Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – vom 26. Januar 2011 – 19 Sa 67/10 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
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Der 1982 geborene Kläger war seit August 2003 bei dem beklagten Land als Verwaltungsangestellter in der Oberfinanzdirektion K (OFD) tätig. Aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme fand auf das Arbeitsverhältnis zuletzt der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder vom 12. Oktober 2006 (TV-L) Anwendung.
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Seit dem Jahr 2004 war der Kläger im Druck- und Versandzentrum der OFD eingesetzt. Dort werden sämtliche im Zuständigkeitsbereich der OFD anfallenden Bescheide und Schreiben (etwa Steuer- und Beihilfebescheide sowie Lohn- und Gehaltsabrechnungen) mittels elektronisch gesteuerter Abläufe ausgedruckt. Außerdem bearbeitet das Zentrum Druckaufträge von Kunden außerhalb der Finanzverwaltung. Der Kläger war ua. zuständig für die Planung, Steuerung und Überwachung der Druckabläufe.
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Im August 2007 berichtete das Landesamt für Verfassungsschutz erstmals über „rechtsextremistische Aktivitäten“ des Klägers. Mit Blick hierauf mahnte das beklagte Land den Kläger im Oktober 2007 ab. Nachdem ihm zugetragen worden war, dass der Kläger im November 2007 an einer von der NPD abgehaltenen Gedenkveranstaltung teilgenommen hatte, kündigte es das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 8. Mai 2008 außerordentlich fristlos. Die Kündigungsschutzklage des Klägers war erfolgreich (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 -).
Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 berichtete das Landesamt für Verfassungsschutz der OFD über weitere Aktivitäten des Klägers „in der rechtsextremistischen Szene“. Dabei handelt es sich ausnahmslos um „Newsletter“, die dieser in der ersten Hälfte des Jahres 2009 unter Absendeadressen des NPD-Kreisverbands K oder der JN mit Zusatz seines Namens über das Internet verbreitete. Unter anderem wies der Kläger mit „Newsletter“ vom 11. Juni 2009 auf eine geplante Demonstration der JN am 17. Juni 2009 in H hin. Dort heißt es auszugsweise:
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„Betreff: |
JN-Demonstration in H … |
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17. Juni – Ein Volk steht auf und kämpft sich frei – Zeit einen neuen Aufstand zu wagen! |
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Man mag es kaum wahrnehmen oder verspüren, auch heute noch gibt es Leute, die sich gegen die Doktrin des Staates wehren, genau wie im Frühsommer 1953: Im Juni `53 nämlich entschloss sich die schaffende Bevölkerungsschicht, die von der eingesetzten DDR-Regierung stets und ständig erhöhten Arbeitsnormforderungen nicht länger zu ertragen. … |
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Auch heute wieder wehrt sich das Volk gegen Lohn- und Arbeitsdrückerbanden, nur sind es heute die des globalen Kapitalismus, die die schaffenden Menschen ausbeuten und unterdrücken. … |
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Wir wehren uns, vor allem als Deutsche, gegen die Meinungsdiktatur über den Freiheitsdrang nach Unabhängigkeit und Souveränität des Deutschen Volkes. …, auch heute noch gibt es mehr als genug Gesinnungsschnüffler, innerhalb des Regimes BRD, deren Tätigkeit heute genau die selbe ist, wie zu Zeiten der DDR: Sie sollen im Auftrag des Staates Oppositionelle und ‚Querdenker’ ausmachen und verraten. Dies geschieht vor allem deshalb, weil auch die BRD, …, Angst davor haben könnte, das Volk erhebt sich eines Tages erneut gegen den Alles über Alles raffenden und volksverratenden Staat und deren Handlanger. … Die fettgefressenen Bonzen haben Angst davor, das Volk könnte bei einem erneuten Volksaufstand erfolgreich sein und sich das Recht auf Selbstbestimmung erneut erobern wollen. In diesem Falle nämlich, wäre die bürgerliche Revolution erfolgreich, so könnte es gut möglich erscheinen, diesmal wären Tode nicht bei den Demonstranten, sondern vielmehr bei der etablierten Meinungsdiktatoren zu verzeichnen. – Dem Volk wär’s recht, – Hauptsache nur, das Volk erfährt den Willen des Volkes und nicht den der Oberen Zehntausend. – Hochmut kommt eben vor dem Fall, liebe Genossen der Bundesrepublikanischen Politikanstalten und Meinungsfabriken. |
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Hoffen wir mal, die nächste Revolution verläuft erfolgreicher. In diesem Sinne: Volk steh auf, kämpf dich frei! |
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Daher: Werte Kameraden und Kameradinnen, Interessierte, Gegner von Unrecht und Unterdrückung, Verfolgte des BRD- und DDR Regimes, interessierte Bürger – Kommt zahlreich, setzt ein deutliches Zeichen gegen Unterdrückung und Meinungsmacherei. Gedenkt zugleich mit uns der Toten des Aufstandes in der DDR. |
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…“ |
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Daraufhin kündigte das beklagte Land das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 16. September 2009 ordentlich zum 31. Dezember 2009.
