Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25. April 2019 – 18 Sa 95/19 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Differenzvergütung für die Jahre 2014 bis 2017.
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Die Klägerin ist seit dem 1. Dezember 2012 in einer Einrichtung des Beklagten, der Pflegedienstleistungen anbietet, als „Nachtwache“ tätig. Für die Zeit ab dem 1. Dezember 2014 vereinbarten die Parteien am 19. September 2014 eine „Änderung zum Arbeitsvertrag für geringfügig entlohnte Beschäftigte“ (iF Änderungsvertrag). Dort heißt es ua.:
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„§ 2 Arbeitszeit |
Die Arbeitszeit beträgt max. 7 Nächte im Monat. |
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§ 3 Vergütung |
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Die Arbeitnehmerin erhält eine monatliche Vergütung (max. 450,00 €) nach Berechnung der geleisteten monatlichen Dienste. Die Vergütungen betragen: im Nachtbereitschaftsdienst 63,44 €, zuzüglich Nachtzuschlag. Die Zuschläge betragen 25% für die Zeit von 20:00 h bis 06:00 h, an Feiertagen 40%, Heiligabend 60% und Silvester 80% (für Heiligabend u. Silvester jeweils ab Dienstbeginn bis 0:00 h). |
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… |
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§ 8 |
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Die Bezüge im Minijob-Arbeitsverhältnis sind grundsätzlich rentenversicherungspflichtig. Es besteht jedoch die Möglichkeit, sich von der Rentenversicherungspflicht befreien zu lassen. Dies ist dem Arbeitgeber schriftlich mitzuteilen. |
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…“ |
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Die Klägerin leistete im Streitzeitraum von drei bis zu neun, überwiegend jedoch fünf oder sechs Nachtwachen (iF Dienste) monatlich. Ihre Dienstzeit begann jeweils um 19:45 Uhr und endete am Folgetag um 06:45 Uhr. Der Beklagte berechnete die Vergütung auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen und zahlte den sich ergebenden Betrag an die Klägerin aus, ohne hiervon Steuern oder Sozialversicherungsbeiträge in Abzug zu bringen.
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Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer Klage für Januar 2014 bis Oktober 2017 die Zahlung von Nettodifferenzvergütung verlangt. Sie habe je Zeitstunde der geleisteten Dienste Anspruch auf das Mindestentgelt nach der Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche vom 15. Juli 2010 (Pflegearbeitsbedingungenverordnung – PflegeArbbV, iF 1. PflegeArbbV) bzw. der Zweiten Verordnung über zwingende Arbeitsbindungen für die Pflegebranche vom 27. November 2014 (Zweite Pflegearbeitsbedingungenverordnung – 2. PflegeArbbV). Seit 1. Januar 2015 stehe ihr zumindest der gesetzliche Mindestlohn zu. Für jeweils zehn Stunden eines jeden Dienstes sei der vertraglich vereinbarte Nachtzuschlag hinzuzurechnen. Die sich daraus unter Abzug der geleisteten Zahlungen je Dienst berechnenden Differenzbeträge stünden ihr als Nettoentgelt zu. Das gelte unabhängig davon, ob unter Berücksichtigung der zu leistenden Nachzahlungen die Entgeltgrenze für eine geringfügige Beschäftigung überschritten sei.
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Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
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den Beklagten zu verurteilen, an sie eine Nettovergütung iHv. 9.340,17 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach näherer betragsmäßiger und zeitlicher Staffelung zu zahlen. |
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Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren unverändert weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Die auf Zahlung einer Nettovergütung gerichtete Klage ist zulässig, mangels Schlüssigkeit jedoch unbegründet.
