Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. November 2016 – 17a Sa 14/16 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.
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Der Kläger war vom 5. November 2007 bis zum 31. Juli 2008 bei der Beklagten, einer Automobilherstellerin, als Montierer tätig. Mit Wirkung zum 1. Januar 2014 stellte die Beklagte ihn erneut befristet für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2014 als Montierer ein. Mit mehreren Zusatzvereinbarungen vereinbarten die Parteien jeweils eine Verlängerung des Arbeitsverhältnisses, zuletzt bis zum 31. Dezember 2015. Auf seine Anfrage teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezembers 2015 ende und eine Weiterbeschäftigung über diesen Zeitpunkt hinaus nicht beabsichtigt sei. Sie erteilte ihm unter dem Datum des 30. September 2015 ein Zwischenzeugnis.
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Mit der am 4. Januar 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen, der Beklagten am 11. Januar 2016 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 31. Dezember 2015 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen seiner Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt.
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Der Kläger hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt
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festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht aufgrund einer wirksamen Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2015 beendet worden ist; |
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die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Montierer in der Fahrzeugmontage im Bereich Karosseriemontage weiter zu beschäftigen. |
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Befristungskontrollantrag sei mangels ausreichender Bestimmtheit bereits unzulässig. Unabhängig davon sei die Befristung gerechtfertigt, das frühere Arbeitsverhältnis stehe einer weiteren sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG nicht entgegen, da das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses länger als drei Jahre zurückliege. Diese Rechtsauffassung habe bei Abschluss des Arbeitsvertrags mit dem Kläger im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gestanden. Sie habe den Arbeitsvertrag mit dem Kläger im Vertrauen auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung abgeschlossen. Eine mögliche Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung dürfe in solch einem Fall keine Berücksichtigung finden.
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Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte das Ziel der Klageabweisung weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Befristungskontrollklage zu Recht stattgegeben. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der in der letzten Zusatzvereinbarung vereinbarten Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2015 geendet. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
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I. Der Klageantrag zu 1. ist zulässig und begründet.
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1. Der Antrag, mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund Befristung mit Ablauf des 31. Dezember 2015 beendet worden ist, ist zulässig. Insbesondere ist er hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der jeweilige Streitgegenstand muss nach dieser Vorschrift so konkret umschrieben werden, dass der Umfang der Rechtskraftwirkung für die Parteien nicht zweifelhaft ist (BAG 27. Juli 2016 – 7 ABR 16/14 – Rn. 13 mwN). Zwar sollte das Datum des die Befristung enthaltenden Vertrags neben dem streitbefangenen Beendigungstermin im Klageantrag bezeichnet werden, um die notwendige Bestimmtheit eindeutig zu gewährleisten (vgl. KR/Bader 12. Aufl. § 17 TzBfG Rn. 11; ErfK/Müller-Glöge 19. Aufl. TzBfG § 17 Rn. 15). Es genügt aber, wenn sich der Vertrag, der die angegriffene Befristung enthält, im Wege der Auslegung aus dem weiteren Klagevorbringen ergibt (vgl. BAG 15. Mai 2012 – 7 AZR 6/11 – Rn. 9; 20. Januar 2010 – 7 AZR 542/08 – Rn. 9; APS/Backhaus 5. Aufl. TzBfG § 17 Rn. 55; Sievers TzBfG 6. Aufl. § 17 Rn. 29).
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Danach ist der Klageantrag hinreichend bestimmt. Zwar hat der Kläger den Arbeitsvertrag, in dem die streitgegenständliche Befristungsabrede enthalten ist, im Antrag nicht ausdrücklich genannt. Auch wurde der Vertrag weder in Bezug auf das Abschlussdatum in der Klageschrift näher bezeichnet, noch wurde die fragliche Vereinbarung in Kopie zur Akte gereicht. Zwischen den Parteien besteht aber kein Streit darüber, welche Befristung Gegenstand des Rechtsstreits ist. Der Kläger hat in der Klageschrift ausgeführt, ihm liege die Zusatzvereinbarung aufgrund eines Umzugs nicht mehr vor, und hat darauf hingewiesen, dass die Beklagte seiner Bitte um die Herausgabe von Kopien nicht nachgekommen sei. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass zwischen ihnen eine Vereinbarung geschlossen worden war, nach der ihr Arbeitsverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2015 enden sollte. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis mit Zusatzvereinbarung vom 6. Juni 2014 befristet bis zum 31. Dezember 2014 verlängert wurde und weitere Verlängerungen des Arbeitsverhältnisses durch entsprechende Zusatzvereinbarungen für den Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 30. Juni 2015 sowie für den Zeitraum vom 1. Juli 2015 bis zum 31. Dezember 2015 erfolgten. Da sich die Beklagte nicht auf eine weitere (schriftliche) Befristungsvereinbarung zum 31. Dezember 2015 berufen hat, bezog sich der Befristungskontrollantrag des Klägers erkennbar auf die in der letzten Zusatzvereinbarung vereinbarte Befristung. Die Beklagte verhält sich widersprüchlich, wenn sie in der Revisionsbegründung geltend macht, eine konkret bezeichnete Befristungsabrede sei zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens genannt, bezeichnet oder vorgelegt worden; es müsse spätestens bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz klar sein, welche Befristung Gegenstand des Befristungskontrollantrags sei. Ausweislich des Protokolls der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht am 14. April 2016 hat die Beklagte dort erklärt, sie berufe sich auf keine andere Beendigung als auf „die streitgegenständliche Befristungsvereinbarung“. Jedenfalls im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz war der Beklagten danach bekannt, welche Befristungsvereinbarung streitgegenständlich war.
