Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten zu 1. wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25. Juni 2021 – 14 Sa 1225/20 – aufgehoben, soweit darin zu ihren Lasten erkannt worden ist.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung.
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Die Beklagte zu 1. (im Folgenden Beklagte) beschäftigte in ihrem Betrieb regelmäßig mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmer. In der Zeit vom 18. Juni bis zum 18. Juli 2019 kündigte sie insgesamt 17 Arbeitsverhältnisse, darunter das der Klägerin.
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Diese hat mit der vorliegenden Klage ua. geltend gemacht, die ihr am 19. Juni 2019 zugegangene Kündigung sei nach § 134 BGB nichtig, weil die Beklagte – als solches unstreitig – nicht zuvor gegenüber der Agentur für Arbeit die Angaben gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht habe.
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Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – sinngemäß beantragt
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festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 19. Juni 2019 aufgelöst worden ist. |
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Das Arbeitsgericht hat die Klage durch Versäumnisurteil abgewiesen. Auf den Einspruch der Klägerin hat es dem Kündigungsschutzantrag unter teilweiser Aufhebung des Versäumnisurteils entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt diese ihren Antrag weiter, die Kündigungsschutzklage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht ihre Berufung gegen das dem Kündigungsschutzantrag auf den zulässigen Einspruch der Klägerin (§ 59 ArbGG, § 340 ZPO) unter teilweiser Aufhebung des klageabweisenden Versäumnisurteils stattgebende erstinstanzliche Urteil nicht zurückweisen. Das Landesarbeitsgericht hat die Kündigung vom 19. Juni 2019 rechtsfehlerhaft für nichtig gehalten. Ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung aufgelöst worden ist, kann der Senat nicht selbst entscheiden. Das führt zur Aufhebung des Berufungsurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), soweit dieses zulasten der Beklagten erkannt hat.
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I. Das Berufungsgericht hat dem Kündigungsschutzantrag zu Unrecht mit der Begründung entsprochen, die streitbefangene Kündigung sei gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig, weil die Beklagte vor deren Zugang nicht gegenüber der Agentur für Arbeit die Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht habe.
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1. Den vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen lässt sich schon nicht entnehmen, dass die Klägerin im Zuge einer nach § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG anzeigepflichtigen Massenentlassung entlassen worden ist. Dazu müsste die Beklagte innerhalb eines Zeitraums von 30 Kalendertagen mehr als fünf Arbeitnehmer entlassen haben, darunter die Klägerin. Als Entlassung gilt der Zugang einer Kündigungserklärung (vgl. EuGH 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 39; BAG 27. Januar 2022 – 6 AZR 155/21 (A) – Rn. 27). Das Berufungsgericht hat nur festgestellt, dass die Beklagte „in der Zeit vom 18. Juni 2019 bis zum 18. Juli 2019“ insgesamt 17 Arbeitsverhältnisse „gekündigt“ hat. Dies lässt nicht eindeutig erkennen, wann die weiteren Kündigungen den betreffenden Arbeitnehmern zugegangen sind.
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2. Sollte die Klägerin – wohin eine Erklärung der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat deutet – im Zuge einer anzeigepflichtigen Massenentlassung entlassen worden sein, wäre die streitbefangene Kündigung nicht deshalb nach § 134 BGB nichtig, weil die Beklagte vor ihrem Zugang nicht gegenüber der Agentur für Arbeit die Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG gemacht hat.
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a) § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG ist nach dem im Gesetzeswortlaut, in der Gesetzessystematik und in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachten Willen des – nationalen – Gesetzgebers eindeutig nicht als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Massenentlassungsanzeige ausgestaltet. Nur das Fehlen einer wirksamen Anzeige könnte aber in unionsrechtskonformer Auslegung von § 17 Abs. 3 KSchG gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit einer im Rahmen der betreffenden Massenentlassung erklärten Kündigung führen (vgl. BAG 22. November 2012 – 2 AZR 371/11 – Rn. 20 ff., BAGE 144, 47).
