10 AZB 18/22

Elektronischer Rechtsverkehr - Verbandssyndikusrechtsanwalt - aktive Nutzungspflicht

Details

  • Aktenzeichen

    10 AZB 18/22

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2023:230523.B.10AZB18.22.0

  • Art

    Beschluss

  • Datum

    23.05.2023

  • Senat

    10. Senat

Tenor

1. Die Revisionsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 27. September 2022 – 10 Sa 229/22 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revisionsbeschwerde zu tragen.

3. Der Wert des Revisionsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.417,40 Euro festgesetzt.

Leitsatz

Ein Syndikusrechtsanwalt, der für einen Verband nach den Bestimmungen des ArbGG und der BRAO erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt, ist berechtigt und verpflichtet, den elektronischen Rechtsverkehr aktiv zu nutzen, wenn er gegenüber einem Gericht tätig wird und beispielsweise ein Rechtsmittel einlegt.

Entscheidungsgründe

1

I. Die Parteien streiten über Provisionsansprüche aus einem beendeten Arbeitsverhältnis.

2

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Urteil ist der Beklagten am 28. Januar 2022 zugestellt worden. Mit einem beim Landesarbeitsgericht am 24. Februar 2022 vorab per Telefax und später im Original eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten hat die Beklagte gegen das arbeitsgerichtliche Urteil Berufung eingelegt. Die Berufungsschrift war dabei wie folgt unterzeichnet:

        

„Arbeitgeberverband

        

Emscher-Lippe e.V.

        

– handschriftliche Unterschrift –

        

M       

        

Syndikusrechtsanwalt

        

Fachanwalt für Arbeitsrecht“

3

Eine Übermittlung der Berufungsschrift unter Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs (ERV) ist nicht erfolgt.

4

Nachdem die Beklagte die Berufung mit vorab per Telefax und sodann im Original übermittelten Schriftsatz vom 28. April 2022 begründet hatte, hat der Kläger mit Schriftsätzen vom 4. Mai 2022 und 15. Juni 2022 im Hinblick auf eine fehlende Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) die Zulässigkeit der Berufung gerügt.

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Das Landesarbeitsgericht hat die Parteien unter dem 12. Mai 2022 darauf hingewiesen, dass derzeit umstritten sei, ob für Rechtsanwälte, die als Vertreter des Verbands aufträten, eine aktive Nutzungspflicht/ein aktives Nutzungsrecht des beA bestehe. Unter dem 30. August 2022 hat das Landesarbeitsgericht mitgeteilt, es beabsichtige, durch Beschluss über die Zulässigkeit der Berufung zu entscheiden, und neige der Rechtsauffassung zu, dass eine ERV-Nutzungspflicht für den Syndikusrechtsanwalt bestehe. Den Parteien ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

6

Mit Beschluss vom 27. September 2022 hat das Landesarbeitsgericht die Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revisionsbeschwerde will die Beklagte erreichen, dass der Verwerfungsbeschluss aufgehoben und das Berufungsverfahren fortgesetzt wird.

7

II. Die zulässige Revisionsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht als unzulässig verworfen. Der für den prozessvertretenden Arbeitgeberverband handelnde Syndikusrechtsanwalt (im Folgenden Verbandssyndikusrechtsanwalt) konnte die Berufung formwirksam nur unter Nutzung des ERV einlegen. Die Berufungseinlegung per Telefax und im Original entsprach nicht den gesetzlichen Formerfordernissen.

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1. Die Revisionsbeschwerde ist zulässig. Mit der am 25. Oktober 2022 aus dem beA des Verbandssyndikusrechtsanwalts übersandten und am 26. Oktober 2022 im Original bei Gericht eingereichten Beschwerdeschrift, mit der die Beschwerde zugleich begründet wurde, hat die Beklagte die Anforderungen des § 77 Satz 4 ArbGG iVm. § 575 ZPO erfüllt. Dies gilt – was hier noch offenbleiben kann – unabhängig davon, ob der Verbandssyndikusrechtsanwalt das Recht hat und ggf. der Pflicht unterliegt, mit den Gerichten unter Nutzung des ERV zu kommunizieren. Denn die Einreichung des Schriftsatzes im Original entspricht den Vorgaben des § 77 Satz 4 ArbGG iVm. § 575 Abs. 4 Satz 1, § 130 ZPO und die Übermittlung der Beschwerdeschrift als elektronisches Dokument aus dem beA des Verbandssyndikusrechtsanwalts wahrt die gesetzlichen Anforderungen an die Übermittlung vorbereitender Schriftsätze. Dabei kann wegen Identität der Vorgaben dahinstehen, ob sich diese aus den über § 77 Satz 4 ArbGG anwendbaren §§ 130a ff. ZPO ergeben (vgl. BAG 11. September 2019 – 2 AZM 18/19 – Rn. 2; BeckOK ArbR/Klose Stand 1. März 2023 ArbGG § 77 Rn. 3; HWK/Klug 10. Aufl. § 77 ArbGG Rn. 5; ErfK/Koch 23. Aufl. ArbGG § 77 Rn. 3; GMP/Müller-Glöge 10. Aufl. § 77 Rn. 11 f.; Helml/Pessinger/Pessinger ArbGG 5. Aufl. § 77 Rn. 13 ff. – teilweise noch zum Rechtsstand vor der Änderung des ArbGG mit Wirkung vom 12. Oktober 2021 durch Art. 7 des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021, BGBl. I S. 4607) oder über die Verweisung in § 77 Satz 2 ArbGG auf § 72 Abs. 2 und § 72a ArbGG aus §§ 46c ff. ArbGG (Schwab/Weth/Ulrich 6. Aufl. ArbGG § 77 Rn. 14a).