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2. Der Befristungskontrollantrag ist begründet. Die zwischen den Parteien vereinbarte Befristung ist unwirksam.
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a) Die Befristung gilt nicht nach § 17 Satz 2 TzBfG iVm. § 7 Halbs. 1 KSchG als wirksam. Der Kläger hat rechtzeitig innerhalb der Dreiwochenfrist nach § 17 Satz 1 TzBfG Befristungskontrollklage erhoben. Die Klage ging am 4. Januar 2016 beim Arbeitsgericht ein und wurde der Beklagten am 11. Januar 2016 zugestellt.
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b) Ohne Rechtsfehler haben die Vorinstanzen angenommen, dass die Befristung des Arbeitsvertrags nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt ist. Zwar wurden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen mit der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses von zwei Jahren und der dreimaligen Vertragsverlängerung eingehalten. Der Wirksamkeit der Befristung steht jedoch § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG entgegen. Nach dieser Vorschrift ist die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass das erste zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis in der Zeit vom 5. November 2007 bis zum 31. Juli 2008 der Vereinbarung einer sachgrundlosen Befristung des zum 1. Januar 2014 begründeten Arbeitsverhältnisses entgegenstand, obwohl zwischen dem Ende des ersten und der Begründung des neuen Arbeitsverhältnisses ein Zeitraum von mehr als drei Jahren lag.
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aa) Der Senat hatte § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in seiner jüngeren Rechtsprechung verfassungskonform dahingehend ausgelegt, dass die Vorschrift der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsvertrags nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als drei Jahre zurückliegt (vgl. BAG 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 – Rn. 23 ff., BAGE 139, 213; ähnlich BAG 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 – Rn. 27, BAGE 137, 275: verfassungsorientierte Auslegung).
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bb) An dieser Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG kann nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) nicht festgehalten werden. Danach überschreitet die Annahme, eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliegt, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte, weil der Gesetzgeber gerade dieses Regelungsmodell erkennbar nicht wollte (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 71, 76 ff.). In § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfGkommt die gesetzgeberische Grundentscheidung zum Ausdruck, dass sachgrundlose Befristungen zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig sein sollen. Der Gesetzgeber hat sich damit zugleich gegen eine zeitliche Begrenzung des Verbots entschieden (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 77). Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, der Regelungsgehalt des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfGergebe sich zwar nicht eindeutig aus dem Wortlaut der Norm und auch die Systematik gebe kein zwingendes Ergebnis der Auslegung vor. Doch zeigten die Gesetzesmaterialien und die Entstehungsgeschichte, welche gesetzgeberische Konzeption der Norm zugrunde liege. Sie dokumentierten die konkrete Vorstellung von Bedeutung, Reichweite und Zielsetzung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, verliehen dessen Wortlaut („bereits zuvor“) seinen Bedeutungsgehalt und ordneten so dem Gesetzeszweck ein Mittel der Umsetzung zu (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 78 ff.).
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cc) Allerdings verlangt auch das Bundesverfassungsgericht eine verfassungskonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 62 f.).
