Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 21. April 2022 – 5 Sa 97/21 – aufgehoben.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 14. Dezember 2020 – 2 Ca 124/20 -wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Hilfsantrags zu 3. richtet. Im Übrigen wird die Berufung gegen das vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Hannover zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten hauptsächlich darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis aufgrund Befristung am 31. Mai 2020 geendet und ob es bereits in der Zeit vom 1. November 2018 bis zum 31. August 2019 bestanden hat.
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Der Kläger war seit dem 13. September 2016 bei der Arbeitnehmerüberlassung betreibenden A GmbH & Co. OHG (A) auf der Grundlage mehrerer, zuletzt bis 31. August 2019 befristeter Arbeitsverträge beschäftigt. Während der gesamten Dauer dieses Arbeitsverhältnisses war er der Beklagten – einem Unternehmen der Automobilindustrie – zur Arbeitsleistung überlassen und in deren Betrieb am Standort H als Produktionshelfer eingesetzt.
- 3
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Die Beklagte, die A (damals noch firmierend unter A Zeitarbeit GmbH & Co. OHG) und die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) schlossen unter dem 5. Dezember 2013 einen „Tarifvertrag über die Vergütung und Einsatzbedingungen von Zeitarbeitnehmern“ (TV VEZ). Dieser lautet auszugsweise:
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„§ 1 |
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Geltungsbereich |
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Dieser Tarifvertag gilt: |
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1.1 |
räumlich: |
An den Standorten der V AG |
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1.2 |
persönlich: |
Für alle Beschäftigten, die im Rahmen des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes an die V AG überlassen werden und Mitglied der IG Metall sind. |
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§ 2 |
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Entgelt |
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2.1 |
Die A Zeitarbeit GmbH & Co. OHG gruppiert die Zeitarbeitnehmer gemäß Mantel- und Entgeltrahmentarifvertrag für Zeitarbeit in seiner jeweils gültigen Fassung ein, abgeschlossen zwischen der A Zeitarbeit GmbH & Co. OHG und der IG Metall Bezirksleitung Niedersachsen und Sachsen-Anhalt. |
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… |
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2.2.1 |
Zeitarbeitnehmer erhalten |
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… |
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2.2.2 |
Abweichend von § 2.2.1, Absätze 1 und 2, erhalten Zeitarbeitnehmer im Bereich |
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Event/Gastronomie/ Allgemeine Aushilfen |
bis 6. Monat |
€ 11,80/Stunde sowie |
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ab 7. Monat |
€ 12,39/Stunde. |
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Diese Beträge werden durch die Tarifvertragsparteien auf Angemessenheit überprüft und gegebenenfalls neu geregelt. |
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§ 2.2.1 Absatz 3 gilt für Zeitarbeitnehmer im Bereich Event/Gastronomie/Allgemeine Aushilfen in vollem Umfang. |
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… |
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§ 4 |
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Rahmenbedingungen |
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4.1 |
Die V AG verpflichtet sich, im Durchschnitt von 2 Kalenderjahren nicht mehr als 5 % Zeitarbeitnehmer pro Standort zu beschäftigen; Bemessungsgrundlage ist die Gesamtbelegschaft des jeweiligen Standortes. Der laufende Bezugszeitraum sind die Kalenderjahre 2013 und 2014. |
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… |
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4.3 |
Einsatzdauer und Übernahme |
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4.3.1 |
Der Einsatz von Zeitarbeitnehmern der A Zeitarbeit GmbH & Co. OHG ist auf maximal 36 aufeinanderfolgende Monate befristet; der Zeitraum eines vorangehenden Einsatzes als Zeitarbeitnehmer der A Zeitarbeit GmbH & Co. OHG, der A GmbH bzw. der W AG ist anzurechnen, wenn die Beendigung nicht länger als 6 Monate vor dem Beginn des erneuten Einsatzes zurückliegt. |
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4.3.2 |
Eine Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der V AG erfolgt regelmäßig nach 36 Monaten Einsatzdauer. |
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Der Zeitraum bis zur Übernahme in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bei der V AG kann auf bis zu 18 Monate verkürzt werden, sofern |
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– |
nachhaltiger Personalbedarf besteht, |