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2. Die Revisionsbeschwerde ist jedoch unbegründet. Die Berufung der Beklagten ist unzulässig. Die Einlegung durch einen im Original und vorab per Telefax übermittelten Schriftsatz genügt nicht den gesetzlichen Anforderungen der § 64 Abs. 7 iVm. §§ 46g, 46c ArbGG. Die Berufung konnte durch den Verbandssyndikusrechtsanwalt formgerecht nur im Weg der Nutzung des ERV nach § 46c Abs. 3 und Abs. 4 ArbGG iVm. den Bestimmungen der ERVV eingelegt und begründet werden (insoweit missverständlich ausschließlich auf die Übermittlung aus einem beA abstellend das Berufungsgericht zu B II der Gründe).

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a) § 46g Satz 1 ArbGG bestimmt, dass vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln sind. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers soll diese Vorgabe nicht nur für das Erkenntnisverfahren, sondern umfassend für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO und dem ArbGG gelten (BT-Drs. 17/12634 S. 37 iVm. S. 28). Gleiches gilt nach § 46g Satz 2 ArbGG für die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht.

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b) Die Vorschrift ist am 1. Januar 2022 in Kraft getreten (Art. 26 Abs. 7 des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, BGBl. I S. 3786) und damit grundsätzlich auf ab diesem Zeitpunkt gegenüber den Gerichten abgegebene Erklärungen von Rechtsanwälten anwendbar. Die zwingende Einreichung von Erklärungen in der elektronischen Form nach § 46g ArbGG betrifft die Frage ihrer Zulässigkeit. Die Einhaltung der vorgeschriebenen Form ist deshalb von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH 24. November 2022 – IX ZB 11/22 – Rn. 7 mwN). Wird die vorgeschriebene Form nicht eingehalten, ist die Prozesserklärung unwirksam und führt zur Unzulässigkeit einer Klage oder eines Rechtsmittels (vgl. zur Unzulässigkeit einer Klage wegen Verstoßes gegen § 46c ArbGG BAG 25. August 2022 – 6 AZR 499/21 – Rn. 24 ff.; zu § 130a ZPO BAG 14. September 2020 – 5 AZB 23/20 – Rn. 8 ff., BAGE 172, 186; BT-Drs. 17/12634 S. 37 unter Verweisung auf die Ausführungen zu § 130d ZPO auf S. 27).

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c) Umstritten ist jedoch, ob diese Verpflichtung, den ERV aktiv zu nutzen, auch für den Verbandssyndikusrechtsanwalt besteht.

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aa) Mit Blick auf die fehlende Unterscheidung in § 46g Satz 1 ArbGG und die grundsätzliche Geltung der Vorschriften über Rechtsanwälte für Syndikusrechtsanwälte nach § 46c Abs. 1 BRAO wird angenommen, auch Verbandssyndikusrechtsanwälte seien verpflichtet, den ERV zu nutzen (zB Heimann/Steidle NZA 2021, 521 ff.; Müller FA 2022, 62, 64 f.; Biallaß in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 2 Stand 14. April 2023 § 130d ZPO Rn. 9 f.; Nier jurisPR-ArbR 46/2022 Anm. 1).