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(1) Die Vorschrift schränkt die durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit und die Vertragsfreiheit von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Diese Beeinträchtigungen wiegen schwer. Sie erweisen sich jedoch in der Abwägung mit dem Schutz der Beschäftigten im Arbeitsverhältnis (Art. 12 Abs. 1 GG) und den im Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 GG verankerten sozial- und beschäftigungspolitischen Zielsetzungen grundsätzlich als zumutbar. Dies gilt jedenfalls insoweit, als die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer des mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG bezweckten Schutzes tatsächlich bedürfen, weil eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten und auch eine Gefahr für die soziale Sicherung durch eine Abkehr vom unbefristeten Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform besteht (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 53). Die mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einhergehenden Beeinträchtigungen der Rechte der Arbeitsplatzsuchenden und der Arbeitgeber, erneut einen Arbeitsvertrag sachgrundlos zu befristen, stehen auch nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zwecken, da die Arbeitsgerichte die Anwendung der Norm in verfassungskonformer Auslegung auf Fälle ausschließen können, in denen dies für die Beteiligten unzumutbar wäre (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 55; kritisch hierzu Bayreuther NZA 2018, 905, 908; Höpfner RdA 2018, 321, 331 f.).
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Ein Verbot der sachgrundlosen Befristung bei nochmaliger Einstellung bei demselben Arbeitgeber ist danach unzumutbar, soweit eine Gefahr der Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten nicht besteht und das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht erforderlich ist, um das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten. Der mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgte Schutzzweck kann in diesen Fällen das Verbot einer sachgrundlos befristeten Wiedereinstellung nicht rechtfertigen, soweit das legitime Interesse der Arbeitssuchenden an einer auch nur befristeten Beschäftigung und das ebenfalls legitime Flexibilisierungsinteresse der Arbeitgeber entgegensteht (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 62). Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lang zurückliegt, ganz anders geartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 63). So liegt es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit (vgl. Bauer NZA 2011, 241, 243; Löwisch BB 2001, 254; Rudolf BB 2011, 2808, 2810), bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung (vgl. dazu BAG 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 – Rn. 2, BAGE 137, 275) oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht (vgl. Staudinger/Preis [2016] § 620 Rn. 182; ähnlich Löwisch BB 2001, 254 f.).
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(2) Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kommt nach § 31 Abs. 2 iVm. § 13 Nr. 11 BVerfGG Gesetzeskraft zu. Jedenfalls dann, wenn der Tenor – wie hier – ausdrücklich auf die Entscheidungsgründe Bezug nimmt, erstreckt sich die Bindungswirkung auch auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zu der verfassungskonformen Auslegung einer einfachgesetzlichen Norm (vgl. BVerfG 30. Juni 1976 – 2 BvR 284/76 – zu B der Gründe, BVerfGE 42, 258; 10. Juni 1975 – 2 BvR 1018/74 – zu B I 3 der Gründe, BVerfGE 40, 88; Pestalozza Verfassungsprozessrecht 3. Aufl. § 20 Rn. 92; Lechner/Zuck BVerfGG 7. Aufl. § 31 Rn. 32; differenzierend Seetzen NJW 1976, 1997, 1998 f.).
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dd) Danach liegen die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im vorliegenden Fall nicht vor.
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(1) Das Bundesverfassungsgericht hat nicht näher definiert, wann eine Vorbeschäftigung „sehr lang“ zurückliegt, „ganz anders“ geartet oder „von sehr kurzer“ Dauer war (zu Bedenken wegen erhöhter Rechtsunsicherheit durch die Rspr. des BVerfG vgl. Bayreuther NZA 2018, 905, 908; ErfK/Müller-Glöge 19. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 98). Dies ist unter Berücksichtigung des Grundes für die verfassungskonforme Auslegung, den Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG auf Fälle, in denen das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar wäre, einzuschränken, sowie unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht genannten Beispielsfälle zu beurteilen. Letztlich bedarf es hierzu einer Würdigung des Einzelfalls (Löwisch SAE 2018, 36, 38; Wank Anm. AP TzBfG § 14 Nr. 170).
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(2) Danach ist vorliegend das Verbot der sachgrundlosen Befristung nicht unzumutbar.
