10 AZR 220/20

Vergütung und Zuschläge für die Arbeit am 24. Dezember

Details

  • Aktenzeichen

    10 AZR 220/20

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2022:200722.U.10AZR220.20.0

  • Art

    Urteil

  • Datum

    20.07.2022

  • Senat

    10. Senat

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 18. Februar 2020 – 7 Sa 202/19 – wird zurückgewiesen.

2. Von den Kosten der ersten Instanz haben die Klägerin 37 % und die Beklagte 63 % zu tragen. Die Kosten der Berufung und der Revision hat die Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe der Vergütung (Grundentgelt, Zulage und Zuschläge) für die Arbeit am 24. Dezember 2017.

2

Die Klägerin ist seit dem 1. November 2010 bei der Beklagten in deren Filmtheater in B als Servicemitarbeiterin, zuletzt in der Funktion einer Ebenenleitung, beschäftigt. Aufgrund arbeitsvertraglicher Vereinbarung finden auf das Arbeitsverhältnis die von der Beklagten und weiteren Unternehmen der CineStar-Gruppe mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Mantel- und Entgelttarifverträge in der jeweiligen Fassung Anwendung. Dazu zählen der Manteltarifvertrag vom 27. Januar 2017 (MTV) und der unter demselben Datum geschlossene Entgelttarifvertrag (ETV). Im MTV heißt es auszugsweise:

        

„§ 2   

        

Regelmäßige Arbeitszeit

        

1. Die Arbeitszeit in den Filmtheatern wird durch die Besonderheiten des Berufs bestimmt. Die Spitze der Arbeitsleistung liegt demgemäß in der zweiten Tageshälfte, am Wochenende und an den Feiertagen.

        

…       

        

§ 4     

        

Regelmäßige arbeitsfreie Zeit

        

…       

                 
        

2. Der 24. Dezember ist grundsätzlich spielfrei und darf nicht als freier Tag angerechnet werden. Wird an diesem Tag dennoch gearbeitet, so bedarf es hierzu der Zustimmung der betroffenen Beschäftigten, es sei denn, dass

        

a)    

diese Praxis bisher betriebsüblich war,

        

b)    

die Vorstellungen bis 18:00 Uhr beendet sind,

        

c)    

Arbeiten zur Aufrechterhaltung des Betriebs notwendig sind.

        

§ 5     

        

Zuschlagspflichtige Arbeitszeit

        

1.    

Feiertagszuschläge

        

Wer an einem gesetzlichen Feiertag arbeitet, erhält einen Zuschlag von 50 %. Für den Ostersonntag und -montag, den 1. Mai, den Pfingstsonntag und -montag sowie den 1. und 2. Weihnachtsfeiertag ist ein Zuschlag von 100 % zu zahlen. Wer am 24. Dezember arbeitet, erhält eine durchschnittliche Tagesvergütung sowie einen Zuschlag von 100 % für die tatsächlich geleistete Arbeitszeit.

        

…     

        

2.    

Nachtarbeit

        

Nachgewiesene Arbeitszeit nach 23:00 Uhr, die über 00:00 Uhr hinausgeht, ist mit einem Zuschlag von 50 % zu vergüten.

        

3.    

Taxikosten

        

Taxikosten, die dem/der ArbeitnehmerIn durch nachgewiesene Nachtarbeit entstehen, werden gegen Vorlage der Belege nur dann erstattet, wenn die Arbeitszeit nach 24:00 Uhr endet und zu dieser Zeit der ÖPNV nicht, nicht mehr oder nur zeitlich bzw. örtlich eingeschränkt (in diesem Fall ist der ÖPNV bis zu dem der Wohnung am nächsten gelegenen Haltepunkt zu nutzen) genutzt werden kann und andere Fahrgelegenheiten (zB mit eigenem PKW, Motorrad, Fahrrad, Fahrgemeinschaft etc.) nicht möglich oder nicht vorhanden sind. Taxifahrten sind darüber hinaus vorher für den betreffenden Tag oder für einen längeren Zeitraum bei der Arbeitgeberin zu beantragen. Die Kostentragung erfolgt nur, wenn diese für den konkreten Fall durch die Arbeitgeberin genehmigt wurde. Erstattet wird nur der kürzeste Weg von der Arbeitsstätte zur Wohnung. Wird der direkte Weg aus nichtbetrieblichen Gründen verlassen, entfällt der Erstattungsanspruch, selbst wenn die Voraussetzungen für eine Erstattung vorgelegen hätten.

