Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 10. Juni 2009 – 1 Sa 245/08 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Zahlung einer Schichtzulage für Oktober und November 2005 sowie für den Zeitraum von Januar 2006 bis März 2008.
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Der Kläger, auf dessen Arbeitsverhältnis der TVöD zur Anwendung kommt, arbeitet für das Bundesamt für Güterverkehr als Mautkontrolleur. Er überprüft, ob die zur Mauterfassung erforderlichen On-Board-Units in den maut-pflichtigen Kraftfahrzeugen zur Güterbeförderung ordnungsgemäß installiert sind und die Autobahnmaut entsprechend den gesetzlichen Regelungen entrichtet wird.
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Die Mautkontrolle wird durch Kontrolleinheiten Maut(KEM) organisiert und durch mobile Überwachung und Mautbrücken vollzogen. Jeder KEM ist ein bestimmtes Gebiet zugewiesen. Eine KEM gliedert sich in Kontrollgruppen, der jeweils zwei Mautkontrolleure angehören. Diesen ist ein dienstlicher Wohnsitz nahe eines Autobahnanschlusses zugewiesen. Von dort aus kontrollieren sie gemeinsam den dienstplanmäßig vorgesehenen Streckenabschnitt. Die KEM 1, welcher der Kläger angehört, ist für die Kontrolle der Autobahnen in Schleswig-Holstein und Hamburg zuständig.
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Die mautpflichtigen Autobahnen werden stichprobenhaft überprüft. Eine lückenlose Kontrolle aller mautpflichtigen Fahrzeuge ist nicht beabsichtigt. Nach den allgemeinen Grundsätzen des Bundesamts für Güterverkehr sind bei der Erstellung des Dienstplans die Effizienz der Kontrollarten, die Verkehrsfrequenz, eine angemessene Verteilung der Kontrollen nach Ort und Zeit, auch bei Dunkelheit und an Wochenenden, sowie die Einhaltung der Arbeitszeitvorschriften zu beachten.
Als Vorgaben sind bestimmt:
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keine Alleinfahrten, |
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10 bis 15 % zu ungünstigen Zeiten (21:00 bis 6:00 Uhr sowie an Wochenenden), |
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50 % Anwesenheit an den „Brückentagen“, |
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zwei bis drei Brückenkontrollen auf Autobahnen und Bundesstraßen, |
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Termine Gutachterfahrten, |
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Service-Updatefahrten. |
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Die Dienstpläne werden mit einem Vorlauf von zwei bis drei Monaten als „Soll-Pläne“ erstellt. Die Mautkontrolleure können dem zuständigen Dienstplaner Arbeitszeitwünsche im Hinblick auf Arztbesuche, Urlaub und sonstige persönliche Belange mitteilen. Vorhersehbare Abwesenheitszeiten werden eingeplant. Bei Bedarf wird der Dienstplan angepasst. Mautkontrolleure, die aus persönlichen oder dienstlichen Gründen den Kontrolldienst kurzfristig nicht antreten können, werden nicht ersetzt.
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Der Kläger hat seinen Dienst im Streitzeitraum zwischen 3:00 Uhr und 18:15 Uhr zu 24 verschiedenen Zeiten begonnen und entsprechend zeitversetzt beendet.
Der Kläger macht die Schichtzulage nach § 8 Abs. 6 TVöD geltend und hat beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.160,00 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach bestimmter zeitlicher Staffelung zu zahlen. |
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen, und die Auffassung vertreten, der Kläger habe keine Schichtarbeit verrichtet.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
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I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung der Schichtzulage aus § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD.
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1. Nach § 8 Abs. 6 Satz 1 TVöD erhalten Beschäftigte, die ständig Schichtarbeit leisten, eine Schichtzulage von 40,00 Euro monatlich. Nach § 7 Abs. 2 TVöD ist Schichtarbeit die Arbeit nach einem Schichtplan, der einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der täglichen Arbeitszeit um mindestens zwei Stunden in Zeitabschnitten von längstens einem Monat vorsieht, und die innerhalb einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet wird.
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2. Der Kläger hat keine Schichtarbeit im Tarifsinne geleistet. Der Beginn seiner täglichen Arbeitszeit hat zwar in Zeitabschnitten von längstens einem Monat regelmäßig um mindestens zwei Stunden gewechselt. Die Arbeit wurde auch in einer Zeitspanne von mindestens 13 Stunden geleistet. Der Kläger hat aber nicht nach einem Schichtplan gearbeitet.