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I. Die Nettolohnklage ist zulässig, insbesondere ist der Zahlungsantrag hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Klägerin verlangt für den Zeitraum Januar 2014 bis Oktober 2017 konkrete Beträge als Nettoarbeitsentgelt für geleistete Arbeit im Rahmen monatlich geleisteter Nachtdienste, über deren Anzahl zwischen den Parteien kein Streit besteht. Die Klage ist dementsprechend für den streitbefangenen Zeitraum als abschließende Gesamtklage zu verstehen (dazu BAG 24. Juni 2020 – 5 AZR 93/19 – Rn. 20 mwN). Den Darlegungen der Klägerin ist zu entnehmen, aus welchen konkreten Einzelforderungen sich die „Gesamtklage“ zusammensetzt (hierzu BAG 19. März 2014 – 7 AZR 480/12 – Rn. 11).
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II. Die Nettolohnklage ist unbegründet. Das eigene Vorbringen der Klägerin trägt nicht die Annahme einer Nettolohnvereinbarung. Ausgehend von einer bestehenden Bruttolohnvereinbarung kann die Klägerin die begehrten Zahlungen nicht – auch nicht teilweise – als Nettovergütung verlangen, weil es an einer auf den Tag des Zuflusses bezogenen Darlegung der Besteuerungsmerkmale fehlt. Eine Zuerkennung der begehrten Differenzvergütung als Bruttovergütung scheidet auf der Grundlage des Sach- und Streitstandes aus.
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1. Dem Vortrag der Klägerin ist nicht zu entnehmen, dass die Parteien eine Nettolohnvereinbarung, dh. eine Abrede des Inhalts, dass der Arbeitgeber im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer sämtliche auf das Arbeitsentgelt entfallende Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung trägt, getroffen haben. Nettolohnvereinbarungen sind die Ausnahme und müssen deshalb einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen (st. Rspr., zB BAG 17. Januar 2012 – 3 AZR 555/09 – Rn. 58; 16. Juni 2004 – 5 AZR 521/03 – zu II 2 der Gründe, BAGE 111, 131; 19. Oktober 2000 – 8 AZR 20/00 – zu II 1 b der Gründe). Der Arbeitnehmer ist hierfür darlegungs- und ggf. beweispflichtig.
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2. Der Änderungsvertrag vom 19. September 2014 enthält keine Nettolohnvereinbarung. Das ergibt die Auslegung. Diese kann der Senat, weil es sich bei den Vertragsbestimmungen jedenfalls um sog. Einmalbedingungen und damit um typische Erklärungen handelt, selbst vornehmen (BAG 18. Oktober 2018 – 6 AZR 246/17 – Rn. 12; 25. Juni 2015 – 6 AZR 383/14 – Rn. 23, BAGE 152, 82).
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a) Die Regelung in § 3 Änderungsvertrag enthält keine Angabe dazu, ob es sich bei der monatlichen Vergütung iHv. „max. 450 €“ bzw. der je Nachtbereitschaftsdienst zu leistenden Vergütung iHv. 63,44 Euro um Brutto- oder Nettoarbeitsentgelt handelt. Eine ausdrückliche Nettolohnabrede liegt nicht vor. Zum Inhalt vorhergehender Vereinbarungen hat die Klägerin keinen Vortrag geleistet. Insbesondere hat sie nicht behauptet, dass dort die vereinbarte Vergütung als Nettolohn ausgewiesen worden wäre.
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b) Die Klägerin konnte die Vergütungsvereinbarungen nicht deshalb als Nettolohnabrede verstehen, weil es sich nach der Überschrift des Änderungsvertrags bei dem Arbeitsvertrag der Parteien um einen solchen für „geringfügig entlohnte Beschäftigte“ handelt.
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aa) Bei dem Begriff der „geringfügigen Beschäftigung“ handelt es sich nicht um einen arbeitsrechtlichen, sondern einen durch das Sozialversicherungsrecht vorgeprägten Begriff. Eine geringfügige Beschäftigung in der Alternative der Entgeltgeringfügigkeit liegt nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV vor, wenn das Arbeitsentgelt aus dieser Beschäftigung – wegen § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV, § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) ohne die für Sonn- und Feiertags- sowie Nachtarbeit geleisteten Zuschläge, soweit diese nach § 3b Abs. 1 und Abs. 3 EStG steuerfrei sind – regelmäßig im Monat 450,00 Euro nicht übersteigt.
