Tenor
Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 19. September 2017 – 7 TaBV 43/17 – wird zurückgewiesen.
Leitsatz
Die Berechtigung des Betriebsausschusses oder eines nach § 28 BetrVG gebildeten Ausschusses gemäß § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen, ist nicht auf anonymisierte Listen beschränkt.
Entscheidungsgründe
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A. Die Beteiligten streiten über das Einblicksrecht des Betriebsausschusses in Bruttoentgeltlisten.
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Die Arbeitgeberin betreibt ua. in B eine Klinik, welche einem mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di geschlossenen, zum 31. Dezember 2016 gekündigten (Mantel-)Tarifvertrag unterfiel. Der in der Klinik errichtete Betriebsrat hat einen Betriebsausschuss gebildet.
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Seit einiger Zeit führt die Arbeitgeberin die Bruttoentgeltlisten der Arbeitnehmer in elektronischer Form. Die Listen enthalten die Namen der Arbeitnehmer, deren Dienstart und Unterdienstart, Angaben zum Grundgehalt, zu verschiedenen Zulagen sowie zu beständigen und unbeständigen Bezügen. Anfang Februar 2017 gewährte die Arbeitgeberin Betriebsratsmitgliedern Einsicht in eine anonymisierte Fassung dieser Listen.
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Der Betriebsrat hat geltend gemacht, dem Betriebsausschuss sei Einblick in die Bruttoentgeltlisten mit den Klarnamen der Arbeitnehmer zu gewähren. Nur so ließe sich feststellen, nach welchen Grundsätzen die Arbeitgeberin – insbesondere nach der Kündigung des einschlägigen Tarifvertrags – Sonderzahlungen oder Lohnerhöhungen gewähre; ggf. betreffe dies das betriebliche Entgeltsystem, bei dessen Änderung er mitzubestimmen habe. Auch im Hinblick auf seine Aufgabe, etwaige Benachteiligungen von Arbeitnehmern zu verhindern, beanspruche er Einblick in die nicht anonymisierten Bruttoentgeltlisten. Datenschutzrechtliche Gründe stünden dem nicht entgegen.
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Nachdem der Betriebsrat sein Begehren erstinstanzlich noch anders gefasst hatte, hat er zuletzt – soweit für die Rechtsbeschwerde noch von Interesse – beantragt,
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der Arbeitgeberin aufzugeben, seinem Betriebsausschuss Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten sämtlicher Mitarbeiter mit Ausnahme der leitenden Angestellten nach § 5 Abs. 3 BetrVG zu gewähren, wobei die Bruttolöhne und -gehälter hinsichtlich aller Entgeltbestandteile unabhängig von ihrem kollektiven Charakter aufzuschlüsseln sind und die Aufschlüsselung zumindest folgende Angaben zu enthalten hat: |
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Name, Vorname, |
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Tarifentgelt bzw. wenn ein solches nicht gezahlt wird, Grundentgelt, |
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Zulagen, Sondervergütungen, Gratifikationen und Prämien jeglicher Art unter Bezeichnung, wofür sie gezahlt werden. |
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Die Arbeitgeberin hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Sie hat sich auf den Standpunkt gestellt, mit der praktizierten Gewährung der Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten sei sie ihrer Verpflichtung nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG nachgekommen. Die Norm räume dem Betriebsausschuss weder nach ihrem Wortlaut noch nach der Systematik ein Recht zur Einsichtnahme in eine Liste mit den Klarnamen der Arbeitnehmer ein. Dies zeige auch das zum 6. Juli 2017 in Kraft getretene Gesetz zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern (Entgelttransparenzgesetz). Einer namentlichen Nennung der Arbeitnehmer – ohne näher vom Betriebsrat begründeten und vorliegend auch nicht gegebenen Anlass – stünden zudem deren Persönlichkeitsrechte sowie datenschutzrechtliche Erwägungen entgegen.
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Das Arbeitsgericht hat dem Antrag – soweit er noch Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist – stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin die Abweisung des Antrags weiter.
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B. Die zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den dem Antrag stattgebenden Beschluss des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der in die Rechtsbeschwerde gelangte Antrag des Betriebsrats ist zulässig und begründet.
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I. Der Betriebsrat hat sein Begehren in zulässiger Weise angebracht.
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1. Mit dem in der Rechtsbeschwerde noch anhängigen Antrag erstrebt der Betriebsrat die Einblicksgewährung in diejenigen Bruttoentgeltlisten der Arbeitnehmer, wie sie ohne anonymisierte Namen – in elektronischer Form – von der Arbeitgeberin geführt werden. Soweit im Antrag neben den Daten „Name, Vorname“ weitere Vorgaben zum Inhalt der betreffenden Listen genannt sind, ist damit kein eigenständiges Verlangen verbunden, sondern sind lediglich die von der Arbeitgeberin geführten Bruttoentgeltlisten beschrieben.