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bb) Demgegenüber wird eingewandt, die Eingabe eines Verbandssyndikusrechtsanwalts sei weder eine solche durch einen Rechtsanwalt iSv. § 46g Satz 1 ArbGG noch handle der Verbandssyndikusrechtsanwalt als vertretungsberechtigte Person iSv. § 46g Satz 2 ArbGG. Denn nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5, Satz 3 ArbGG sei Prozessbevollmächtigter der Verband, der durch seine Organe und die mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter, darunter der Verbandssyndikusrechtsanwalt, tätig werde. Daher unterlägen Syndikusrechtsanwälte – soweit sie überhaupt dazu berechtigt seien – in der Tätigkeit für den Verband nicht der Pflicht, mit den Gerichten unter Nutzung des ERV zu kommunizieren (Schrade/Elking NZA 2021, 1675, 1676; Elking NZA 2022, 1009, 1012; iE ebenso HWK/Tiedemann 10. Aufl. ArbGG § 46c Rn. 41; Tiedemann jurisPR-ArbR 19/2022 Anm. 9).

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cc) Nach einer vermittelnden Meinung könnten Verbandssyndikusrechtsanwälte über die Verweisung in § 46c Abs. 1 BRAO grundsätzlich die prozessuale Stellung von Rechtsanwälten erlangen. Hierfür sei es aber erforderlich, dass der Syndikusrechtsanwalt als solcher nach außen auftrete (Pulz NZA 2018, 14, 16 f.; Natter in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 2 Stand 14. Februar 2023 § 46c ArbGG Rn. 61; Gädeke in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 3 Stand 24. März 2023 § 65d SGG Rn. 23; BeckOK SozR/Mink Stand 1. März 2023 SGG § 65d Rn. 3) oder dass der bevollmächtigte Verband im Rahmen seiner Satzung festlege, ob der beschäftigte Prozessvertreter das Mitgliedsunternehmen in seiner Rolle als Syndikusrechtsanwalt vertrete (Thöne RDi 2022, 97, 99 f.).

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d) Die Auslegung von § 46g ArbGG unter besonderer Berücksichtigung von § 46c ArbGG und § 46c Abs. 1 BRAO ergibt, dass ein Syndikusrechtsanwalt, der für einen Verband nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5, Satz 3 ArbGG erlaubte Rechtsdienstleistungen gegenüber den Verbandsmitgliedern erbringt (§ 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO), nach Satz 1 zur aktiven Nutzung des ERV nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet ist, wenn er gegenüber einem Gericht tätig wird und – wie im Streitfall – ein Rechtsmittel einlegt.

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aa) Eine solche Verpflichtung ergibt sich für Verbandssyndikusrechtsanwälte allerdings nicht aus § 46g Satz 2 ArbGG. Dieser Teil der Norm stellt auf die vertretungsberechtigten Personen selbst ab. Mit Blick auf die Konzeption in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5, Satz 3 ArbGG, wonach Prozessbevollmächtigter der Verband ist und dieser durch seine Organe und mit der Prozessführung beauftragten Vertreter handelt (vgl. BAG 7. November 2012 – 7 AZR 646/10 (A) – Rn. 8, BAGE 143, 256; GMP/Künzl 10. Aufl. § 11 Rn. 77; Schrade/Elking NZA 2021, 1675, 1676; Pulz NZA 2018, 14, 16), ist der vor den Gerichten für Arbeitssachen tätig werdende Verbandssyndikusrechtsanwalt keine vertretungsberechtigte Person iSv. § 46g Satz 2 ArbGG. Vielmehr ist es der Verband selbst, den diese Verpflichtung betrifft.

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bb) Die Nutzungspflicht ergibt sich aber aus § 46g Satz 1 ArbGG.

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(1) Schon der Wortlaut der Norm, der nicht zwischen Rechtsanwälten und (Verbands-)Syndikusrechtsanwälten differenziert, spricht für ein solches Verständnis (vgl. zu § 130d ZPO im Hinblick auf anwaltliche Insolvenzverwalter BGH 24. November 2022 – IX ZB 11/22 – Rn. 8). Dies deckt sich mit § 46c Abs. 1 BRAO, wonach für Syndikusrechtsanwälte grundsätzlich die Vorschriften über Rechtsanwälte gelten, sofern nicht gesetzlich etwas anderes bestimmt ist.

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Aus dem Wortlaut von § 46g Satz 1 ArbGG lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass sich die Pflicht, den ERV aktiv zu nutzen, nur unmittelbar auf Prozessbevollmächtigte bezieht. Während nämlich in § 46c Abs. 1 ArbGG von Schriftsätzen der Parteien die Rede ist und damit womöglich ein Vertretungsverhältnis beim Handeln eines Anwalts gegenüber dem Gericht vorausgesetzt wird, stellt § 46g ArbGG in seiner amtlichen Überschrift auf eine Nutzungspflicht für Rechtsanwälte und in seinem Satz 1 auf Schriftsätze, die durch einen Rechtsanwalt eingereicht werden, ab. Eine Beschränkung auf den Fall der Vertretung einer Partei durch den Rechtsanwalt ergibt sich aus § 46g Satz 1 ArbGG mithin nicht (vgl. zum anwaltlichen Insolvenzverwalter BGH 24. November 2022 – IX ZB 11/22 – Rn. 14). Dafür, dass es auf die bloße Rechtsstellung ankommt, spricht im Übrigen auch die Nennung von Rechtsanwälten in der Aufzählung mit Behörden und juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die beide nicht tatsächlich handeln können, sondern vertreten werden müssen.

