Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 29. März 2017 – 24 Sa 979/16 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Leitsatz
Eine nach den richterrechtlichen Grundsätzen erlaubte Arbeitskampfmaßnahme kann eine gesetzliche Gestattung iSv. § 858 Abs. 1 BGB sein.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Berechtigung einer Gewerkschaft zur Durchführung streikbegleitender Maßnahmen.
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Die nicht tarifgebundene Klägerin führt am Standort P in einem außerörtlich gelegenen Gewerbegebiet einen Betrieb der Lagerung und des Versands online bestellter Waren. Auf dem von ihr – auf der Grundlage eines mit einem anderen Unternehmen geschlossenen „Lease Agreement“ vom 13. Dezember 2011 – genutzten Gelände befindet sich das Betriebsgebäude. Dieses betreten die Arbeitnehmer über einen durch einen gelben Turm gekennzeichneten zentralen, zugangsgesicherten Eingang, der über einen unmittelbar angrenzenden ca. 28.000 qm großen Parkplatz zu erreichen ist. Der Parkplatz ist zur Nutzung für die überwiegend mit dem Pkw zur Arbeit kommenden Mitarbeiter bestimmt. Auf ihm sind Schilder aufgestellt mit dem Hinweis, dass es sich um ein Privatgrundstück handelt und Unbefugten das Betreten verboten ist. Die Zufahrt zum Mitarbeiterparkplatz erfolgt über eine unmittelbar in ihn mündende öffentliche Straße.
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Der Betrieb der Klägerin wurde am 21. und 22. September 2015 bestreikt. Dazu aufgerufen hatte die beklagte Gewerkschaft ver.di – Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft mit dem Ziel, mit der Klägerin einen Tarifvertrag zur Anerkennung einschlägiger Einzelhandelstarifverträge zu schließen. Am 21. September 2015 bauten Vertreter der Beklagten auf dem Parkplatzgelände unmittelbar vor dem Haupteingang Stehtische sowie Sonnenschirme mit dem ver.di-Logo auf und platzierten dort Trommeln und Tonnen. Zudem verteilten sie gemeinsam mit streikenden Arbeitnehmern Flyer und forderten Mitarbeiter zur Streikbeteiligung auf. Arbeitswillige Arbeitnehmer mussten an den in Gruppen stehenden Streikenden vorbei laufen, um in das Betriebsgebäude zu gelangen. Eine auf dem Gelände befindliche Außenkamera war kurzzeitig abgedeckt worden.
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Vertreter der Klägerin forderten den anwesenden Streikposten der Beklagten und die streikenden Arbeitnehmer vergeblich auf, das Betriebsgelände zu verlassen. Ein Antrag der Klägerin, die Maßnahme im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagen zu lassen, blieb erfolglos. Für den 24. März 2016 rief die Beklagte erneut zum Streik auf. Auch an diesem Tag kam es zu der beschriebenen Aktion auf dem Parkplatz vor dem gelben Eingangsturm.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, in Ausübung ihres Hausrechts sowie in Ansehung ihrer unternehmerischen Betätigungsfreiheit könne sie der beklagten Gewerkschaft die Nutzung des zum Betriebsgelände gehörenden Mitarbeiterparkplatzes untersagen. Sie müsse diesen Teil ihres Betriebsgeländes nicht zur Förderung eines Streiks zur Verfügung stellen. Die Beklagte könne arbeitswillige Mitarbeiter an der Zufahrt zum Parkplatz – im Bereich des öffentlichen Straßenraums – ansprechen. Sie verfüge zudem über andere Möglichkeiten, auf den Streik aufmerksam zu machen oder zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer zu versammeln.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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der Beklagten zu untersagen, zu Versammlungen auf dem zum Betriebsgelände der Klägerin (Grenzen anhand des Mietvertrags vom 13. Dezember 2011 nebst Anlage 1.1.1 [Anlagen K 5, K 6 und K 17]) gehörenden Parkplatz vor dem gelben Eingangsturm in der A, infolge von Arbeitsniederlegungen aufgrund eines Aufrufs der Beklagten zur Arbeitsniederlegung zwecks Durchsetzung eines Tarifvertrags aufzurufen und diese dort durchzuführen; |
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der Beklagten für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehenden Unterlassungspflichten ein Ordnungsgeld bis zur Höhe von 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an dem Vorsitzenden ihres Bundesvorstandes, anzudrohen. |
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klägerin sei von den Aktionen unmittelbar vor dem Personaleingang nicht in grundrechtlichen Positionen betroffen. Eine Untersagung solcher Aktionen würde – mangels anderer Möglichkeiten, die zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer für eine Beteiligung durch persönliche Ansprache zu gewinnen – ihr verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf koalitionsmäßige Betätigung im Übermaß beschränken.
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Das Arbeitsgericht hat dem – noch anders verfassten – Unterlassungsantrag ebenso wie der Ordnungsmittelandrohung stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klageanträge nach Maßgabe ihrer letzten – in der Berufungsinstanz formulierten – Fassung abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten den Unterlassungsantrag zu Recht abgewiesen.
