arbeitgebers hin auszusprechen, dass die Zustimmung als erteilt gilt (vgl. BAG 9. Oktober 2013 – 7 ABR 1/12 – Rn. 35 mwN; 10. Oktober 2012 – 7 ABR 42/11 – Rn. 50). Der Betriebsrat genügt der gesetzlichen Begründungspflicht, wenn es als möglich erscheint, dass mit seiner schriftlich gegebenen Begründung einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG aufgeführten Verweigerungsgründe geltend gemacht wird. Seine Begründung braucht nicht schlüssig zu sein. Konkrete Tatsachen und Gründe müssen nur für die auf § 99 Abs. 2 Nr. 3 und 6 BetrVG gestützte Verweigerung angegeben werden. Eine Begründung, die offensichtlich auf keinen der gesetzlichen Verweigerungsgründe Bezug nimmt, ist jedoch unbeachtlich (vgl. nur BAG 20. Oktober 2021 – 7 ABR 34/20 – Rn. 32 mwN).

27

b) Danach hat der Betriebsrat seine Zustimmung zur Einstellung von Frau G in beachtlicher Weise verweigert.

28

aa) Die angeführte Begründung nimmt hinreichend auf einen der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe Bezug.

29

(1) Der Betriebsrat hat in erster Linie geltend gemacht, die Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin entspreche nicht den Vorgaben der Betriebsvereinbarung. Danach hätte Herrn K als internem Bewerber der Vorzug eingeräumt werden müssen. Mit dieser Begründung führt er jedenfalls einen Zustimmungsverweigerungsgrund iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 2 BetrVG an. Zudem kommt ein Verstoß gegen eine Betriebsvereinbarung iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG in Betracht.

30

(2) Der Einwand, die Auswahlentscheidung benachteilige Herrn K, kann demgegenüber keinem Zustimmungsverweigerungsgrund iSv. § 99 Abs. 2 BetrVG zugeordnet werden.

31

(a) § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG erfordert die durch Tatsachen begründete Besorgnis, dass infolge der personellen Maßnahme im Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer, auch wenn sie nicht gekündigt werden, sonstige Nachteile erleiden, ohne dass dies aus betrieblichen oder persönlichen Gründen gerechtfertigt wäre. Ein sonstiger Nachteil liegt vor, wenn sich die tatsächliche oder rechtliche Stellung eines Arbeitnehmers nicht unerheblich verschlechtert. Regelungszweck des § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG ist die Erhaltung des Status quo der bereits im Betrieb tätigen Arbeitnehmer (vgl. nur BAG 13. Dezember 2023 – 1 ABR 28/22 – Rn. 32 mwN, BAGE 182, 242).

32

(b) Der Betriebsrat hat keine Nachteile in diesem Sinn vorgebracht. Die bisherige Stellung von Herrn K wird durch die Entscheidung der Arbeitgeberin, ihn nicht als aussichtsreichsten Bewerber zu berücksichtigen, ersichtlich nicht berührt. Das bloße Unterlassen einer Besserstellung ist kein Nachteil iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 3 BetrVG.

33

(3) Soweit der Betriebsrat mit dem Einwand, die Auswahlbegründung sei nicht überzeugend und enthalte Aussagen, die der Betriebsrat nicht nachvollziehen könne, eine unzureichende Unterrichtung geltend macht, besteht ebenso wenig ein Bezug zu einem Zustimmungsverweigerungsgrund nach § 99 Abs. 2 BetrVG. Der Betriebsrat kann seine Zustimmung nicht allein wegen nicht hinreichender Unterrichtung verweigern. Darin liegt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kein Gesetzesverstoß nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG. Dieser setzt vielmehr voraus, dass die beabsichtigte personelle Maßnahme selbst gesetzwidrig ist (vgl. nur BAG 1. Juni 2011 – 7 ABR 138/09 – Rn. 64; 12. Januar 2011 – 7 ABR 15/09 – Rn. 43 mwN).

34

bb) Die Zustimmungsverweigerung ist auch iSv. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG form- und fristgerecht erfolgt. Der Betriebsrat hat seine Zustimmung mit Schreiben vom 15. Dezember 2022 verweigert. Das Schreiben ist der Arbeitgeberin – wie sie in der mündlichen Anhörung vor dem Senat bestätigt hat – spätestens am 19. Dezember 2022 und damit innerhalb der gesetzlichen Frist von einer Woche zugegangen.

35

3. Der Betriebsrat hat die Zustimmung zur Einstellung von Frau G zu Unrecht verweigert. Ein Zustimmungsverweigerungsgrund iSv. § 99 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 BetrVG ist nicht gegeben. Die personelle Maßnahme verstößt nicht gegen die im Betrieb geltenden Auswahlrichtlinien.