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a) Dem Betriebsrat ging es bereits mit seinem beim Arbeitsgericht gestellten Antrag darum, dem Betriebsausschuss Einsicht in die Bruttolohn- und -gehaltslisten der Arbeitnehmer – mit Ausnahme der leitenden Angestellten – unter Beibehaltung der Klarnamen zu verschaffen. Schon sein erstinstanzlich zur Entscheidung gestellter Antrag enthielt konkrete – damals noch anders formulierte – Angaben zum Inhalt der begehrten Listen. Das Arbeitsgericht hat das Antragsbegehren des Betriebsrats dahin verstanden, dass er Einsicht in diejenigen Listen verlange, die die Arbeitgeberin mit Klarnamen der Arbeitnehmer führe und in die sie – allerdings nur in anonymisierter Fassung – Einsicht gewährt habe; zudem wolle der Betriebsrat, dass die Listen noch zusätzliche Angaben zur Eingruppierung der Arbeitnehmer enthielten. Diesem Antragsverständnis entsprechend hat das Arbeitsgericht, das dem Antrag lediglich im Hinblick auf ein Einsichtsrecht in die von der Arbeitgeberin vorgehaltenen, nicht anonymisierten Listen stattgegeben hat, in seinem Tenor den von der Arbeitgeberin zuvor näher beschriebenen Inhalt der von ihr vorgehaltenen Listen übernommen.
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b) Mit dieser Auslegung des Antragsbegehrens hat das Arbeitsgericht das vom Betriebsrat nach seinem Vortrag Gewollte nicht verkannt. Jedenfalls hat sich der Betriebsrat mit seinem Antrag auf Zurückweisung der Beschwerde den Antrag mit dem Inhalt, den ihm das Arbeitsgericht beigemessen hat, zu eigen gemacht. Es ging damit bereits in der Beschwerdeinstanz nur noch um ein Einblicksbegehren in die von der Arbeitgeberin geführten Bruttoentgeltlisten in nicht anonymisierter Form.
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2. In diesem Verständnis ist der Antrag zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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3. Der Betriebsrat besitzt auch die nach § 81 Abs. 1 ArbGG erforderliche Antragsbefugnis. Er nimmt ein eigenes Recht gegenüber der Arbeitgeberin in Anspruch. Zwar begehrt er die Einsichtsgewährung nicht für sich als Gesamtorgan, sondern für seinen Betriebsausschuss. Dieser ist aber kein vom Betriebsrat unabhängiges Gremium, das mit eigenständigen Rechten ausgestattet wäre. Ein mögliches Einblicksrecht steht materiell-rechtlich dem Betriebsrat zu (BAG 30. September 2008 – 1 ABR 54/07 – Rn. 21, BAGE 128, 92).
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II. Der Antrag ist begründet. Die Arbeitgeberin ist nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG verpflichtet, dem Betriebsausschuss Einblick in die nicht anonymisierten Bruttoentgeltlisten zu gewähren. Datenschutz- und grundrechtliche Belange stehen dem Anspruch nicht entgegen.
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1. Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG sind dem Betriebsrat auf Verlangen jederzeit die zur Durchführung seiner Aufgaben erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen; in diesem Rahmen ist der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss berechtigt, in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter Einblick zu nehmen. Der Betriebsrat kann allerdings nur Einsicht in Unterlagen verlangen, die der Arbeitgeber zumindest in Form einer elektronischen Datei tatsächlich besitzt. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, nicht vorhandene Unterlagen erst zu erstellen; ein auf Herstellung nicht existenter Listen gerichteter Anspruch des Betriebsrats lässt sich nicht auf § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG stützen (vgl. BAG 30. September 2008 – 1 ABR 54/07 – Rn. 26, BAGE 128, 92). Das Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG unterliegt zudem den Grenzen der allgemeinen Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 BetrVG (vgl. BAG 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 18 mwN). Es besteht nur, soweit dies zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich ist.
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2. Der für das Einblicksrecht in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG notwendige Aufgabenbezug ist regelmäßig schon deshalb gegeben, weil der Betriebsrat nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen hat, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze und Tarifverträge durchgeführt werden. Hierzu gehört auch die sich aus § 75 Abs. 1 BetrVG ergebende Verpflichtung des Arbeitgebers zur Beachtung des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes. Der Darlegung eines besonderen Anlasses für die Ausübung dieses Einsichtsrechts bedarf es nicht (vgl. BAG 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 23). Der Betriebsrat benötigt die Kenntnis der effektiv gezahlten Vergütungen, um sich ein Urteil darüber bilden zu können, ob insoweit ein Zustand innerbetrieblicher Lohngerechtigkeit existiert oder nur durch eine andere betriebliche Lohngestaltung erreicht werden kann. Ein Einsichtsrecht besteht deshalb auch dann, wenn der Betriebsrat gerade feststellen will, welche Arbeitnehmer Sonderzahlungen erhalten und wie hoch diese sind. Die Grenzen des Einsichtsrechts liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht oder eine sonstige Aufgabe offensichtlich nicht in Betracht kommt (BAG 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 23).
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3. Danach sind die Voraussetzungen des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG im Streitfall erfüllt.