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(a) Im Zeitpunkt der erneuten Einstellung des Klägers lag seine Vorbeschäftigung entgegen der Ansicht der Beklagten nicht so lange zurück, dass die Nichtanwendung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfassungsrechtlich geboten wäre. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genügt es nicht, dass das Vorbeschäftigungsverhältnis lang zurückliegt, es muss vielmehr sehr lang zurückliegen. Das kann bei einem Zeitraum von knapp fünfeinhalb Jahren nicht angenommen werden. Aufgrund dieses Zeitablaufs ist das Verbot der sachgrundlosen Befristung für die Arbeitsvertragsparteien nicht unzumutbar. Zwar dürfte bei dieser Zeitspanne eine Gefahr der Kettenbefristung eher gering sein. Allerdings würde die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung bei einer erneuten Einstellung fünf bis sechs Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung allein wegen des Zeitablaufs den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren soziale Sicherung und insbesondere auch die Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, sind auf langfristige und unbefristete Arbeitsverhältnisse angewiesen (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 46). Die sachgrundlose Befristung soll daher nach der gesetzgeberischen Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfall der Beschäftigung zu erhalten (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 49). Dies ist auch bei der Beurteilung, ob das Verbot der sachgrundlosen Befristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber für die Arbeitsvertragsparteien unzumutbar ist, zu berücksichtigen, denn die von den Gerichten ggf. im Wege verfassungskonformer Auslegung vorzunehmende Einschränkung des Anwendungsbereichs des in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG normierten Verbots muss im Einklang mit dem sozialpolitischen Zweck des Schutzes der unbefristeten Beschäftigung als Regelfall stehen (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 33). Bei der Frage, ob der Anwendungsbereich von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG einer verfassungskonformen Einschränkung bedarf, ist daher zu beachten, dass die sachgrundlose Befristung bei der erneuten Einstellung eines Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber auf Ausnahmefälle beschränkt ist. Das wäre nicht gewährleistet, wenn dieselben Arbeitsvertragsparteien nach Ablauf von fünfeinhalb Jahren erneut einen Arbeitsvertrag mit einer sachgrundlosen Befristung abschließen könnten. Da ein Erwerbsleben bei typisierender Betrachtung mindestens 40 Jahre umfasst (vgl. BAG 18. März 2014 – 3 AZR 69/12 – Rn. 27, BAGE 147, 279), könnte ein Arbeitgeber jedenfalls fünf sachgrundlos befristete Arbeitsverträge von jeweils zweijähriger Dauer mit demselben Arbeitnehmer schließen. Damit wäre die sachgrundlose Befristung nicht mehr die Ausnahme. Dadurch würde das angestrebte Ziel einer langfristigen und dauerhaften Beschäftigung gefährdet.
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(b) Die vom Kläger während seiner Vorbeschäftigung in den Jahren 2007 und 2008 geschuldeten Tätigkeiten waren auch keine ganz anderen als jene, die der Kläger ab dem 1. Januar 2014 zu erbringen hatte. Ausweislich des von der Beklagten unter dem 31. Juli 2008 erstellten Arbeitszeugnisses war der Kläger während des Vorbeschäftigungsverhältnisses als „Montierer in unserer Abteilung Motorenbau“ beschäftigt. Ausweislich des Zwischenzeugnisses vom 30. September 2015 hat der Kläger in dem ab dem 1. Januar 2014 begründeten Arbeitsverhältnis als „Montierer in der Fahrzeugmontage im Bereich Karosseriemontage“ gearbeitet. Dies sind im Vergleich zur Vorbeschäftigung keine ganz anders gearteten Aufgaben.
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(c) Das erste zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis war auch nicht von sehr kurzer Dauer. Die Laufzeit betrug knapp neun Monate. Im Hinblick darauf, dass ein Arbeitnehmer gemäß § 1 Abs. 1 KSchG nach Ablauf von sechs Monaten Kündigungsschutz erwirbt und mit einer vorübergehenden Aushilfe gemäß § 622 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 BGB einzelvertraglich keine kürzere als die in Absatz 1 genannte Kündigungsfrist vereinbart werden kann, wenn das Arbeitsverhältnis über die Zeit von drei Monaten hinaus fortgesetzt wird, ist ein Zeitraum von etwa neun Monaten im vorliegenden Zusammenhang nicht als sehr kurz anzusehen.
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(d) Sonstige Umstände, die im vorliegenden Fall eine verfassungskonforme Einschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG gebieten könnten, sind nicht vorgetragen oder sonst ersichtlich.
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ee) Der Senat kann selbst darüber entscheiden, ob die Vorbeschäftigung des Klägers bei der Beklagten der streitgegenständlichen sachgrundlosen Befristung entgegensteht. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dem Beschluss vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) andere Kriterien für die Ausnahme von dem Verbot der erneuten sachgrundlosen Befristung aufgestellt als der Senat in seinen im Jahr 2011 getroffenen Entscheidungen. Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Kriterien enthalten Wertungsspielräume („sehr lang“ zurückliegend, „ganz anders“ geartet, „von sehr kurzer“ Dauer). Grundsätzlich obliegt diese Bewertung den Tatsacheninstanzen. Sind alle für die Bewertung maßgeblichen Tatsachen festgestellt, kann der Senat diese Bewertung allerdings auch selbst vornehmen. Bei der verfassungskonformen Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG handelt es sich um eine Rückausnahmevorschrift (vgl. Wank Anm. AP TzBfG § 14 Nr. 170). Der Vortrag von entsprechenden Tatsachen obliegt grundsätzlich demjenigen, der sich darauf beruft. Das ist hier die Beklagte. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erörtert. Die Beklagte hat dabei insbesondere die Auffassung vertreten, die Vorbeschäftigung liege im vorliegenden Fall bereits „ganz lang“ zurück. Sie hat jedoch nicht geltend gemacht, in Bezug auf die weiteren Kriterien des Bundesverfassungsgerichts noch neue Tatsachen vortragen zu wollen. Einer Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung bedurfte es daher nicht.
