1 ABR 5/19

Freigestelltes Betriebsratsmitglied - Verhinderung

Details

  • Aktenzeichen

    1 ABR 5/19

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2020:280720.B.1ABR5.19.0

  • Art

    Beschluss

  • Datum

    28.07.2020

  • Senat

    1. Senat

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 5. Dezember 2018 – 10 TaBV 1/18 – wird zurückgewiesen.

Leitsatz

Während der Dauer einer ärztlich attestierten Arbeitsunfähigkeit ist ein nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestelltes Betriebsratsmitglied an der Wahrnehmung seines Amts verhindert.

Entscheidungsgründe

1

A. Die Beteiligten streiten über eine Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Einleitung von Zustimmungsersetzungsverfahren.

2

Die Arbeitgeberin erwarb zum 1. Januar 2016 von der D AG deren Niederlassung in R. Antragsteller ist der dort errichtete Betriebsrat, der aus neun Mitgliedern besteht.

3

In der Niederlassung galt seit dem Jahr 2010 eine Gesamtbetriebsvereinbarung der D AG, die ua. Grundsätze für die Vergütung der Beschäftigten regelt (GBV). Im Dezember 2014 vereinbarte die – an die Tarifverträge des Kraftfahrzeuggewerbes in Baden-Württemberg gebundene – Daimler AG mit dem bei ihr gebildeten Gesamtbetriebsrat eine Rahmenbetriebsvereinbarung (RBV). Diese bestimmt ua., dass 24 Stunden vor einem Betriebsteilübergang die GBV für die betroffene Niederlassung aufgehoben wird. Angesichts des bevorstehenden Betriebsübergangs auf die – nicht tarifgebundene – Arbeitgeberin führte die D AG mit dem Betriebsrat über mehrere Wochen Gespräche über eine Umgruppierung der in der Niederlassung beschäftigten Arbeitnehmer in die in den Anlagen 1a und 2 des Manteltarifvertrags für Beschäftigte im Kraftfahrzeuggewerbe in Baden-Württemberg vom 15. April 2008 vorgesehenen Lohn- und Beschäftigungsgruppen.

4

Der von seiner beruflichen Tätigkeit nach § 38 BetrVG freigestellte Vorsitzende des Betriebsrats war vom 13. Juli bis Anfang November 2015 arbeitsunfähig krankgeschrieben. Am 14. August 2015 sandte das Betriebsratsmitglied P über den E-Mail-Account des Betriebsratsvorsitzenden sieben Betriebsrats- bzw. Ersatzmitgliedern sowie sich selbst eine E-Mail, die auszugsweise lautete:

        

„Betreff: Einladung zur Betriebsratssitzung am Montag 17.08.2015 um 14.00 Uhr

        

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

        

die Liste der Eingruppierungen der Firma R ist überarbeitet. Über deren Ergebnis und zum weiteren Vorgehen bitte ich Euch alle an der Sitzung teilzunehmen.

        

Bitte schreibt mir kurz ob ich mit Eurer Teilnahme rechnen darf, damit Ersatzmitglieder eingeladen werden können.

        

Liebe Grüße

        

P“    

5

An diesem Tag – einem Freitag – sowie am Montag, dem 17. August 2015, war der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende urlaubsbedingt abwesend.

6

In der Betriebsratssitzung am 17. August 2015 waren neben dem ausweislich des Sitzungsprotokolls lediglich als „Gast“ teilnehmenden Betriebsratsvorsitzenden sieben Betriebsratsmitglieder anwesend. Diese beschlossen einstimmig, „nach Eingang der Aufforderung nach Zustimmung nach § 99 BetrVG“ diese abzulehnen.

7

Die D AG bat den Betriebsrat mit Schreiben vom 18. August 2015 um Zustimmung zur „Eingruppierung“ der Mitarbeiter zum 1. Januar 2016 in den „Tarifvertrag des Kfz-Handwerks in Baden-Württemberg“. Dem Schreiben war eine tabellarische Anlage beigefügt, die ua. neben den Namen der betroffenen Arbeitnehmer auch die Dauer ihrer Betriebszugehörigkeit, die jeweilige Tätigkeit, die Entgeltgruppen „Stand 04/15 und 06/15“ sowie die beabsichtigte Entgeltgruppe enthielt. Das Schreiben nebst Anlage wurde dem Betriebsratsmitglied P am Abend desselben Tags ausgehändigt.

8

Mit einem ua. durch den stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden unterzeichneten Schreiben vom 20. August 2015 teilte der Betriebsrat der D AG mit, er verweigere die Zustimmung zu den Umgruppierungen. Weder die D AG noch die Arbeitgeberin leiteten in der Folgezeit Zustimmungsersetzungsverfahren ein.