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(2) Die Pflicht für Verbandssyndikusrechtsanwälte, den ERV aktiv zu nutzen, wird auch aus dem Gesamtzusammenhang der gesetzlichen Bestimmungen deutlich.

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(a) § 46g Satz 1 ArbGG sieht eine Nutzungspflicht für Rechtsanwälte, Behörden, juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie gebildete Zusammenschlüsse vor. Allen Genannten ist gemein, dass ihnen ein besonderer sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht: Dem zugelassenen Rechtsanwalt ist ein solcher mit dem beA nach § 31a BRAO eröffnet (§ 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ArbGG), Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts verfügen über das besondere Behördenpostfach (beBPo; § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 ArbGG; vgl. §§ 6 bis 9 ERVV). Auch § 46g Satz 2 ArbGG erstreckt in der bis zum 31. Dezember 2025 geltenden Fassung die Nutzungspflicht auf die nach dem ArbGG vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 46c Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 ArbGG zur Verfügung steht. Dies spricht dafür, dass es darum geht, eine Übermittlung als elektronisches Dokument immer dann zu verlangen, wenn ein sicherer Übermittlungsweg zur Verfügung steht, was bei einem zugelassenen Rechtsanwalt (vgl. § 31a BRAO) sowie einem zugelassenen Syndikusrechtsanwalt über das beA (§ 46c Abs. 5 iVm. § 31a Abs. 1, § 31 BRAO) – ungeachtet der jeweiligen prozessualen Rechtsstellung – jederzeit der Fall ist.

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(b) Aus der Bezugnahme in § 46g Satz 2 ArbGG auf die nach diesem Gesetz vertretungsberechtigten Personen und damit auf § 11 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ergibt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – nicht, dass für die Nutzungspflicht des (Syndikus-)Rechtsanwalts nach § 46g Satz 1 ArbGG entscheidend ist, ob er prozessual als Bevollmächtigter agiert oder „nur“ – wie im Streitfall – als mit der Prozessvertretung beauftragter Vertreter. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers handelt es sich bei § 46g ArbGG um eine Anpassung der Regelungen für die Arbeitsgerichtsbarkeit an § 130d ZPO (vgl. BT-Drs. 17/12634 S. 37 zu § 46f ArbGG-E; ebenso zu SGG, VwGO und FGO im Hinblick auf die nach diesen Prozessordnungen Vertretungsberechtigten BT-Drs. 17/12634 S. 37 f.). § 46g Satz 2 ArbGG erweitert den Kreis der Nutzungspflichtigen um die vertretungsberechtigten Personen, die nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG vertretungsbefugt sind. Aus der Erweiterung lässt sich daher nicht der Schluss ziehen, dass das § 130d Satz 1 ZPO zugrundeliegende und für § 46g Satz 1 ArbGG maßgebliche Verständnis, wonach die Vorgabe umfassend für alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO gelten soll (vgl. BT-Drs. 17/12634 S. 28) und es nicht auf ein Vertretungsverhältnis ankommt (sh. Rn. 20), einschränkend auszulegen ist. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass § 46g Satz 2 ArbGG in der hier maßgeblichen, vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2025 geltenden Fassung von „vertretungsberechtigten Personen“ und erst ab dem 1. Januar 2026 auch von „vertretungsberechtigten Bevollmächtigten“ spricht. Die Änderung beruht auf dem Umstand, dass die bevollmächtigten Verbände iSv. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG erst ab 1. Januar 2026 der aktiven Nutzungspflicht unterliegen (Art. 10 des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021, BGBl. I S. 4607, 4613). Von der bis zum 31. Dezember 2025 geltenden Fassung sind diese daher nicht erfasst.

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(c) Auch der gesetzessystematische Zusammenhang von § 46g ArbGG mit § 46c ArbGG spricht dafür, dass es für die Pflicht, den ERV aktiv zu nutzen, darauf ankommt, ob es sich bei der das elektronische Dokument einreichenden/übermittelnden Person um eine Person handelt, die kraft ihrer Rechtsstellung über ein besonderes Postfach (beA, beBPo) und damit einen sicheren Übermittlungsweg verfügt.