        

…       

        

§ 10   

        

Vergütung

        

…       

        

2. Die Höhe der Vergütung richtet sich nach dem Entgelttarifvertrag. Die darin angegebenen Beträge sind Mindestsätze.

        

…“   

3

Der ETV lautet auszugsweise:

        

„§ 2   

        

Entgeltsätze und -tabelle

        

1. ArbeitnehmerInnen erhalten das Entgelt, das sich für den jeweiligen Betrieb, in dem sie beschäftigt werden, aus den Stundenentgeltsätzen der als Anlage 1 diesem Tarifvertrag beigefügten Entgelttabelle in Verbindung mit den Bestimmungen des Manteltarifvertrags unter Berücksichtigung ihrer individuellen Arbeitszeit ergibt. …“

4

In der Anlage 1 zum ETV ist ua. geregelt:

        

„Kategorie II

                          
        

Lohnstruktur

ab 1. März 2017

ab 1. Jan. 2018

Standorte

        

…       

                 

B, …   

        

Service ab 6 J.

9,32 Euro

        
        

Zulage EL

1,60 Euro

        
        

…“    

                 
5

Für die am 24. Dezember 2017 von der Klägerin erbrachte Arbeitsleistung von 6,35 Stunden rechnete die Beklagte eine durchschnittliche Tagesvergütung iHv. 51,71 Euro brutto sowie einen Zuschlag von 100 % iHv. 69,34 Euro brutto ab und zahlte den entsprechenden Nettobetrag aus.

6

Mit E-Mail vom 13. März 2018 machte die Klägerin eine noch fehlende Vergütung für die Arbeit am Heiligabend iHv. 69,34 Euro brutto nebst Verzugszinsen geltend. Die Beklagte lehnte eine Zahlung unter Hinweis auf § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV ab.

7

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, für die am 24. Dezember 2017 geleistete Arbeit stehe ihr neben der durchschnittlichen Tagesvergütung sowie einem Zuschlag von 100 % auch die Grundvergütung sowie die Ebenenleitungszulage zu. § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV regle zwei Zuschläge für die Arbeitsleistung am 24. Dezember. Dass mit dem Anspruch auf eine durchschnittliche Tagesvergütung der Anspruch auf die nach den tatsächlich geleisteten Stunden bemessene Vergütung ersetzt werden sollte, kann von den Tarifvertragsparteien nicht gewollt gewesen sein. Dies widerspreche der Tarifüblichkeit und dem Synallagma. Mit der Zuschlagsregelung hätten die Tarifvertragsparteien vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, dass der 24. Dezember in Deutschland der wichtigste Abend des Weihnachtsfests sei. Dies ergebe sich auch aus § 4 Nr. 2 MTV, wonach dieser Tag grundsätzlich spielfrei sei.

8

Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen, an sie 69,34 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 3. Mai 2018 zu zahlen.

9

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Klägerin stehe neben der in § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV geregelten Vergütung, bestehend aus durchschnittlicher Tagesvergütung und Zuschlag iHv. 100 %, kein weiteres Entgelt für die am 24. Dezember 2017 erbrachte Arbeitsleistung zu. Es handle sich um eine abgeschlossene und besondere Vergütungsregelung für den Heiligabend, die gegenüber § 10 Nr. 2 MTV iVm. § 2 Nr. 1 ETV vorrangig sei. Da der 24. Dezember kein Feiertag sei, liege die Annahme fern, die Tarifvertragsparteien hätten diesen Tag mit einem Zuschlag von insgesamt 200 % versehen wollen. Aus § 4 Nr. 2 MTV ergebe sich, dass der 24. Dezember gerade nicht spielfrei sei. Ohne die Regelung in § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV hätte die Klägerin, weil der 24. Dezember kein Feiertag sei, nur Anspruch auf das Grundentgelt gehabt.

