6 AZM 14/24

Nichtzulassungsbeschwerde iSv. § 77 ArbGG - Anforderung

Details

  • Aktenzeichen

    6 AZM 14/24

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2024:270724.B.6AZM14.24.0

  • Art

    Beschluss

  • Datum

    27.07.2024

  • Senat

    6. Senat

Tenor

1. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde in dem Beschluss des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. April 2024 – 2 Sa 304/23 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.158,16 Euro festgesetzt.

Leitsatz

Verwirft das Landesarbeitsgericht die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss als unzulässig und lässt es die Revisionsbeschwerde nach § 77 Satz 1 ArbGG nicht zu, setzt eine hiergegen gerichtete ordnungsgemäße Nichtzulassungsbeschwerde zwingend voraus, dass sie sich mit den Erwägungen des Berufungsgerichts zur Unzulässigkeit des Rechtsmittels auseinandersetzt.

Entscheidungsgründe

1

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde ist ohne Erfolg.

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1. Es ist bereits nicht erkennbar, dass die Beschwerde auf § 77 ArbGG gestützt werden soll. Sie geht in keiner Weise darauf ein, dass das Landesarbeitsgericht nicht in der Sache entschieden, sondern die Berufung als unzulässig verworfen hat.

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2. Unabhängig davon ist die Beschwerde auch unzulässig, soweit sie als Nichtzulassungsbeschwerde iSd. § 77 Satz 3 ArbGG eingelegt sein und einen absoluten Revisionsgrund iSd. § 77 Satz 2 iVm. § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG geltend machen sollte.

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a) Soweit die Beschwerde unter Ziff. 1 auf S. 2 der Begründung auf den absoluten Revisionsgrund nach § 547 Nr. 6 ZPO gestützt wird, ist sie bereits nicht statthaft. Die Norm ist weder in § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG noch in § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG in Bezug genommen; diese Bestimmungen verweisen allein auf § 547 Nr. 1 bis Nr. 5 ZPO. Ein hier ohnehin nicht erkennbarer Verfahrensmangel iSv. § 547 Nr. 6 ZPO ist danach im arbeitsgerichtlichen Verfahren kein Grund für die Zulassung der Revision (vgl. BAG 24. Oktober 2019 – 8 AZN 589/19 – Rn. 13).

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b) Sofern die Beschwerde in der Sache eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend machen wollen sollte (vgl. hierzu zB BAG 20. Dezember 2006 – 5 AZB 35/06 – Rn. 5, BAGE 120, 358), wäre sie unzulässig, weil ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

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aa) Für die Gehörsrüge gelten die Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO gestellt werden. Daher sind die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes so substantiiert vorzutragen, dass allein anhand der Beschwerdebegründung und des Berufungsurteils – hier des Verwerfungsbeschlusses – das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulassung der Revision bzw. der Revisionsbeschwerde geprüft werden kann (vgl. BAG 17. Januar 2012 – 5 AZN 1358/11 – Rn. 10 mwN).

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bb) Diese Voraussetzungen erfüllt die Beschwerdebegründung nicht. Die Beschwerde legt bereits nicht dar, welchen entscheidungserheblichen Vortrag das Landesarbeitsgericht hinsichtlich der für die Beschwerde nach § 77 ArbGG allein maßgeblichen Frage, ob die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen entspricht, übergangen haben soll. Ihre Ausführungen beschränken sich auf eine bloße Wiedergabe vorinstanzlichen Vorbringens zur Frage der Ermessensausübung durch den Beklagten. Dabei führt sie in diesem Zusammenhang sogar selbst aus, das Landesarbeitsgericht habe sich auf S. 5 der Entscheidungsgründe mit der Frage der Ermessensausübung befasst. Im Ergebnis verkennt die Beschwerde, dass es im Beschwerdeverfahren nach § 77 ArbGG allein darauf ankommt, ob etwaiges, vom Landesarbeitsgericht übergangenes Vorbringen dazu hätte führen können, dass die Berufungsbegründung den gesetzlichen Anforderungen gleichwohl genügt und das Gericht deshalb möglicherweise anders entschieden hätte.

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3. Die Beschwerde ist ebenfalls unzulässig, soweit sie sich auf S. 2 f. unter Ziff. 2 ihrer Begründung auf die grundsätzliche Bedeutung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage stützt.

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a) Nach § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt werden, dass eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat. Der Beschwerdeführer hat die von ihm darzulegende entscheidungserhebliche Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung konkret zu benennen und ihre Klärungsfähigkeit, Klärungsbedürftigkeit, Entscheidungserheblichkeit und allgemeine Bedeutung für die Rechtsordnung und ihre Auswirkungen auf die Interessen jedenfalls eines größeren Teils der Allgemeinheit aufzuzeigen. Unzulässig ist eine Fragestellung, deren Beantwortung von den Umständen des Einzelfalls abhängt. Dabei ist auszuführen, welche abstrakte Interpretation das Landesarbeitsgericht bei Behandlung der Rechtsfrage vorgenommen hat (vgl. zB BAG 3. Dezember 2019 – 3 AZM 19/19 – Rn. 11 f. mwN).

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b) Die Beschwerde erfüllt keine dieser Voraussetzungen. Sie hat bereits keine Frage, geschweige denn eine Rechtsfrage, die im Verfahren nach § 77 ArbGG die Zulässigkeit der Berufung betreffen müsste, im oben genannten Sinn formuliert. Entsprechend hat sie nicht ansatzweise zur Klärungsbedürftigkeit – für die der bloße Hinweis auf eine noch ausstehende höchstrichterliche Entscheidung nicht genügt (vgl. zB BAG 28. Februar 2023 – 2 AZN 22/23 – Rn. 3; 20. November 2018 – 6 AZN 569/18 – Rn. 2) -, zur Entscheidungserheblichkeit oder zur grundsätzlichen Bedeutung für die Rechtsordnung bzw. die Auswirkungen auf die Interessen eines Großteils der Allgemeinheit vorgetragen.

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II. Im Ergebnis wendet sich die Beschwerde – unter Außerachtlassung der Tatsache, dass gegen den Verwerfungsbeschluss des Landesarbeitsgerichts allein die Revisionsbeschwerde iSv. § 77 ArbGG eröffnet ist – mit ihren Ausführungen gegen eine ihrer Auffassung nach materiell fehlerhafte Rechtsanwendung durch das Landesarbeitsgericht. Eine unzutreffende Rechtsanwendung – sollte sie vorliegen – stellt jedoch keinen der im Gesetz abschließend aufgeführten Zulassungsgründe dar. Ihre Überprüfung kann deshalb nicht im Rahmen eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens, sondern nur in einem zugelassenen Revisionsbeschwerdeverfahren erfolgen (vgl. zB BAG 31. März 2021 – 5 AZN 926/20 – Rn. 2; 23. Juni 2020 – 3 AZN 442/20 – Rn. 13).

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III. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 77 Satz 2 iVm. § 72a Abs. 5 Satz 5 Alt. 1 ArbGG abgesehen, da sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen beizutragen, unter denen eine Revisionsbeschwerde zuzulassen ist. Weitergehende Ausführungen sind weder von Verfassungs wegen noch aus konventionsrechtlichen Gründen geboten (vgl. BVerfG 30. Juni 2014 – 2 BvR 792/11 – Rn. 19, 25; 8. Dezember 2010 – 1 BvR 1382/10 – Rn. 12 ff.).

        

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