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Dagegen erhob der Kläger fristgerecht die vorliegende Kündigungsschutzklage. Er hat die Auffassung vertreten, sein politisches Engagement rechtfertige die neuerliche Kündigung nicht. Er habe sich mehrfach ausdrücklich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekannt. Ebenso wenig habe er Aktivitäten entfaltet, die gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland und ihrer verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet seien. Das gelte auch für den „Newsletter“ vom 11. Juni 2009. Der hierüber verbreitete Demonstrationsaufruf warne lediglich vor der Gefahr sich dynamisierender Demonstrationen, deren Folgen nicht mehr beherrschbar seien. Die Erklärungen seien insgesamt Ausdruck des politischen Meinungskampfs und unterstünden dem Schutz der Meinungsfreiheit. Überdies habe er den Demonstrationsaufruf nicht verfasst, sondern lediglich für dessen „technische“ Verbreitung gesorgt. Damit könne sein – überdies außerdienstliches – Verhalten kein Grund für eine Kündigung sein.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des beklagten Landes vom 16. September 2009 nicht aufgelöst worden ist. |
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Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen. Es hat geltend gemacht, die Kündigung sei zumindest aus Gründen in der Person des Klägers gerechtfertigt. Dessen politische Aktivitäten zeigten, dass er das nach § 3 Abs. 1 TV-L erforderliche Mindestmaß an Verfassungstreue nicht aufbringe. Unabhängig von seiner Mitgliedschaft in der NPD agiere er selbst verfassungsfeindlich. Deutlicher Beleg dafür sei sein Verhalten im Zusammenhang mit dem Demonstrationsaufruf für den 17. Juni 2009. Dessen Verfasser bekundeten ihre direkte Sympathie für einen Aufstand des Volkes zur Beseitigung des Staates unter Inkaufnahme von Toten. Diese Aussagen habe sich der Kläger zu eigen gemacht, indem er den Aufruf verbreitet habe. In Anbetracht dessen sei er für eine Tätigkeit im Druckzentrum der OFD ungeeignet.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Kündigung vom 16. September 2009 ist wirksam. Sie hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist aufgelöst.
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I. Dem beklagten Land ist es trotz der rechtskräftigen Entscheidung im Vorprozess nicht verwehrt, die Kündigung auf außerdienstliche Aktivitäten des Klägers für die NPD und/oder deren Jugendorganisation zu stützen. Das gilt auch, soweit es sich – wie schon im Vorprozess – darauf beruft, dem Kläger fehle es angesichts seiner unzureichenden Verfassungstreue an der für seine Tätigkeit erforderlichen Eignung.