36

a) § 5 BV enthält Auswahlrichtlinien iSv. § 95 Abs. 1 BetrVG. Mit solchen Richtlinien werden regelmäßig die für eine Auswahl maßgebenden Grundsätze festgelegt, die zu beachten sind, wenn mehrere Arbeitnehmer oder Bewerber für eine personelle Einzelmaßnahme infrage kommen. Die Arbeitnehmer sollen die Personalentscheidung nachvollziehen können. Die Auswahl selbst bleibt jedoch Sache des Arbeitgebers. Die Richtlinien sollen lediglich seinen Spielraum durch die Aufstellung von Verfahrensvorschriften und Entscheidungskriterien einschränken, ohne ihn gänzlich zu beseitigen (vgl. BAG 31. Mai 2005 – 1 ABR 22/04 – Rn. 30 mwN, BAGE 115, 49; 10. Dezember 2002 – 1 ABR 27/01 – zu B III 3 a der Gründe mwN, BAGE 104, 187).

37

b) Die Arbeitgeberin durfte Frau G nach Maßgabe der von den Auswahlrichtlinien vorgegebenen Kriterien als für die ausgeschriebene Stelle fachlich und persönlich am besten geeignete Bewerberin ansehen.

38

aa) Entgegen der Annahme des Betriebsrats ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Arbeitgeberin bei ihrer Auswahlentscheidung maßgeblich auf den Nachweis einer Stationsleitungs- und Führungsqualifikation sowie eine entsprechende Erfahrung abgestellt hat.

39

(1) Nach § 5 Abs. 1 BV erfolgt die Auswahlentscheidung nach Maßgabe der besten fachlichen und persönlichen Eignung im Hinblick auf den konkreten Arbeitsplatz. Nach Absatz 2 der Norm werden bei der fachlichen Eignung „Ausbildung und Befähigungen, nachgewiesen durch entsprechende Zeugnisse und Nachweise“, „Eignungsprüfungen“ sowie „tätigkeitsbezogene Erfahrungen“ berücksichtigt. Bei der von der Arbeitgeberin als Auswahlkriterium herangezogenen „Stationsleitungsqualifikation“ sowie „Führungsqualifikation“, die durch entsprechende Bescheinigungen belegt sind, handelt es sich um nachgewiesene Befähigungen iSv. § 5 Abs. 2 Buchst. a BV. Da eine Leitungsposition zu besetzen ist, sind diese Befähigungen auch für die konkrete Stelle relevant.

40

(2) Der Berücksichtigung einer Führungsqualifikation steht – anders als der Betriebsrat meint – nicht entgegen, dass eine solche in der Stellenausschreibung nicht ausdrücklich gefordert war. Die Anforderungen an die Stellenausschreibung auf der einen und die Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin auf der anderen Seite sind in der Betriebsvereinbarung unterschiedlich geregelt. Das ergibt die Auslegung der Betriebsvereinbarung.

41

(a) Nach § 2 Abs. 3 BV darf die Arbeitgeberin „nur“ solche Voraussetzungen in der Stellenausschreibung benennen, „die für die auszuübende Tätigkeit objektiv notwendig und erforderlich sind“. Entsprechend sieht § 3 Abs. 4 Buchst. d BV vor, dass die Ausschreibung zwingend die Beschreibung der fachlichen Anforderungen bzw. der „notwendigen“ Qualifikation enthalten muss. Danach hat die Stellenausschreibung die Mindestanforderungen aufzuführen, die ein Bewerber erfüllen muss. Demgegenüber ist nach § 5 BV die Auswahl der einzustellenden Person „nach Maßgabe der besten fachlichen und persönlichen Eignung“ unter Berücksichtigung der in § 5 Abs. 2 BV genannten Kriterien zu treffen. Unter denjenigen Bewerbern, die die in der Stellenausschreibung genannten Voraussetzungen erfüllen, ist die am besten geeignete Person auszuwählen. Dabei sind sämtliche – insbesondere die in § 5 Abs. 2 BV genannten – Befähigungen zu berücksichtigen, soweit sie für die Ausübung der ausgeschriebenen Stelle einschlägig sind. Damit enthält diese Regelung bereits sprachlich keine Beschränkung auf solche Qualifikationen, die in der Stellenausschreibung verlangt wurden.

42

(b) Dieses Verständnis wird durch Sinn und Zweck der Bestimmungen bestätigt. Die Vorgabe in § 3 Abs. 4 Buchst. d BV, dass für die auszuübende Tätigkeit (nur) die notwendige Qualifikation in der Stellenausschreibung genannt sein muss, soll eine möglichst große Zahl interner Bewerbungen gewährleisten. Demgegenüber zielen die Vorgaben für die Auswahlentscheidung in § 5 BV darauf ab, dass die Arbeitgeberin tatsächlich innerhalb der Gruppe der in Betracht kommenden Arbeitnehmer – mit der erforderlichen Mindestqualifikation – den am besten geeigneten Bewerber auswählt. Eine Abstufung zwischen verschiedenen Bewerbern wäre – jedenfalls in fachlicher Hinsicht – nicht möglich, wenn dabei nur diejenigen Qualifikationen berücksichtigt werden dürften, die ohnehin alle Bewerber zwingend aufweisen müssen.