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I. Entgegen der Ansicht der Revision ist das angefochtene Urteil nicht verfahrensfehlerhaft. Das Landesarbeitsgericht hat den Inhalt des zur Entscheidung gestellten Antrags nicht verkannt und deshalb nicht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO der Klägerin etwas abgesprochen, was diese nicht beantragt hat. Es hat das zur Entscheidung gestellte Begehren nach Maßgabe der Anlassfälle dahin verstanden, dass die Beklagte es unterlassen soll, auf dem Betriebsparkplatz der Klägerin unmittelbar vor dem Haupteingang zum Betriebsgebäude Gewerkschaftsmitarbeiter und streikende Arbeitnehmer zu versammeln sowie Stehtische, Tonnen und Sonnenschirme aufzustellen, um auf den von ihr getragenen Streik aufmerksam zu machen und für eine Streikteilnahme zu werben. Das entspricht dem Unterlassungsantrag, wie ihn die Klägerin in der Berufungsverhandlung im Zusammenhang mit ihrem Antrag auf Zurückweisung der Berufung formuliert hat. Sie hat damit den Streitgegenstand festgelegt auf die künftige Untersagung solcher Aktionen, wie sie anlässlich der am 21. und 22. September 2015 sowie am 24. März 2016 von der Beklagten getragenen Streikmaßnahmen stattgefunden haben.
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II. Der so verstandene Unterlassungsantrag ist zulässig. Er ist insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
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1. Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO sind Anträge, mit denen die Unterlassung von Handlungen verlangt wird, so genau zu bezeichnen, dass der Inanspruchgenommene im Fall einer dem Antrag entsprechenden gerichtlichen Entscheidung eindeutig erkennen kann, unter welchen Voraussetzungen was von ihm verlangt wird. Für ihn muss aufgrund des Unterlassungstitels erkennbar sein, welche Handlungen er künftig zu unterlassen hat, um sich rechtmäßig verhalten zu können. Die Prüfung, welche Verhaltensweisen der Schuldner unterlassen soll, darf nicht durch eine ungenaue Antragsformulierung und einen dementsprechenden gerichtlichen Titel aus dem Erkenntnis- in das Zwangsvollstreckungsverfahren verlagert werden. Allerdings dürfen die Anforderungen insoweit auch nicht überspannt werden, weil andernfalls effektiver Rechtsschutz vereitelt würde. Zukunftsgerichtete Verbote lassen sich häufig nur generalisierend formulieren. Die Notwendigkeit gewisser Subsumtionsprozesse im Rahmen einer etwa erforderlich werdenden Zwangsvollstreckung steht daher der Verwendung ausfüllungsbedürftiger Begriffe in einem Unterlassungstitel und dem darauf gerichteten Antrag nicht generell entgegen (BAG 18. November 2014 – 1 AZR 257/13 – Rn. 43 mwN, BAGE 150, 50).
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2. Diesen Anforderungen wird der Untersagungsantrag gerecht. Die Beklagte kann mit ausreichender Gewissheit erkennen, welche Handlungen sie unterlassen soll. In der gebotenen Auslegung unter Hinzuziehung der in der Klagebegründung geschilderten streikmobilisierenden Maßnahmen der Beklagten an den Streiktagen im September 2015 und März 2016 ist situativ hinreichend deutlich, was mit „… zu Versammlungen … aufzurufen und diese … durchzuführen“ beschrieben ist. Die Bezeichnung der Örtlichkeit unter Angabe der Betriebsgeländegrenzen ist ebenso zureichend klar. Es geht um Aktionen der zum Streik aufrufenden Beklagten auf dem von der Klägerin genutzten Grundstück im unmittelbaren Bereich am gelben Turm vor dem Haupteingang.
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III. Der Unterlassungsantrag ist unbegründet. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Die Klägerin hat als Besitzerin des im Antrag näher bezeichneten Grundstücks weder einen possessorischen noch einen deliktischen Besitzschutzanspruch auf die erstrebte Unterlassung.
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1. Ein solcher folgt nicht aus § 862 Abs. 1 Satz 2 BGB. Die die Anlassfälle bildenden Maßnahmen der Beklagten, deren künftige Untersagung die Klägerin begehrt, fanden zwar auf einem Grundstück statt, das im unmittelbaren Besitz der Klägerin steht. Sie sind aber keine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht iSv. § 858 Abs. 1 BGB.
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a) Nach § 862 Abs. 1 BGB kann der Besitzer im Fall einer Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht iSv. § 858 Abs. 1 BGB die Beseitigung der Störung (Satz 1 der Vorschrift) oder, wenn weitere Störungen zu besorgen sind, deren Unterlassung verlangen (Satz 2 der Vorschrift). Bedeutsam ist diese Form des Besitzschutzes, sofern der Anspruchsteller lediglich über ein schuldrechtliches Besitzrecht – etwa als Mieter, Pächter oder Leasingnehmer – verfügt. Dem Besitzer wird – obwohl ihm an der Sache kein dingliches Recht zusteht – durch den Abwehranspruch ein dem § 1004 BGB entsprechender Schutz gegen von außen kommende Störungen seiner Sachherrschaft gewährt (BGH 16. Januar 2015 – V ZR 110/14 – Rn. 5 mwN).