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1. Eine Kündigung kann nicht erfolgreich auf Gründe gestützt werden, die der Arbeitgeber schon zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie die Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung der früheren Kündigung ist der Arbeitgeber dann ausgeschlossen (BAG 8. November 2007 – 2 AZR 528/06 – Rn. 20 ff. mwN, EzA BGB 2002 § 626 Nr. 19). Eine Präklusionswirkung in diesem Sinne entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt. Hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen (BAG 26. November 2009 – 2 AZR 272/08 – Rn. 19, BAGE 132, 299). Das gilt auch, wenn es sich um einen sog. Dauertatbestand handelt. Ein anderer Kündigungssachverhalt liegt auch in diesem Fall vor, wenn sich die tatsächlichen Umstände, aus denen der Arbeitgeber den Kündigungsgrund ableitet, wesentlich verändert haben.
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2. Danach stellt die ordentliche Kündigung vom 16. September 2009 keine Wiederholung der früheren Kündigung dar. Das beklagte Land stützt sie maßgeblich auf ein Verhalten des Klägers nach der Kündigung vom 8. Mai 2008. Soweit es einzelne von dessen Aktivitäten bereits in den Vorprozess eingeführt hatte, unterlagen sie dort mit Blick auf den maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt keiner materiell-rechtlichen Überprüfung (vgl. BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 65, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Die der OFD als kündigungsberechtigter Stelle erstmals durch Schreiben des Landesamts für Verfassungsschutz vom 13. Juli 2009 bekanntgewordene Verbreitung des „Newsletter“ vom 11. Juni 2009 war nicht Gegenstand des Vorprozesses.
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II. Die Verbreitung des „Newsletter“ vom 11. Juni 2009 zeigt, dass der Kläger das für seine Tätigkeit im Druck- und Versandzentrum der OFD unabdingbare Maß an Verfassungstreue nicht aufbringt. Die ordentliche Kündigung vom 16. September 2009 ist damit – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat – jedenfalls aus Gründen in der Person des Klägers sozial gerechtfertigt iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG.
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1. Nach der im Streitfall anwendbaren Tarifregelung des § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L (zuvor: § 8 Abs. 1 Satz 2 BAT) sind die Beschäftigten des beklagten Landes verpflichtet, sich durch ihr gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes zu bekennen. Die Regelung normiert für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes eine besondere politische Loyalitätspflicht (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 24 ff. mwN, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Sie konkretisiert insoweit die allen Arbeitnehmern obliegende Pflicht aus § 241 Abs. 2 BGB, auf die berechtigten betrieblichen Interessen des Arbeitgebers in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen (vgl. Sponer/Steinherr TV-L Stand Januar 2013 § 3 Rn. 10).
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2. § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L mit seinen allgemein gehaltenen Formulierungen kann allerdings nicht so verstanden werden, dass alle Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes einer beamtenähnlichen und damit gesteigerten Treuepflicht unterlägen (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 26 mwN, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Das Maß der einem Beschäftigten des öffentlichen Dienstes abzuverlangenden Loyalität gegenüber der Verfassung bestimmt sich vielmehr – bei verfassungskonformer Auslegung der Tarifvorschrift – nach der Stellung und dem Aufgabenkreis, der dem Beschäftigten laut Arbeitsvertrag übertragen ist (sog. Funktionstheorie, BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 29 mwN, aaO). Dieser schuldet lediglich ein solches Maß an politischer Loyalität, das für die funktionsgerechte Verrichtung seiner Tätigkeit unverzichtbar ist. Auch Arbeitnehmer, die nur eine „einfache“ politische Treuepflicht trifft, müssen aber ein Mindestmaß an Verfassungstreue insoweit aufbringen, als sie nicht darauf ausgehen dürfen, den Staat, die Verfassung oder deren Organe zu beseitigen, zu beschimpfen oder verächtlich zu machen (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 29, aaO; zur Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung eines Jugend- und Auszubildendenvertreters in einem solchen Fall: OVG Lüneburg 12. Dezember 2007 – 17 LP 4/06 – Rn. 42, PersR 2008, 324). Das gilt gleichermaßen für den dienstlichen wie den außerdienstlichen Bereich. Auch außerhalb ihrer Arbeitszeit sind Beschäftigte des öffentlichen Dienstes verpflichtet, sich ihrem Arbeitgeber gegenüber loyal zu verhalten und auf dessen berechtigte Integritätsinteressen in zumutbarer Weise Rücksicht zu nehmen (BAG 28. Oktober 2010 – 2 AZR 293/09 – Rn. 19, AP KSchG 1969 § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 62 = EzA KSchG § 1 Verhaltensbedingte Kündigung Nr. 78).
