Der 1977 geborene, einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellte K war seit August 2022 bei der B GmbH (B), beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fanden
die gesetzlichen Kündigungsfristen Anwendung.
B beschloss im Februar 2023, ihren einzigen Betrieb zum 31. Dezember 2023 vollständig stillzulegen. Über diese geplante Maßnahme vereinbarte sie mit dem bei ihr gebildeten Betriebsrat im März 2023 einen Interessenausgleich. Auf einer mit dem Interessenausgleich fest verbundenen Liste stehen die Namen von 17 Arbeitnehmern (darunter K), deren Arbeitsverhältnisse zum 31. Dezember 2023 gekündigt werden sollten. Von diesen Arbeitnehmern hatten sechs eine regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von nicht mehr als 20 Stunden, während der Rest mit mehr als 30 Wochenstunden tätig war. Neben den 17 in der Namensliste des Interessenausgleichs aufgezählten Arbeitnehmern beschäftigte B vier Mitarbeiter in Vollzeit, deren Arbeitsverhältnisse für die Zeit vom 1. Januar 2021 bis zum 31. Dezember 2023 wirksam befristet waren, sowie – ebenfalls in Vollzeit – vier leitende Angestellte, die nach ihrem Arbeitsvertrag und ihrer Stellung im Betrieb zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt waren. Sämtliche Arbeitnehmer der B hatten seinerzeit das 16. Lebensjahr vollendet.
19 Arbeitnehmer, darunter alle leitenden Angestellten, schieden im Hinblick auf die beschlossene komplette Betriebsstilllegung schon zum 15. April 2023 einvernehmlich gegen Zahlung einer Abfindung aus ihren Arbeitsverhältnissen zu B aus. Am 26. Mai 2023 schloss diese mit fünf weiteren Arbeitnehmern – ua. mit den Betriebsratsmitgliedern – Aufhebungsverträge zum 30. Juni 2023. K hatte sich am 17. Mai 2023 als einziger gegen eine einvernehmliche Vertragsbeendigung entschieden. Nach ordnungsgemäßer Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung und korrekter Anhörung des Betriebsrats beantragte B am 26. Mai 2023 beim Integrationsamt die Zustimmung zu einer ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit K. Die Behörde beschied unter dem 27. Juni 2023, dass die Zustimmung wegen Fristablaufs als erteilt gelte. Mit Schreiben vom 28. Juni 2023, dem K am selben Tag zugegangen, kündigte die Beklagte, ohne zuvor ein Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat durchgeführt und eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit erstattet zu haben, das Arbeitsverhältnis der Parteien ordentlich zum 31. Dezember 2023. Dagegen hat K sich rechtzeitig mit der vorliegenden Klage zum zuständigen Arbeitsgericht gewandt und gemeint, er sei im Hinblick auf die von B zuletzt noch geschlossenen Aufhebungsverträge im Zug einer Massenentlassung iSv. § 17 Abs. 1 KSchG entlassen worden. Im Fall eines schwerbehinderten oder einem solchen gleichgestellten Arbeitnehmers sei nicht auf den Zugang der Kündigung, sondern auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem der Arbeitgeber die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt beantrage.
K beantragt
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der B vom 28. Juni 2023 nicht aufgelöst wird/worden ist;
B beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie meint ua., angesichts der Größe ihres vormaligen Betriebs habe es sich von vornherein nicht um eine anzeigepflichtige Massenentlassung handeln können. Im Übrigen könne zur Beantwortung der Frage, ob ein einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellter Arbeitnehmer – wie K – im Rahmen einer Massenentlassung entlassen wurde, generell, zumindest aber unter den besonderen Umständen des Streitfalls nicht auf den Eingang des Zustimmungsantrags beim Integrationsamt abgestellt werden. Dessen ungeachtet würde das Unterlassen eines gebotenen Konsultations- und Anzeigeverfahrens nicht zur Nichtigkeit der Kündigung nach § 134 BGB führen.
Bearbeitungshinweise:
Es ist davon auszugehen, dass die – mehr als – fristgerecht zum Zeitpunkt der beabsichtigten kompletten Betriebsstillegung erklärte Kündigung einzig nach § 17 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig sein könnte und sich ansonsten als wirksam darstellt. Auf alle erhobenen Einwendungen und denkbare weitere Einwendungen der B betreffend § 17 KSchG, § 134 BGB ist schon in der Klageschrift einzugehen. Die Möglichkeit, ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu richten, ist nicht zu erörtern. Das Arbeitsgericht wird das Unionsrecht in seinem Urteil ggf. selbst auslegen. Die Parteien sollen ihm, soweit sie dies für entscheidungserheblich halten, ihr Verständnis des Unionsrechts darlegen. Dazu kann selbstverständlich bestehende Rechtsprechung des EuGH angeführt werden.