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b) Eine Besitzstörung liegt vor, wenn der Besitzer einer Sache an der Ausübung seiner Herrschaft über diese in einzelnen Beziehungen gehindert wird (vgl. BGH 23. November 2007 – LwZR 5/07 – Rn. 12). Die Störung kann auch den unmittelbaren Grundstücksbesitz betreffen (vgl. zB BGH 4. Juli 2014 – V ZR 229/13 – Rn. 13 mwN). Juristische Personen sind Schuldner eines Besitzschutzanspruchs nach § 862 Abs. 1 BGB, wenn ihre Organe oder Vertreter verbotene Eigenmacht verüben (Staudinger/Gutzeit [2018] § 858 Rn. 10). Entsprechendes gilt für rechtsfähige Personenvereinigungen (vgl. zur Verschuldenszurechnung bei einer Gewerkschaft BAG 26. Juli 2016 – 1 AZR 160/14 – Rn. 57 ff., BAGE 155, 347).
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c) Verbotene Eigenmacht iSv. § 858 Abs. 1 BGB ist gegeben, wenn die Entziehung oder Störung des Besitzes ohne den Willen des Besitzers erfolgt und nicht durch das Gesetz gestattet ist. Damit erfüllt jede gesetzlich nicht gestattete Handlung, die den unmittelbaren Besitzer ohne seinen Willen in der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Sache beeinträchtigt, die Voraussetzungen einer verbotenen Eigenmacht (vgl. Staudinger/Gutzeit [2018] § 858 Rn. 4).
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d) Die vom Unterlassungsbegehren umfassten gewerkschaftlichen Maßnahmen stellen keine Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht iSv. § 858 Abs. 1 BGB dar. Sie sind nach den richterrechtlichen Grundsätzen des Arbeitskampfrechts gestattet.
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aa) Das Arbeitskampfrecht ist weitgehend richterrechtlich – auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG – geprägt. Da seine richterrechtliche Ausgestaltung dem einfachen Gesetzesrecht entspricht (vgl. BVerfG 10. September 2004 – 1 BvR 1191/03 – zu B II 1 der Gründe), kann sich hieraus eine gesetzliche Gestattung iSv. § 858 Abs. 1 BGB ergeben. Entgegen der Ansicht der Revision, steht § 863 BGB dem bereits deshalb nicht entgegen, weil der Anwendungsbereich dieser Norm nicht betroffen ist. Bei einer Besitzbeeinträchtigung des Arbeitgebers durch gewerkschaftlich getragene Streikmaßnahmen kommt es nicht darauf an, ob die Gewerkschaft berechtigte Einwendungen zur Vornahme der störenden Handlungen geltend machen kann, sondern ob der Tatbestand der Besitzstörung durch verbotene Eigenmacht überhaupt erfüllt ist (ebenso Klein AuR 2018, 216; vgl. grds. auch Kemper in v. Mangoldt/Klein/Starck GG 7. Aufl. Art. 9 Abs. 3 Rn. 106). Beeinträchtigen gewerkschaftliche Streikmaßnahmen den Besitz des Arbeitgebers, kollidieren seine ua. durch §§ 858, 862 BGB ausgeformten grundrechtlichen Gewährleistungen mit den Grundrechtspositionen auf Gewerkschaftsseite. Die Gerichte für Arbeitssachen sind im Hinblick auf ihre in Art. 1 Abs. 3 GG angeordnete Grundrechtsbindung gehalten, bei der Auslegung und Anwendung zivilrechtlicher Normen – mithin auch bei §§ 858, 862 BGB – diese kollidierenden Grundrechtspositionen in ihrer Wechselwirkung zu erfassen und nach dem Grundsatz der praktischen Konkordanz so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG 11. April 2018 – 1 BvR 3080/09 – Rn. 32; BAG 20. November 2012 – 1 AZR 611/11 – Rn. 51 mwN, BAGE 144, 1). Der unter Rücksichtnahme auf kollidierende Verfassungswerte notwendig werdende Ausgleich kann in der Regel nicht generell, sondern nur im Einzelfall durch Güterabwägung vorgenommen werden. Er betrifft nicht den gesamten Bereich der jeweiligen verfassungsrechtlichen Gewährleistungen, sondern ist auf den Ausgleich der konkreten Kollisionslage beschränkt (BAG 20. November 2012 – 1 AZR 611/11 – Rn. 52 f. mwN, aaO). Entsprechend lässt er sich regelmäßig weder formal noch situationsungebunden vornehmen.
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bb) Nach der hiernach gebotenen Güterabwägung begründen die streitbefangenen gewerkschaftlichen Maßnahmen keinen Besitzschutzanspruch der Klägerin nach §§ 858, 862 BGB.
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(1) Die Klägerin ist allerdings von diesen Aktionen in Rechtspositionen betroffen, die sich in verfassungsrechtlichen Gewährleistungen gründen.