9

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin sei gehalten, wegen der Umgruppierungen der Arbeitnehmer Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG einzuleiten. Er habe die Zustimmung hierzu fristgerecht verweigert. Das Zustimmungsverfahren sei von der Arbeitgeberin nicht ordnungsgemäß eingeleitet worden. Die Beschlussfassung am 17. August 2015 sei nicht zu beanstanden, jedenfalls seien etwaige Mängel bei der Ladung zur Sitzung geheilt.

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Der Betriebsrat hat zuletzt beantragt,

        

der Arbeitgeberin aufzugeben, das Zustimmungsersetzungsverfahren gemäß § 99 Abs. 4 BetrVG bezogen auf die Umgruppierungen der in Anlage A 4 mit Stand 18. August 2017 mit Vor- und Nachnamen benannten Arbeitnehmer einzuleiten und zwar bezüglich der Umgruppierung dieser Arbeitnehmer in den Manteltarifvertrag Kfz-Handwerk in Baden-Württemberg mit Wirkung zum 1. Januar 2016.

11

Die Arbeitgeberin hat Antragsabweisung begehrt.

12

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter.

13

B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats gegen die antragsabweisende Entscheidung im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Der auf eine Verpflichtung zur Durchführung von Zustimmungsersetzungsverfahren gerichtete Antrag des Betriebsrats bleibt erfolglos.

14

I. Der – auszulegende – Antrag ist zulässig.

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1. Nach dem Vorbringen des Betriebsrats soll die Arbeitgeberin zur Einleitung und Durchführung von Zustimmungsersetzungsverfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG für die Umgruppierungen der in der Anlage 4 mit Stand vom 18. August 2017 namentlich aufgeführten Arbeitnehmer in die dort bezeichneten Lohn- und Beschäftigungsgruppen verpflichtet werden. Abweichend von der sprachlichen Fassung des Antrags ergeben sich diese Entgeltgruppen für die in der Niederlassung beschäftigten Arbeiter aus der Anlage 1 und für die Angestellten aus der Anlage 2 zum Manteltarifvertrag für Beschäftigte im Kraftfahrzeuggewerbe in Baden-Württemberg vom 15. April 2008 (MTV). Da von den tarifvertragschließenden Parteien des MTV bislang kein Rahmentarifvertrag vereinbart wurde, der einheitliche Entgeltgruppen für die Beschäftigten vorsieht, wirken die für die Eingruppierung jeweils maßgeblichen Bestimmungen sowohl des Manteltarifvertrags für Arbeiter im Kraftfahrzeuggewerbe in Nordwürttemberg/Nordbaden und Südwürttemberg – Hohenzollern vom 6. November 1969 idF vom 12. Januar 1973 als auch des Rahmentarifvertrags für Angestellte im Kraftfahrzeuggewerbe in der Bundesrepublik Deutschland vom 31. Dezember 1971 nach § 31 Nr. 31.2.1 und Nr. 31.2.2 MTV weiter nach.

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2. Der Antrag genügt den Bestimmtheitserfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Bezugnahme auf die Anlage 4 begegnet keinen Bedenken, da die – auch datumsmäßig konkretisierte – Anlage eindeutig gekennzeichnet ist und der Verfahrensgegenstand dadurch ausreichend individualisiert wird (vgl. dazu BAG 12. Januar 2011 – 7 ABR 25/09 – Rn. 29 mwN). Für die Arbeitgeberin ist damit erkennbar, hinsichtlich welcher Arbeitnehmer und bezüglich welcher Umgruppierungen das Verfahren nach § 99 Abs. 4 BetrVG durchgeführt werden soll.

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II. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Die Arbeitgeberin ist nicht verpflichtet, Zustimmungsersetzungsverfahren für die Umgruppierungen der in der Anlage 4 genannten Arbeitnehmer einzuleiten. Der Betriebsrat hat die von der D AG erbetene Zustimmung zu den beabsichtigten Umgruppierungen nicht wirksam fristgerecht verweigert. Damit gilt seine Zustimmung zu den Umgruppierungen nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt.