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ff) Auch die Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht geboten.
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(1) Die im Vergleich zur früheren Rechtsprechung des Senats weitergehende Beschränkung der Möglichkeit zur (erneuten) sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverhältnissen steht im Einklang mit den Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG zu der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge (vgl. Preis/Sagan/Brose EuArbR 2. Aufl. Rn. 13.181). Es kann dahingestellt bleiben, ob der nationale Gesetzgeber mit § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG über das beabsichtigte Ziel der Richtlinie hinausgegangen ist. Eine Überschreitung des Schutzstandards, den eine Richtlinie gewährleisten will, bleibt dem nationalen Gesetzgeber unbenommen (BAG 13. Mai 2004 – 2 AZR 426/03 – zu B I 2 b bb der Gründe; 6. November 2003 – 2 AZR 690/02 – zu B I 2 b bb der Gründe, BAGE 108, 269; aA wohl – ohne nähere Begründung – Wank RdA 2012, 361, 362). Ausdrücklich bestimmt § 8 der EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge, dass die Mitgliedstaaten günstigere Bestimmungen für Arbeitnehmer bei der Umsetzung beibehalten oder einführen können, als sie in der Rahmenvereinbarung vorgesehen sind.
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(2) Es bedarf keiner Klärung der Frage, ob das in der Richtlinie 2000/78/EG geregelte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters verlangt, an der früheren Rechtsprechung des Senats festzuhalten, wie die Beklagte meint. Selbst wenn die Richtlinie es gebieten würde, eine sachgrundlose Befristung nach einer dreijährigen Karenzzeit zu ermöglichen, könnte § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht in diesem Sinne richtlinienkonform ausgelegt werden.
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(a) Der Grundsatz der richtlinienkonformen Auslegung verlangt, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles tun, was in ihrer Zuständigkeit liegt, um die volle Wirksamkeit der fraglichen Richtlinie zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem von der Richtlinie verfolgten Ziel im Einklang steht (EuGH 6. November 2018 – C-569/16, C-570/16 – [Bauer] Rn. 67; 24. Januar 2012 – C-282/10 – [Dominguez] Rn. 27). Allerdings unterliegt der Grundsatz der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts bestimmten Schranken. So findet die Verpflichtung des nationalen Richters, bei der Auslegung und Anwendung der einschlägigen Vorschriften des innerstaatlichen Rechts den Inhalt einer Richtlinie heranzuziehen, in den allgemeinen Rechtsgrundsätzen ihre Schranken und darf nicht als Grundlage für eine Auslegung contra legem des nationalen Rechts dienen (EuGH 24. Januar 2012 – C-282/10 – [Dominguez] Rn. 25; BAG 7. August 2012 – 9 AZR 353/10 – Rn. 31 mwN, BAGE 142, 371). Mit dem Verbot, das nationale Recht contra legem auszulegen, konkretisiert der Gerichtshof der Europäischen Union die verfassungsrechtlichen Prinzipien der richterlichen Gesetzesbindung und der Gewaltenteilung, die es den nationalen Gerichten untersagen, an die Stelle des Gesetzgebers zu treten (Preis/Sagan/Sagan EuArbR 2. Aufl. Rn. 1.151 mwN).
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(b) Bei Anwendung dieser Grundsätze kommt die von der Beklagten geforderte richtlinienkonforme Auslegung nicht in Betracht. Eine entsprechende richtlinienkonforme Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG würde gegen das Verbot verstoßen, contra legem zu judizieren. Die frühere Annahme des Senats, eine sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliege, überschreitet die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte, weil der Gesetzgeber gerade dies klar erkennbar nicht wollte (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 71, 76 ff.).
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(3) Es stellt sich auch keine entscheidungserhebliche Frage bezüglich der Auslegung des Art. 21 Abs. 1 GRC. Aus der Vorschrift ergibt sich keine Verpflichtung der deutschen Arbeitsgerichte, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in der verfassungskonformen Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht unangewendet zu lassen (vgl. zur Pflicht, nationale Vorschriften bei einem Konflikt mit Art. 21 Abs. 1 GRC unangewendet zu lassen EuGH 17. April 2018 – C-414/16 – [Egenberger] Rn. 79).