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aa) Bei § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG handelt es sich um eine an den Arbeitgeber adressierte Sollvorschrift. Die Verletzung von an Private gerichteten Sollbestimmungen führt regelmäßig nicht zur Unwirksamkeit der betreffenden Rechtshandlung (vgl. BayObLG 14. Juli 1981 – Allg Reg 32/81 – zu II 3 a (1) der Gründe; Grüneberg/Ellenberger 81. Aufl. § 134 Rn. 6a; Jauernig/Mansel BGB 18. Aufl. § 134 Rn. 10 aE). Diese Regel wird für die Massenentlassungsanzeige bestätigt in der Begründung des Regierungsentwurfs vom 19. Oktober 1977 für das Zweite Gesetz zur Änderung des Kündigungsschutzgesetzes vom 27. April 1978 (BGBl. I S. 550), durch das der jetzige Abs. 3 in § 17 KSchG eingefügt wurde. Danach ist der Inhalt der Anzeige in Bezug auf die in Satz 5 vorgesehenen Angaben „nur in einer Sollbestimmung festgelegt“ (BT-Drs. 8/1041 S. 5).
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bb) Entscheidend tritt hinzu, dass der Gesetzgeber in § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG eine Mussregelung getroffen und in der Begründung zum Entwurf der Bundesregierung vom 2. März 1995 für das Gesetz zur Anpassung arbeitsrechtlicher Bestimmungen an das EG-Recht vom 20. Juli 1995 (BGBl. I S. 946), durch den § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG zur Erweiterung der Unterrichtungs- und Anzeigepflichten bei Massenentlassungen im Zuge der Umsetzung der Richtlinie 92/56/EWG vom 24. Juni 1992 (Massenentlassungs-Änderungsrichtlinie) seine gegenwärtige Fassung erhalten hat, ausgeführt hat: „Diese Vorschrift stellt – wie bisher – sicher, daß das Arbeitsamt alle für die Arbeitsverwaltung bestimmten Informationen auch dann erhält, wenn kein Betriebsrat vorhanden ist, dessen Unterrichtung dem Arbeitsamt durch eine Abschrift der Mitteilung zur Kenntnis gebracht werden könnte“ (BT-Drs. 13/668 S. 14). Danach soll – entsprechend der Trennung in eine Mussbestimmung und eine Sollvorschrift (vgl. BAG 29. September 2005 – 8 AZR 571/04 – zu II 1 b bb (3) der Gründe, BAGE 116, 78; 25. Oktober 1994 – 3 AZR 987/93 – zu A III 2 c aa der Gründe) – zwar § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG, nicht aber § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG eine Regelung zum zwingenden Inhalt der Massenentlassungsanzeige treffen (vgl. Meinel/Degen RdA 2022, 41, 47 f.; siehe auch Bayreuther/Salamon Kündigungsschutz Kap. 3 Rn. 100).
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cc) Zudem ist in gesetzessystematischer Hinsicht zu beachten, dass § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG vom Arbeitgeber zwar die Angabe der Zahl und der Berufsgruppen sowie der vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer verlangt, nicht hingegen die Individualisierung der Betroffenen (aA – insoweit nicht tragend – BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 25, BAGE 167, 102). Dann aber können die „personenbezogenen“ Angaben nach § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG keine „Muss-Angaben“ sein. Dies gilt auch, wenn der Arbeitgeber sie bei Erstattung der Massenentlassungsanzeige bereits machen könnte.
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dd) Damit läuft § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG nicht leer. Der Gesetzgeber des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Kündigungsschutzgesetzes hat den nach seiner Vorstellung über die damals in nationales Recht umzusetzenden Vorgaben der Richtlinie 75/129/EWG vom 17. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen hinausgehenden (BT-Drs. 8/1041 S. 5) Zweck der Bestimmung, die Arbeitsvermittlung der Betroffenen zu fördern, aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung in den Gesetzestext aufgenommen (BT-Drs. 8/1546 S. 8). Ausweislich des Zusatzes „für die Arbeitsvermittlung“, der sich in § 17 Abs. 3 Satz 4 KSchG nicht findet, hat § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG einen rein sozialrechtlichen Regelungsgehalt. Indem die Vorschrift den Arbeitgeber (im Einvernehmen mit dem Betriebsrat) zur Mitwirkung veranlasst, um so im Sinne der Solidargemeinschaft den Eintritt des Versicherungsfalls der Arbeitslosigkeit möglichst zu vermeiden oder doch dessen Dauer zu begrenzen, geht sie über eine lediglich programmatische Zielvorstellung des Gesetzgebers hinaus (vgl. BAG 29. September 2005 – 8 AZR 571/04 – zu II 1 b bb (3) der Gründe, BAGE 116, 78 zu § 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 SGB III). Das trifft in abgeschwächter Form auch noch unter Geltung von § 38 Abs. 1 SGB III zu.