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3. Handelt ein Arbeitnehmer diesen Anforderungen zuwider, kann dies ein Grund für eine verhaltensbedingte – außerordentliche oder ordentliche – Kündigung sein, wenn durch den Loyalitätsverstoß eine konkrete Störung des Arbeitsverhältnisses eingetreten ist, sei es im Leistungsbereich, im Bereich der betrieblichen Verbundenheit aller Mitarbeiter, im personalen Vertrauensbereich oder im behördlichen Aufgabenbereich (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 22 mwN, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10; Preis/Stoffels RdA 1996, 210, 221). Ob eine verhaltensbedingte Kündigung iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 2 KSchG schon dann gerechtfertigt sein kann, wenn konkrete Umstände den Eintritt einer derartigen Störung im personalen Vertrauensbereich zumindest wahrscheinlich machen (zur Problematik: Polzer/Powietzka NZA 2000, 970, 973; Preis/Stoffels RdA 1996, 210, 221) und ob sich hierfür aus dem Vortrag des beklagten Landes hinreichende Anhaltspunkte ergeben, kann dahinstehen. Die nach der ersten Kündigung entfalteten Aktivitäten des Klägers für die NPD und/oder deren Jugendorganisation begründen – unabhängig von einer möglichen Verfassungsfeindlichkeit der Organisationen – erhebliche und berechtigte Zweifel an seiner Verfassungstreue. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, angesichts dieser Zweifel fehle dem Kläger die für die vertraglich geschuldete Tätigkeit erforderliche Eignung, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Damit ist die ausgesprochene Kündigung jedenfalls durch Gründe in der Person des Klägers iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 Alt. 1 KSchG bedingt.
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a) Mit der Befugnis zur personenbedingten Kündigung wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eröffnet, das Arbeitsverhältnis aufzulösen, wenn der Arbeitnehmer die erforderliche Eignung oder Fähigkeit nicht (mehr) besitzt, die geschuldete Arbeitsleistung vertragsgerecht zu erfüllen (BAG 10. September 2009 – 2 AZR 257/08 – Rn. 20, BAGE 132, 72; 23. Oktober 2008 – 2 AZR 483/07 – Rn. 44, AP BGB § 626 Nr. 218). Im öffentlichen Dienst kann sich ein – nicht behebbarer – Eignungsmangel aus begründeten Zweifeln an der Verfassungstreue des Arbeitnehmers ergeben. § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L legt zwar in erster Linie Verhaltensanforderungen fest. Die Regelung beschreibt aber zugleich das notwendige Maß an Verfassungstreue, das ein Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst mitbringen muss, um seine Arbeitsaufgaben vertragsgerecht zu erfüllen; mit diesen Anforderungen ist die Verfassungstreue Bestandteil des Begriffs „Eignung“ in Art. 33 Abs. 2 GG (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 23, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10; 27. Juli 2005 – 7 AZR 508/04 – Rn. 20, BAGE 115, 296; siehe auch BVerfG 8. Juli 1997 – 1 BvR 2111/94 ua. – zu C I 1 b der Gründe, BVerfGE 96, 171).