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bb) Die geringfügige Beschäftigung iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV ist zwar in beitrags- und abgabenrechtlicher Hinsicht privilegiert. So sind geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer versicherungsfrei in der Arbeitslosenversicherung, der Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB III, § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 1 Abs. 2 Satz 1 SGB XI, § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI). In der gesetzlichen Rentenversicherung besteht für entgeltgeringfügig Beschäftigte nur im Grundsatz eine generelle Versicherungspflicht. Von dieser Pflicht kann sich der Beschäftigte nach § 6 Abs. 1b SGB VI befreien lassen mit der Folge, dass im Rahmen der Beschäftigung auch insoweit keine Arbeitnehmerbeiträge anfallen (zu den Einzelheiten und zur Übergangsregelung in § 229 Abs. 5 SGB VI vgl. KassKomm/Gürtner 110. EL SGB VI § 6 Rn. 7). Der Arbeitgeber muss für entgeltgeringfügig Beschäftigte über die Beiträge zur Unfallversicherung hinaus unter bestimmten Umständen Pauschalbeiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung (§ 249b SGB V) und für Arbeitnehmer, die in einer solchen Beschäftigung von der Rentenversicherungspflicht befreit oder versicherungsfrei sind, Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung (§ 172 Abs. 3, Abs. 3a SGB VI) leisten, durch die der Arbeitnehmer allerdings nicht belastet ist. In steuerrechtlicher Hinsicht hat der Arbeitgeber nach § 40a EStG die Möglichkeit, für geringfügig beschäftigte Arbeitnehmer den Steuerabzug pauschal zu übernehmen, wobei sich das Vorliegen einer geringfügigen Beschäftigung gem. § 40a Abs. 2 EStG nach den Definitionen im Sozialgesetzbuch bestimmt. Macht der Arbeitgeber von der Möglichkeit der Pauschalbesteuerung Gebrauch, wird er nach § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG im Verhältnis zu den Finanzbehörden Steuerschuldner.
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Aus dieser beitrags- und abgabenrechtlichen Behandlung des Arbeitsverdienstes kann jedoch nicht auf das Zustandekommen einer arbeitsvertraglichen Nettolohnvereinbarung geschlossen werden. Insoweit ist zwischen dem sozialversicherungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnis bzw. dem öffentlich-rechtlichen Steuerschuldverhältnis einerseits und dem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis andererseits zu unterscheiden. Aus den aufgeführten sozialversicherungsrechtlichen und steuerrechtlichen Bestimmungen ergibt sich lediglich die von Gesetzes wegen vorgegebene beitrags- und abgabenrechtliche Behandlung des Arbeitsverdienstes, nicht jedoch der übereinstimmende Wille der Vertragsparteien, die Vergütung losgelöst von diesen gesetzlichen Regelungen als Nettolohn zu behandeln. So handelt es sich anerkanntermaßen bei § 40 Abs. 2 EStG um eine spezifisch einkommensteuerrechtliche Regelung, die keine arbeitsrechtlichen Ziele verfolgt. § 40 Abs. 3 Satz 2 EStG lässt es vielmehr ausdrücklich zu, die pauschale Lohnsteuer im Arbeitsverhältnis auf den Arbeitnehmer abzuwälzen. Dies beruht darauf, dass auch die Pauschalsteuer letztlich auf einen Steuertatbestand zurückgeht, der sich – ebenso wie die Besteuerung nach individuellen Merkmalen – in der Person des Arbeitnehmers verwirklicht (BAG 1. Februar 2006 – 5 AZR 628/04 – Rn. 17 f., Rn. 23 mwN; 24. Juni 2003 – 9 AZR 302/02 – zu A II 2 b der Gründe, BAGE 106, 345). Das Verhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Gläubiger bzw. Schuldner der Lohnforderung wird hierdurch aber nicht berührt.