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a) Das vom Betriebsrat geltend gemachte Einblicksrecht bezieht sich auf die von der Arbeitgeberin (in elektronischer Form) tatsächlich geführten Listen über die Bruttoentgelte der Arbeitnehmer. Diese sind nicht anonymisiert, ordnen also die Bruttoentgelte den Arbeitnehmern unter deren namentlicher Nennung zu. Hiervon kann der Senat aufgrund der vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellung ausgehen. Das Beschwerdegericht hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass bei der Arbeitgeberin die Bruttoentgeltlisten mit Namen und Vornamen der Arbeitnehmer als elektronische Datei vorhanden seien. Dagegen erhebt die Rechtsbeschwerde keine Einwendungen.
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b) Der Einblick in die bei der Arbeitgeberin tatsächlich vorhandenen Bruttoentgeltlisten ist zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich.
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aa) Der Betriebsrat will feststellen, ob die Arbeitgeberin nach Kündigung des einschlägigen Tarifvertrags die im Betrieb geltenden Entlohnungsgrundsätze geändert hat. Da dies jedenfalls nicht offensichtlich ausgeschlossen ist, besteht eine ausreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Außerdem möchte der Betriebsrat prüfen, ob nach Ablauf des Tarifvertrags nur bestimmten Arbeitnehmern Entgelterhöhungen oder Sonderzahlungen gewährt werden, ob und nach welchen Grundsätzen die Arbeitgeberin hierbei verfährt und ob ggf. Verstöße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz oder das Maßregelungsverbot vorliegen. Damit legt der Betriebsrat einen hinreichenden Bezug zu einer Aufgabe iSv. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG dar (zum Darlegungserfordernis vgl. BAG 24. April 2018 – 1 ABR 6/16 – Rn. 22 mwN zu § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG).
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bb) Der Einwand der Rechtsbeschwerde, für diese Aufgaben benötige der Betriebsrat nicht die Namen der aufgelisteten Arbeitnehmer – es fehle also an einem für die Angabe der Klarnamen erforderlichen Aufgabenbezug -, verfängt ebenso wenig wie ihre Argumentation, der Betriebsrat könne angesichts „überschaubarer“ betrieblicher Gegebenheiten auch bei einer Anonymisierung hinreichende Rückschlüsse ziehen. Die durch die Formulierung „in diesem Rahmen“ in § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG zum Ausdruck gebrachte Erforderlichkeit der Einsichtnahme des Betriebsausschusses in die Listen über Bruttolöhne und -gehälter für die Aufgaben des Betriebsrats bezieht sich lediglich auf die vom Arbeitgeber erstellten Listen „an sich“ und nicht auf die einzelnen in den Listen enthaltenen Angaben. Entsprechend muss der Betriebsrat auch keine „spezifische“ Notwendigkeit für eine nicht anonymisierte Bruttoentgeltliste darlegen, wenn der Arbeitgeber eine solche führt.
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c) Anderes folgt – entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde – nicht aus dem zum 6. Juli 2017 in Kraft getretenen Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG). Weder bedingt dieses ein anderes inhaltliches Verständnis des Einblicksrechts nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG noch beschränkt es die vom Arbeitgeber zu gewährende Einsicht auf eine anonymisierte Fassung der Bruttoentgeltlisten.
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aa) Ziel des Entgelttransparenzgesetzes ist es, durch die Förderung der Transparenz von Entgelten und Entgeltregelungen eine unmittelbare und mittelbare Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts zu beseitigen (vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 18/11133 S. 1). Vor diesem Hintergrund statuiert § 10 EntgTranspG zur Überprüfung der Einhaltung des Entgeltgleichheitsgebots ab einer bestimmten Betriebsgröße einen individuellen Auskunftsanspruch über die Kriterien und Verfahren der Entgeltfindung iSv. § 11 Abs. 2 EntgTranspG und das maßgebende Vergleichsentgelt iSv. § 11 Abs. 3 EntgTranspG. Bei der Beantwortung eines solchen Auskunftsverlangens ist der Schutz personenbezogener Daten der auskunftsbegehrenden Beschäftigten sowie der vom Auskunftsverlangen betroffenen Beschäftigten zu wahren (§ 12 Abs. 3 Satz 1 EntgTranspG). Da das Auskunftsverlangen in den Fällen des § 14 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 EntgTranspG grundsätzlich an den Betriebsrat zu richten ist, hat der Gesetzgeber in § 13 Abs. 3 EntgTranspG Regelungen getroffen, damit dieser das Auskunftsverlangen beantworten kann. Danach hat der Arbeitgeber dem Betriebsausschuss Einblick in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter zu gewähren und diese nach Geschlecht aufzuschlüsseln sowie so aufzubereiten, dass (so der Gesetzeswortlaut) „der Betriebsausschuss“ im Rahmen seines Einblicksrechts die Auskunft ordnungsgemäß erfüllen kann.