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b) Begründete Zweifel an der Verfassungstreue mit der Folge eines Eignungsmangels sind nicht schon dann anzunehmen, wenn ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes Anhänger einer verfassungsfeindlichen Partei oder einer sonstigen verfassungsfeindlichen Organisation ist. Zwar können Mitgliedschaft in und aktives Eintreten für eine solche Partei Indizien für eine fehlende Bereitschaft zur Verfassungstreue sein – unbeschadet des Parteienprivilegs und der nach Art. 21 Abs. 2 GG allein dem Bundesverfassungsgericht zukommenden Kompetenz, sie für verfassungswidrig zu erklären und zu verbieten (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 21 mwN, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10; 31. März 1976 – 5 AZR 104/74 – zu III 2 b der Gründe, BAGE 28, 62). Derartige Umstände führen aber selbst bei Arbeitnehmern, die gesteigerten Loyalitätsanforderungen unterliegen, nicht ohne Weiteres zur sozialen Rechtfertigung einer Kündigung (im Einzelnen: BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 23, aaO; 28. September 1989 – 2 AZR 317/86 – zu B I 1 der Gründe, BAGE 63, 72; 20. Juli 1989 – 2 AZR 114/87 – zu II 2 c der Gründe, BAGE 62, 256).
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c) Unterliegt ein Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes ohnehin keiner gesteigerten (politischen) Loyalitätspflicht, liegt ein Eignungsmangel regelmäßig noch nicht darin, dass er verfassungsfeindliche Ziele einer Partei oder Organisation für richtig hält. Die „einfache“ politische Loyalitätspflicht verlangt von ihm lediglich die Gewähr, nicht selbst verfassungsfeindliche Ziele zu verfolgen oder aktiv zu unterstützen (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 61, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10; 5. August 1982 – 2 AZR 1136/79 – zu III 1 b der Gründe, BAGE 40, 1). Es bedarf deshalb der genauen Prüfung, ob und ggf. mit welchen Mitteln der Arbeitnehmer selber verfassungsfeindliche Bestrebungen fördern oder verwirklichen will (vgl. BAG 12. März 1986 – 7 AZR 468/81 – zu II 2 d der Gründe). Erst wenn entsprechende Aktivitäten deutlich machen, dass er sogar das auch bei nur „einfacher“ Loyalitätspflicht erforderliche Mindestmaß an Verfassungstreue dauerhaft nicht aufzubringen bereit oder in der Lage ist, kann eine Kündigung aus Gründen in seiner Person gerechtfertigt sein.
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d) Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat sie rechtsfehlerfrei angewendet.
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aa) Die Tätigkeit des Klägers erfordert nur ein einfaches Maß an Verfassungstreue. Der Senat hat dies in seiner Entscheidung vom 12. Mai 2011 (- 2 AZR 479/09 – Rn. 59, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10) im Einzelnen dargelegt.
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bb) Danach steht einer Eignung des Klägers nicht schon der Umstand entgegen, dass er sich im Anschluss an die Kündigung vom 8. Mai 2008 überhaupt weiterhin in der NPD und/oder deren Jugendorganisation engagiert hat; dabei kann deren Verfassungsfeindlichkeit unterstellt werden. Auch wenn er sich von verfassungsfeindlichen Bestrebungen der NPD/JN und ihrer Vertreter nicht distanziert, diese vielmehr „innerlich gebilligt“ und sein Zugehörigkeitsgefühl zu den Organisationen unmissverständlich zum Ausdruck gebracht haben sollte, lässt dies nicht erkennen, dass der Kläger sich selbst verfassungsfeindlich betätigt oder verfassungsfeindliche Bestrebungen aktiv gefördert hätte.
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cc) Indiziert wird der Eignungsmangel des Klägers aber durch sein Verhalten im Zusammenhang mit dem „Newsletter“ vom 11. Juni 2009. Er hat mit diesem im Internet einen Aufruf zur Teilnahme an einer Demonstration der JN am 17. Juni 2009 verbreitet und so einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, daraus gehe hervor, dass der Kläger die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht nur persönlich in Frage stelle, sondern bereit sei, ihrer aktiven Bekämpfung Vorschub zu leisten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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(1) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der oder die Verfasser des Aufrufs träten für eine gewaltsame Ablösung der bestehenden, von ihnen verachteten politischen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland ein. Die Würdigung entspricht, auch soweit das Gericht sich dabei die Gründe im arbeitsgerichtlichen Urteil zu eigen gemacht hat, dem objektiven Aussagegehalt der in dem Aufruf enthaltenen Äußerungen. Sie lässt keine möglichen Deutungsalternativen außer Acht, wie die Revision meint.