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(aa) Nach § 46c Abs. 1 ArbGG können vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen der Parteien sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter nach Maßgabe der folgenden Absätze als elektronisches Dokument eingereicht werden. Das elektronische Dokument muss für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet (§ 46c Abs. 2 ArbGG) und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg iSv. § 46c Abs. 4 ArbGG eingereicht werden (§ 46c Abs. 3 ArbGG).

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(bb) § 46c Abs. 3 ArbGG stellt hinsichtlich der erforderlichen qualifizierten elektronischen Signatur bzw. der Signatur und Übersendung auf einem sicheren Übermittlungsweg auf den tatsächlichen Einreicher/Übermittler des elektronischen Dokuments ab. Die einfache ebenso wie die qualifizierte Signatur sollen die Identifizierung des Urhebers der schriftlichen Prozesshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen (BT-Drs. 17/12634 S. 25; BAG 14. September 2020 – 5 AZB 23/20 – Rn. 19, BAGE 172, 186). Es geht darum, die Authentizität und Integrität der Daten zu gewährleisten (vgl. BAG 14. September 2020 – 5 AZB 23/20 – Rn. 16, aaO; 5. Juni 2020 – 10 AZN 53/20 – Rn. 18, BAGE 171, 28). Hiernach kommt es auf den zu identifizierenden Urheber der Prozesserklärung, nicht aber auf dessen prozessrechtliche Stellung an (vgl. LAG Hamm 3. Mai 2022 – 14 Sa 1381/21 – zu I 2 c dd der Gründe; ArbG Stuttgart 15. Dezember 2021 – 4 BV 139/21 – zu II 2 b cc (2) (a) der Gründe; zust. Tiedemann jurisPR-ArbR 19/2022 Anm. 9).

27

(cc) § 46g Satz 1 ArbGG knüpft nach seinem Wortlaut sowie seiner systematischen Stellung erkennbar an § 46c ArbGG an. Dies streitet dafür, dass es auch im Rahmen des § 46g Satz 1 ArbGG darauf ankommt, ob es sich bei dem zu identifizierenden Urheber der Prozesserklärung, also dem Einreicher/Übermittler des elektronischen Dokuments, um einen (zugelassenen) Rechtsanwalt, eine Behörde oder juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich gebildeter Zusammenschlüsse handelt. Eine abweichende Bewertung ergibt sich nicht daraus, dass in § 46c Abs. 1 ArbGG von Anträgen und Erklärungen „der Parteien“ die Rede ist, während § 46g Satz 1 ArbGG diese Einschränkung nicht beinhaltet. § 46c Abs. 1 ArbGG erlaubt erkennbar eine weitergehende Einreichung von Anträgen und Erklärungen der Parteien sowie Dokumenten und Erklärungen Dritter. Dies steht jedoch nicht der Bewertung entgegen, dass es hinsichtlich der Nutzungspflicht nach § 46g Satz 1 ArbGG darauf ankommt, wer Einreicher/Übermittler des elektronischen Dokuments ist.

28

(d) Für die Einbeziehung auch der Verbandssyndikusrechtsanwälte in den ERV sprechen zudem die entsprechenden Bestimmungen der BRAO, insbesondere § 46c BRAO (vgl. dazu Heimann/Steidle NZA 2021, 521, 523; Müller FA 2022, 62, 64 f.).

29

(aa) Nach § 46c Abs. 1 BRAO gelten die Vorschriften über Rechtsanwälte für Syndikusrechtsanwälte, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Die Norm sieht eine solche andere Bestimmung hinsichtlich der Nutzungspflicht des ERV für Verbandssyndikusrechtsanwälte jedoch nicht vor, obwohl der hier in Rede stehende Fall der Vertretung eines Verbands iSv. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG vor dem Landesarbeitsgericht durch einen Syndikusrechtsanwalt in § 46c Abs. 2 Nr. 2 BRAO ausdrücklich geregelt ist. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist nicht anzunehmen, dass in § 46g Satz 2 ArbGG eine andere gesetzliche Bestimmung iSv. § 46c Abs. 1 Halbs. 1 BRAO zu sehen ist. Zwar wird hier – wie ausgeführt (Rn. 17) – auf die vertretungsberechtigten Personen nach diesem Gesetz und damit auf § 11 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen. Aus diesem Umstand folgt aber nicht, dass für die Nutzungspflicht entscheidend ist, ob der auftretende Rechtsanwalt persönlich prozessbevollmächtigt ist oder die Prozessbevollmächtigung – wie im Streitfall – dem Verband erteilt ist.

30

(bb) Dieses Verständnis entspricht auch der Rechtsstellung des Syndikusrechtsanwalts nach der gesetzlichen Neuregelung.

