Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 11. August 2023 – 10 Sa 421/22 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die (Be-)Förderung des Klägers zum Kapitän und die dabei anzuwendenden tarifvertraglichen Senioritätsregelungen. Nach der Seniorität, einer branchenspezifischen Art der Betriebszugehörigkeit, richtet sich in Luftverkehrsunternehmen typischerweise die Reihenfolge bei der Besetzung ausgeschriebener Schulungen zum Kapitän (sog. Förderung bzw. Upgrading), aber auch – neben weiteren Kriterien – bei der Berücksichtigung von Urlaubsanträgen sowie der Vergabe bestimmter freier Tage.
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Der Kläger ist bei der Beklagten, die durch formwechselnde Umwandlung aus der Eurowings Luftverkehrs AG entstand, als First Officer (Co-Pilot) beschäftigt. Seinen ersten kommerziellen Flug für die Beklagte erbrachte er am 20. Oktober 2017.
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In dem nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendenden „Tarifvertrag Karriere … für das Cockpitpersonal der Eurowings“ (im Folgenden TV Karriere) finden sich ua. Regelungen für die Förderung zum Kapitän. Dieser Tarifvertrag trat ausweislich seines § 10 Abs. 1 mit seiner Unterzeichnung am 22. September 2021 in Kraft und ersetzte nahtlos den bis dahin geltenden „Tarifvertrag Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG“ vom 29. April 2008 (im Folgenden TV WeFö). Daneben galt der „Tarifvertrag Wachstum für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH“ vom 18. Dezember 2017 (im Folgenden TV Wachstum). Dieser enthielt ua. besondere Auswahlverfahrens-, Eingruppierungs- sowie Einstufungsregelungen für im Zeitraum Herbst 2017 bis Dezember 2018 eingestellte Beschäftigte des Cockpitpersonals. Die Beklagte stellte im vorgenannten Zeitraum ca. 300 Cockpitmitarbeiter von der ehemaligen Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Air Berlin) nach den Maßgaben des TV Wachstum ein. Wegen des Inhalts der im vorliegenden Verfahren relevanten Bestimmungen dieser drei Tarifverträge nimmt der Senat Bezug auf deren Wiedergabe im führenden Parallelverfahren – 6 AZR 131/23 – Rn. 3 ff.
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Noch auf Grundlage des TV WeFö erstellte die Beklagte am 1. Juli 2021 eine endgültige Senioritätsliste, auf der sich der Kläger auf Listenplatz 251 befand. Am 3. Dezember 2021 veröffentlichte die Beklagte eine auf Grundlage des TV Karriere erstellte vorläufige und am 9. März 2022 eine endgültige Senioritätsliste. Diese wiesen den Kläger auf Listenplatz 560 bzw. 570 aus.
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Am 8. Dezember 2021 bewarb sich der Kläger auf die von der Beklagten am 29. November 2021 veröffentlichte innerbetriebliche Stellenausschreibung 70/21, der zufolge sie zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän mit Ausbildungsbeginn 3. Januar 2022 suchte. Mit den am 6. bzw. 13. Dezember 2021 veröffentlichten innerbetrieblichen Stellenausschreibungen 75/21, 76/21 und 77/21 suchte die Beklagte nach weiteren jeweils zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän. Darin führte sie aus, dass erfolglose Bewerbungen von Mitarbeitern auf die Stellenausschreibung 70/21 mitberücksichtigt würden. Der Kläger erfüllte die in den Stellenausschreibungen jeweils benannten sonstigen Anforderungen.
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Die Beklagte besetzte alle in den genannten vier Stellenausschreibungen ausgeschriebenen Stellen mit auf der Grundlage der vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 ausgewählten und nachfolgend über ca. zwei Monate mit erfolgreicher Prüfung ausgebildeten Bewerbern. Den Kläger berücksichtigte die Beklagte nicht. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wäre der Kläger bei Zugrundelegung der Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 bei den Stellenausschreibungen berücksichtigt worden. Als Kapitän hätte er monatlich ein um 1.814,43 Euro brutto höheres Grundgehalt und eine um 600,00 Euro brutto höhere Flugzulage erhalten.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der damalige Flugbetriebsleiter Herr S habe im Rahmen eines einwöchigen Operator Conversion Course (OCC) im September 2017 beim Wechsel des Klägers und fünf weiterer Kollegen von Air Berlin zur Beklagten eine vertragliche Zusage dahingehend erteilt, dass Bestandsschutz für die Einordnung in die Senioritätsliste nach Maßgabe des TV WeFö bestehe. Er rügt eine unrichtige Auslegung des Erklärungsinhalts der Zusage.