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1. Nach § 101 BetrVG kann der Betriebsrat, wenn der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme iSd. § 99 BetrVG ohne seine Zustimmung durchführt, beim Arbeitsgericht beantragen, dem Arbeitgeber aufzugeben, die personelle Maßnahme aufzuheben. Bei Ein- oder Umgruppierungen ist eine „Aufhebung“ im wörtlichen Sinne nicht möglich, da es sich hierbei nicht um konstitutive Akte des Arbeitgebers, sondern jeweils um einen mit der Kundgabe einer Rechtsansicht verbundenen Akt der Rechtsanwendung handelt. Aus diesem Grund geht der Anspruch des Betriebsrats aus § 101 BetrVG bei Ein- und Umgruppierungen dahin, dem Arbeitgeber die Einleitung eines Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG oder – falls ein solches bereits abgeschlossen ist – die Durchführung eines Zustimmungsersetzungsverfahrens nach § 99 Abs. 4 BetrVG aufzugeben. Letzteres setzt voraus, dass der Betriebsrat trotz ordnungsgemäßer Einleitung eines Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch den Arbeitgeber die Zustimmung form- und fristgerecht verweigert hat, da andernfalls seine Zustimmung nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt gilt (vgl. BAG 30. September 2014 – 1 ABR 32/13 – Rn. 16 f., BAGE 149, 182).

19

2. Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Zwar hat die D AG das Zustimmungsverfahren ordnungsgemäß gegenüber dem Betriebsrat eingeleitet, so dass die Frist zur Verweigerung der Zustimmung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG spätestens am 20. August 2015 zu laufen begann. Der Betriebsrat hat jedoch innerhalb der einwöchigen Frist die Zustimmung nicht rechtswirksam verweigert. Die mit Schreiben vom selben Tag gegenüber der Arbeitgeberin erklärte Zustimmungsverweigerung war unbeachtlich; der ihr zugrunde liegende Beschluss des Betriebsrats vom 17. August 2015 ist unwirksam.

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a) Die D AG hat mit Schreiben vom 18. August 2015 das Zustimmungsverfahren nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG wirksam beim Betriebsrat eingeleitet und diesen ordnungsgemäß iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG unterrichtet.

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aa) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber in Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern die Zustimmung des Betriebsrats zur geplanten Umgruppierung einzuholen. Da mit dem vom Betriebsverfassungsgesetz verwandten Begriff des Arbeitgebers der jeweilige Inhaber des Betriebs als Organ der Betriebsverfassung bezeichnet wird (vgl. BAG 8. Dezember 2009 – 1 ABR 66/08 – Rn. 22, BAGE 132, 314), ist es unerheblich, dass das Zustimmungsverfahren von der D AG eingeleitet wurde, obwohl die geplanten Umgruppierungen erst mit Wirksamwerden des Betriebsübergangs zum 1. Januar 2016 von der Arbeitgeberin als Betriebserwerberin und damit als neue Betriebsinhaberin umgesetzt werden sollten. Nach den Vorgaben des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG ist das Zustimmungsverfahren vor der beabsichtigten („geplanten“) Umgruppierung einzuleiten. Zu diesem Zeitpunkt war die D AG noch Inhaberin der Niederlassung und damit „Arbeitgeberin“ iSv. § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG.

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bb) Der Betriebsrat wurde – anders als die Rechtsbeschwerde meint – über die beabsichtigten Umgruppierungen auch ordnungsgemäß unterrichtet.

23

(1) Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG hat der Arbeitgeber den Betriebsrat über die geplante personelle Einzelmaßnahme unter Vorlage der erforderlichen Urkunden zu unterrichten. Erforderlich, aber auch ausreichend ist eine Unterrichtung, die es dem Betriebsrat ermöglicht, aufgrund der mitgeteilten Tatsachen zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe gegeben ist (BAG 30. September 2014 – 1 ABR 32/13 Rn. 24, BAGE 149, 182).Bei Umgruppierungen ist die Mitteilung der bisherigen und vorgesehenen Vergütungsgruppe erforderlich sowie die Erläuterung der Gründe, weshalb der Arbeitnehmer anders als bisher einzureihen ist. Dazu bedarf es regelmäßig der Angabe der auszuübenden Tätigkeit, da die Zuordnung zu den Tätigkeitsmerkmalen einer Vergütungsgruppe aufgrund der dem Arbeitnehmer zugewiesenen Arbeitsaufgaben erfolgt. Sind diese dem Betriebsrat zum Zeitpunkt der Unterrichtung bereits bekannt, ist eine erneute Unterrichtung hierüber entbehrlich (BAG 30. September 2014 – 1 ABR 32/13 Rn. 25, aaO).