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(a) Als unmittelbare Besitzerin des im Unterlassungsantrag bezeichneten Grundstücks steht ihr ein Hausrecht zu, welches auch ihre grundsätzliche Entscheidungsfreiheit über Zutrittsgewährungen zu dem von ihr vorgehaltenen Parkraum einschließt. Im Hausrecht drückt sich die Befugnis des Eigentümers oder Besitzers aus, mit der Sache prinzipiell nach Belieben zu verfahren und andere von der Einwirkung auszuschließen. Diese Befugnis resultiert ihrerseits – ungeachtet einer einfach-rechtlichen Stellung als Eigentümer oder Besitzer – aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG (vgl. BVerfG 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07, 1 BvR 402/08, 1 BvR 906/08 – Rn. 91, BVerfGE 121, 317; BAG 22. Juni 2010 – 1 AZR 179/09 – Rn. 32, BAGE 135, 1; 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – Rn. 57 mwN, BAGE 132, 140; 28. Februar 2006 – 1 AZR 460/04 – Rn. 41, BAGE 117, 137; BGH 9. März 2012 – V ZR 115/11 – Rn. 8 mwN). Soweit die Klägerin daneben auf eine Betroffenheit ihrer von Art. 13 GG umfassten Belange abhebt, umfasst der Schutzbereich dieser verfassungsrechtlichen Gewährleistung für die im Streit stehenden Aktionen jedenfalls nichts Weitergehendes als das auf Art. 14 GG fußende Hausrecht (vgl. – auf Art. 13 GG beim Hausrecht des Arbeitgebers Bezug nehmend – BAG 22. Juni 2010 – 1 AZR 179/09 – Rn. 32, aaO; 28. Februar 2006 – 1 AZR 460/04 – Rn. 41, aaO; allg. Dudenbostel Hausrecht, Leitungsmacht und Teilnahmebefugnis in der Betriebsversammlung Diss. 1978 S. 65 f.). Gegenteiliges bringt auch die Klägerin nicht vor.
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(b) Die vom Unterlassungsantrag erfassten Aktionen der Beklagten zielen darauf ab, arbeitswillige Arbeitnehmer zur Teilnahme an einem Streik, zu dem sie aufgerufen hat, zu motivieren und damit – mittels Druckausübung durch Arbeitsniederlegung – den Betriebsablauf zu stören. Hat die Beklagte damit Erfolg, kann dies die Klägerin in ihrer Berufsfreiheit in Gestalt der unternehmerischen Handlungsfreiheit behindern. Das betrifft einen von Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Belang, welcher – iVm. Art. 2 Abs. 1 GG – die berufliche und wirtschaftliche Betätigungsfreiheit des Arbeitgebers umfasst (vgl. dazu BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 35).
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(c) Anders als die Klägerin meint, beeinträchtigen die gewerkschaftlichen Maßnahmen aber nicht ihre durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete negative Koalitionsfreiheit. Der Streik, in dessen Zusammenhang die zu untersagenden gewerkschaftlichen Aktionen stattfanden, war weder von dem Ziel getragen, sie zu einem Verbandsbeitritt zu bewegen (zur Unzulässigkeit eines solchen Streikziels vgl. BAG 10. Dezember 2002 – 1 AZR 96/02 – zu B I 3 b bb der Gründe, BAGE 104, 155), noch folgt ein dahingehender Zwang aus der Forderung der Beklagten, mit ihr einen Haustarifvertrag zu schließen. Wie die dem einzelnen Arbeitgeber in § 2 Abs. 1 TVG verliehene Tariffähigkeit verdeutlicht, geht der Gesetzgeber im Verhältnis zwischen Gewerkschaft und einzelnen Arbeitgebern zumindest grundsätzlich von einem Verhandlungs- und Kampfgleichgewicht aus. Könnte ein Tarifvertrag gegenüber einem einzelnen Arbeitgeber nicht erforderlichenfalls auch durch einen Streik erzwungen werden, würde § 2 Abs. 1 TVG seinen Zweck, auf jeden Fall auf Arbeitgeberseite die Existenz eines Tarifpartners sicherzustellen, nur unvollständig erfüllen (vgl. BAG 10. Dezember 2002 – 1 AZR 96/02 – zu B I 1 a aa der Gründe, aaO).
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(d) Auch die von der Klägerin angeführte negative Koalitionsfreiheit der arbeitswilligen Arbeitnehmer ist vorliegend nicht berührt. Ungeachtet dessen, dass die Klägerin nicht Trägerin dieses Grundrechts ist, geht es bei den streitbefangenen Aktionen nicht um die Erzwingung der Mitgliedschaft von Arbeitnehmern bei ver.di.
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(2) Demgegenüber steht das aus Art. 9 Abs. 3 GG folgende Recht der Beklagten, ihre Mitglieder – aber auch Nichtorganisierte – zur Arbeitsniederlegung aufzurufen, um die Klägerin zu Verhandlungen und zum Abschluss eines deren Arbeitsbedingungen regelnden Tarifvertrags zu bewegen. Das schließt das Recht ein, die zum Streik aufgerufenen arbeitswilligen Arbeitnehmer anzusprechen und zu versuchen, sie auf diesem Wege für eine Streikteilnahme zu motivieren.