31

(aaa) Der Syndikusrechtsanwalt hatte bis zur gesetzlichen Neugestaltung seiner Rechtsstellung durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Syndikusanwälte und zur Änderung der Finanzgerichtsordnung vom 21. Dezember 2015 (BGBl. I S. 2517, im Folgenden Syndikusrechtsanwältegesetz) mit Wirkung zum 1. Januar 2016 nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine Doppelstellung inne (vgl. grundlegend: BGH 7. November 1960 – AnwZ (B) 4/60 – zu II 3 der Gründe, BGHZ 33, 276 sowie 7. Februar 2011 – AnwZ (B) 20/10 – Rn. 6; 25. April 1988 – AnwZ (B) 2/88 – zu II 2 der Gründe; vgl. auch BSG 3. April 2014 – B 5 RE 13/14 R – Rn. 34 ff., BSGE 115, 267 mit umfassender Darstellung des Stands der Rechtsprechung von EuGH, BVerfG und BGH): Er war einerseits Angestellter und andererseits Rechtsanwalt. Bei seiner Tätigkeit als Syndikus für seinen Dienstherrn entsprach der Syndikusanwalt nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild, weil dabei die typischen Wesensmerkmale der freien Berufsausübung, die das Bild des Anwalts bestimmten, nicht gegeben waren (st. Rspr. des BGH, zB 7. Februar 2011 – AnwZ (B) 20/10 – aaO; 7. November 1960 – AnwZ (B) 4/60 – aaO; vgl. BSG 3. April 2014 – B 5 RE 13/14 R – Rn. 36, aaO). Derjenige, der in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis zu einem bestimmten Arbeitgeber stand (Syndikus), war daher in dieser Eigenschaft nicht als Rechtsanwalt tätig (BGH 7. Februar 2011 – AnwZ (B) 20/10 – aaO; 4. November 2009 – AnwZ (B) 16/09 – Rn. 17, BGHZ 183, 73; 13. März 2000 – AnwZ (B) 25/99 – zu II der Gründe).

32

(bbb) Durch das Syndikusrechtsanwältegesetz wurde die Rechtsstellung von Syndikusrechtsanwälten in den §§ 46 bis 46c BRAO neu geregelt. In Reaktion auf Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG 3. April 2014 – B 5 RE 13/14 R – BSGE 115, 267; 3. April 2014 – B 5 RE 3/14 R -) ging es dem Gesetzgeber mit der Neuregelung darum, eine statusrechtliche Anerkennung der Tätigkeit als Syndikusanwalt in einem Unternehmen als Rechtsanwalt – allerdings mit bestimmten Einschränkungen – vorzunehmen (vgl. BT-Drs. 18/5201 S. 1). Erklärtes Ziel war es zu verdeutlichen, dass es sich bei der Tätigkeit des Syndikusrechtsanwalts um eine besondere Form der Ausübung des einheitlichen Berufs des Rechtsanwalts handelt (BT-Drs. 18/5201 S. 19, 28). Nach § 46 Abs. 3 und Abs. 4 BRAO setzt dies voraus, dass eine fachlich unabhängige, eigenverantwortliche Tätigkeit ausgeübt wird, was vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten ist. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, sollten die für Rechtsanwälte geltenden gesetzlichen Vorschriften grundsätzlich – vorbehaltlich abweichender Sonderregelungen – auch für Syndikusrechtsanwälte gelten. Dies sollte mit § 46c Abs. 1 BRAO klargestellt werden (BT-Drs. 18/5201 S. 37 zu § 46c Abs. 1 BRAO-E).

33

(ccc) Diesem gesetzgeberischen Anliegen entspricht es, von einem Verbandssyndikusrechtsanwalt, der entsprechend § 46 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BRAO Rechtsdienstleistungen des Arbeitgebers gegenüber seinen Mitgliedern erbringt und hierfür über ein separates beA verfügt (vgl. § 46c Abs. 5, § 31 BRAO), zu verlangen, dass er bei Anträgen und Erklärungen gegenüber einem Gericht, die in Ausübung dieser Tätigkeit vorgenommen werden, die für Rechtsanwälte geltenden Formerfordernisse wahrt. Insoweit unterscheiden sich auch Verbandssyndikusrechtsanwälte maßgeblich von nichtanwaltlichen Verbandssyndici (vgl. zu anwaltlichen und nichtanwaltlichen Insolvenzverwaltern BGH 24. November 2022 – IX ZB 11/22 – Rn. 21). Ein rollenbezogenes Verständnis der Nutzungspflicht, dass diese vom jeweiligen Auftreten abhängig macht (dafür Natter in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 2 Stand 14. Februar 2023 § 46c ArbGG Rn. 65; Gädeke in Ory/Weth jurisPK-ERV Bd. 3 Stand 24. März 2023 § 65d SGG Rn. 23), wäre hingegen mit den Voraussetzungen für die Tätigkeit als Syndikusrechtsanwalt nach § 46 Abs. 3 bis 5 BRAO nicht vereinbar (vgl. BGH 24. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 33/21 – Rn. 17 ff.).