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bb) Mit der Regelung in § 13 Abs. 3 EntgTranspG hat der Gesetzgeber – nach seinem verlautbarten Regelungswillen – zwar einerseits auf die höchstrichterliche Rechtsprechung zu § 80 Abs. 2 Satz 2 BetrVG abgehoben, andererseits aber auch die höchstrichterliche Rechtsprechung zur Pflicht des Arbeitgebers auf Erteilung weitergehender Auskünfte nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in den Blick genommen (vgl. BT-Drs. 18/11133 S. 63). Bereits dies lässt den Schluss darauf zu, dass sich der Anspruch des Betriebsrats nach § 13 Abs. 3 EntgTranspG von dem nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG dadurch unterscheidet, dass der Arbeitgeber dem Betriebsausschuss Einblick nicht nur in die vorhandenen Listen über die Bruttolöhne und -gehälter der Beschäftigten zu gewähren hat, sondern in Listen, die – um den Anforderungen des § 13 Abs. 3 Satz 2 EntgTranspG zu genügen – ggf. nach § 13 Abs. 3 Satz 3 EntgTranspG entsprechend aufzubereiten und damit erst herzustellen sind (vgl. zB Weber GK-BetrVG 11. Aufl. § 80 Rn. 128, Kania NZA 2017, 819, 820; Günther/Heup/Mayr NZA 2018, 545, 546). Eine Intention des Gesetzgebers, mit § 13 Abs. 3 EntgTranspG die inhaltliche Reichweite des Einsichtsrechts nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG auszugestalten oder auch nur klarzustellen, ist nicht ersichtlich.
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cc) Hiergegen spricht auch, dass sich der Anwendungsbereich des individuellen Auskunftsanspruchs (vgl. § 12 Abs. 1 EntgTranspG), dessen Erfüllung durch den insoweit nach § 14 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 EntgTranspG verpflichteten Betriebsrat die Vorschrift des § 13 EntgTranspG dient, von dem des gremienbezogenen Einblicksrechts nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG unterscheidet. Während der Auskunftsanspruch nach § 12 Abs. 1 EntgTranspG nur Beschäftigten in Betrieben mit in der Regel mehr als 200 Beschäftigten bei demselben Arbeitgeber zusteht, besteht das betriebsverfassungsrechtliche Einsichtsrecht auch in Betrieben, in denen der Betriebsrat im Hinblick auf seine Größe weder einen Betriebsausschuss (§ 27 BetrVG) noch einen Ausschuss nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BetrVG errichten kann. Das Einblicksrecht kann in diesen Fällen durch den Betriebsratsvorsitzenden, dessen Stellvertreter oder ein anderes beauftragtes Betriebsratsmitglied, dem die Führung der laufenden Geschäfte nicht übertragen sein muss, wahrgenommen werden (ausf. bereits BAG 23. Februar 1973 – 1 ABR 17/72 – BAGE 25, 75; vgl. zuletzt 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 19 mwN).
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dd) § 13 Abs. 6 EntgTranspG, wonach gesetzliche und sonstige kollektiv-rechtlich geregelte Beteiligungsrechte des Betriebsrats von diesem Gesetz unberührt bleiben, zeigt ebenfalls, dass durch die Regelungen des Entgelttransparenzgesetzes das Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG nicht beschnitten werden sollte (vgl. dazu BT-Drs. 18/11133 S. 63). Dieses stellt typischerweise – so auch im vorliegenden Streitfall – sicher, dass der Betriebsrat ein etwaiges Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wahrnehmen kann.
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ee) Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin ist daher selbst dann nicht davon auszugehen, dass im Rahmen des Einsichtsrechts nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG prinzipiell anonymisierte Listen ausreichend sind, wenn das Einblicksrecht nach § 13 Abs. 3 Satz 1 und Satz 2 EntgTranspG nur auf solche bezogen sein sollte. Aus diesem Grund bedarf es auch keiner Entscheidung, ob (wie von der Arbeitgeberin angenommen) aus § 12 Abs. 3 EntgTranspG – der in seinem Satz 1 ausdrücklich nur die Beantwortung eines Auskunftsverlangens in den Blick nimmt – eine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Anonymisierung von Entgeltlisten bei einer zur Beantwortung eines Auskunftsverlangens erfolgenden Einsichtnahme durch den Betriebsausschuss folgt. Da sich sowohl die Voraussetzungen als auch die Systematik des Rechts auf Einblick in die Bruttoentgeltlisten nach dem Entgelttransparenzgesetz von denen des Einsichtsrechts nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG unterscheiden, lässt sich hieraus nichts für den Inhalt des letztgenannten Anspruchs herleiten. § 13 Abs. 2 und Abs. 3 EntgTranspG flankiert die von § 14 Abs. 1 und § 15 Abs. 2 EntgTranspG vorgesehene Stellung des Betriebsrats als Adressat eines individuellen Auskunftsverlangens nach § 10 Abs. 1 EntgTranspG. Das Einblicksrecht des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG ist dagegen nicht mit einer individuellen Auskunftsberechtigung von Beschäftigten verknüpft, sondern dient ua. der kollektivrechtlichen Sicherung von Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats.