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(a) Das Grundrecht aus Art. 9 Abs. 3 GG ist in erster Linie ein Freiheitsrecht auf spezifisch koalitionsgemäße Betätigung. Es gewährleistet dem Einzelnen die Freiheit, Vereinigungen zur Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu bilden und diesen Zweck gemeinsam zu verfolgen. Soweit das Recht der Koalitionen selbst betroffen ist, die von Art. 9 Abs. 3 GG genannten Zwecke zu verfolgen, entscheiden sie im Rahmen ihrer Interessenwahrnehmung selbst über die einzusetzenden Mittel (BVerfG 12. Juni 2018 – 2 BvR 1738/12, 2 BvR 1395/13, 2 BvR 1068/14, 2 BvR 646/15 – Rn. 115 mwN). Zu den geschützten Mitteln zählen Arbeitskampfmaßnahmen, die auf den Abschluss von Tarifverträgen gerichtet sind. Sie unterfallen jedenfalls insoweit der Koalitionsfreiheit, als sie allgemein erforderlich sind, um eine funktionierende Tarifautonomie sicherzustellen. Der Arbeitskampf ist funktional auf die Tarifautonomie bezogen und insoweit grundrechtlich geschützt (BAG 20. November 2012 – 1 AZR 611/11 – Rn. 49 mwN, BAGE 144, 1).
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(b) Gewerkschaften ist eine wirkungsvolle Interessendurchsetzung nur möglich, wenn sie ihren Forderungen durch Streiks Nachdruck verleihen können. Hiervon umfasst ist der Versuch, Arbeitnehmer eines bestreikten Betriebs, die sich arbeitswillig zeigen, zur Teilnahme am Streik zu bewegen, sofern das mit Mitteln des gütlichen Zuredens und des Appells an die Solidarität erfolgt (BAG 21. Juni 1988 – 1 AZR 651/86 – zu A II 2 der Gründe, BAGE 58, 364; vgl. bereits BAG 29. März 1957 – 1 AZR 547/55 – zu 2 der Gründe, BAGE 4, 41 mit zust. Anm. Schnorr von Carolsfeld AP GG Art. 9 Arbeitskampf Nr. 5; ebenso Kissel Arbeitskampfrecht § 35 Rn. 33; Melot de Beauregard Tarif- und Arbeitskampfrecht für die Praxis Rn. 473; Seiter Streikrecht und Aussperrungsrecht S. 520 f.; Otto Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 12 Rn. 5; weitergehend Wolter/Schubert/Rödl in Däubler Arbeitskampfrecht 4. Aufl. § 16 Rn. 45; ebenso Klein AuR 2018, 216). Derartige Aktivitäten sind typische (Otto Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 12 Rn. 2), akzessorische (Treber Aktiv produktionsbehindernde Maßnahmen Diss. 1996 S. 108) und unmittelbar dem Streiksinn dienende (BAG 20. Dezember 1963 – 1 AZR 157/63 – zu I der Gründe, BAGE 15, 211) Handlungen. Sie sind Bestandteil des Streiks als Kampfmittel.
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(3) Die auf die widerstreitenden verfassungsrechtlichen Gewährleistungen bezogene Abwägung ergibt, dass die Klägerin die Maßnahmen der Beklagten hinzunehmen hat.
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(a) Die Beklagte hat die streikmobilisierenden Aktionen auf die Dauer der ihrerseits kurzzeitigen Streikmaßnahmen begrenzt. Auch hat sie nicht großräumig im Besitz der Klägerin befindliche Flächen genutzt, sondern lediglich den Eingangsbereich zum ohnehin gesondert zugangsgesicherten Betriebsgebäude. Es erfolgte damit eine zeitlich und örtlich beschränkte, situative Inanspruchnahme geringer Flächen des Firmenparkplatzes im Bereich des Haupteingangs für die Arbeitnehmer im Zusammenhang mit kurzzeitigen Arbeitsniederlegungen, um die Klägerin überhaupt zur Aufnahme von Verhandlungen zu bewegen. Der Firmenparkplatz wurde seiner gewidmeten Nutzung dadurch nicht entzogen oder in dieser beschränkt. Weder wurden Parkmöglichkeiten signifikant verengt, noch wurden Mitarbeiter – faktisch – davon abgehalten, ihre Kraftfahrzeuge zu parken. Ebenso behinderten die Aktionen nicht den Zugang zum Personaleingang oder die Ein- und Zufahrt zum und vom Parkplatz. Die bloße, solchen Aktionen innewohnende Exzessgefahr, die sich vorliegend nicht – auch nicht in der kurzzeitigen Verdeckung einer Außenkamera – verwirklicht hat, bedingt keine grundsätzlich andere Beurteilung.