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(2) In der Anlage zum Schreiben der D AG vom 18. August 2015 sind sowohl die Namen der einzelnen Arbeitnehmer und deren Tätigkeit als auch jeweils die bisherige und die neue Lohn- bzw. Beschäftigungsgruppe angegeben. Dass es sich bei den personellen Einzelmaßnahmen nicht – wie im Schreiben angegeben – um Eingruppierungen, sondern um Umgruppierungen handelt (vgl. zu diesen Begrifflichkeiten BAG 13. November 2019 – 4 ABR 3/19 – Rn. 17 mwN), ist unschädlich. Für den Betriebsrat war ersichtlich, dass die Arbeitgeberin die Arbeitnehmer nicht erstmals in Entgeltgruppen einreihen wollte, sondern dass deren Zuordnung zur bislang in der Niederlassung geltenden Vergütungsordnung infolge des Betriebsübergangs und der dadurch – nach Ansicht der Arbeitgeberin – bedingten Aufhebung der GBV geändert werden und eine Einreihung in die Lohn- und Beschäftigungsgruppen des MTV erfolgen sollte. Der Ordnungsgemäßheit der Unterrichtung steht auch nicht entgegen, dass die Daimler AG den MTV als „Tarifvertrag des Kfz-Handwerks“ bezeichnet hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden die Begriffe „Gewerbe“ und „Handwerk“ von den Tarifvertragsparteien synonym verwendet. Im Übrigen wusste der Betriebsrat aus den zahlreichen Gesprächen mit der damaligen und der neuen Arbeitgeberin, um welches Tarifwerk es sich handelte. Weitergehende Ausführungen, warum die in der Niederlassung beschäftigten Arbeitnehmer künftig nicht mehr in der Vergütungsordnung der GBV eingereiht waren, bedurfte es nicht. Die hierfür maßgebenden Umstände waren dem Betriebsrat bekannt. Er wusste, dass die Niederlassung zum 1. Januar 2016 durch Betriebsübergang auf einen neuen Erwerber – die Arbeitgeberin – übergehen würde. Die – nach Ansicht der Arbeitgeberin – hiermit einhergehende Änderung der Vergütungsordnung im Betrieb ergab sich aus den Bestimmungen der RBV. Eine weitergehende Erläuterung derselben war nicht erforderlich. Aus den Gesprächen mit der damaligen und der neuen Arbeitgeberin hatte der Betriebsrat auch Kenntnis darüber, dass beide davon ausgingen, in der Niederlassung würden nach dem Betriebsübergang die Tarifverträge des Kraftfahrzeuggewerbes und nicht die der Metallindustrie und damit der Entgeltrahmentarifvertrag Anwendung finden. Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde musste die Arbeitgeberin weder darlegen, aus welchen Gründen dieser nicht zur Anwendung gelangen würde, noch war sie gehalten, nähere Angaben zum bisherigen betrieblichen Vergütungssystem zu machen.

25

(3) Zumindest durfte die D AG angesichts dieser Sachlage davon ausgehen, den Betriebsrat vollständig unterrichtet zu haben. Daher wäre es Sache des Betriebsrats gewesen, innerhalb der einwöchigen Frist um eine weitere Vervollständigung der Auskünfte zu bitten (vgl. dazu BAG 9. April 2019 – 1 ABR 25/17 – Rn. 28 mwN). Da dies nicht erfolgt ist, verfangen die insoweit von der Rechtsbeschwerde erhobenen Sachrügen nicht.

26

cc) Das Schreiben der D AG ist dem Betriebsrat spätestens am 20. August 2015 zugegangen. Damit begann die Frist zur Verweigerung der Zustimmung nach § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG jedenfalls an diesem Tag zu laufen.

27

(1) Das Gesuch des Arbeitgebers auf Erteilung der Zustimmung muss dem Betriebsrat zugehen, um die Frist des § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG in Gang zu setzen. Nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG setzt dies grundsätzlich einen Zugang beim Betriebsratsvorsitzenden oder – im Fall seiner Verhinderung – bei seinem Stellvertreter voraus. Die Norm gilt nicht nur für rechtsgeschäftliche Willenserklärungen, sondern für Erklärungen und Mitteilungen aller Art (vgl. Fitting BetrVG 30. Aufl. § 26 Rn. 38). Die übrigen Betriebsratsmitglieder sind nur dann zur Entgegennahme von Erklärungen des Arbeitgebers für den Betriebsrat ermächtigt, wenn alle nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG Befugten verhindert sind. Fehlt es hieran, kann das Betriebsratsmitglied lediglich Erklärungsbote des Arbeitgebers sein. In diesem Fall ist ein fristauslösender Zugang beim Betriebsrat erst dann gegeben, wenn das Betriebsratsmitglied die ihm vom Arbeitgeber übergebene Erklärung an den Vorsitzenden des Betriebsrats oder – im Verhinderungsfall – dessen Stellvertreter weiterleitet (vgl. BAG 27. Juni 1985 – 2 AZR 412/84 – zu II 1 c bb der Gründe, BAGE 49, 136).