10

Das Arbeitsgericht hat der Klage, soweit sie auf die Zahlung der Vergütung nebst Zinsen gerichtet war, stattgegeben und sie abgewiesen, soweit die Klägerin daneben eine Pauschale nach § 288 Abs. 5 BGB iHv. 40,00 Euro geltend gemacht hat. Die für die Beklagte zugelassene Berufung hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der von ihm zugelassenen Revision will die Beklagte weiterhin erreichen, dass die Klage insgesamt abgewiesen wird.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die auf Zahlung weiteren Entgelts für am 24. Dezember 2017 geleistete Arbeit iHv. 69,34 Euro brutto zuzüglich Zinsen gerichtete Klage ist zulässig und begründet. Die Klägerin hat einen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die geltend gemachte Vergütung.

12

I. Gegenstand der Revision sind allein vertragliche Ansprüche. Nur hierüber hat das Landesarbeitsgericht entschieden. Die Klägerin hat sich in den Tatsacheninstanzen auf die kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung anwendbaren Tarifverträge und andere Bestimmungen des Arbeitsvertrags berufen. Ansprüche aus normativ geltenden Tarifverträgen hat sie hingegen nicht verfolgt. Diese beiden Ansprüche sind unterschiedlich ausgestaltet und erfordern unterschiedlichen Tatsachenvortrag zu dem jeweiligen Lebenssachverhalt; es handelt sich deshalb um zwei Streitgegenstände (st. Rspr., zuletzt zB BAG 23. Februar 2022 – 4 AZR 250/21 – Rn. 28 mwN). Soweit die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz vorgetragen hat, sie sei im streitigen Zeitpunkt Mitglied der tarifschließenden Gewerkschaft ver.di gewesen, war damit – wie in der Verhandlung vor dem Senat klargestellt wurde – keine (unzulässige) Klageerweiterung verbunden.

13

II. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass der Klägerin nach den Bestimmungen von MTV und ETV für die am 24. Dezember 2017 versehene Arbeit neben einer durchschnittlichen Tagesvergütung und einem Zuschlag iHv. 100 % auch die Grundvergütung und die Zulage für die Ebenenleitung zustehen.

14

1. Die Ansprüche auf die Grundvergütung und die Ebenenleitungszulage ergeben sich aus § 10 Nr. 2 MTV, § 2 Nr. 1 ETV iVm. dessen Anlage 1. Danach hat die seit mehr als sechs Jahren beschäftigte, am Standort B als Ebenenleitung eingesetzte Klägerin Ansprüche auf eine Grundvergütung von 9,32 Euro brutto pro Stunde und auf eine Ebenenleitungszulage iHv. 1,60 Euro brutto pro Stunde. Für die am 24. Dezember 2017 von der Klägerin erbrachte Arbeitsleistung von 6,35 Stunden ergeben sich damit weitere Vergütungsansprüche von insgesamt 69,34 Euro brutto.

15

2. Diese beiden Ansprüche werden nicht durch § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV als speziellerer Regelung verdrängt. Die Auslegung des MTV ergibt, dass mit § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV Ansprüche auf zwei Zuschläge geregelt werden, die neben die Ansprüche auf die Grundvergütung und – wie im Streitfall – auf eine Tätigkeitszulage treten (vgl. zu den Grundsätzen der Tarifauslegung die st. Rspr., zB BAG 13. Oktober 2021 – 4 AZR 365/20 – Rn. 21 mwN).

16

a) Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass der Wortlaut von § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV nicht eindeutig ist.

17

aa) Dort findet sich die Regelung, welche Entgeltleistungen ein am 24. Dezember tätiger Arbeitnehmer erhält. Unklar ist aber, ob die neben dem Zuschlag von 100 % zu zahlende durchschnittliche Tagesvergütung an die Stelle der Vergütung nach dem ETV tritt oder ob sie als ein Teil eines aus zwei Komponenten bestehenden Zuschlags für die Arbeit am 24. Dezember zu begreifen ist. Die Kombination aus Vergütung und Zuschlag in § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV lässt den Schluss zu, dass damit die Vergütung für am 24. Dezember geleistete Arbeit – wie die Beklagte meint – abschließend geregelt werden soll.

18

bb) Ein solches Verständnis ist allerdings nicht zwingend. Der Wortlaut lässt auch den Schluss zu, dass die Bestimmung ausschließlich Zuschläge zum Gegenstand hat.