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(a) Die zutreffende Sinndeutung der fraglichen, nicht an einen bestimmten Personenkreis gerichteten Erklärungen unterliegt in vollem Umfang der revisionsrechtlichen Überprüfung. Der objektive Sinngehalt ist nach Maßgabe des Verständnisses eines unvoreingenommenen und verständigen Durchschnittspublikums zu ermitteln (zu den Maßstäben für die Auslegung von Meinungsäußerungen: BVerfG 4. Februar 2010 – 1 BvR 369/04 ua. – Rn. 28, NJW 2010, 2193; BAG 24. November 2005 – 2 AZR 584/04 – Rn. 27, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13; BGH 25. November 2003 – VI ZR 226/02 – NJW 2004, 598). Auszugehen ist vom Wortlaut der Aussagen. Darüber hinaus sind der Kontext, in den sie gestellt sind, und die Begleitumstände, unter denen sie gefallen sind, zu berücksichtigen, zumindest soweit diese für einen unbefangenen Leser erkennbar geworden sind (vgl. BVerfG 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91 ua. – Rn. 124 ff., BVerfGE 93, 266; BGH 25. März 1997 – VI ZR 102/96 – NJW 1997, 2513). In diesem Rahmen können auch Aussagen Bedeutung gewinnen, die im Gesamtzusammenhang offener Einzelaussagen „versteckt“ sind bzw. „zwischen den Zeilen“ stehen (vgl. BGH 25. November 2003 – VI ZR 226/02 – aaO). Dies setzt voraus, dass sich die verdeckte Aussage dem angesprochenen Publikum als unabweisbare Schlussfolgerung aufdrängt (zu den Anforderungen im Einzelnen: BVerfG 10. Oktober 1995 – 1 BvR 1476/91 ua. – aaO; BGH 25. November 2003 – VI ZR 226/02 – aaO).
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(b) Dem Aufruf ist danach nicht nur eine zwar scharfe, aber hinzunehmende Kritik an bestehenden Zuständen zu entnehmen. Die Aussagen sind vielmehr, soweit sie sich auf die gegenwärtigen politischen Verhältnisse beziehen, darauf gerichtet, die Bundesrepublik Deutschland in einer Weise zu diffamieren, dass dies geeignet erscheint, den Bestand des Staates, die Funktionsfähigkeit seiner Einrichtungen und/oder die Friedfertigkeit der Bevölkerung konkret zu gefährden. Zwar lassen einzelne Äußerungen – etwa die über den „Alles über Alles raffenden (…) Staat“ und seine „Handlanger“, über „fettgefressene Bonzen“ und „bundesrepublikanische Politikanstalten“ – bei isolierter Betrachtung noch den Schluss zu, es gehe den Verfassern um eine – wenn auch überspitzte – Missbilligung des Handelns der Regierung, ihrer Mitglieder oder anderer staatlicher Funktionsträger. Einer solchen Deutung widerspricht aber der Kontext, in dem die Äußerungen stehen. Durch das Prädikat „volksverratend“ wird der Staat als der Achtung seiner Bürger unwürdig dargestellt. Durch den Text, „auch die BRD (könnte) Angst davor haben … das Volk erhebt sich eines Tages“ und „das Volk könnte bei einem erneuten Volksaufstand erfolgreich sein und sich das Recht auf Selbstbestimmung erneut erobern wollen“, wird dem Leser zumindest zwischen den Zeilen die Änderung der bestehenden Ordnung auf anderem als demokratisch-parlamentarischem Weg als erwünschte Entwicklung vor Augen geführt. Durch die Ausführungen, es „könnte … gut möglich erscheinen, diesmal wären Tode nicht bei den Demonstranten, sondern vielmehr bei der etablierten Meinungsdiktatoren zu verzeichnen. – Dem Volk wär´s recht“, wird dazu der gewaltsame Umsturz als Option angesprochen und ersichtlich gebilligt. Dabei handelt es sich, anders als die Revision meint, nicht um eine „überspitzt formulierte Gefahrenanalyse“. Unter Einbeziehung des abschließenden Appells: „Hoffen wir mal, die nächste Revolution verläuft erfolgreicher. In diesem Sinne: Volk steh auf, kämpf dich frei!“ liegt dies fern. Bei zusammenhängender Betrachtung können die Äußerungen nur als verbrämte Aufforderung zu einem gewaltsamen Umsturz verstanden werden.