43

bb) Die Arbeitgeberin hat zutreffend angenommen, Frau G und Herr Z verfügten – anders als Herr K – über eine nachgewiesene Stationsleitungs- und Führungsqualifikation.

44

(1) Frau G hat diese Qualifikationen durch das Ablegen der Prüfung als Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen nachgewiesen. Die Fortbildung befähigt ua. zur Personalführung in stationären Einrichtungen. Nach § 1 Abs. 2 der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Fachwirt im Gesundheits- und Sozialwesen und Geprüfte Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen ist durch die Prüfung festzustellen, „ob die notwendigen Qualifikationen und Erfahrungen vorhanden sind, um in verschiedenen Bereichen und Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens, insbesondere in ambulanten, stationären und teilstationären Einrichtungen … eigenständig komplexe fachliche und verantwortliche Aufgaben der Planung, Führung, Organisation und Kontrolle unter Nutzung betriebswirtschaftlicher und personalwirtschaftlicher Steuerungsinstrumente auszuüben. Die Qualifikation umfasst die Befähigung, den Dienstleistungsprozess auch als Wertschöpfungsprozess zu verstehen und eigenverantwortlich personal- und betriebswirtschaftliche Aufgaben- und Problemstellungen unter Beachtung umfassender Qualitätsmanagementmaßnahmen einer zielgerichteten Lösung zuzuführen.“

45

(2) Ebenso hat der Bewerber Z nach den – unbestrittenen – Angaben der Arbeitgeberin seine Führungsqualifikation durch eine Fortbildung mit Urkunde vom 26. Juni 1987 belegt.

46

(3) Demgegenüber verfügt Herr K über keinen entsprechenden Qualifikationsnachweis. Der Betriebsrat hat das Vorliegen eines solchen auch in der mündlichen Anhörung vor dem Senat nicht behauptet. Dort hat er lediglich vorgebracht, Herr K habe die Qualifikation durch die Teilnahme an einem Stationsleitungslehrgang erworben. Aus dem Vorbringen ergibt sich aber nicht, dass er auch über einen Nachweis verfügt, den Lehrgang erfolgreich abgeschlossen zu haben.

47

cc) Die Auswahlentscheidung der Arbeitgeberin als solche verstößt ebenfalls nicht gegen die Auswahlrichtlinien.

48

(1) Bei der Beurteilung, welcher Bewerber für die zu besetzende Stelle fachlich am besten geeignet ist, hat die Arbeitgeberin sämtliche in § 5 Abs. 2 BV genannten Kriterien herangezogen. Sie hat die Ausbildung und Befähigungen, die durch entsprechende Zeugnisse nachgewiesen sind, ebenso berücksichtigt wie die tätigkeitsbezogenen Erfahrungen der Bewerber. Für die Gewichtung der aufgeführten Gesichtspunkte stand der Arbeitgeberin ein Beurteilungsspielraum zu. Insoweit enthalten die Richtlinien keine Vorgaben. Danach ist es jedenfalls nicht zu beanstanden, dass die Arbeitgeberin nur diejenigen Bewerber in die Endauswahl einbezogen hat, die mehr fachliche Kriterien erfüllen als andere. Dies war nur bei Frau G und Herrn Z der Fall. Sie verfügen sowohl über nachgewiesene Qualifikationen – entweder als Fachwirtin im Gesundheits- und Sozialwesen oder durch Fortbildung als Stationsleitung – als auch über Erfahrungen als (stellvertretende) Stationsleitung. Herr K hat demgegenüber zwar eine längere Leitungserfahrung, jedoch keinen Nachweis über eine entsprechende Qualifikation.

49

(2) In persönlicher Hinsicht hat die Arbeitgeberin in erster Linie die Führungseigenschaften der beiden in die Letztauswahl übernommenen Bewerber im Einzelnen miteinander verglichen. Dieses Kriterium entspricht den Vorgaben von § 5 Abs. 2 Unterabs. 2 Buchst. c BV, soweit es – wie hier – um die Besetzung einer Leitungsposition geht. Dabei durfte sie die Ziel- und Mitarbeiterorientierung ebenso berücksichtigen wie die Anliegen der Bewerber, die Prozesse standortübergreifend zu verbessern und die Arbeitsabläufe zu vereinheitlichen sowie die Patientendokumentation zu optimieren. Auch insoweit hat die Arbeitgeberin den ihr zustehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten.

50

(3) Die Arbeitgeberin musste bei ihrer Bewerberauswahl schließlich nicht die von § 5 Abs. 3 BV vorgegebene Rangfolge einhalten. Diese Verpflichtung setzt voraus, dass die Bewerber fachlich und persönlich gleich geeignet sind. Das war nicht der Fall.

        

    Gallner    

        

    Ahrendt    

        

    Rinck    

        

        

        

    Dohna    

        

    Dirk Pollert    

                 

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