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(a) Zwar schützt die Vorschrift auch gegen mittelbare Diskriminierungen (vgl. EuArbR/Mohr 2. Aufl. GRC Art. 21 Rn. 94 mwN). Die Beklagte hat jedoch schon nicht dargetan, dass es sich bei § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in der Auslegung durch das Bundesverfassungsgericht um eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift handelt, die Personen eines bestimmten Alters in besonderer Weise benachteiligen könnte. Die Beklagte hat für ihre Behauptung, die „statistische Wahrscheinlichkeit, dass ein älterer Bewerber zufällig bereits in weit entfernter Vergangenheit beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt war, … signifikant höher [sei] als bei einem jungen Bewerber, der aufgrund seines Lebensalters noch keine weit entfernte berufliche Vergangenheit aufweisen“ könne, keine statistischen Nachweise vorgelegt. Zwar können mittelbare Diskriminierungen nicht nur statistisch nachgewiesen werden, sondern sich auch aus anderen Umständen ergeben (BAG 22. April 2010 – 6 AZR 966/08 – Rn. 20, BAGE 134, 160). Es reicht aus, wenn das fragliche Kriterium bei wertender, typisierender Betrachtung geeignet ist, diskriminierend zu wirken. Ein weitgehend unbeschränktes Verbot zum Abschluss eines erneuten sachgrundlos befristeten Vertrags bei jeder Vorbeschäftigung bei demselben Arbeitgeber führt aber bei einer typisierenden Betrachtung nicht notwendig zu einer Benachteiligung älterer Arbeitnehmer. Zwar erhöht sich mit zunehmendem Lebensalter die Wahrscheinlichkeit, dass der Arbeitnehmer bereits zuvor ein Arbeitsverhältnis hatte. Im Hinblick auf die hohe Anzahl von Arbeitgebern in Deutschland ist aber nicht erkennbar, dass sich aufgrund des Lebensalters auch die Wahrscheinlichkeit signifikant erhöht, gerade bei dem Arbeitgeber beschäftigt gewesen zu sein, der nun die sachgrundlos befristete Stelle besetzen will. Dies hängt vielmehr von zahlreichen anderen Kriterien ab (Ausbildung, Branche, regionale Strukturen etc.).
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(b) Eine etwaige Ungleichbehandlung wegen des Alters stünde im Übrigen im Einklang mit Art. 21 Abs. 1 GRC, weil sie den in Art. 52 Abs. 1 GRC angeführten Kriterien entspräche. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat darauf hingewiesen, dass gemäß Art. 52 Abs. 1 GRC jede Einschränkung der Ausübung der in der Charta anerkannten Rechte und Freiheiten gesetzlich vorgesehen sein und den Wesensgehalt dieser Rechte und Freiheiten achten muss. Unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit dürfen Einschränkungen nur vorgenommen werden, wenn sie erforderlich sind und den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen (EuGH 5. Juli 2017 – C-190/16 – [Fries] Rn. 36). Dies ist vorliegend der Fall. Die Regelung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist gerechtfertigt, um die Gefahr einer Kettenbefristung in Ausnutzung der strukturellen Unterlegenheit der Beschäftigten auszuschließen und die unbefristete Beschäftigung als Regelfall zu sichern. Insofern kann auf die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtfertigung des Grundrechtseingriffs Bezug genommen werden (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 53). Diese Ziele sind von der Europäischen Union anerkannt. Ausweislich der Präambel der Rahmenvereinbarung über befristete Arbeitsverträge sollen unbefristete Arbeitsverträge die übliche Form des Beschäftigungsverhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern darstellen. Nach § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um Missbrauch durch aufeinanderfolgende befristete Arbeitsverträge oder -verhältnisse zu vermeiden.
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Im Übrigen dürfte eine Unvereinbarkeit des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG mit den Vorgaben des Art. 21 Abs. 1 GRC nicht zu einer Nichtanwendung der Regelung führen. Dem stünde entgegen, dass dies letztlich die unbeschränkte Möglichkeit zur wiederholten sachgrundlosen Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG zur Folge hätte. Dieses Ergebnis wäre mit den Vorgaben der Richtlinie 1999/70/EG nicht zu vereinbaren (vgl. BAG 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 – Rn. 34, BAGE 139, 213). Die von § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG eröffnete Möglichkeit sachgrundloser Befristungen muss schon wegen § 5 Nr. 1 der Rahmenvereinbarung notwendig beschränkt werden.