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cc) Daran ändert nichts, wenn die Parteien – wie im Streitfall – den Arbeitsvertrag ausdrücklich „für geringfügig entlohnte Beschäftigte“ schließen (offen gelassen von BAG 1. Februar 2006 – 5 AZR 628/04 – Rn. 22). Mit dem Begriff der „geringfügigen Beschäftigung“ verbinden sich, wie gezeigt, keine spezifischen arbeitsrechtlichen, sondern besondere sozialversicherungs- und steuerrechtliche Rechtsfolgen. Über die Voraussetzungen für das Eingreifen dieser Rechtsfolgen können die Arbeitsvertragsparteien nicht disponieren. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer kann deshalb eine Formulierung, wonach Vertragsgegenstand eine geringfügige Beschäftigung sein soll, regelmäßig nur so verstehen, dass die Grenze der Entgeltgeringfügigkeit iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV nach der bei Vertragsschluss bestehenden Vorstellung der Parteien eingehalten werden soll, und es sich hinsichtlich der sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Behandlung des Arbeitsentgelts um ein „normales“ entgeltgeringfügiges Beschäftigungsverhältnis handelt. Anderes kann auch bei Abschluss eines auf eine entgeltgeringfügige Beschäftigung gerichteten Arbeitsvertrags nur gelten, wenn der Wille, eine Nettolohnvereinbarung zu treffen, in den sonstigen Parteivereinbarungen unmissverständlich zum Ausdruck kommt. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr spricht der in § 8 Änderungsvertrag enthaltene Hinweis auf die grundsätzlich bestehende Rentenversicherungspflicht des „Minijob-Arbeitsverhältnisses“ und eine insoweit bestehende Befreiungsmöglichkeit dafür, dass die vereinbarte Vergütung vom Arbeitnehmer zu tragende Beiträge grundsätzlich umfasst. Erst recht fehlt es an Anhaltspunkten, die zu der Annahme berechtigten, der Beklagte habe sich vertraglich verpflichten wollen, Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und Steuern im Innenverhältnis unabhängig von der Höhe des in Wirklichkeit geschuldeten Entgelts und damit auch dann zu tragen, wenn die Grenze der Entgeltgeringfügigkeit iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV überschritten wird.
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dd) Die Klägerin konnte die vertraglichen Vergütungsvereinbarungen auch nicht deshalb als Nettolohnabrede verstehen, weil der Beklagte das von ihm berechnete Entgelt – unstreitig – stets ohne Abzug von Sozialabgaben und Steuern an die Klägerin zur Auszahlung gebracht hat. Die Klägerin hat damit lediglich die Abrechnungspraxis des Beklagten geschildert, nicht jedoch schlüssig das Zustandekommen einer Nettolohnvereinbarung dargetan. Ausgehend davon, dass die Klägerin nicht behauptet hat, eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht nicht erwirkt zu haben, zeigt die geübte Praxis nur, dass der Beklagte in der Annahme, es handele sich um eine entgeltgeringfügige Beschäftigung, von einer internen Belastung der Klägerin mit anfallenden Steuern keinen Gebrauch gemacht hat. Ein Indiz für einen Bindungswillen, die zu leistende Vergütung stets – unabhängig von einer entsprechenden Rechtspflicht und zudem losgelöst von der Höhe des tatsächlich geschuldeten Entgelts sowie einer damit objektiv verbundenen Entgeltgeringfügigkeit – abzugsfrei an die Klägerin auszuzahlen, kann dem in Rede stehenden Verhalten nicht entnommen werden.