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– |
die erforderlichen Qualifikationsvoraussetzungen individuell erfüllt werden und |
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– |
keine verhaltens- oder personenbedingten Gründe auf Seiten des Zeitarbeitnehmers/der Zeitarbeitnehmerin entgegenstehen. |
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Das Unternehmen entscheidet nach Beratung mit dem Betriebsrat, wem ein unbefristeter Arbeitsvertrag angeboten wird. |
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Bei Unterbrechungen von weniger als 6 Monaten werden Einsatzzeiten bei der V AG addiert. |
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Die Betriebsparteien können bei Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen eine Übernahme von Zeitarbeitnehmern gegebenenfalls aussetzen. |
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… |
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4.4 |
Die V AG entleiht Zeitarbeitnehmer grundsätzlich nur von der A Zeitarbeit GmbH & Co. OHG. |
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Im Ausnahmefall kann Zeitarbeitspersonal mit Zustimmung des Betriebsrates auch von anderen Zeitarbeitsfirmen entliehen werden; in diesem Fall gelten die Bestimmungen dieses Tarifvertrages entsprechend. Die V AG hat die Einhaltung durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen. |
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§ 5 |
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Schlussbestimmungen |
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5.1 |
Der Tarifvertrag tritt am 01. Januar 2014 in Kraft. |
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5.2 |
Bei wesentlichen Änderungen der gesetzlichen Vorschriften zur Arbeitnehmerüberlassung werden die Tarifvertragsparteien Verhandlungen über eine Anpassung dieses Tarifvertrages aufnehmen. |
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5.3 |
Der Tarifvertrag kann mit einer Frist von 1 Monat zum Monatsende, erstmals zum 31. Dezember 2014, gekündigt werden.“ |
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Am 19. März 2015 schlossen die Tarifvertragsparteien des TV VEZ eine zum 1. Juni 2015 in Kraft getretene „Vereinbarung zum Tarifvertrag über die Vergütung und Einsatzbedingungen von Zeitarbeitnehmern vom 05. Dezember 2013“ und am 30. Mai 2016 eine zum 1. Juni 2016 in Kraft getretene „2. Vereinbarung zum Tarifvertrag über die Vergütung und Einsatzbedingungen von Zeitarbeitnehmern vom 05. Dezember 2013 in der Fassung vom 19. März 2015“, mit der sie im Wesentlichen die in § 2 Nr. 2.2.2 TV VEZ 2013 geregelte Entgelthöhe änderten. Mit einer „3. Vereinbarung zum Tarifvertrag über die Vergütung und Einsatzbedingungen von Zeitarbeitnehmern vom 05. Dezember 2013 in der Fassung vom 30. Mai 2016“ vom 5. März 2018 (TV VEZ 2018) erfolgte mit Wirkung zum 1. Februar 2018 eine weitere Änderung der in § 2 Nr. 2.2.2 TV VEZ geregelten Entgelthöhe.
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Unter dem 3. Juli 2019 vereinbarten der Kläger und die Beklagte einen vom 1. September 2019 bis zum 31. Mai 2020 befristeten Arbeitsvertrag, auf dessen Grundlage der Kläger weiter am Standort H tätig war. Mit Schreiben vom 12. Mai 2020 teilte ihm die Beklagte mit, dass das Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Befristung ende und keine Anschlussbeschäftigung an einem ihrer Standorte angeboten werden könne.
- 6
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Mit seiner Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der Befristung zum 31. Mai 2020 und den Bestand eines Arbeitsverhältnisses der Parteien in der Zeit vom 1. November 2018 bis 31. August 2019 geltend gemacht. Mit späteren Klageerweiterungen hat er hilfsweise die Verurteilung der Beklagten zum Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags und seine vorläufige Weiterbeschäftigung erstrebt.
- 7
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Er hat die Auffassung vertreten, nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG sei die Befristung ohne Sachgrund unzulässig, weil bereits zuvor ein – wegen Überschreitung der gesetzlich zulässigen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten gesetzlich fingiertes – Arbeitsverhältnis der Parteien bestanden habe. Die im TV VEZ festgelegte Verlängerung der Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten habe für sein Arbeitsverhältnis mit der A mangels seiner Mitgliedschaft in der tarifschließenden Gewerkschaft im maßgeblichen Zeitpunkt nicht gegolten; sie sei zudem verfassungs- und unionsrechtswidrig. Im Übrigen handelten die Beklagte und die A rechtsmissbräuchlich. In diesem Zusammenhang hat er im Wesentlichen geltend gemacht, im Zeitpunkt des Ablaufs der Befristung und danach habe es Beschäftigungsbedarf an den Standorten der Beklagten gegeben, was die Vielzahl tatsächlich (befristet) eingestellter (Leih-)Arbeitnehmer zeige.