19

(1) Aus der Verknüpfung der beiden Komponenten durch die Konjunktion „sowie“ kann – anders als die Beklagte annimmt – nicht hergeleitet werden, dass die Durchschnittsvergütung an die Stelle der Grundvergütung nach dem ETV tritt. Die Konjunktion dient der Verknüpfung von Gliedern einer Aufzählung und steht synonym für „und“, „und außerdem“, „und auch“, „wie auch“ (www.duden.de Stichwort „sowie“, zuletzt abgerufen am 19. Juli 2022). Da die Tarifvertragsparteien die Konjunktion „sowie“ auch in § 5 Nr. 1 Satz 2 MTV bei der Aufzählung der Feiertage, an denen erbrachte Arbeit mit einem höheren Zuschlag zu entlohnen ist, verwendet haben, spricht die Formulierung in Satz 3 ebenfalls für eine bloße Aufzählung von Entgeltkomponenten.

20

(2) Dass die Tarifvertragsparteien eine dieser beiden Komponenten als Vergütung und die andere als Zuschlag bezeichnet haben, rechtfertigt ebenso wenig die Annahme einer gegenüber der Vergütungsregelung nach § 10 Nr. 2 MTV iVm. dem ETV vorrangigen und abschließenden Vergütungsregelung. Über einen möglichen ersetzenden Charakter der Bestimmung lässt sich aus diesem Wortlaut nichts ableiten.

21

b) Aus der Systematik der Tarifnorm und dem Gesamtzusammenhang ergibt sich allerdings deutlich, dass die beiden in § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV geregelten Entgeltleistungen zusätzlich zum regelmäßigen Stundenentgelt als Zuschläge für die Arbeit am 24. Dezember bezahlt werden sollen.

22

aa) Die Regelung ist in § 5 MTV getroffen, der mit „Zuschlagspflichtige Arbeitszeit“ überschrieben ist. Zwar wäre es mit dieser Überschrift jedenfalls nicht unvereinbar, nicht nur Zuschläge für die Arbeit zu bestimmten Zeiten zu regeln, sondern auch die Grundvergütung. Allerdings ist § 5 Nr. 1 MTV seinerseits mit der weiteren Überschrift „Feiertagszuschläge“ versehen. Dem widerspricht es, wenn Gegenstand von § 5 Nr. 1 MTV auch die Grundvergütung sein sollte. Daran ändert nichts, dass in § 5 MTV nicht nur Zuschläge, sondern auch andere finanzielle Leistungen geregelt sind. Die Beklagte beruft sich auf § 5 Nr. 3 MTV, der den Ersatz angefallener Taxikosten vorsieht. Die Regelung hierzu steht unter einer anderen Überschrift und – darauf hat das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen – gewährt einen Anspruch auf Aufwendungsersatz, der wiederum im Zusammenhang mit der Nachtarbeit und den hierfür in § 5 Nr. 2 MTV vorgesehenen Zuschlägen steht.

23

bb) Nicht entscheidend ist, dass der 24. Dezember kein gesetzlicher Feiertag ist. Tarifvertragliche Regelungen über die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit knüpfen zwar regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort an. Das schließt aber nicht aus, dass die Tarifvertragsparteien auch andere Tage mit einem Feiertagszuschlag belegen. Abweichende Regelungen müssen nur deutlich erkennbar sein (BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 130/19 – Rn. 16 mwN). In diesem Sinn haben die Tarifvertragsparteien in § 5 Nr. 1 Satz 2 MTV ua. den Ostersonntag und den Pfingstsonntag mit einem Zuschlag belegt, obwohl diese Tage zB im Freistaat Bayern (Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 BayFTG) und im Land Nordrhein-Westfalen, für das die Tarifverträge mit Blick auf die Standorte der Kinos auch gelten, keine gesetzlichen Feiertage sind (§ 2 Abs. 1 Feiertagsgesetz NW; vgl. dazu BAG 24. Februar 2021 – 10 AZR 130/19 – aaO).