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(b) Zwar hat die Klägerin ein berechtigtes Interesse, der Beklagten als ihrer Arbeitskampfgegnerin in einem laufenden Arbeitskampf keine Teilfläche des Firmenparkplatzes zu überlassen, damit diese Arbeitnehmer dort für den Streik mobilisiert und dadurch die gegen sie – die Klägerin – gerichtete Kampfkraft stärkt. Allerdings liefe ohne eine solche zeitlich, örtlich und situativ begrenzte Mitwirkung das Recht der beklagten Gewerkschaft leer, ihren Forderungen, die der Interessenwahrnehmung der strukturell unterlegenen Arbeitnehmerseite dienen, durch Streik Nachdruck zu verleihen und ein Verhandlungsgleichgewicht mit der Klägerin herzustellen, um diese zur Aufnahme von Tarifvertragsverhandlungen zu bewegen. Das von Art. 9 Abs. 3 GG umfasste Recht, mit Arbeitswilligen zu kommunizieren und sie zu einer Streikteilnahme überreden zu dürfen, wäre bei der erstrebten Nutzungsuntersagung in Anbetracht der besonderen Lage des Betriebsgeländes faktisch aufgehoben. Die Beklagte hat keine sonstigen realistischen Möglichkeiten zur Beeinflussung Arbeitswilliger (vgl. zu diesem Aspekt ErfK/Linsenmaier 18. Aufl. GG Art. 9 Rn. 177). Das geben die Fallumstände vor.
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(aa) Angesichts der konkreten örtlichen Verhältnisse ist ein gewerkschaftlich-kommunikatives Einwirken auf die zur Arbeit erscheinenden, arbeitswilligen Arbeitnehmer ausschließlich im Bereich des zentralen Personaleingangs unter Inanspruchnahme des Mitarbeiterparkplatzes möglich. Der Eingang ist nur vom Parkplatz aus zugänglich. Er grenzt nicht unmittelbar an einen öffentlichen, nicht im Besitz der Klägerin stehenden Weg. Die Mehrzahl der Arbeitnehmer fährt mit dem Pkw zu dem außerörtlich gelegenen Betriebsgelände der Klägerin. Die Beklagte ist darauf angewiesen, vor dem Personaleingang mit den Arbeitnehmern – vor allem auch den vom Streikaufruf umfassten Nichtorganisierten – persönlich zu kommunizieren und den Versuch zu unternehmen, auf deren Streikbeteiligung hinzuwirken.
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(bb) Alternativen stehen ihr nicht zur Verfügung.
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(aaa) Sie kann die Arbeitnehmer nicht außerhalb des Betriebsgeländes erreichen. Das hat das Landesarbeitsgericht – bei einer zu Gunsten der Klägerin unterstellten Möglichkeit der Beklagten, eine öffentlich-rechtliche Erlaubnis zur Nutzung der öffentlichen Straßenwege für die Streikmobilisierung zu erlangen – zutreffend erkannt. In der konkreten Situation der Anfahrt zum Firmenparkplatz wären selbst grundsätzlich gesprächsbereite Mitarbeiter nicht geneigt, sich auf einen Kommunikationsversuch einzulassen, zumal die Einfahrt in das Parkplatzgelände dann auch – und sei es durch anhaltende Fahrzeuge – behindert wäre. Ebenso wäre wegen der nachfolgenden Verkehrsteilnehmer eine Gesprächseröffnung an dieser Stelle nicht möglich. Anders als die Revision meint, geht es dabei nicht um die Frage, ob die beklagte Gewerkschaft ihre Rechte möglichst effektiv ausüben, sondern ob sie diese überhaupt wahrnehmen kann. Die grundrechtlich geschützte Befugnis, durch Überzeugungsversuche auf Streikunwillige einzuwirken, erschöpft sich nicht in der bloßen Bekanntgabe, dass gestreikt wird, oder in einer plakativen Aufforderung, sich dem Streik anzuschließen. Sie umfasst die persönliche Ansprache aller zum Streik Aufgerufenen und Versuche, diese im Dialog zur Streikteilnahme zu bewegen (zum Gesprächsaspekt vgl. Otto Arbeitskampf- und Schlichtungsrecht § 12 Rn. 5). Aus diesem Grund ist nicht entscheidend, ob die von der Revision erhobene Verfahrensrüge gegen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zur Breite des Gehwegs an der Zufahrtsstraße zum Parkplatzgelände zulässig und begründet ist. Die zur Arbeit kommenden Arbeitnehmer passieren diese Stelle mit dem Pkw und können – anders als vor dem Eingang zum Betriebsgebäude – dort nicht unmittelbar angesprochen werden.
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(bbb) Entsprechendes gilt für die anderen von der Klägerin angeführten Möglichkeiten.