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(2) Selbst wenn zugunsten des Betriebsrats unterstellt wird, das Betriebsratsmitglied P – dem das Zustimmungsgesuch der D AG am Abend des 18. August 2015 übergeben wurde – sei mangels Empfangsberechtigung lediglich Erklärungsbote der Arbeitgeberin gewesen, wurde der Zugang dieses Schreibens beim Betriebsrat bewirkt. Nach dem Inhalt des vom stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden unterzeichneten Zustimmungsverweigerungsschreibens vom 20. August 2015 hat dieser das Zustimmungsgesuch der D AG spätestens an diesem Tag erhalten („den … Antrag haben wir erhalten“). Da der nach § 38 BetrVG freigestellte Betriebsratsvorsitzende in der Zeit vom 13. Juli bis Anfang November 2015 krankheitsbedingt verhindert war, war sein Stellvertreter nach § 26 Abs. 2 Satz 2 BetrVG zum Empfang ermächtigt.

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(a) Eine Verhinderung im Sinne dieser Norm liegt vor, wenn der Betriebsratsvorsitzende aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben (vgl. zu § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG BAG 8. September 2011 – 2 AZR 388/10 – Rn. 24 mwN). Insoweit gilt dasselbe wie für die in § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG geregelte Verhinderung. Die Arbeitsunfähigkeit eines Betriebsratsmitglieds stellt danach nicht notwendigerweise eine Verhinderung dar. Es kann Fälle geben, in denen die Erkrankung den Arbeitnehmer zwar außerstande setzt, seine Arbeitspflichten zu erfüllen, nicht aber sein Betriebsratsamt wahrzunehmen (vgl. BAG 23. August 1984 – 2 AZR 391/83 – zu B II 1 a der Gründe, BAGE 46, 258). Anders ist dies jedoch bei einem nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglied. Eine in diesem Fall vom Arzt attestierte Arbeitsunfähigkeit hat zur Folge, dass das Betriebsratsmitglied stets verhindert ist, da es ihm krankheitsbedingt unmöglich ist, seine Amtspflichten auszuüben. Ob und in welchem Umfang er sich (subjektiv) zur Wahrnehmung derselben in der Lage sieht, ist unerheblich.

30

(aa) Für den Begriff der „Arbeitsunfähigkeit“ ist eine vom Arzt nach objektiven Maßstäben vorzunehmende Bewertung des Gesundheitszustands maßgebend. Die Arbeitsfähigkeit beurteilt sich grundsätzlich nach der vom Arbeitnehmer arbeitsvertraglich geschuldeten Leistung, wie sie der Arbeitgeber ohne die Arbeitsunfähigkeit als vertragsgemäß annehmen muss. Arbeitsunfähigkeit liegt danach vor, wenn der Arbeitnehmer seine vertraglich geschuldete Tätigkeit nicht mehr ausüben kann oder nicht mehr ausüben sollte, weil die Heilung der Krankheit nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert würde (vgl. BAG 2. November 2016 – 10 AZR 596/15 – Rn. 30 mwN, BAGE 157, 153).

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(bb) Nach § 38 Abs. 1 BetrVG vollständig freigestellte Betriebsratsmitglieder sind allerdings von ihrer Pflicht zur vertraglichen Arbeitsleistung befreit (BAG 10. Juli 2013 – 7 ABR 22/12 – Rn. 20 mwN). Bei ihnen tritt an die Stelle der Arbeitspflicht die Verpflichtung, sich während der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats, dem sie angehören, anwesend zu sein und sich dort für anfallende Betriebsratsarbeit bereitzuhalten (vgl. BAG 25. Oktober 2017 – 7 AZR 731/15 – Rn. 22 mwN). Der Norm des § 38 Abs. 1 BetrVG liegt die Annahme des Gesetzgebers zugrunde, dass in Betrieben der dort genannten Größenordnung erforderliche Betriebsratstätigkeit iSv. § 37 Abs. 2 BetrVG regelmäßig in einem solchen Umfang anfällt, dass sie die Arbeitszeit eines oder mehrerer Betriebsratsmitglieder voll in Anspruch nimmt (vgl. BAG 31. Mai 1989 – 7 AZR 277/88 – zu 3 der Gründe).