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c) In der Auslegung, die vertraglichen Vergütungsregelungen enthielten eine Bruttolohnvereinbarung, sind die Vereinbarungen im Änderungsvertrag vom 19. September 2014 weder überraschend iSv. § 305c BGB noch ist das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verletzt. Dass es sich bei dem zu leistenden Arbeitsentgelt um eine Bruttovergütung handelt, entsprach bei Vertragsschluss der Gesetzeslage und bedurfte auch im Hinblick auf die Annahme der Parteien, es handele sich um eine entgeltgeringfügige Beschäftigung, keiner Klarstellung oder Belehrung durch den Beklagten (vgl. BAG 1. Februar 2006 – 5 AZR 628/04 – Rn. 25 mwN; MüKoBGB/Spinner 8. Aufl. § 611a BGB Rn. 748). Soweit dies vereinzelt anders gesehen wird (vgl. Küttner/Griese Personalbuch 27. Aufl. Geringfügige Beschäftigung Rn. 13 f.), stützt sich diese eher rechtspolitisch motivierte Auffassung auf eine empirisch nicht näher belegte „überwiegend praktizierte Nettovergütung“ und kann schon deshalb nicht überzeugen. Eine Angemessenheitskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB findet gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB nicht statt, denn die Beurteilung, ob das geschuldete Arbeitsentgelt nach den vertraglichen Vereinbarungen ggf. anfallende Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung und Steuern umfasst, betrifft die Hauptleistungspflicht des Arbeitgebers, die nicht durch Rechtsvorschriften bestimmt wird (BAG 1. Februar 2006 – 5 AZR 628/04 – aaO).
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3. Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, der Beklagte habe auf der Grundlage der im Streitzeitraum maßgeblichen Verordnungen über zwingende Arbeitsbedingungen in der Pflege bzw. des seit dem 1. Januar 2015 geltenden Mindestlohngesetzes ein Entgelt deutlich oberhalb der Grenze der Entgeltgeringfügigkeit iSv. § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV geschuldet, führt dies nicht zur Schlüssigkeit der erhobenen Nettolohnklage. Nach § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV gilt zwar ein Nettoarbeitsentgelt als vereinbart, wenn bei „illegalen“ Beschäftigungsverhältnissen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nicht gezahlt worden sind. Unbeschadet dessen, dass es allein den Trägern der Sozialversicherung bzw. der Einzugsstelle obliegt, das Vorliegen der Voraussetzungen von § 14 Abs. 2 Satz 2 SGB IV festzustellen, beschränkt sich der Anwendungsbereich dieser Vorschrift auf das Sozialversicherungsrecht und erstreckt sich nicht auf das privatrechtliche Rechtsverhältnis der Arbeitsvertragsparteien (BAG 21. September 2011 – 5 AZR 629/10 – Rn. 23, BAGE 139, 181).
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4. Ist danach von einer Bruttolohnvereinbarung auszugehen, hätte die Klägerin – da die begehrte Nachzahlung einen sonstigen Bezug iSv. § 38 Abs. 1 Satz 3 EStG darstellt und im Jahr des Zuflusses zu besteuern ist – zur schlüssigen Begründung ihrer Nettolohnklage die für den Tag des Zuflusses maßgeblichen elektronischen Steuerabzugsmerkmale iSv. § 39e EStG (ELStAM) darlegen müssen (vgl. BAG 26. Februar 2003 – 5 AZR 223/02 – zu III der Gründe, BAGE 105, 181). Dem ist sie trotz eines entsprechenden Hinweises des Arbeitsgerichts nicht nachgekommen.
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5. Die Klage ist entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht deshalb schlüssig, weil der Klägerin die begehrte Differenzvergütung – die Begründetheit der Klage im Übrigen unterstellt – als Bruttovergütung zuzusprechen wäre. Die Klägerin hat ausdrücklich eine Nettolohnklage erhoben und dies in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat auf Nachfrage bestätigt. Die Bruttolohnabrede und die Nettolohnvereinbarung betreffen verschiedene Klagegründe und demnach unterschiedliche Streitgegenstände. Der im Berufungsurteil herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 21. September 2011 (- 5 AZR 629/10 – BAGE 139, 181) ist nichts anderes zu entnehmen. Der Senat hat sich in dieser Entscheidung mit der Frage, ob bei Nichterweislichkeit einer behaupteten Nettolohnabrede eine beantragte Nettovergütung als Bruttovergütung ausgeurteilt werden kann, nicht befasst.
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III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
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Linck |
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Volk |
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Berger |
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Teichfuß |
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Schad |