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ee) Nach alledem spielt es keine Rolle, dass der Agentur für Arbeit die in § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG vorgesehenen Angaben nur „im Einvernehmen mit dem Betriebsrat“ zu unterbreiten sind. Allerdings ist die Annahme des Gesetzgebers, der Arbeitgeber könne diese Angaben ua. („etwa“) deshalb „häufig … noch nicht machen“, weil dadurch die Verhandlungen mit dem Betriebsrat belastet würden (BT-Drs. 8/1041 S. 5), nicht überholt (aA MHdB ArbR/Spelge 5. Aufl. § 121 Rn. 189). Zwar wird das Konsultationsverfahren nach § 17 Abs. 2 KSchG – so es infolge einer zuständigen Arbeitnehmervertretung geboten ist – bei Erstattung der Massenentlassungsanzeige abgeschlossen sein. Doch hatte der Gesetzgeber gerade auch die Interessenausgleichsverhandlungen gemäß §§ 111 ff. BetrVG vor Augen (vgl. BT-Drs. 8/1041 aaO). Diese können aber noch andauern, wenn der Arbeitgeber eine Massenentlassungsanzeige erstattet. Im Konsultationsverfahren besteht weder ein Einigungszwang noch ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Einigungsstelle anzurufen. Demgegenüber kann der Betriebsrat ihn im Verfahren nach §§ 111 ff. BetrVG über die Einigungsstelle dazu zwingen, einen Interessenausgleich wenigstens zu versuchen (§ 112 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 BetrVG). Mit der Erstattung einer Massenentlassungsanzeige zwischen dem Ende der Konsultationen und dem ausreichenden Versuch eines Interessenausgleichs beginnt der Arbeitgeber auch nicht iSv. § 113 Abs. 3 BetrVG mit der Betriebsänderung. Die Anzeige zwingt ihn nicht zum Ausspruch von Kündigungen (BAG 14. April 2015 – 1 AZR 794/13 – Rn. 25).
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b) § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG ist auch nicht im Hinblick auf die Vorgaben der Richtlinie 98/59/EG vom 20. Juli 1998 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Massenentlassungen (MERL), geändert durch die Richtlinie (EU) 2015/1794 vom 6. Oktober 2015, als eine die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige bestimmende Mussvorschrift zu verstehen. Davon hat der Senat ohne ein darauf bezogenes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden Gerichtshof) gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV auszugehen.
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aa) Zum einen ist eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung von § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG nicht möglich. Die Entscheidung des deutschen Gesetzgebers, in § 17 Abs. 3 Satz 4 und Satz 5 KSchG zwischen „Muss-Angaben“ und „Soll-Angaben“ zu trennen, die nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Massenentlassungsanzeige sind, sondern allein die Arbeitsvermittlung der Betroffenen fördern sollen, ist – wie gezeigt – eindeutig und weder nach Wortlaut, Systematik, Zweck noch Gesetzeshistorie lückenhaft oder unvollständig (zutreffend Zeppenfeld NZA 2022, 26, 28; ebenso Meinel/Degen RdA 2022, 41, 47 f.). Mit einer Uminterpretation von § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG in eine kündigungsrechtliche Mussvorschrift würden die nationalen Gerichte sich aus der Rolle des Normanwenders hinausbegeben und die Grenze zu einer normsetzenden Instanz überschreiten (vgl. BVerfG 23. Mai 2016 – 1 BvR 2230/15 ua. – Rn. 36 ff. und 49; 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06 ua. – Rn. 50 und 56). Die Pflicht zur Verwirklichung eines – vermeintlichen – Richtlinienziels darf aber nicht als Grundlage für eine Auslegung des nationalen Rechts contra legem dienen (EuGH 12. Mai 2022 – C-426/20 – [Luso Temp] Rn. 57; 15. Januar 2014 – C-176/12 – [Association de médiation sociale] Rn. 39; BVerfG 17. November 2017 – 2 BvR 1131/16 – Rn. 37; 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06 ua. – Rn. 47). Wann letzteres der Fall ist, haben allein die nationalen Gerichte zu beurteilen (vgl. EuGH 21. Januar 2021 – C-308/19 – [Whiteland Import Export] Rn. 62 ff.; 16. Juli 2009 – C-12/08 – [Mono Car Styling] Rn. 62 ff.; BVerfG 10. Dezember 2014 – 2 BvR 1549/07 – Rn. 31). Ein diesbezügliches Vorabentscheidungsersuchen wäre unzulässig. Der Gerichtshof ist nicht befugt, das Recht eines Mitgliedstaats auszulegen (EuGH 26. Januar 2021 – C-422/19 – [Hessischer Rundfunk] Rn. 31; 21. September 2017 – C-429/16 – [Ciupa ua.] Rn. 23).