32

(cc) Infolgedessen beurteilt sich bei einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied die Arbeitsunfähigkeit nach der von ihm auszuübenden Betriebsratstätigkeit. Nach § 2 Abs. 1 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesauschusses über die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V vom 14. November 2013 (zuletzt geändert durch Beschluss vom 26. Juni 2020, BAnz. AT 10. Juli 2020 B5) kommt es darauf an, ob das Betriebsratsmitglied die zuletzt vor der Arbeitsunfähigkeit „ausgeübte Tätigkeit“ nicht mehr oder nur unter Gefahr der Verschlimmerung der Erkrankung ausführen kann. Attestiert ein Arzt einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied arbeitsunfähig erkrankt zu sein, steht damit fest, dass diesem eine Erfüllung der ihm während seiner Freistellung nach § 38 Abs. 1 BetrVG obliegenden Pflichten krankheitsbedingt nicht möglich und es an der Wahrnehmung seiner Betriebsratstätigkeit gehindert ist. Dass es sich bei der Erfüllung von Betriebsratsaufgaben um die Wahrnehmung eines Ehrenamts handelt (§ 37 Abs. 1 BetrVG), ist insoweit unerheblich.

33

(b) Ausgehend hiervon war der Vorsitzende des Betriebsrats am 20. August 2015 an der Wahrnehmung seiner Amtspflichten gehindert. Ausweislich der zur Akte gereichten ärztlichen Bescheinigung war er vom 13. Juli bis zum 1. November 2015 arbeitsunfähig erkrankt. Auf die Behauptung des Betriebsrats, wonach der Arzt ihm erlaubt habe, bis zu 45 Minuten an Erörterungen des Betriebsrats teilzunehmen, kommt es nicht an. Eine „Teilarbeitsunfähigkeit“ im Sinne einer nur partiellen Unmöglichkeit zur Ausübung von Betriebsratsaufgaben gibt es bei einem vollständig freigestellten Betriebsratsmitglied nicht (vgl. für die Arbeitspflicht BAG 2. November 2016 – 10 AZR 596/15 – Rn. 31, BAGE 157, 153). Hiergegen sprechen vor allem Gründe der Praktikabilität und der Rechtssicherheit. Hinge der Verhinderungsfall eines arbeitsunfähig erkrankten (freigestellten) Betriebsratsmitglieds von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab, würde dies die Feststellung einer Verhinderung erheblich erschweren und damit die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigen. Es bestünde die Gefahr, dass Betriebsratsbeschlüsse, die während der Zeit der partiellen „Amtsunfähigkeit“ des Betriebsratsmitglieds gefasst werden, mit dem Makel der Unwirksamkeit behaftet sind.

34

dd) Der Betriebsrat hat die Zustimmung binnen der Frist von einer Woche nach Zugang des Schreibens vom 18. August 2015 nicht wirksam verweigert. Der mit Schreiben vom 20. August 2015 erklärten Zustimmungsverweigerung liegt kein wirksamer Beschluss des Betriebsrats zugrunde. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der vom Betriebsrat in seiner Sitzung am 17. August 2015 gefasste Beschluss nichtig ist. Ob sich dies schon aus dem Umstand ergibt, dass der Beschluss noch vor Einleitung des Zustimmungsverfahrens nach § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG durch die D AG getroffen wurde, kann dahinstehen. Jedenfalls ist der Beschluss deshalb unwirksam, weil es an einer ordnungsgemäßen Einberufung der Betriebsratssitzung und Ladung hierzu nach § 29 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG fehlt.

35

(1) Die Erklärung einer Zustimmungsverweigerung iSd. § 99 Abs. 3 Satz 1 BetrVG bedarf zu ihrer Wirksamkeit eines darauf gerichteten Beschlusses des Betriebsrats. Dies folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach die Zustimmungsverweigerung dem Betriebsrat obliegt. Hierfür spricht auch die Konzeption des Betriebsverfassungsgesetzes. Der Betriebsrat handelt als Kollegialorgan, das seinen gemeinsamen Willen durch Beschluss bildet (§ 33 Abs. 1 Satz 1 BetrVG). Der Beschluss über eine Zustimmungsverweigerung ist beachtlich, wenn er ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Dazu muss der Betriebsrat beschlussfähig iSd. § 33 BetrVG sein und sich auf einer Betriebsratssitzung aufgrund einer mit den Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes in Einklang stehenden Ladung mit dem jeweiligen Sachverhalt befasst und durch Abstimmung eine einheitliche Willensbildung herbeigeführt haben. Eine ordnungsgemäße Sitzung setzt nach § 29 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG voraus, dass der Vorsitzende – im Verhinderungsfall sein Stellvertreter – die Sitzung einberuft und die Betriebsratsmitglieder von ihm – im Verhinderungsfall von seinem Stellvertreter – rechtzeitig unter Mitteilung einer Tagesordnung zur Betriebsratssitzung geladen worden sind (vgl. BAG 30. September 2014 – 1 ABR 32/13 – Rn. 35, BAGE 149, 182).