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Weiter ist der Kläger der Auffassung, er habe auf Grundlage der tariflichen Regelungen in Verbindung mit den Stellenausschreibungen einen Anspruch auf Ausbildung und Förderung zum Kapitän. Die Auswahl habe noch nach der gemäß dem TV WeFö erstellten endgültigen Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 und nicht nach der vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 gemäß dem TV Karriere erfolgen müssen. Da die Beklagte dem nicht nachgekommen sei, habe sie ihm die ab April 2022 entgangene Vergütung im Wege des Schadensersatzes zu ersetzen. Jedenfalls habe die Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 der Auswahlentscheidung deshalb zugrunde gelegt werden müssen, weil die Regelungen des TV Karriere gegen Art. 3 Abs. 1 GG sowie das Rückwirkungsverbot verstießen und dieser vollständig, jedenfalls aber teilweise unwirksam sei, so dass der TV WeFö weitergelte.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt,
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1. |
a) |
die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibung 70/21 zum Kapitän A320 auszubilden; |
hilfsweise, |
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b) |
die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibung 75/21 zum Kapitän A320 auszubilden; |
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hilfsweise, |
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c) |
die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibung 76/21 zum Kapitän A320 auszubilden; |
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hilfsweise, |
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d) |
die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund der innerbetrieblichen Stellenausschreibung 77/21 zum Kapitän A320 auszubilden; |
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hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Klageantrag zu 1., |
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2. |
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem Monat April 2022 monatlich zusätzlich ein Grundgehalt von 1.814,43 Euro brutto sowie zusätzlich eine Flugzulage von 600,00 Euro brutto jeweils nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen, bis die Beklagte ihn zum Kapitän befördert, längstens bis zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses; |
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3. |
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat April 2022 bis zu seiner Beförderung zum Kapitän, längstens bis zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses, monatlich eine Vergütung als Kapitän gemäß dem jeweils einschlägigen Vergütungstarifvertrag für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen, soweit der sich hieraus ergebende Betrag den Anspruch gemäß dem Klageantrag zu 2. übersteigt; |
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hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1., |
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4. |
die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem Monat April 2022 monatlich zusätzlich ein Grundgehalt von 1.814,43 Euro brutto sowie zusätzlich eine Flugzulage von 600,00 Euro brutto jeweils nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats bis zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses zu zahlen; |
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5. |
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem Monat April 2022 bis zur Beendigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses monatlich eine Vergütung als Kapitän gemäß dem jeweils einschlägigen Vergütungstarifvertrag für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem jeweils Ersten des Folgemonats zu zahlen, soweit der sich hieraus ergebende Betrag den Anspruch gemäß dem Klageantrag zu 4. übersteigt; |
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äußerst hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit den Klageanträgen zu 4. und 5., |
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6. |
die Beklagte zu verurteilen, es zu unterlassen, eine Senioritätsliste auf Grundlage des Tarifvertrags Karriere vom 22. September 2021 in Bezug auf den Kläger anzuwenden; |
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hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1., |
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7. |
die Beklagte zu verurteilen, ihn aufgrund ihrer nächsten innerbetrieblichen Stellenausschreibung für ein Upgrading vom First Officer/Copiloten zum Kapitän A320 zu berücksichtigen und auszubilden. |
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit dieser verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig, aber unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
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I. Die vom Kläger mit seinen Anträgen zu 1 a bis 1 d begehrte Ausbildung und Förderung zum Kapitän A320 aufgrund der Stellenausschreibung 70/21, hilfsweise der Ausschreibungen 75/21, 76/21 bzw. 77/21 steht ihm nicht zu.
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1. Die Beklagte musste den Kläger nicht (be-)fördern und hat ihre Auswahlentscheidungen zutreffend nicht anhand der Senioritätsliste vom 1. Juli 2021, sondern anhand der auf den Senioritätsregelungen des rechtswirksamen TV Karriere beruhenden vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 getroffen. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen in dem führenden Parallelverfahren – 6 AZR 131/23 – Rn. 23 ff.