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4. Die erstrebte Einsicht in die bei der Arbeitgeberin vorhandenen Listen mit einer namentlichen Nennung der Arbeitnehmer als Bezieher des jeweiligen Bruttoentgelts verbietet sich auch nicht in Ansehung der seit dem 25. Mai 2018 geltenden Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung – DS-GVO) und des durch das Gesetz zur Anpassung des Datenschutzrechts an die Verordnung (EU) 2016/679 und zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2016/680 (Datenschutz-Anpassungs- und -umsetzungsgesetz EU – DSAnpUG-EU) vom 30. Juni 2017 geänderten Bundesdatenschutzgesetzes – BDSG – (BGBl. I S. 2097). Die streitbefangene Einsichtnahme ist zwar auf eine Verarbeitung personenbezogener Daten gerichtet. Diese ist aber zulässig.
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a) Das nach dem Antrag streitbefangene Einblicksrecht in Bruttoentgeltlisten mit der Angabe von Klarnamen der Arbeitnehmer fällt in den sachlichen Geltungsbereich der – gemäß Art. 288 AEUV in allen ihren Teilen verbindlichen und unmittelbar in jedem Mitgliedstaat geltenden – DS-GVO nach deren Art. 2 Abs. 1 und in den Anwendungsbereich des BDSG nach dessen § 1 Abs. 1 Satz 2.
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aa) Es handelt sich im Sinn dieser Vorschriften um eine auf „personenbezogene Daten“ gerichtete „Verarbeitung“, wobei beim Anwendungsbereich des BDSG auf die in der DS-GVO definierten Begrifflichkeiten zurückzugreifen ist.
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(1) Die Namen der Arbeitnehmer und die ihnen zugeordneten Bruttoentgelte stellen „personenbezogene Daten“ iSv. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO dar.
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(2) In der Gewährung von Einsicht in diese Listen durch die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsausschuss liegt eine „Verarbeitung“ dieser Daten. Der Begriff der Verarbeitung bezeichnet nach Art. 4 Nr. 2 DS-GVO ua. jeden mit oder ohne Hilfe automatisierter Verfahren ausgeführten Vorgang im Zusammenhang mit personenbezogenen Daten. Hierzu zählt deren Offenlegung durch „Übermittlung, Verbreitung oder eine andere Form der Bereitstellung“, also die gezielte Kenntnisgabe von Daten an einen Empfänger, der – was seinerseits aus Art. 4 Nr. 9 DS-GVO folgt – kein Dritter sein muss (BAG 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 – Rn. 32 mwN). Damit ist es für die Annahme einer Datenverarbeitung – anders als bei § 3 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 BDSG in seiner vom 28. August 2002 bis zum 24. Mai 2018 geltenden Fassung (aF), wonach es sich nur bei der Bekanntgabe von Daten gegenüber Dritten um eine Datenübermittlung gehandelt hat – nicht ausschlaggebend, ob der Betriebsrat Dritter iSv. Art. 4 Nr. 10 DS-GVO ist.
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bb) Die Listen sind in Form elektronischer Dateien erstellt. Damit ist das erstrebte Einblicksrecht eine „nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind“ iSv. Art. 2 Abs. 1 DS-GVO bzw. eine – beim Geltungsbereich des BDSG für nichtöffentliche Stellen maßgebende – „nicht automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind“ iSv. § 1 Abs. 1 Satz 2 BDSG.
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b) Die mit der Berechtigung des § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten ist für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses nach § 26 BDSG erlaubt.
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aa) Das folgt allerdings nicht aus § 26 Abs. 6 BDSG. Zwar bleiben nach dieser Vorschrift im Hinblick auf die in § 26 BDSG geregelte Datenverarbeitung für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses die Beteiligungsrechte der Interessenvertretungen der Beschäftigten „unberührt“. Dieser Norm, welche § 32 Abs. 3 BDSG aF im Sinn einer klarstellenden Funktion übernommen hat (BT-Drs. 18/11325 S. 97), kommt indes kein Regelungsgehalt als die Datenverarbeitung durch Arbeitgeber oder Betriebsrat eigenständig erlaubender Tatbestand zu (BAG 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 – Rn. 23).
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bb) Die Datenverarbeitung ist aber nach § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG zulässig.