24

cc) Die Systematik des § 5 Nr. 1 MTV zeigt, dass die Tarifvertragsparteien von gestuften Zuschlägen für die Arbeit an den von ihnen als Feiertage definierten Tagen ausgegangen sind und für die Arbeit am 24. Dezember die höchsten Zuschläge festgelegt haben. Für gesetzliche Feiertage ist in § 5 Nr. 1 Satz 1 MTV ein Zuschlag von 50 % vorgesehen. An bestimmten Feiertagen – an Ostern und Pfingsten jeweils mit Sonntag und Montag, an beiden Weihnachtsfeiertagen sowie am 1. Mai – fallen für die Arbeit Zuschläge von 100 % an (§ 5 Nr. 1 Satz 2 MTV). Der Grundzuschlagssatz nach Satz 1 wird an diesen Tagen verdoppelt. In einem weiteren Schritt wird die Arbeit am 24. Dezember geregelt. Dort sind mit der durchschnittlichen Tagesvergütung und dem Zuschlag iHv. 100 % zwei zusätzliche Entgeltkomponenten vorgesehen. Soweit die Beklagte insoweit einwendet, dieses Verständnis führe zu einem Zuschlag von insgesamt – je nach Höhe der Durchschnittsvergütung – etwa 200 %, was wertungsmäßig im Vergleich zu den „echten Feiertagen“ nicht gerechtfertigt sei, geht dies fehl. Maßgeblich ist insoweit die Wertung der Tarifvertragsparteien. Diese haben der Arbeit am 24. Dezember eine besondere Bedeutung zugemessen und dies durch die Stufung der Zuschlagshöhen in § 5 Nr. 1 MTV zum Ausdruck gebracht. Hätten die Tarifvertragsparteien beabsichtigt, dass für die Arbeit am 24. Dezember als Zuschlag nur ein zusätzliches Entgelt iHv. 100 % zu zahlen ist, hätte es nahegelegen, den Heiligabend in die Aufzählung in § 5 Nr. 1 Satz 2 MTV aufzunehmen.

25

dd) Auch aus dem Gesamtzusammenhang ergibt sich, dass die Arbeit am 24. Dezember mit einer besonders hohen Vergütung entlohnt werden soll.

26

(1) Nach § 4 Nr. 2 Satz 1 MTV ist der 24. Dezember grundsätzlich spielfrei. Satz 2 regelt, dass für die Arbeit an diesem Tag grundsätzlich die Zustimmung der Beschäftigten einzuholen ist, es sei denn, es greift einer der drei benannten Ausnahmefälle. Die Bestimmung eines einzigen Tages im Jahr als grundsätzlich spielfrei zeigt die besondere Bedeutung, die die Tarifvertragsparteien diesem Tag zugemessen haben. Dass an diesem Tag gleichwohl gearbeitet werden darf, lässt den besonderen Charakter nicht entfallen. § 4 Nr. 2 Satz 2 MTV regelt nur, unter welchen Voraussetzungen die Zustimmung der Arbeitnehmer für einen Einsatz am 24. Dezember entbehrlich und dass das Direktionsrecht der Beklagten insoweit nicht beschränkt ist. Es hebt den Grundsatz aber nicht auf, dass der Tag spielfrei sein soll. Darauf, ob die Arbeitsleistung am 24. Dezember in der sozialen Wirklichkeit die Ausnahme ist, kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten nicht an. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend herausgearbeitet, dass die Tarifvertragsparteien für den 24. Dezember regulatorisch ein Regel-Ausnahme-Verhältnis hergestellt haben.

27

(2) Der bereits thematisierte Einwand der Beklagten, ein Zuschlag für Arbeit am 24. Dezember von 200 % sei wertungsmäßig im Verhältnis zu den Zuschlägen an „echten Feiertagen“ nicht zu rechtfertigen, lässt sich auch aus dem Gesamtzusammenhang widerlegen. § 2 Nr. 1 MTV sieht vor, dass die Spitze der Arbeitsleistung aufgrund der Besonderheiten des Berufs in der zweiten Tageshälfte, am Wochenende und an den Feiertagen liegt. Daraus ergibt sich, dass die Tarifvertragsparteien Feiertage als gewöhnliche Arbeitstage angesehen haben, die Arbeit an diesen Tagen aber gleichwohl mit Zuschlägen von 50 % oder 100 % belegt haben. Wenn die Tarifvertragsparteien dann den einzigen, ausdrücklich als grundsätzlich spielfrei deklarierten Tag des Jahres mit einem Zuschlag versehen, der in der Höhe über die Zuschläge an gewöhnlichen (§ 5 Nr. 1 Satz 1 MTV) und besonderen Feiertagen (§ 5 Nr. 1 Satz 2 MTV) hinausgeht, handelt es sich um eine in sich stimmige Regelung.