36

(2) Hieran fehlt es.

37

(a) Die Einberufung der Sitzung des Betriebsrats am 17. August 2015 und die Ladung hierzu sind weder durch den Betriebsratsvorsitzenden noch durch dessen Stellvertreter erfolgt. Vielmehr berief das Betriebsratsmitglied P mit E-Mail vom 14. August 2015 die Sitzung ein und lud die anderen Betriebsratsmitglieder. Dies ergibt sich sowohl aus deren Betreffzeile als auch ihrem weiteren Inhalt. Die E-Mail ist in der ersten Person Singular verfasst („bitte ich Euch …“, „Bitte schreibt mir kurz“) und endet mit einer Grußformel sowie dem Namen des Betriebsratsmitglieds P und – offenbar – seiner Festnetz- und Mobilnummer. Die anderen Betriebsratsmitglieder, denen nach dem Vortrag des Betriebsrats die Arbeitsunfähigkeit des Betriebsratsvorsitzenden bekannt war, mussten angesichts dieser Formulierungen davon ausgehen, die Einberufung und Ladung zur Sitzung erfolge durch Herrn P. Der Umstand, dass die E-Mail aus dem passwortgeschützten E-Mail-Account des Vorsitzenden verschickt wurde (und zwar auch an Herrn P), ändert angesichts ihrer eindeutigen sprachlichen Fassung nichts. Selbst der Vortrag des Betriebsrats, wonach der Betriebsratsvorsitzende persönlich zugegen war, als Herr P die Einladung nach dessen Vorgaben auf dem PC „des Betriebsratsvorsitzenden“ im Büro des Betriebsrats geschrieben habe, führt – als zutreffend unterstellt – nicht dazu, dass es sich um eine Einberufung und Ladung durch den Betriebsratsvorsitzenden handelte. Dies scheitert schon daran, dass dieser während der Dauer seiner Arbeitsunfähigkeit „amtsunfähig“ und damit verhindert iSd. § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG war.

38

(b) Ob – abweichend von § 29 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG – einem Betriebsrat auch ohne Einberufung einer Sitzung und Ladung durch dessen Vorsitzenden ein Recht zum Selbstzusammentritt zustehen kann, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Soweit dies das Schrifttum für zulässig hält, wird hierfür überwiegend verlangt, dass sowohl der Betriebsratsvorsitzende als auch dessen Stellvertreter verhindert sind und dringende – unaufschiebbare – Beratungsgegenstände zu erledigen wären (vgl. Fitting BetrVG 30. Aufl. § 29 Rn. 24; DKW/Wedde 17. Aufl. § 29 Rn. 15; HaKo-BetrVG/Wolmerath 5. Aufl. § 29 Rn. 10; Ulrich AiB 2011, 154, 155). Zum Teil wird eine Ladung zur Sitzung des Betriebsrats schon dann für entbehrlich gehalten, wenn alle Betriebsratsmitglieder – erforderlichenfalls unter Hinzuziehung von Ersatzmitgliedern – zusammentreten und einstimmig erklären, mit Zeit und Ort der Betriebsratssitzung einverstanden zu sein (vgl. Thüsing in Richardi 16. Aufl. § 29 Rn. 18; Raab GK-BetrVG 11. Aufl. § 29 Rn. 25; H/W/G/N/R/H/Glock 10. Aufl. § 29 Rn. 20). Im Streitfall lag keine dieser Voraussetzungen vor. Da zum Zeitpunkt der Sitzung des Betriebsrats am 17. August 2015 noch kein Zustimmungsgesuch der D AG zu den beabsichtigten Umgruppierungen beim Betriebsrat eingegangen war, bestand kein dringender Handlungsbedarf für eine Beschlussfassung. Der Betriebsrat war in der Sitzung am 17. August 2015 auch nicht vollständig versammelt. Selbst ungeachtet der Verhinderung des Betriebsratsvorsitzenden nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG waren nur insgesamt acht – und nicht neun – Betriebsratsmitglieder bzw. Ersatzmitglieder anwesend.

39

(3) Die Verfahrensverstöße haben die Unwirksamkeit des auf der Sitzung des Betriebsrats am 17. August 2015 gefassten Beschlusses über die Zustimmungsverweigerung zur Folge.