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(1) Der Erlaubnistatbestand des § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG wird nicht von § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG verdrängt. Entgegen anderslautender Stimmen im Schrifttum geht die betriebsverfassungsrechtliche Norm nicht als „andere Rechtsvorschrift des Bundes über den Datenschutz“ iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 BDSG den Bestimmungen des BDSG vor (so aber Gola BB 2017, 1462, 1465; Gräber/Nolden in Paal/Pauly Datenschutz-Grundverordnung Bundesdatenschutzgesetz 2. Aufl. § 26 BDSG Rn. 20; Gola/Pötters RDV 2017, 111; diff. Selk in Ehmann/Selmayr Datenschutz-Grundverordnung 2. Aufl. Art. 88 Rn. 189 f.). Diese Frage stellte sich bereits vor dem Hintergrund des § 4 Abs. 1 BDSG aF, wonach „[d]ie Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten … nur zulässig“ war, „soweit dieses Gesetz oder eine andere Rechtsvorschrift dies erlaubt oder anordnet oder der Betroffene eingewilligt hat“. Auf der Grundlage dieser bis 24. Mai 2018 geltenden Datenschutzrechtslage hat die höchstrichterliche Rechtsprechung in § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG keine spezifische Erlaubnisnorm für die Datenverarbeitung gesehen; bei der Gewährung von Einblick in die Bruttoentgeltlisten nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG handelte es sich vielmehr „… um eine nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässige Form der Datennutzung“ (vgl. BAG 14. Januar 2014 – 1 ABR 54/12 – Rn. 28; dazu kritisch Gola BB 2017, 1462, 1465). Hieran hat sich durch das Inkrafttreten der DS-GVO und der Neufassung des BDSG nichts geändert. Nach dem verlautbarten Willen des Gesetzgebers führt § 26 BDSG die Regelung des § 32 BDSG aF fort (BT-Drs. 18/11325 S. 97).
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(2) Die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG sind erfüllt. Danach dürfen personenbezogene Daten von Beschäftigten für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses ua. dann verarbeitet werden, wenn dies zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus einem Gesetz ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist.
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(a) Es handelt sich vorliegend um eine auf personenbezogene Daten von „Beschäftigten“ (vgl. § 26 Abs. 8 Nr. 1 BDSG) gerichtete Datenverarbeitung „für Zwecke des Beschäftigungsverhältnisses“.
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(b) Die verfahrensgegenständliche Einsichtsgewährung in Bruttoentgeltlisten ist zur Erfüllung eines Rechts des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG „erforderlich“ iSv. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG.
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(aa) Mit dem Kriterium der Erforderlichkeit der Datenverarbeitung ist sichergestellt, dass ein an sich legitimes Datenverarbeitungsziel nicht zum Anlass genommen wird, überschießend personenbezogene Daten zu verarbeiten. Bei einer auf Beschäftigtendaten bezogenen datenverarbeitenden Maßnahme des Arbeitgebers bedingt dies entsprechend der Bekundung des Gesetzgebers – welcher hierbei an die bis 24. Mai 2018 geltenden datenschutzrechtlichen Bestimmungen und die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung anknüpft (vgl. BT-Drs. 18/11325 S. 97) – eine Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen im Wege praktischer Konkordanz sowie eine Verhältnismäßigkeitsprüfung (ausf. dazu – unter Hinzuziehung der Gesetzeshistorie und -begründung – zB Stamer/Kuhnke in Plath DSGVO/BDSG 3. Aufl. § 26 BDSG Rn. 16 ff.). Diesen Anforderungen ist genügt, wenn die Verarbeitung personenbezogener Daten zur Ausübung oder Erfüllung der sich aus dem Gesetz – also etwa dem BetrVG – ergebenden Rechte und Pflichten der Interessenvertretung der Beschäftigten erforderlich ist. Das hat der Gesetzgeber durch den entsprechenden Erlaubnistatbestand in § 26 Abs. 1 Satz 1 (letzte Alternative) BDSG klargestellt (vgl. BT-Drs. 18/11325 S. 97).
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(bb) Steht dem Betriebsrat ein Anspruch nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG zu, ist die von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG verlangte Erforderlichkeit einer damit verbundenen Datenverarbeitung gegeben. Sie folgt aus der Erfüllung eines kollektivrechtlich bestehenden Anspruchs; einer gesonderten – auf jeden Einzelfall bezogenen – Abwägung zwischen objektiven Informationsinteressen des Betriebsrats einerseits und davon betroffenen Interessen des Arbeitgebers und/oder der Arbeitnehmer andererseits (so Wybitul NZA 2017, 413, 419) bedarf es nicht. Die datenschutzrechtlich notwendige Abwägung hat der Gesetzgeber durch die Anerkennung des in § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG enthaltenen Erlaubnistatbestands einer Datenverarbeitung zur Erfüllung einer gesetzlichen kollektivrechtlichen Pflicht vorgenommen (vgl. auch Heuschmid SR 2019, 1, 11). Bei einem (allgemeinen) Auskunftsanspruch des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ist dies im Hinblick auf die strikte Bindung der Unterrichtungsverpflichtung des Arbeitgebers an eine dem Betriebsrat obliegende Aufgabe, für dessen Wahrnehmung dieser das verlangte personenbezogene Datum benötigt, gerechtfertigt (vgl. BAG 9. April 2019 – 1 ABR 51/17 – Rn. 42).