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c) Entgegen der Ansicht der Revision ist die Klage nicht deshalb abzuweisen, weil die Beklagte den Arbeitsvertrag mit dem Kläger im Vertrauen auf die Rechtsprechung des Senats in den Urteilen vom 6. April 2011 (- 7 AZR 716/09 – BAGE 137, 275) und vom 21. September 2011 (- 7 AZR 375/10 – BAGE 139, 213) abgeschlossen hat. Dabei bedarf es keiner Entscheidung, ob der Senat schon aufgrund der Gesetzeswirkung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gehindert wäre, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im vorliegenden Fall abweichend von den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Anwendung zu bringen, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Wirkungen seiner Entscheidung in zeitlicher Hinsicht nicht beschränkt hat. Das Vertrauen der Beklagten ist jedenfalls nicht derart schützenswert, dass die Klage entgegen der objektiven Rechtslage abzuweisen wäre.
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aa) Höchstrichterliche Rechtsprechung ist kein Gesetzesrecht und erzeugt keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Eine in der Rechtsprechung bislang vertretene Gesetzesauslegung aufzugeben, verstößt nicht als solches gegen Art. 20 Abs. 3 GG. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruht allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält. Soweit durch gefestigte Rechtsprechung ein Vertrauenstatbestand begründet wurde, kann diesem erforderlichenfalls durch Bestimmungen zur zeitlichen Anwendbarkeit oder Billigkeitserwägungen im Einzelfall Rechnung getragen werden (BVerfG 25. April 2015 – 1 BvR 2314/12 – Rn. 13; 15. Januar 2009 – 2 BvR 2044/07 – Rn. 85 mwN, BVerfGE 122, 248; vgl. dazu auch BAG 13. März 2013 – 5 AZR 954/11 – Rn. 24, BAGE 144, 306; 19. Juni 2012 – 9 AZR 652/10 – Rn. 27 mwN, BAGE 142, 64). Dabei ist zu beachten, dass im Zivilprozess die Begünstigung der einen Partei durch die Gewährung von Vertrauensschutz stets zu einer Belastung der anderen Partei führt (Koch SR 2012, 159, 160).
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Die Gewährung von Vertrauensschutz in eine aufgegebene höchstrichterliche Rechtsprechung setzt voraus, dass die betroffene Partei auf die Fortgeltung einer bisherigen Rechtsprechung vertrauen durfte (BAG 29. August 2007 – 4 AZR 765/06 – Rn. 31; 23. März 2006 – 2 AZR 343/05 – Rn. 33, BAGE 117, 281; 1. Februar 2007 – 2 AZR 15/06 – Rn. 8 ff., beachte dazu aber BVerfG 10. Dezember 2014 – 2 BvR 1549/07 -). Dem kann etwa entgegenstehen, dass die frühere Rechtsprechung auf so erhebliche Kritik gestoßen ist, dass der unveränderte Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht gesichert erscheinen konnte (vgl. BVerfG 26. Juni 1991 – 1 BvR 779/85 – Rn. 43, BVerfGE 84, 212).
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bb) Es erscheint bereits zweifelhaft, ob in Bezug auf die Auslegung des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG überhaupt eine gefestigte Rechtsprechung vorlag (zum Erfordernis einer ständigen Rechtsprechung vgl. Koch SR 2012, 159, 161). Immerhin hatte das Bundesarbeitsgericht § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG zunächst über Jahre dahin ausgelegt, dass dieselben Arbeitsvertragsparteien nur bei der erstmaligen Einstellung eine sachgrundlose Befristung vereinbaren können; jede spätere sachgrundlose Befristung sei gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG unwirksam (vgl. BAG 29. Juli 2009 – 7 AZN 368/09 – Rn. 2; 13. Mai 2004 – 2 AZR 426/03 –; 6. November 2003 – 2 AZR 690/02 – BAGE 108, 269). Erst im Jahr 2011 änderte das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung und ging davon aus, dass § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG der sachgrundlosen Befristung eines Arbeitsverhältnisses nicht entgegensteht, wenn ein vorangegangenes Arbeitsverhältnis mehr als drei Jahre zurückliegt (BAG 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 – Rn. 23 ff., BAGE 139, 213; 6. April 2011 – 7 AZR 716/09 – Rn. 16 ff., BAGE 137, 275), wobei der Senat in der Entscheidung vom 21. September 2011 seine in dem Urteil vom 6. April 2011 gegebene Begründung noch modifizierte (verfassungskonforme statt verfassungsorientierte Auslegung, vgl. BAG 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 – Rn. 28, aaO).
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Der von der Beklagten zur Begründung ihrer Rechtsauffassung zudem herangezogene Beschluss des Senats vom 30. April 2014 (- 7 AZN 119/14 -) über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 30. Januar 2014 (- 5 Sa 1/13 -) ist vom Bundesverfassungsgericht für gegenstandslos erklärt worden, da es das Urteil des Landesarbeitsgerichts Nürnberg aufgehoben hat (BVerfG 6. Juni 2018 – 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 – Rn. 89).