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Der Kläger hat zuletzt beantragt
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1. |
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsabrede im Arbeitsvertrag vom 3. Juli 2019 zur vereinbarten Befristung zum 31. Mai 2020 beendet wurde; |
2. |
festzustellen, dass zwischen den Parteien in der Zeit vom 1. November 2018 bis zum 31. August 2019 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat; |
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hilfsweise für den Fall des Unterliegens, |
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3. |
die Beklagte zu verurteilen, sein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags zu den bisherigen arbeitsvertraglichen Bedingungen als Produktionswerker ab dem 1. Juni 2020 anzunehmen; |
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hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit dem Antrag zu 1., |
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4. |
die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zur rechtskräftigen Beendigung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen vertraglichen Bedingungen als Produktionswerker weiter zu beschäftigen. |
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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und den Standpunkt eingenommen, ein die Zulässigkeit der sachgrundlosen Befristung ausschließendes vorangegangenes Arbeitsverhältnis habe nicht bestanden und folge auch nicht aus § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 AÜG. Die tarifvertragliche Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten sei unabhängig von einer Tarifgebundenheit des Klägers einschlägig und halte sich im Rahmen der gesetzlich zugelassenen Gestaltungsmöglichkeiten.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr mit den Hauptanträgen und dem Weiterbeschäftigungsantrag auf die Berufung des Klägers stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Wiederherstellung des klageabweisenden Urteils des Arbeitsgerichts. Die Befristungskontrollklage ist ebenso unbegründet wie die erstrebte Feststellung eines Arbeitsverhältnisses der Parteien vom 1. November 2018 bis zum 31. August 2019. Im Hinblick auf den hilfsweisen Antrag des Klägers, die Beklagte zur Annahme seines Angebots auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags ab dem 1. Juni 2020 zu verurteilen, war bereits die Berufung gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil unzulässig. Der Weiterbeschäftigungsantrag fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an.
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I. Die mit dem Antrag zu 1. erhobene Befristungskontrollklage ist unbegründet. Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts aufgrund der vereinbarten Befristung am 31. Mai 2020 geendet. Diese ist als sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 TzBfG zulässig und damit rechtswirksam.
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1. Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrags ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig. Bis zu dieser Gesamtdauer ist nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 TzBfG die höchstens dreimalige Verlängerung eines kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrags zulässig. Eine Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG ist gemäß § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat.
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2. Danach ist die streitbefangene Befristung zulässig.
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a) Die nach § 14 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 TzBfG zulässige Höchstbefristungsdauer von zwei Jahren ist nicht überschritten. Das befristete Arbeitsverhältnis der Parteien dauerte vom 1. September 2019 bis zum 31. Mai 2020 und damit neun Monate. Eine Verlängerung war nicht vereinbart.
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b) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts steht der Zulässigkeit der Befristung nicht entgegen, dass der Kläger der Beklagten vom 13. September 2016 bis zum 31. August 2019 zur Arbeitsleistung überlassen war. Hierin liegt kein zuvor bestehendes Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG, aufgrund dessen eine sachgrundlose Befristung nicht mehr hätte vereinbart werden können.
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aa) Arbeitgeber iSv. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG ist der Vertragsarbeitgeber, also diejenige natürliche oder juristische Person, die mit dem Arbeitnehmer den Arbeitsvertrag abgeschlossen hat. Der Gesetzgeber hat für das Verbot der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung auf den rechtlichen Bestand eines formellen Arbeitsverhältnisses mit dem Vertragsarbeitgeber abgestellt, nicht auf eine Beschäftigung in demselben Betrieb (st. Rspr., vgl. BAG 15. Dezember 2021 – 7 AZR 530/20 – Rn. 17 mwN). So liegt es hier. Der Kläger war in der Zeit vor seiner befristeten Einstellung bei der Beklagten nicht bei dieser, sondern bei der A und damit bei einer anderen juristischen Person im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt. Eine Vorbeschäftigung iSd. § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG liegt grundsätzlich nicht allein deshalb vor, weil der befristet eingestellte Arbeitnehmer zuvor als Leiharbeitnehmer im gleichen Betrieb auf dem gleichen Arbeitsplatz gearbeitet hat (BAG 15. Dezember 2021 – 7 AZR 530/20 – Rn. 38; 12. Juni 2019 – 7 AZR 429/17 – Rn. 34; 9. Februar 2011 – 7 AZR 32/10 – Rn. 15 mwN).