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a) Arbeit nach einem Schichtplan liegt vor, wenn eine bestimmte Arbeitsaufgabe in einem erheblich längeren Zeitraum anfällt, als es der Arbeitszeit eines Arbeitnehmers entspricht, und die Arbeitsaufgabe deshalb von mehreren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen in einer geregelten zeitlichen Reihenfolge, teilweise auch außerhalb der allgemein üblichen Arbeitszeit, erbracht werden muss. Bei der Schichtarbeit arbeiten nicht sämtliche Beschäftigte eines Betriebs zur selben Zeit, sondern ein Teil arbeitet, während der andere Teil arbeitsfreie Zeit hat(Senat 24. März 2010 – 10 AZR 570/09 – Rn. 14; 8. Juli 2009 – 10 AZR 589/08 – Rn. 19, EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 7; 20. April 2005 – 10 AZR 302/04 – zu II 1 a der Gründe, AP BMT-G II § 24 Nr. 3; BAG 26. September 2007 – 5 AZR 808/06 – Rn. 33, AP TVG § 1 Bezugnahme auf Tarifvertrag Nr. 58 = EzA BGB 2002 § 305c Nr. 13).
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b) Nach der Rechtsprechung des Senats ist es nicht erforderlich, dass der Schichtplan vom Arbeitgeber vorgegeben wird(24. März 2010 – 10 AZR 570/09 – Rn. 14; 8. Juli 2009 – 10 AZR 589/08 – Rn. 26, 28, EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 7). Die Verteilung der Arbeitszeiten muss auch nicht in einem verkörperten Plan erfolgen. Entscheidend ist, ob nach der beim Arbeitgeber geltenden Organisation die Arbeit nur in einer die Arbeitszeit des Arbeitnehmers oder einer Arbeitnehmergruppe übersteigenden Zeit erfüllt werden kann und die Arbeitsaufgabe eine Regelung erforderlich macht, nach der die Arbeitnehmer in wechselnden Arbeitsschichten eingesetzt werden (Senat 8. Juli 2009 – 10 AZR 589/08 – Rn. 28, aaO).
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c) Die von der Beklagten bestimmte Arbeitsaufgabe ist im Streitzeitraum nicht über einen erheblich längeren Zeitraum als die tatsächliche Arbeitszeit des Klägers angefallen.
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aa) Arbeitsaufgabe der Kontrollgruppe war die Durchführung von Mautkontrollen auf dem zugewiesenen Streckenabschnitt in der festgelegten Arbeitszeit. Eine weitergehende, diese Arbeitszeit übersteigende Kontrolle des Streckenabschnitts, die nur im Rahmen von Schichtarbeit nach einem geregelten Schichtplan hätte geleistet werden können, war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht vorgesehen. Auch bei Ausfallzeiten wurden Mautkontrollen in dem zugewiesenen Streckenabschnitt nicht durchgeführt. Die Vorgaben der Beklagten für die Erstellung des Dienstplans beeinflussten zwar die Lage der individuell zu leistenden Arbeitszeit. Sie bestimmten aber nicht, dass die Mautkontrolle auf dem zugewiesenen Streckenabschnitt nur in einer Arbeitszeit, welche die des einzelnen Mautkontrolleurs überstieg, erfüllt werden konnte.
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bb) Da die Mautkontrolle auf dem jeweiligen Streckenabschnitt nur im Rahmen der zugewiesenen Arbeitszeit durchgeführt wurde, fehlt es auch an der für einen Schichtplan charakteristischen geregelten zeitlichen Reihenfolge der Arbeit von mehreren Arbeitnehmern oder Arbeitnehmergruppen.
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Einen regelmäßigen Wechsel des Beginns der Arbeitszeiten in diesem Sinne hat der hierfür darlegungs- und beweispflichtige Kläger nicht behauptet. Die Übersicht seiner Arbeitszeiten zeigt nur seine jeweilige individuelle Arbeitszeit, aber keine geregelte Abfolge der Mautkontrolle durch verschiedene Arbeitnehmer. Auch den Maut-Dienstplänen der KEM 1 für den Streitzeitraum lässt sich eine geregelte Abfolge nicht entnehmen. Den meisten Kontrollgruppen war ein Streckenabschnitt zugewiesen, den sie im Wesentlichen allein zu kontrollieren hatten. Aus einzelnen Streckenüberschneidungen folgt keine geregelte Abfolge der Arbeitszeiten mit anderen Kontrollgruppen. Auch im Verhältnis zur überwiegend auf demselben Streckenabschnitt wie die Kontrollgruppe des Klägers eingesetzten Kontrollgruppe II lag eine solche Abfolge der Arbeitszeiten nicht vor. Der Dienstplan sah sowohl zeitgleiche als auch zeitversetzte Dienste vor. Eine Vertretung an dienstfreien Tagen einer Kontrollgruppe war nicht bestimmt. Soweit die Revision neuen, nach § 559 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nicht berücksichtigungsfähigen Vortrag im Hinblick auf die Verwendung von Zeitfenstern bei der Erstellung von Dienstplänen im Saarland gehalten hat, ergibt sich daraus nicht, dass der Kläger im Streitzeitraum nach einem Schichtplan gearbeitet hat.