34

(3) Weiterhin sprechen Sinn und Zweck des § 46g ArbGG für die aktive Nutzungspflicht des ERV. Nach dem erklärten Willen des Gesetzgebers soll durch eine Verpflichtung für alle Rechtsanwälte (und Behörden) zur elektronischen Kommunikation mit den Gerichten der ERV etabliert werden. Die Rechtfertigung gerade eines Nutzungszwangs ergibt sich für den Gesetzgeber daraus, dass selbst bei einer freiwilligen Mitwirkung einer Mehrheit von Rechtsanwälten an diesem Ziel die Nichtnutzung durch eine Minderheit immer noch zu erheblichen Druck- und Scanaufwänden insbesondere bei den Gerichten führte. Es sei nicht hinzunehmen, erhebliche Investitionen der Justiz auszulösen, wenn dann nicht die für einen wirtschaftlichen Betrieb erforderliche Nutzung sichergestellt sei (BT-Drs.17/12634 S. 37 iVm. S. 27). Diese ratio legis lässt die Einbeziehung auch der als Verbandsvertreter agierenden Syndikusrechtsanwälte, die als Rechtsanwälte ohnehin ein beA für die elektronische Kommunikation vorzuhalten haben (§ 31a Abs. 6 BRAO), nur als konsequent erscheinen (ebenso zum anwaltlichen Insolvenzverwalter und § 130d Satz 1 ZPO BGH 24. November 2022 – IX ZB 11/22 – Rn. 19).

35

(4) Der Pflicht des Verbandssyndikusrechtsanwalts, den ERV aktiv zu nutzen, steht – anders als die Beklagte meint – nicht entgegen, dass die Verbände selbst erst ab dem 1. Januar 2026 dieser Pflicht unterliegen (Art. 10 des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021, BGBl. I S. 4607, 4613).

36

(a) Aus der Einbindung des Verbandssyndikusrechtsanwalts in den ERV folgt keine Verpflichtung der Verbände, den ERV schon vor dem 1. Januar 2026 zu nutzen. Auch wird dadurch nicht die gesetzgeberische Wertung konterkariert (aA Elking NZA 2022, 1009, 1016). Vielmehr beruht die Pflicht, den ERV aktiv zu nutzen, auf der – mit dem grundsätzlichen Einverständnis des Verbands stattfindenden – Zulassung als Syndikusrechtsanwalt, für die durch den Verband ua. die fachlich unabhängige Berufsausübung vertraglich und tatsächlich zu gewährleisten ist (vgl. § 46 Abs. 4 BRAO; hierzu auch BGH 24. Oktober 2022 – AnwZ (Brfg) 33/21 – Rn. 17 ff.).

37

(b) Dieses Ergebnis entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Einrichtung eines beA für Rechtsanwaltsgesellschaften nach alter Rechtslage. Entscheidend kam es hier auf die persönliche Qualifikation der natürlichen Berufsträgerinnen und Berufsträger für die Ausübung der Tätigkeit an (BGH 6. Mai 2019 – AnwZ (Brfg) 69/18 – Rn. 12). Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH 25. Oktober 2022 – IX R 3/22 – Rn. 21 f.) steht dem mangels vergleichbarer Ausgangslage nicht entgegen. Der Bundesfinanzhof hatte angenommen, dass gesetzliche Vertreter einer Steuerberatungsgesellschaft, die über eine Zulassung als Rechtsanwalt verfügten, keiner Nutzungspflicht unterlägen, wenn sie in dieser Funktion tätig werden. Der im Streitfall handelnde Verbandssyndikusrechtsanwalt ist kein gesetzlicher Vertreter des bevollmächtigten Verbands und nicht als solcher tätig geworden.

38

(c) Aus dem Schweigen der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 (BT-Drs. 19/28399) zum Verbandssyndikusrechtsanwalt und aus dem Hinweis, dass Verbände künftig die Möglichkeit erhielten, über das besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) nach § 10 ERVV mit den Gerichten elektronisch zu kommunizieren (BT-Drs. 19/28399 S. 23), lassen sich keine überzeugenden Gesichtspunkte herleiten, die gegen die Anwendung von § 46g Satz 1 ArbGG auf den Verbandssyndikusrechtsanwalt sprechen. Insbesondere lässt sich daraus nicht zwingend schließen, der Gesetzgeber habe sich mit Blick auf die Nutzungspflicht nach § 46g Satz 1 ArbGG für eine gesonderte rechtliche Behandlung von Verbandssyndikusrechtsanwälten gegenüber den Rechtsanwälten im Allgemeinen entschieden (vgl. zum anwaltlichen Insolvenzverwalter BGH 24. November 2022 – IX ZB 11/22 – Rn. 17).