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bb) Infolge der Überlassung des Klägers zur Arbeitsleistung an die Beklagte vom 13. September 2016 bis 31. August 2019 ist kein Arbeitsverhältnis der Parteien nach § 9 Abs. 1 Nr. 1b, § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG fingiert.
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(1) Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 AÜG gilt ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen, wenn der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG unwirksam ist. Arbeitsverträge zwischen Verleihern und Leiharbeitnehmern sind gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 1b AÜG mit dem Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b AÜG unwirksam, es sei denn, der Leiharbeitnehmer erklärt schriftlich bis zum Ablauf eines Monats nach Überschreiten der zulässigen Überlassungshöchstdauer gegenüber dem Verleiher oder dem Entleiher, dass er an dem Arbeitsvertrag mit dem Verleiher festhält. Tritt die Unwirksamkeit erst nach Aufnahme der Tätigkeit beim Entleiher ein, gilt das Arbeitsverhältnis mit dem Eintritt der Unwirksamkeit als zustande gekommen. Nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG darf der Verleiher denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 Monate demselben Entleiher überlassen; der Entleiher darf denselben Leiharbeitnehmer nicht länger als 18 aufeinanderfolgende Monate tätig werden lassen. Die Überlassungshöchstdauer bestimmt sich arbeitnehmer- und nicht arbeitsplatzbezogen (vgl. zu all dem ausf. BAG 8. November 2022 – 9 AZR 486/21 – Rn. 19 f.; 14. September 2022 – 4 AZR 26/21 – Rn. 14 und – 4 AZR 83/21 – Rn. 15), was mit Unionsrecht vereinbar ist (vgl. EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 38). Bei ihrer Berechnung werden nach der Übergangsvorschrift des § 19 Abs. 2 AÜG Überlassungszeiten vor dem 1. April 2017 nicht berücksichtigt. Das begegnet Bedenken im Hinblick auf die Richtlinie 2008/104/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über Leiharbeit (Richtlinie 2008/104/EG), wobei deren Bestimmungen allerdings kein subjektives Recht auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Entleiher vermitteln (dazu EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 93 ff.).
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(2) Zwar überschreitet die Überlassung des Klägers an die Beklagte vom 13. September 2016 bis zum 31. August 2019 (ca. 35,5 Monate) – ungeachtet einer Anwendung der Übergangsregelung in § 19 Abs. 2 AÜG – die in § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG festgelegte gesetzliche Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten. Diese ist aber vorliegend nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG iVm. § 4 Nr. 4.3.1 TV VEZ 2018 wirksam auf 36 Monate verlängert. Diese Dauer ist nicht überschritten.
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(a) Nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG kann in einem Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine von § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden. Das eröffnet den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche die Möglichkeit, die gesetzliche Überlassungshöchstdauer durch Tarifvertrag zu verkürzen oder auszudehnen (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 20). Ein auf dieser Grundlage geschlossener Tarifvertrag muss eine konkrete zeitliche Grenze festlegen, durch die der „vorübergehende“ Charakter der Arbeitnehmerüberlassung iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG gewahrt wird (ausf. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 20 ff.).
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(b) Die Geltung eines Tarifvertrags nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG, durch den die nach § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG gesetzlich festgelegte Überlassungshöchstdauer abweichend geregelt wird, erfordert allein die Tarifgebundenheit des Entleihers. Für den Verleiher und den überlassenen Arbeitnehmer gilt die tarifliche Regelung unabhängig von deren Tarifgebundenheit (ausf. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 26 ff.). Es handelt sich bei einer solchen tarifvertraglichen Regelung weder um eine Inhalts- noch eine Betriebsnorm iSv. § 1 Abs. 1, § 3 Abs. 2 TVG. Vielmehr machen die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche von der ihnen vom Gesetzgeber eingeräumten Regelungsermächtigung Gebrauch, die sich von den in § 1 Abs. 1 TVG genannten Arten von Tarifnormen und deren unmittelbarer und zwingender Geltung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) unterscheidet (ausf. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 28 ff.). Der Gesetzgeber hat den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche in § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG eine von den im Tarifvertragsgesetz vorgesehenen Arten von Tarifnormen (§ 1 Abs. 1 TVG) und deren Bindungswirkung (§ 3 Abs. 1 und Abs. 2, § 4 Abs. 1 TVG) abweichende Regelungsbefugnis eingeräumt (ausf. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 33 ff.).