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(2) Zugunsten des Klägers kann unterstellt werden, dass er den Demonstrationsaufruf nicht selbst verfasst sondern sich – mit seinen eigenen Worten gesprochen – auf dessen „technische“ Verbreitung beschränkt hat. Auch dann sind ihm die Aussagen zuzurechnen. Auf seine presserechtliche Verantwortlichkeit kommt es nicht an. Entscheidend für die kündigungsrechtliche Beurteilung ist, dass der Kläger den Aufruf unter Angabe eines auf ihn lautenden Internetabsenders und ohne inhaltliche Distanzierung Dritten zugänglich gemacht und sich damit nach außen hinter dessen Aussagen gestellt hat. Seine erstmals in der Revision aufgestellte Behauptung, er habe den Inhalt der „inkriminierten Mail“ seinerzeit nicht ausreichend beachtet, rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Zum einen handelt es sich um neuen, zum anderen um unschlüssigen Sachvortrag. Der Kläger macht nicht deutlich, was im Einzelnen er nicht beachtet habe.
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(3) Den Zweifeln an der zureichenden Verfassungstreue des Klägers steht nicht entgegen, dass dieser mit der Verbreitung des Aufrufs die Bundesrepublik Deutschland nicht unmittelbar in ihrem Bestand angegriffen hat oder unmittelbar zu einem solchen Angriff angesetzt hat. Das beklagte Land muss sich darauf verlassen können, dass sich seine Bediensteten selbst mittelbar nicht verfassungsfeindlich betätigen, dass sie ihr Handeln an den Grundprinzipien der Verfassung ausrichten und unter allen Umständen das Gewaltmonopol des Staates anerkennen. Dafür bietet der Kläger angesichts seines Verhaltens nicht die erforderliche Gewähr.
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(4) Auf die Strafbarkeit des Vorgehens kommt es nicht an. Der von § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L iVm. § 241 Abs. 2 BGB, Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Verfassungstreue stehen nicht nur Aktivitäten gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung entgegen, die einen Straftatbestand erfüllen.
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e) Es liegt ein dauerhafter, nicht behebbarer Eignungsmangel vor. Das beklagte Land hat dem Kläger im Zusammenhang mit der Abmahnung vom 4. Oktober 2007 vor Augen geführt, welche Anforderungen sich aus § 3 TV-L für eine vertragsgerechte Durchführung des Arbeitsverhältnisses ergeben. Das gilt unabhängig davon, ob der Kläger mit dem seinerzeit gerügten Verhalten seine Pflichten aus § 3 Abs. 1 TV-L tatsächlich verletzt hatte. Das objektive (Mindest-)Maß der von ihm aufzubringenden Loyalität ist dem Kläger überdies in mehreren, schon vor der Versendung des „Newsletter“ vom 11. Juni 2009 ergangenen gerichtlichen Entscheidungen vor Augen geführt worden. Da es ihm gleichwohl nicht gelungen ist, sich hierauf einzustellen, steht nicht zu erwarten, dass ihm dies zukünftig gelingen könnte. Seine im Revisionsverfahren schriftsätzlich erklärte Bereitschaft, „fürderhin vom Verbreiten jeglicher Newsletter Abstand zu nehmen, wenn dies für den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses nach Auffassung des Revisionsgerichts erforderlich“ sei, genügt dafür nicht. Daraus wird nicht deutlich, dass er bereit und in der Lage ist, von sich aus das notwendige Maß an Verfassungstreue aufzubringen, und er sich von verfassungsfeindlichen Bestrebungen gänzlich fernhalten wird.