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(aaaa) Soweit sie auf eine streikfördernde Kommunikation durch gewerkschaftliche Vertrauensleute innerhalb des Betriebs verweist, erschließt sich nicht, inwieweit davon nicht ebenso ihrem Hausrecht und ihrer unternehmerischen Betätigungsfreiheit unterliegende Rechtspositionen – und dann im Zweifel sogar noch stärker – betroffen wären. Auch die Inanspruchnahme über Mobilfunk verfügbarer Kurznachrichtendienste steht der Möglichkeit, in einem persönlichen Gespräch arbeitswillige Arbeitnehmer argumentativ von einer Streikteilnahme zu überzeugen, nicht gleich. Die grundrechtlich geschützte Rechtsposition der Beklagten beschränkt sich nicht auf die bloße Information über den Streik oder auf dessen Koordination. Sie umfasst das Recht der Beklagten zu versuchen, nicht streikbereite Arbeitnehmer – einschließlich der zum Streik aufgerufenen Nichtorganisierten – zu einer Streikbeteiligung zu bewegen. Insofern ist die Beklagte auf einen zeitlich-situativen Kontext zum Arbeitsantritt angewiesen.
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(bbbb) Die Beklagte kann – anders als die Klägerin meint – nicht auf die Berichterstattung über den von ihr getragenen Streik in den Medien verwiesen werden. Diese betrifft die Information der Öffentlichkeit über den Streik und nicht die Überzeugung der zum Streik aufgerufenen Arbeitnehmer. Ebenso wenig verfängt die von der Klägerin vorgebrachte – bei Streikmaßnahmen gegen andere Unternehmen seitens der Beklagten wahrgenommene – Möglichkeit der Anmietung einer betriebsexternen Räumlichkeit während des Streiks als Kommunikationsort. Abgesehen davon, dass dies unter Berücksichtigung der am Standort P gegebenen örtlichen Gegebenheiten keine Ausweichmöglichkeit belegt, umfasst der Schutzbereich der gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit im Fall eines Streikaufrufs die kommunikative Ansprache arbeitswilliger Arbeitnehmer und nicht lediglich die Kommunikation mit ohnehin Streikbereiten.
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(cccc) Entgegen der Ansicht der Klägerin kann der Beklagten zudem nicht entgegengehalten werden, dass sie ihr Zugangsrecht zum Betrieb zum Zwecke der Mitgliederwerbung – als richterrechtlich aus Art. 9 Abs. 3 GG entwickelten Rechtsanspruch (dazu zB BAG 28. Februar 2006 – 1 AZR 460/04 – BAGE 117, 137) – bereits (aus Sicht der Revision „über Gebühr“) beansprucht hat. Dies betrifft einen anderen Aspekt der Gewährleistung koalitionsspezifischer Betätigung. Mitgliederwerbung dient nicht der Streikmobilisierung.
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(4) Im Ergebnis ist damit nicht jegliche Streikmobilisierung seitens der Beklagten auf dem Firmenparkplatz der Klägerin gestattet. Deren grundrechtlich geschützte Positionen stünden zeitlich, räumlich oder situativ entgrenzten Inanspruchnahmen von Flächen entgegen. Um solche handelt es sich hier jedoch nicht.
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(5) Das vorliegende Abwägungsergebnis steht auch mit der bisherigen Rechtsprechung des Senats im Einklang.
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(a) In seiner Entscheidung zum Unterlassen eines Streikaufrufs unter Nutzung des betrieblichen Intranets (BAG 15. Oktober 2013 – 1 ABR 31/12 – BAGE 146, 189) hat der Senat als entscheidungserhebliches Moment in die Abwägung eingestellt, dass die betriebsangehörigen Mitglieder der streikführenden Gewerkschaft zur Wahrnehmung deren aus Art. 9 Abs. 3 GG folgenden Freiheitsrechts nicht auf die Nutzung der arbeitgeberseitig zur Verfügung gestellten betrieblichen Kommunikationsinfrastruktur angewiesen waren (BAG 15. Oktober 2013 – 1 ABR 31/12 – Rn. 37, aaO). Das verkennt die Klägerin, indem sie ihre Rechtsansicht eines uneingeschränkten Nutzungsverbots von jeglichen im Besitz des Arbeitgebers stehenden betrieblichen Flächen sowie bei jeglichen Streikmobilisierungsversuchen vornehmlich auf dieses Urteil stützt.
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(b) Auch aus der Entscheidung zur grundsätzlichen Zulässigkeit von streikbegleitenden sog. Flashmob-Aktionen (BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – BAGE 132, 140) folgt nichts Gegenteiliges. Der Senat hat in dieser Entscheidung ausgeführt, dass das auf Eigentum und Besitz beruhende Hausrecht der durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten gewerkschaftlichen Betätigungsfreiheit nicht grundsätzlich weichen muss. Er hat dahinstehen lassen, ob ein privater Hausrechtsinhaber gehalten ist, sein Hausrecht „grundrechtsfreundlich“ auszuüben. Jedenfalls muss der Inhaber eines Betriebs die Inanspruchnahme seines Besitztums zum Zwecke der Herbeiführung unmittelbarer Betriebsablaufstörungen auch im Arbeitskampf nicht dulden (BAG 22. September 2009 – 1 AZR 972/08 – Rn. 57, aaO). Die Ausführungen des Senats beziehen sich auf eine potentielle Verteidigungsmöglichkeit des Arbeitgebers gegen den Flashmob als gewerkschaftlich eingesetztes Kampfmittel als solches. Dies verkennt die Klägerin. In den vom hier streitbefangenen Unterlassungsantrag erfassten Maßnahmen liegt kein eigenständiges Kampfmittel; es handelt sich vielmehr um Mobilisierungsaktionen, die immanenter Bestandteil des Kampfmittels Streik sind, zu dem die Beklagte aufgerufen hat. Dass aber die Beklagte zum Streikaufruf berechtigt war, um Verhandlungsdruck auf die Klägerin auszuüben, stellt auch die Revision nicht in Abrede.