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(a) Die Rechtsfolge eines festgestellten Verfahrensverstoßes hängt grundsätzlich von der Bedeutung dieser formellen Anforderung für eine ordnungsgemäße Beschlussfassung ab. Lediglich Verstöße gegen Verfahrensvorschriften, die für das ordnungsgemäße Zustandekommen eines Betriebsratsbeschlusses als wesentlich anzusehen sind, können zur Unwirksamkeit des Beschlusses führen (vgl. BAG 15. April 2014 – 1 ABR 2/13 (B) – Rn. 23 mwN, BAGE 148, 26). Denn die Beachtung von Verfahrensvorschriften vermag nur dann Vorrang vor dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit zu beanspruchen, wenn deren Verletzung so schwerwiegend ist, dass der Fortbestand des Beschlusses von der Rechtsordnung nicht hingenommen werden kann. Anhand des Regelungszwecks der Verfahrensvorschrift ist zu bestimmen, ob die Verletzung der hierdurch geschützten Interessen stärker zu gewichten ist als das Interesse an der Aufrechterhaltung des Beschlusses. Dies kommt typischerweise bei groben Verstößen gegen wesentliche Verfahrensvorschriften in Betracht. In anderen Fällen überwiegen die durch die Verfahrensregelung geschützten Interessen nicht zwingend das Interesse an der Aufrechterhaltung des Beschlusses (vgl. BAG 15. April 2014 – 1 ABR 2/13 (B) – Rn. 24, aaO).

41

(b) Bei den Regelungen in § 29 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG handelt es sich um wesentliche Verfahrensvorschriften. Der Gesetzgeber hat dem Betriebsratsvorsitzenden in Satz 1 der Norm ausdrücklich die Pflicht zugewiesen, nach der konstituierenden Sitzung des Betriebsrats dessen weitere Sitzungen einzuberufen und die anderen Betriebsratsmitglieder hierzu zu laden. Durch die Beschränkung nicht nur des Einberufungs-, sondern auch des Ladungsrechts auf die Person des Vorsitzenden soll eine ordnungsgemäße Arbeit des Betriebsratsgremiums gewährleistet werden. Der Vorsitzende legt im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens sowohl Zeitpunkt als auch Ort der Sitzung fest und hat durch die Ladung der Betriebsratsmitglieder sicherzustellen, dass diese die Möglichkeit haben, an der Sitzung teilzunehmen. Dadurch lenkt er die inhaltliche Arbeit des Betriebsrats. Könnte jedes Betriebsratsmitglied eine Sitzung einberufen und zu dieser laden, bestünde die Gefahr, dass eine strukturierte und damit zielorientierte Arbeit des Betriebsratsgremiums nicht mehr gewährleistet wäre. Auch § 29 Abs. 3 BetrVG zeigt, dass den Verfahrensvorschriften in § 29 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 BetrVG eine besondere Bedeutung zukommt. Danach kann grundsätzlich nicht das einzelne Betriebsratsmitglied die Einberufung einer Sitzung erzwingen, sondern nur ein an der Gesamtgröße des Betriebsrats orientiertes Quorum.

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(4) Ob die Verstöße nachträglich geheilt werden können, kann dahinstehen.

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Nach dem Zweck der verletzten Verfahrensvorschriften käme eine nachträgliche Heilung allenfalls dann in Betracht, wenn – was vorliegend nicht der Fall war – alle (ggf. durch Ersatzmitglieder vertretene) Betriebsratsmitglieder zur Sitzung des Betriebsrats am 17. August 2015 erschienen wären. Anders als im Fall einer fehlenden oder fehlerhaften Tagesordnung bei einer durch den Vorsitzenden erfolgten Einberufung einer Sitzung des Betriebsrats und der Ladung hierzu (vgl. dazu BAG 15. April 2014 – 1 ABR 2/13 (B) – Rn. 35, BAGE 148, 26) reicht es nicht aus, dass nur die beschlussfähig Erschienenen einen einstimmigen Beschluss fassen. Da nach den gesetzlichen Vorgaben nur der Vorsitzende und – im Verhinderungsfall – sein Stellvertreter eine Sitzung einberufen und hierzu laden können, sind die Betriebsratsmitglieder nicht gehalten, dem nachzukommen. Sie müssen nicht damit rechnen, dass auf einem solchen Zusammentreffen Beschlüsse für den Betriebsrat gefasst werden. Um die ordnungsmäße Willensbildung des Betriebsratsgremiums und die Teilnahme an den Entscheidungen des Gremiums durch das einzelne gewählte Mitglied zu gewährleisten, könnte eine Heilung dieses Fehlers daher nur dann erfolgen, wenn das Betriebsratsgremium bei der Sitzung vollzählig wäre.

        

    Schmidt    

        

    K. Schmidt    

        

    Ahrendt    

        

        

        

    H. Schwitzer    

        

    Rose