28

c) Sinn und Zweck der Regelung stützen das Auslegungsergebnis. Die Tarifvertragsparteien haben die Arbeit an Feiertagen mit Zuschlägen in unterschiedlicher Höhe versehen. Sie wollen damit die Arbeit zu besonders ungünstigen Lagen höher vergüten und haben die Zuschlagshöhe mit zunehmender Bedeutung der Tage als freie Zeit entsprechend gesteigert. Die Beklagte weist zutreffend darauf hin, dass Arbeitnehmer, die am 24. Dezember Arbeit versehen, erst durch die Regelung in § 5 Nr. 1 Satz 3 MTV in den Genuss einer höheren als der Grundvergütung kommen. Das rechtfertigt aber nicht die Annahme, der Zweck der Tarifnorm liege darin, eine eigenständige und abschließende Vergütungsregelung für den 24. Dezember zu treffen. Vielmehr sollen Arbeitnehmer mit dem zusätzlichen Anspruch auf eine durchschnittliche Tagesvergütung motiviert werden, am 24. Dezember zu arbeiten. Der daneben vorgesehene Zuschlag von 100 % stellt die klassische Zuschlagsregelung für die Arbeit an Feiertagen im tariflichen Sinn dar. Mit beiden Komponenten wird zum einen bezweckt, Arbeitnehmer an einem Tag zur Arbeit zu motivieren, der – jedenfalls am Spätnachmittag und Abend – häufig dem Familienleben vorbehalten ist. Zum anderen soll mit der Vergütungsregelung erreicht werden, den am 24. Dezember tätigen Arbeitnehmern für die ungünstige Lage der Arbeitszeit einen Ausgleich zukommen zu lassen. Es liegt fern anzunehmen, dass die Tarifvertragsparteien mit der Regelung einer durchschnittlichen Tagesvergütung eine Pauschalvergütung einführen wollten, die vom Umfang der tatsächlichen Arbeitsleistung, an die der ETV anknüpft, abgekoppelt ist.

29

3. Da der Klägerin die Ansprüche bereits auf der Grundlage der nach dem Arbeitsvertrag anwendbaren Tarifverträge zustehen, kann offenbleiben, ob sich diese – daneben – auch aus anderen arbeitsvertraglichen Regelungen ergeben (offengelassen auch von LAG Hamm 16. Mai 2018 – 6 Sa 180/18 – zu II 1 c der Gründe).

30

4. Der von der Klägerin erst für die Zeit ab 3. Mai 2018 geltend gemachte Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB.

31

III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen. Die von Amts wegen zu prüfende Kostenentscheidung der Vorinstanzen ist hinsichtlich des Kostenausspruchs für die erste Instanz zu korrigieren; die Entscheidung über die Kosten der Berufung ist nicht zu beanstanden (vgl. zur Überprüfung der Kostenentscheidung der Vorinstanzen von Amts wegen BAG 22. Januar 2020 – 10 AZR 387/18 – Rn. 61 mwN, BAGE 169, 285). Erstinstanzlich hat die Klägerin auch eine Pauschale nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB iHv. 40,00 Euro geltend gemacht. Sie ist eine Nebenforderung, wenn sie neben der Hauptschuld geltend gemacht wird. Nach § 4 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO ist sie in die Wertberechnung nicht einzubeziehen (vgl. BAG 27. März 2019 – 5 AZR 591/17 – Rn. 12 ff., BAGE 166, 216). Gleichwohl ist sie im Rahmen der Kostenentscheidung zu berücksichtigen. Das teilweise Unterliegen der Klägerin wirkt sich daher bei der Kostenquote zu ihren Lasten aus (BAG 15. Juli 2020 – 10 AZR 123/19 – Rn. 60 mwN, BAGE 171, 280).

        

    W. Reinfelder    

        

    Günther-Gräff    

        

    Pessinger    

        

        

        

    Rudolph    

        

    Roman Romanowski