39

(5) Auch § 173 Abs. 2 ZPO in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 2022 bis zum 31. Dezember 2022 steht der Pflicht des Verbandssyndikusrechtsanwalts, den ERV aktiv zu nutzen, nicht entgegen.

40

(a) Der im Berufungsverfahren nach § 64 Abs. 7 iVm. § 50 Abs. 2 ArbGG anwendbare § 173 Abs. 2 ZPO bestimmte in seinem Satz 1 den Personenkreis – darunter Rechtsanwälte -, der verpflichtet ist, einen sicheren Übermittlungsweg für die elektronische Zustellung eines elektronischen Dokuments durch die Gerichte zu eröffnen. Der in Satz 2 genannte Personenkreis – darunter sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess Beteiligte – soll dem nachkommen. Zu den sonstigen professionellen Beteiligten gehören die Verbände iSv. § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und Nr. 5 ArbGG (BT-Drs. 19/28399 S. 34 f.; Anders/Gehle/Vogt-Beheim ZPO 81. Aufl. § 173 Rn. 5; Zöller/Schultzky ZPO 34. Aufl. § 173 Rn. 10.1).

41

(b) Aus der Formulierung „sonstige in professioneller Eigenschaft am Prozess beteiligte Personen“ ist aber nicht zu schließen, dass es sich auch bei Rechtsanwälten iSv. § 173 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO um solche handeln muss, die den Prozess als Bevollmächtigte führen, sodass die Tätigkeit als Verbandssyndikusrechtsanwalt ebenso ausschiede wie die anwaltliche Tätigkeit in eigener Sache. Die Formulierung ist vielmehr in der Zusammenschau zu sehen mit dem Zusatz „bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“. Dieser macht deutlich, dass eine typisierende Betrachtungsweise, losgelöst von den prozessrechtlichen Verhältnissen des jeweiligen Falls anzustellen ist (Zöller/Schultzky ZPO 34. Aufl. § 173 Rn. 8; in diese Richtung auch Anders/Gehle/Vogt-Beheim ZPO 81. Aufl. § 173 Rn. 4). Es sollen diejenigen Personen, Vereinigungen und Organisationen erfasst werden, „die aufgrund und im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit regelmäßig mit dem Gericht kommunizieren“ (vgl. BR-Drs. 145/21 S. 34; Musielak/Voit/Wittschier ZPO 20. Aufl. § 173 Rn. 3).

42

(6) Der Annahme der Nutzungspflicht für Verbandssyndikusrechtsanwälte steht ferner nicht entgegen, dass das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht mit der Beklagten bzw. deren Prozessbevollmächtigten nicht unter Nutzung des ERV korrespondiert haben. Dies beruht auf der gesetzgeberischen Entscheidung in § 46e Abs. 1a ArbGG, die Prozessakten verpflichtend erst mit Wirkung vom 1. Januar 2026 in elektronischer Form zu führen (vgl. zur wortgleichen Bestimmung des § 298a Abs. 1a ZPO BGH 24. November 2022 – IX ZB 11/22 – Rn. 20).

43

e) Die von der Beklagten erhobene Rüge, das Landesarbeitsgericht habe nicht rechtzeitig auf die Formwidrigkeit der Berufungseinlegung hingewiesen, führt nicht zum Erfolg der Revisionsbeschwerde. Unabhängig von der Frage, ob und ggf. wann ein Hinweis durch das Landesarbeitsgericht geboten gewesen wäre, wirkt sich der Umstand, dass der Hinweis erst geraume Zeit nach der Einlegung der Berufung erteilt wurde, hier nicht auf das Ergebnis aus. Denn die Beklagte hat in der Berufungsinstanz nichts unternommen, um den eventuellen Mangel zu beseitigen (vgl. zu Art. 103 Abs. 1 GG BVerfG 18. August 2010 – 1 BvR 3268/07 – Rn. 28 f. mwN). Sie hat weder einen Antrag nach § 233 ZPO auf Wiedereinsetzung in die Berufungseinlegungs- und -begründungsfrist gestellt noch hat sie die maßgeblichen Prozesshandlungen formwirksam nachgeholt. Damit scheidet auch eine Wiedereinsetzung von Amts wegen nach § 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO aus.

44

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten der erfolglosen Revisionsbeschwerde zu tragen. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.

        

    Reinfelder    

        

    Günther-Gräff    

        

    Pessinger