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d) Der Kläger hat nach einem Arbeitsplan mit individuell unregelmäßigen Arbeitszeiten gearbeitet. Eine solche Arbeit löst den Anspruch auf Zahlung der Schichtzulage nach § 8 Abs. 6, § 7 Abs. 2 TVöD nicht aus.
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aa) Aus Art. 2 Nr. 5 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. November 2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung(ABl. EU L 299 vom 18. November 2003 S. 9) folgt entgegen der Auffassung der Revision nicht, dass Arbeit zu individuell unregelmäßigen Arbeitszeiten als Schichtarbeit zu verstehen ist. Hiernach ist Schichtarbeit jede Form der Arbeitsgestaltung kontinuierlicher oder nicht kontinuierlicher Art mit Belegschaften, bei der Arbeitnehmer nach einem bestimmten Zeitplan, auch im Rotationsturnus, sukzessive an den gleichen Arbeitsstellen eingesetzt werden, so dass sie ihre Arbeit innerhalb eines Tages oder Wochen umfassenden Zeitraums zu unterschiedlichen Zeiten verrichten müssen. Vorausgesetzt wird damit auch nach gemeinschaftsrechtlicher Definition der sukzessive Einsatz nach einem bestimmten Zeitplan an gleichen Arbeitsstellen. Dies entspricht dem Verständnis des TVöD von Schichtarbeit (vgl. Senat 8. Juli 2009 – 10 AZR 589/08 – Rn. 20, EzTöD 100 TVöD-AT § 7 Schicht-/Wechselschichtarbeit Nr. 7). Selbst aus einem weitergehenden gemeinschaftsrechtlichen Verständnis würde sich kein Vergütungsanspruch ergeben, weil die Richtlinie Mindestvorschriften für Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeitszeitgestaltung bestimmt, nicht aber die Vergütung bestimmter Formen der Arbeitszeit regelt (vgl. BAG 28. Januar 2004 – 5 AZR 530/02 – Rn. 39, BAGE 109, 254 zum Bereitschaftsdienst).
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bb) Eine ergänzende Auslegung von § 7 Abs. 2 TVöD kommt ebenso wie eine analoge Anwendung auf individuell unregelmäßige Arbeitszeiten nicht in Betracht.
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(1) Tarifvertragliche Regelungen sind zwar einer ergänzenden Auslegung zugänglich, wenn damit kein Eingriff in die durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Tarifautonomie verbunden ist. Die ergänzende Auslegung kommt aber nur bei unbewussten Tariflücken in Betracht, wenn sich ausreichende Anhaltspunkte für einen mutmaßlichen Willen der Tarifpartner ergeben. Diese haben regelmäßig in eigener Verantwortung darüber zu befinden, ob sie eine geschaffene Ordnung beibehalten oder verändern(BAG 26. Oktober 2006 – 6 AZR 307/06 – Rn. 23, BAGE 120, 55).
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(2) Es obliegt den Tarifvertragsparteien, die Voraussetzungen einer Erschwerniszulage zu bestimmen(Senat 21. Oktober 2009 – 10 AZR 70/09 – NZA 2010, 349). Sie können Belastungen durch individuell unregelmäßige Arbeitszeiten mit einer Zulage ausgleichen. Dies haben sie in Kenntnis ua. der Arbeitszeiten der Mautkontrolleure nicht getan. Es fehlt deshalb bereits an einer unbewussten Tariflücke.
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(3) Die Zahlung einer Zulage nach § 8 Abs. 6, § 7 Abs. 2 TVöD bei individuell unregelmäßigen Arbeitszeiten ist nach Sinn und Zweck einer Schichtzulage auch nicht in jedem Fall nahe liegend. Zwar können individuell unregelmäßige Arbeitszeiten vergleichbare Belastungen wie Schichtarbeit verursachen. Zwingend ist dies, wie die vorliegende Gestaltung der Arbeitszeit der Mautkontrolleure zeigt, jedoch nicht. Deren Arbeitszeitwünsche finden bei der Dienstplanerstellung soweit möglich Berücksichtigung, wodurch die Erschwernis zumindest teilweise kompensiert werden kann. Von einer willkürlichen Ungleichbehandlung iSv. Art. 3 Abs. 1 GG kann keine Rede sein. Die Gerichte haben die im Tarifvertrag angelegte Differenzierung zwischen der Arbeit nach einem Schichtplan und individuell unregelmäßigen Arbeitszeiten zu respektieren.
II. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Mikosch |
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Mikosch |
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Mestwerdt |
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Petri |