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Auch beim Einblicksrecht in Bruttoentgeltlisten folgt die Rechtfertigung aus der inhaltlichen Ausgestaltung der entsprechenden kollektivrechtlichen Verpflichtung des Arbeitgebers. Nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG ist die Einsichtnahme in die Bruttoentgeltlisten an die Erforderlichkeit der Wahrnehmung und Durchführung von Aufgaben des Betriebsrats gebunden. Dies bedingt zwar seinerseits keine Notwendigkeit, die (betriebsverfassungsrechtliche) Erforderlichkeit mit gesondertem Bezug auf das Datum „Name, Vorname“ der Arbeitnehmer auf der Bruttoentgeltliste festzustellen. Hingegen besteht die Verknüpfung dieser Daten allein mit „Brutto“entgelten. Das gewährleistet, dass besondere persönliche Verhältnisse der Arbeitnehmer, die etwa in der Besteuerung oder in Lohnpfändungen zum Ausdruck kommen und dadurch zu unterschiedlichen Nettobezügen führen, der Kenntnisnahme durch den Betriebsrat verschlossen sind (mit Bezug zur Rechtfertigung des mit dem Recht auf Einsichtnahme in die Gehaltslisten verbundenen Eingriffs in das Grundrecht der Arbeitnehmer auf informationelle Selbstbestimmung ebenso Fitting 29. Aufl. § 80 Rn. 72). Außerdem kann in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter nur „Einblick“ genommen werden. Einsichtsberechtigt sind des Weiteren nicht alle Betriebsratsmitglieder, sondern lediglich der Betriebsausschuss oder ein nach § 28 BetrVG gebildeter Ausschuss bzw. – in kleineren Betrieben – der Betriebsratsvorsitzende, dessen Stellvertreter oder ein anderes beauftragtes Betriebsratsmitglied, dem die Führung der laufenden Geschäfte nicht übertragen sein muss. Der datenschutzrechtlich notwendigen – in der Diktion der Gesetzesbegründung – „Abwägung widerstreitender Grundrechtspositionen im Wege praktischer Konkordanz sowie Verhältnismäßigkeitsprüfung“ ist damit genügt.
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(cc) Der Bindung der datenschutzrechtlichen Erforderlichkeit iSv. § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG an die Ausübung oder Erfüllung gesetzlicher Rechte oder Pflichten des Betriebsrats steht nicht entgegen, dass weder in der DS-GVO noch im BDSG eine – vormals in § 5 BDSG aF ausdrücklich erwähnte und auch für den Betriebsrat geltende (vgl. hierzu BAG 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 43 mwN, BAGE 140, 350) – Verpflichtung auf das Datengeheimnis explizit geregelt ist. Insoweit ist auch § 53 BDSG nicht einschlägig. Diese Norm ist Bestandteil des Dritten Teils des BDSG. Sie beruht auf der Datenschutzrichtlinie für Polizei und Justiz – Richtlinie (EU) 2016/680 – und gilt ausschließlich, wenn der Anwendungsbereich gemäß § 45 BDSG eröffnet ist, also wenn Daten durch die für die Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung, Verfolgung oder Ahndung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten zuständigen öffentlichen Stellen im Rahmen der Erfüllung ihrer Aufgaben verarbeitet werden (vgl. dazu Plath in Plath DSGVO/BDSG 3. Aufl. § 53 BDSG Rn. 1). Der Betriebsrat hat seinerseits bei einer Datenverarbeitung – und so auch bei der Kenntnisnahme personenbezogener Daten im Zusammenhang mit dem Einblicksrecht in Bruttoentgeltlisten – die Datenschutzbestimmungen einzuhalten. Das gilt unabhängig davon, ob er iSv. Art. 4 Nr. 7 DS-GVO Teil der verantwortlichen Stelle (so zB Bonanni/Niklas ArbRB 2018, 371; Pötters in Gola DS-GVO 2. Aufl. Art. 88 Rn. 38; Gola in Gola DS-GVO 2. Aufl. Art. 4 Rn. 56; zur Datenschutzrechtslage nach dem BDSG aF vgl. BAG 7. Februar 2012 – 1 ABR 46/10 – Rn. 43 mwN, BAGE 140, 350) oder gar Verantwortlicher (so zB Kurzböck/Weinbeck BB 2018, 1652, 1655; Kleinebrink DB 2018, 2566; Wybitul NZA 2017, 413 f.) ist. Seine Verpflichtung, personenbezogene Daten vertraulich zu halten, ergibt sich aus den Vorgaben der DS-GVO iVm. dem BDSG, nach denen die Verarbeitung personenbezogener Daten nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist.
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(3) Die auf § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG gründende Zulässigkeit der mit dem Einblicksrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG verbundenen Datenverarbeitung begegnet keinen unionsrechtlichen Bedenken.
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(a) Die Regelung des § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG beruht auf der Öffnungsklausel des Art. 88 DS-GVO, welche nationale Regelungen zur Datenverarbeitung im Beschäftigungskontext zulässt (vgl. auch BT-Drs. 18/11325 S. 96). Nach Art. 88 Abs. 1 DS-GVO können die Mitgliedstaaten ua. durch Rechtsvorschriften spezifischere Vorschriften zur Gewährleistung des Schutzes der Rechte und Freiheiten hinsichtlich der Verarbeitung personenbezogener Beschäftigtendaten im Beschäftigungskontext, insbesondere ua. für Zwecke der Inanspruchnahme der mit der Beschäftigung zusammenhängenden kollektiven Rechte, vorsehen, wobei nationale Vorschriften iSv. Art. 88 Abs. 1 DS-GVO gemäß Art. 88 Abs. 2 DS-GVO dort genannte Maßnahmen umfassen. Dem wird § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG – unter Hinzuziehung von § 26 Abs. 5 BDSG – gerecht (so zB Stamer/Kuhnke in Plath DSGVO/BDSG 3. Aufl. Art. 88 DSGVO Rn. 7a).