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bb) Zum anderen ist eine richtlinienkonforme Auslegung von § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG als eine die Wirksamkeit der Massenentlassungsanzeige regelnde Mussvorschrift nicht geboten. Durch die – aufgrund ihrer präjudiziellen Wirkung (BAG 28. Juli 2021 – 10 AZR 397/20 (A) – Rn. 35 ff.) vom Senat zugrunde zu legende – Rechtsprechung des Gerichtshofs ist geklärt, dass die betreffenden Angaben nicht gemäß Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 MERL in der Anzeige enthalten sein müssen.
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(1) Nach Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 1 MERL hat der Arbeitgeber der zuständigen Behörde „alle beabsichtigten Massenentlassungen … anzuzeigen“. Das Tatbestandsmerkmal, dass ein Arbeitgeber Massenentlassungen „beabsichtigt“, entspricht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs einem Fall, in dem noch keine Entscheidung getroffen worden ist (EuGH 10. Dezember 2009 – C-323/08 – [Rodríguez Mayor ua.] Rn. 48; 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 36). Die Anzeigepflichten entstehen nach seiner inzwischen gefestigten Auffassung vor einer Entscheidung des Arbeitgebers zur Kündigung von Arbeitsverträgen (EuGH 21. September 2017 – C-429/16 – [Ciupa ua.] Rn. 32; 21. September 2017 – C-149/16 – [Socha ua.] Rn. 29; 10. Dezember 2009 – C-323/08 – aaO; 10. September 2009 – C-44/08 – [Akavan Erityisalojen Keskusliitto AEK ua.] Rn. 38; 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 37). Danach verlangt die MERL nicht, „dass die Kündigung im Zeitpunkt der Erstattung der Anzeige auf den einzelnen Arbeitnehmer ‚heruntergebrochen‘, die Entscheidung, … welche Arbeitnehmer zu entlassen sind, also bereits gefallen ist“ (so aber – jeweils nicht tragend – BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 71, BAGE 169, 362; 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 31, BAGE 167, 102). Es ist im Gegenteil unionsrechtlich mindestens zulässig, dass der Arbeitgeber die Massenentlassungsanzeige bereits erstattet, wenn die Identität der (voraussichtlich) zu entlassenden Arbeitnehmer noch nicht feststeht, also im Sinne der Rechtsprechung des Gerichthofs noch keine Entscheidung über die Beendigung bestimmter Arbeitsverhältnisse getroffen wurde. Dem entspricht es, dass der aus Art. 2 Abs. 3 Unterabs. 1 Buchst. b MERL übernommene Katalog von Angaben, die „insbesondere“ in der Massenentlassungsanzeige enthalten sein müssen, in Art. 3 Abs. 1 Unterabs. 4 MERL nicht einmal die Kategorien der zu entlassenden Arbeitnehmer umfasst, sondern nur deren Zahl. Wenn aber die MERL nicht verlangt, dass die konkret zu entlassenden Mitarbeiter bei Erstattung der Anzeige bereits feststehen, können auf bestimmte Arbeitnehmer bezogene Angaben – wie diejenigen gemäß § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG – keine unionsrechtlich gebotene Voraussetzung für die Wirksamkeit der Anzeige sein (Meinel/Degen RdA 2022, 41, 44; vgl. insoweit auch BAG 13. Juni 2019 – 6 AZR 459/18 – Rn. 25, BAGE 167, 102).