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f) Das Grundrecht des Klägers auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG), das bei der Konkretisierung der vertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme zu beachten ist (BAG 24. November 2005 – 2 AZR 584/04 – Rn. 23, AP BGB § 626 Nr. 198 = EzA BGB 2002 § 626 Nr. 13), ist nicht verletzt. Ihm sind durch die allgemeinen Gesetze Schranken gezogen. Zu diesen zählt die in § 241 Abs. 2 BGB verankerte und durch § 3 TV-L näher ausgestaltete Verpflichtung des im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeitnehmers, berechtigte Loyalitätsinteressen des Arbeitgebers zu wahren. Aus den Garantien in Art. 10 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) folgt nichts anderes. Es ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte anerkannt, dass die Verpflichtung zur Verfassungstreue im öffentlichen Dienst der Verfolgung berechtigter Ziele iSd. Art. 10 Abs. 2 EMRK dient. Den innerstaatlichen Behörden und Gerichten steht ein gewisser Ermessensspielraum hinsichtlich der Frage zu, ob eine Maßnahme verhältnismäßig und in einer demokratischen Gesellschaft, wie von Art. 10 Abs. 2 EMRK gefordert, notwendig ist (EGMR 22. November 2001 – 39799/98 [Volkmer/Deutschland] – zu 1 der Gründe, NJW 2002, 3087; 26. September 1993 – 7/1994/454/535 [Vogt/Deutschland] – Rn. 51, 59 ff., NJW 1996, 375).
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g) Durch die ausgesprochene Kündigung wird der Kläger nicht iSv. §§ 1, 2 Abs. 1, § 7 AGG benachteiligt. Dabei kann offenbleiben, ob politisches Engagement, soweit darin bestimmte Grundüberzeugungen zum Ausdruck kommen, das Merkmal der „Weltanschauung“ in § 1 AGG erfüllt (bejahend Annuß BB 2005, 1629, 1631; Wisskirchen/Bissels NZA 2007, 169, 172 f.; verneinend für den Begriff der Weltanschauung iSd. Art. 4 Abs. 1 GG: BVerwG 7. Juli 2004 – 6 C 17.03 – zu 3 c ee der Gründe, NJW 2005, 85). Der Kläger ist nicht entlassen worden, weil er eine bestimmte politische Anschauung hat, sondern weil ihm die erforderliche Verfassungstreue für die vertraglich übernommene Tätigkeit fehlt. Auch stellen die sich aus § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L ergebenden Anforderungen an die Verfassungstreue eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung iSv. § 8 Abs. 1 AGG dar (BAG 12. Mai 2011 – 2 AZR 479/09 – Rn. 38, AP BGB § 123 Nr. 69 = EzA BGB 2002 § 123 Nr. 10). Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78/EG verlangt kein anderes Verständnis. Das vermag der Senat selbst zu entscheiden.
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h) Damit liegt ein Kündigungsgrund in der Person des Klägers iSv. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG vor. Die Pflicht zur Verfassungsloyalität in § 3 Abs. 1 Satz 2 TV-L und die Gewähr ihrer Erfüllung sind Bestandteil der Eignung iSv. Art. 33 Abs. 2 GG. Der öffentliche Arbeitgeber muss keine Arbeitnehmer beschäftigen, die das ihnen abzuverlangende Maß an Verfassungstreue nicht jederzeit aufbringen. Dadurch wird die Funktionsfähigkeit der Verwaltung gesichert. Des Nachweises weitergehender Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses bedarf es nicht.
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i) Die abschließende Interessenabwägung des Landesarbeitsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auf die vom Kläger vermisste Berücksichtigung der positiven Bewertung seiner Leistungen in einem Zwischenzeugnis kommt es nicht an. Es steht nicht seine fachliche Leistung, sondern seine Verfassungstreue zur Beurteilung.
III. Der Kläger hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen.
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Kreft |
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Rinck |
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Berger |
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Kreft |
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Grimberg |