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(b) Hiervon kann der Senat ohne Vorabentscheidungsverfahren durch den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 AEUV ausgehen. Die richtige Anwendung des Unionsrechts ist insoweit derart offenkundig, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bleibt (acte clair, vgl. dazu zB EuGH 15. September 2005 – C-495/03 – [Intermodal Transports] Rn. 33). Auch die bisherigen fachgerichtlichen Instanzentscheidungen (etwa VG Lüneburg 19. März 2019 – 4 A 12/19 -) sowie das datenschutz- und arbeitsrechtliche Schrifttum stellen – soweit problematisiert und ungeachtet streitiger Einzelheiten des inhaltlichen Verständnisses der einzelnen Erlaubnistatbestände des § 26 BDSG sowie seiner weiteren Regelungen – so gut wie einhellig nicht infrage, dass der nationale Gesetzgeber von der Öffnungsklausel des Art. 88 DS-GVO in zulässiger Weise Gebrauch gemacht hat (Bettinghausen/Wiemers DB 2018, 1277; Bonanni/Niklas ArbRB 2018, 371; Gola BB 2017, 1462; Gräber/Nolden in Paal/Pauly Datenschutz-Grundverordnung Bundesdatenschutzgesetz 2. Aufl. § 26 BDSG Rn. 1 ff.; Grimm/Göbel jM 2018, 278; Henssler NZA-Beilage 2/2018, 31; Kamps/Bonanni ArbRB 2018, 50; Kainer/Weber BB 2017, 2740; Klausch/Grabenschröer PinG 2018, 135; Kleinebrink ArbRB 2018, 346; Kort ZD 2017, 319; Pfrang DuD 2018, 380; Reiserer/Christ/Heinz DStR 2018, 1501; Seifert in Simitis/Hornung/Spiecker Datenschutzrecht Artikel 88 DS-GVO Rn. 50 ff.; Tinnefeld/Conrad ZD 2018, 391; Velten/Diegel FA 2018, 2; zu § 26 Abs. 4 BDSG vgl. Klocke ZTR 2018, 116; aA – mit dem Argument, § 26 BDSG sei zu unspezifisch und erschöpfe sich in einem generalklauselartigen Regelungsgehalt – lediglich Maschmann in Kühling/Buchner DS-GVO/BDSG 2. Aufl. Art. 88 DS-GVO Rn. 63; explizit gegen diese Auffassung mit dem Verweis auf die Ausformung der Vorgängervorschrift des § 32 BDSG aF durch die höchstrichterliche Rechtsprechung Ströbel/Wybitul in Specht/Mantz Handbuch Europäisches und deutsches Datenschutzrecht Teil B § 10 Rn. 26; vgl. ferner Heuschmid SR 2019, 1, 11 sowie Franzen ZFA 2019, 18, 26 mit dem Argument kompetenzieller Schranken der Union für eine inhaltliche Vereinheitlichung des Beschäftigtendatenschutzes; vgl. dazu auch Däubler in Däubler/Wedde/Weichert/Sommer EU-Datenschutz-Grundverordnung und BDSG-neu Art. 88 DS-GVO Rn. 3 f.).
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5. Das mit dem Antrag erstrebte Einsichtsrecht nach § 80 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 BetrVG in nicht anonymisierte Bruttoentgeltlisten ist schließlich nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen ausgeschlossen (im Ergebnis ebenso zu der entsprechenden Vorschrift des § 78 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 HmbPersVG BVerwG 16. Mai 2012 – 6 PB 2.12 – Rn. 3). Ist eine Datenverarbeitung nach den Vorschriften des BDSG (iVm. der DSG-VO) zulässig, ist das Recht des von der Datenverarbeitung betroffenen Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung gewahrt (vgl. zum BDSG aF BAG 27. Juli 2017 – 2 AZR 681/16 – Rn. 17, BAGE 159, 380). Dem durch Art. 2 Abs. 1 iVm. Art. 1 Abs. 1 GG gewährleisteten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer, das die Befugnis jedes Einzelnen umfasst, über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten selbst zu bestimmen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung; BVerfG 11. März 2008 – 1 BvR 2074/05, 1 BvR 1254/07 – Rn. 67, BVerfGE 120, 378) – wobei sich der Begriff der persönlichen Daten mit dem datenschutzrechtlichen Begriff personenbezogener Daten deckt (vgl. BVerfG 27. Juni 2018 – 2 BvR 1562/17 – Rn. 44 mwN) – ist im Rahmen der datenschutzrechtlichen Erwägungen Rechnung getragen.
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K. Schmidt |
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Ahrendt |
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Rinck |
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H. Schwitzer |
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Benrath |