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2. Ein solcher Anspruch folgt auch nicht aus einer individuellen Zusage von Seiten des Herrn S, die der Beklagten zuzurechnen wäre. Die Rügen des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe den zu seinen Gunsten zugrunde gelegten Sachverhalt unzutreffend gewürdigt, haben keinen Erfolg. Die Wertungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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Es hat die unstreitigen Äußerungen des Herrn S ausgelegt und unter allen denkbaren rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkten gewertet. Die Begriffe des Stammpersonals bzw. des Bestandspersonals und der Belohnung, den Zeitpunkt der Äußerungen, den Stand der Tarifverhandlungen zum Zeitpunkt der Äußerungen, die kollektiv-rechtlichen Aspekte der zu diesem Zeitpunkt geltenden Regelungen sowie die Bedeutung des sog. Drei-Letter-Codes hat das Landesarbeitsgericht berücksichtigt und umfassend gewürdigt, ohne sie in ihrer Bedeutung zu verkennen. Die Rügen des Klägers vermögen dies nicht mit Erfolg anzugreifen. Letztendlich beschränkt sich seine Argumentation darauf, das Auslegungsergebnis des Landesarbeitsgerichts für unzutreffend zu erklären und durch seine Würdigung zu ersetzen. Das Berufungsgericht hat indes ohne Rechtsfehler angenommen, dass sich aus der Mitteilung, der Kläger zähle zum Bestandspersonal bzw. zum Stammpersonal oder er erhalte eine Belohnung, noch nicht die vom Kläger begehrte Rechtsfolge ergibt. Wieso anhand des konkreten Gesprächskontexts aus den vom Landesarbeitsgericht unterstellten Äußerungen die konkrete Zusage folgen soll, den Kläger besser zu behandeln als die später Eingestellten und das gerade zur Zuordnung zur Gruppe 1 der Anlage 1 zum TV Karriere führen sollte, vermag die Revision nicht zu erklären.
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Auch wenn man – wie das Landesarbeitsgericht – annimmt, die mündlichen Erklärungen des Herrn S seien Allgemeine Geschäftsbedingungen, kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB nicht zur Anwendung. Entgegen der Revision bestehen keine „erheblichen Zweifel“ an der richtigen Auslegung. Die entfernte Möglichkeit, zu einem anderen Ergebnis zu kommen, genügt nicht (vgl. BAG 10. Oktober 2023 – 3 AZR 250/22 – Rn. 19; 25. Januar 2023 – 10 AZR 109/22 – Rn. 21).
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II. Die nur für den Fall des Obsiegens gestellten Anträge zu 2. und 3. fallen mangels Bedingungseintritt nicht zur Entscheidung an.
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III. Die für den Fall des Unterliegens gestellten Anträge zu 4. und 5. sind jedenfalls unbegründet. Da der Kläger nicht zu befördern war, stehen ihm auch die mit diesen Anträgen verfolgten, einen Anspruch auf Förderung voraussetzenden Zahlungsansprüche nicht zu.
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IV. Auch der Eventualantrag zu 6. ist unbegründet. Die Beklagte hat die Anwendung einer auf Grundlage des TV Karriere erstellten Senioritätsliste nicht zu unterlassen. Der TV Karriere ist aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklausel im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwenden. Seine Regelungen sind wirksam und beeinträchtigen den Kläger nicht in unzulässiger Weise. Das hat der Senat in dem führenden Parallelverfahren – 6 AZR 131/23 – Rn. 33 ff. ausführlich begründet und nimmt darauf Bezug. Damit ist für den Kläger die nach den Vorgaben des TV Karriere erstellte, jeweils aktuelle Senioritätsliste maßgeblich.
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V. Der Kläger hat schließlich auch keinen Anspruch, aufgrund der nächsten innerbetrieblichen Stellenausschreibung für ein Upgrading vom First Officer zum Kapitän A320 berücksichtigt und ausgebildet zu werden (Hilfsantrag zu 7.). Es ist nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht behauptet, dass er bei einer solchen Stellenausschreibung auf Grundlage der derzeit gültigen Senioritätsliste nach dem TV Karriere auszuwählen wäre. Unabhängig davon ist offen, wann die Beklagte die nächste Kapitänsstelle A320 ausschreibt, welche Listenposition der Kläger zu diesem Zeitpunkt innehat und ob er die von der Beklagten dann noch festzulegenden weiteren Anforderungen wie zum Beispiel Mindestdauer des Arbeitsverhältnisses oder Mindestflugstunden erfüllt.
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VI. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Spelge |
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Heinkel |
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Volk |
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M. Geyer |
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Claudia Nienaber |