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(6) Anderes folgt schließlich nicht aus dem Hinweis der Revision auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Februar 2011 (- 1 BvR 699/06 – BVerfGE 128, 226) und vom 18. Juli 2015 (- 1 BvQ 25/15 -) sowie auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. März 2012 (- V ZR 115/11 -).
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(a) Zwar hat der Bundesgerichtshof in letztgenannter Entscheidung eine Einschränkung des dem Besitzer oder Eigentümer zustehenden Hausrechts im Hinblick auf die zivilrechtlichen Regelungen des AGG verneint. Er hat aber die Berechtigung des bei ihm streitbefangenen Hausverbots ebenso anhand einer Abwägung der über die zivilrechtlichen Generalklauseln der §§ 138, 242 BGB mittelbar in das Zivilrecht wirkenden Grundrechtspositionen der Streitparteien überprüft.
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(b) In den erstgenannten bundesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen ist ua. näher begründet, dass die in Art. 8 Abs. 1 GG verbürgte Versammlungsfreiheit kein Zutrittsrecht zu beliebigen Orten verschafft und insbesondere nicht zu solchen, die der Öffentlichkeit nicht allgemein zugänglich sind oder zu denen schon den äußeren Umständen nach nur zu bestimmten Zwecken Zugang gewährt wird. Dieses in die Prüfung der Reichweite der Versammlungsfreiheit einzustellende Moment gibt für die im vorliegenden Fall gebotene Abwägung nichts vor. Die Beklagte kann die zum Streik aufgerufenen, arbeitswilligen Arbeitnehmer nicht an einem beliebigen Ort ansprechen. Sie erreicht sie vielmehr nur in räumlicher Nähe ihres Arbeitsorts.
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2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein deliktischer Unterlassungsanspruch entsprechend § 1004 Abs. 1 Satz 2, § 823 Abs. 1 BGB unter dem Gesichtspunkt eines Eingriffs in ihren eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zu.
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a) Nach § 1004 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer vom Störer die Beseitigung und weitere Unterlassung der Beeinträchtigung verlangen, wenn das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt wird. Diese Ansprüche sind nicht auf Eigentumsverletzungen beschränkt, sondern bestehen darüber hinaus zur Abwehr von Eingriffen in alle nach § 823 Abs. 1 BGB geschützten Rechte, Lebensgüter und Interessen (BAG 17. Mai 2011 – 1 AZR 473/09 – Rn. 39, BAGE 138, 68). Entsprechend § 1004 BGB ist demnach auch das absolute Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb geschützt (vgl. Palandt/Herrler 77. Aufl. § 1004 Rn. 4).
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b) Eine Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb durch die streitbefangenen Aktionen unterstellt, wäre ein solcher Eingriff nicht rechtswidrig.
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aa) Anders als bei einer Verletzung der in § 823 Abs. 1 BGB ausdrücklich aufgezählten absoluten Rechte wird die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nicht bereits durch die Verletzungshandlung als solche indiziert, sondern ist im Wege einer Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall zu beurteilen (st. Rspr., vgl. nur BGH 21. April 1998 – VI ZR 196/97 – zu II 3 b aa der Gründe, BGHZ 138, 311). Das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb stellt einen offenen Tatbestand dar, dessen Inhalt und Grenzen sich erst aus einer Abwägung mit den im Einzelfall konkret kollidierenden Interessen anderer ergeben. Bei der Abwägung sind die betroffenen Grundrechte interpretationsleitend zu berücksichtigen. Der Eingriff in den Schutzbereich des jeweiligen Rechts ist nur dann rechtswidrig, wenn das Interesse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt (zuletzt BGH 10. April 2018 – VI ZR 396/16 – Rn. 19 mwN).
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bb) Die Klägerin hat unter Umständen wie denen der Anlassfälle mögliche Rechtsbeeinträchtigungen hinzunehmen. Sie sind durch die verfassungsrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit der beklagten Gewerkschaft gerechtfertigt und deshalb nach Maßgabe von § 1004 Abs. 2, § 823 Abs. 1 BGB von der Klägerin zu dulden. Insoweit greift keine andere als die den Besitzschutzanspruch betreffende Abwägung der beiderseitigen Grundrechtspositionen im Wege der praktischen Konkordanz.
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IV. Der ersichtlich nur für den Fall des Obsiegens mit dem Unterlassungsantrag erhobene Antrag auf Ordnungsmittelandrohung fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
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Schmidt |
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Ahrendt |
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K. Schmidt |
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Wankel |
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Fritz |