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(2) Der Senat weist nur ergänzend darauf hin, dass es gleichwohl der zuständigen Behörde iSv. Art. 4 Abs. 2 MERL ermöglicht wird, nach Lösungen für die durch die beabsichtigten Massenentlassungen aufgeworfenen Probleme zu suchen (zu diesem Zweck der Massenentlassungsanzeige EuGH 27. Januar 2005 – C-188/03 – [Junk] Rn. 47), also die besonderen sozioökonomischen Auswirkungen zu bewältigen, die solche Entlassungen in einem bestimmten örtlichen Kontext und einer bestimmten sozialen Umgebung hervorrufen können (vgl. EuGH 13. Mai 2015 – C-182/13 – [Lyttle ua.] Rn. 32; 15. Februar 2007 – C-270/05 – [Athinaïki Chartopoiïa] Rn. 28). Hierfür genügt es, dass sie sich auf die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitnehmern vorbereiten und ihre Vermittlungsbemühungen darauf einstellen kann (insoweit zutreffend BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 71 und 109, BAGE 169, 362).
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(3) Ebenfalls lediglich weiterführend merkt der Senat an, dass der unionsrechtliche Grundsatz des „effet utile“ nach der aufgezeigten Auslegung der MERL auch nicht deshalb nach der Nichtigkeit der Kündigung gemäß § 134 BGB verlangt, weil der betreffende Arbeitnehmer nicht „von der Massenentlassungsanzeige erfasst“ war (so aber BAG 28. Juni 2012 – 6 AZR 780/10 – Rn. 50, BAGE 142, 202) oder der Arbeitgeber in der Anzeige nicht einmal die „Kategorie“ (korrekt) angegeben hat, der dieser Arbeitnehmer zuzurechnen ist. Sollte der Arbeitgeber die angezeigte Zahl der insgesamt zu entlassenden Arbeitnehmer überschreiten, dürfte dies die auf die bevorstehende Massenentlassung bezogene Tätigkeit der Agentur für Arbeit nur beeinflussen können, wenn es sich um eine derart erhebliche Abweichung handelt, dass sie „mit einer solchen Flut“ nicht rechnen musste und deshalb ihre Vermittlungsbemühungen nicht entsprechend einrichten konnte. Allenfalls dann dürfte es, um der MERL nicht ihre praktische Wirksamkeit zu nehmen, geboten sein, die Nichtigkeit – in diesem Fall aber möglicherweise aller betreffenden Kündigungen – nach § 134 BGB anzunehmen.
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II. Die Kündigung ist, selbst wenn sie im Zuge einer Massenentlassung erfolgt sein sollte, auch nicht unmittelbar wegen eines Verstoßes gegen Unionsrecht unwirksam oder nichtig, was der Senat ebenfalls ohne ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV entscheiden kann. Dies setzte voraus, dass Primärrecht der Union, zB die Charta der Grundrechte (GRC), für sich genommen dem Arbeitnehmer ein subjektives, als solches geltend zu machendes und über die aufgezeigten sekundärrechtlichen Vorgaben der MERL hinausgehendes Recht verliehe, dass in einer Massenentlassungsanzeige auf seine Person bezogene Angaben enthalten sind. Daran fehlt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliegend schon deshalb, weil – anders als etwa Art. 21 GRC (Nichtdiskriminierung) – sowohl Art. 27 GRC (Recht auf Unterrichtung und Anhörung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Unternehmen) als auch Art. 30 GRC (Schutz bei ungerechtfertigter Entlassung) durch Bestimmungen des Unionsrechts oder des nationalen Rechts konkretisiert werden müssen, was insbesondere darin zum Ausdruck kommt, dass sie selbst auf die Fälle und Voraussetzungen abstellen, die nach dem Unionsrecht und den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten vorgesehen sind (EuGH 15. Januar 2014 – C-176/12 – [Association de médiation sociale] Rn. 44 f.).
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III. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob das vom Arbeitsgericht erlassene Versäumnisurteil auch hinsichtlich der Abweisung des Kündigungsschutzantrags aufrechtzuerhalten ist (§ 563 Abs. 3, § 343 Satz 1 ZPO). Das Landesarbeitsgericht hat dahinstehen lassen, ob die Massenentlassungsanzeige vor Zugang der streitbefangenen Kündigung bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, wäre die Kündigung, falls sie im Zuge einer Massenentlassung erfolgt sein sollte, gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig (vgl. BAG 27. Januar 2022 – 6 AZR 155/21 (A) – Rn. 21; 21. März 2013 – 2 AZR 60/12 – Rn. 31 ff., BAGE 144, 366).
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Rachor |
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Schlünder |
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Niemann |
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Starke |
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B. Schipp |