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cc) Jedenfalls durfte die Beklagte auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht vertrauen. Die Senatsrechtsprechung aus dem Jahr 2011 war von Anfang an auf erhebliche Kritik gestoßen (vgl. Nachw. bei APS/Backhaus 5. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 381d; KR/Lipke 12. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 566; vgl. auch BAG 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 – Rn. 23, BAGE 139, 213). Bereits deshalb konnte der Fortbestand dieser Rechtsprechung nicht als gesichert angesehen werden (Vertrauensschutz deshalb verneinend auch Lembke/Tegel NZA-RR 2018, 175, 179 mwN zur Rspr. der Landesarbeitsgerichte; KR/Lipke 12. Aufl. § 14 TzBfG Rn. 573; ErfK/Müller-Glöge 19. Aufl. TzBfG § 14 Rn. 99).
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Entgegen der Ansicht der Beklagten war ihr Vertrauen auch nicht deshalb schutzwürdig, weil sich das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 21. September 2011 mit kritischen Stimmen im Schrifttum auseinandergesetzt und dennoch an seiner Rechtsprechung festgehalten hat. Gerade auch in dieser zweiten Entscheidung war die Unvereinbarkeit des unbeschränkten Vorbeschäftigungsverbots mit dem Grundgesetz ein tragender Bestandteil der Urteilsbegründung (BAG 21. September 2011 – 7 AZR 375/10 – Rn. 28, BAGE 139, 213: „Entscheidend gegen ein Verständnis des § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG im Sinne eines zeitlich völlig uneingeschränkten Verbots der Vorbeschäftigung sprechen verfassungsrechtliche Erwägungen“). Die Vereinbarkeit einer Norm mit dem Grundgesetz kann nur das Bundesverfassungsgericht abschließend beurteilen (vgl. Art. 100 GG; zum sog. Verwerfungsmonopol vgl. nur Schenke JuS 2017, 1141, 1142 mwN). Das Bundesverfassungsgericht hat zwar kein Auslegungsmonopol für das Grundgesetz, es hat aber die Kompetenz zur Kontrolle der Verfassungsauslegung durch die Fachgerichte (Höpfner RdA 2018, 321, 335 unter Bezugnahme auf Alleweldt Bundesverfassungsgericht und Fachgerichtsbarkeit S. 98). Es kann offenbleiben, ob es darüber hinaus dem Bundesverfassungsgericht allein obliegt, Normen im Wege der verfassungskonformen Auslegung im Ergebnis (teilweise) für unwirksam zu erklären (in diesem Sinne Höpfner RdA 2018, 321, 335 f.; ähnlich bereits Skouris Teilnichtigkeit von Gesetzen S. 112 f.; aA Seetzen NJW 1976, 1997, 2000). Jedenfalls prüft das Bundesverfassungsgericht, ob das ordentliche Gericht die Reichweite und Wirkkraft der Grundrechte im Gebiet des bürgerlichen Rechts zutreffend beurteilt hat (BVerfG 15. Januar 1958 – 1 BvR 400/51 – zu B II 1 der Gründe, BVerfGE 7, 198; vgl. zum Prüfprogramm des BVerfG Korioth FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht Bd. 1 S. 55, 65 mwN). Das Bundesarbeitsgericht ist bei der Auslegung und Anwendung spezifischen Verfassungsrechts (zum Begriff vgl. BVerfG 10. Juni 1964 – 1 BvR 37/63 – zu B II 3 a der Gründe, BVerfGE 18, 85) nicht die „höchste“ Instanz, so dass insofern auch kein entsprechend geschütztes Vertrauen auf den Fortbestand einer „höchstrichterlichen“ Rechtsprechung entstehen kann.
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Da die Rechtsprechung des Senats aus dem Jahr 2011 im Zeitpunkt der Begründung des erneuten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien noch nicht vom Bundesverfassungsgericht überprüft und bestätigt worden war, konnte und durfte die Beklagte den unveränderten Fortbestand der Rechtsprechung nicht als gesichert erachten. Sie musste vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom Senat vorgenommene verfassungskonforme Auslegung von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.
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II. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Dieser Antrag wurde unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Großen Senats vom 27. Februar 1985 (- GS 1/84 – BAGE 48, 122) gestellt und ist damit auf die vorläufige Weiterbeschäftigung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens bezogen. Die Entscheidung des Senats über die Befristungskontrollklage wird mit der Verkündung rechtskräftig.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Gräfl |
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M. Rennpferdt |
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Klose |
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Die ehrenamtliche Richterin Jacobi |
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Schiller |