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(c) Dieses Verständnis von § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. mit ausführlicher Begründung BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 37 ff.).
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(aa) Mit § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG hat der Gesetzgeber die nach Art. 9 Abs. 3 GG verfassungsrechtlich gewährleistete kollektive Koalitionsfreiheit gesetzlich ausgestaltet und die erforderliche Grundlage für eine Regelung durch die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche geschaffen (vgl. zur erforderlichen Ausgestaltung BVerfG 20. Oktober 1981 – 1 BvR 404/78 – zu B I 1 der Gründe, BVerfGE 58, 233). Ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung wäre eine für alle an der Arbeitnehmerüberlassung Beteiligten verbindliche tarifliche Regelung durch einen auf das Zwei-Personen-Verhältnis ausgerichteten Tarifvertrag nicht möglich gewesen. Die Übertragung der Regelungsermächtigung allein an die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche, nicht aber an diejenigen der Zeitarbeitsbranche, führt weder zu einer Verletzung von deren Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG noch zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung iSd. Art. 3 Abs. 1 GG (ausf. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 39 ff.).
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(bb) In Bezug auf die Tarifvertragsparteien der Leiharbeitsbranche kommt auch keine Verletzung des Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht (ausf. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 53 ff.). Vorliegend werden zwar Tarifvertragsparteien – zum einen die Arbeitgeber(-verbände) sowie die Gewerkschaften der Einsatzbranche und zum anderen die Tarifvertragsparteien der Zeitarbeitsbranche – ungleich behandelt, indem der Gesetzgeber erstere zur Regelung der Überlassungshöchstdauer ermächtigt, letztere aber nicht. Unabhängig vom anzuwendenden Prüfungsmaßstab liegt aber jedenfalls im Hinblick auf die größere Sachnähe der Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche eine zulässige Differenzierung vor (ausf. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 49 und 55).
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(d) Die Regelungen in § 1 Abs. 1b Satz 3 und Satz 5 AÜG stehen mit der Richtlinie 2008/104/EG im Einklang (vgl. EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 111). Die Übertragung der Regelungsbefugnis auf die Tarifvertragsparteien der Branche der entleihenden Unternehmen sowie deren Möglichkeit, abweichende betriebliche Regelungen zuzulassen, ist auch ohne eine gesetzliche Festlegung einer absoluten Überlassungshöchstgrenze zulässig. Dies ist nach der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17. März 2022 (- C-232/20 – [Daimler]) iSe. „acte éclairé“ geklärt (BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21 – Rn. 53 ff. und – 4 AZR 83/21 – Rn. 57 ff.; ebenso BAG 8. November 2022 – 9 AZR 486/21 -). Allerdings muss die in Tarifverträgen festgelegte Überlassungs(höchst-)dauer nach § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG und Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG als „vorübergehend“ anzusehen sein, damit Leiharbeit bei demselben entleihenden Unternehmen nicht zu einer Dauersituation für einen Leiharbeitnehmer werden kann (vgl. EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 56; 14. Oktober 2020 – C-681/18 – [KG] Rn. 55, 60; BAG 14. September 2022 – 4 AZR 26/21 – Rn. 57).
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(e) Im vorliegenden Streitfall ist nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG iVm. § 4 Nr. 4.3.1 TV VEZ 2018 die – nicht überschrittene – Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten maßgebend.
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(aa) Einschlägig ist der TV VEZ 2018. Die Tarifvertragsparteien des TV VEZ haben diesen mit den nachfolgenden Änderungen in den Jahren 2015, 2016 und schließlich mit Wirkung zum 1. Februar 2018 durch die Vereinbarung vom 5. März 2018 beendet und (abgesehen von den Änderungen) inhaltsgleich neu abgeschlossen. Dem Ende des Tarifvertrags steht jede Änderung des Tarifvertrags gleich, auch hinsichtlich der unveränderten Bestimmungen (vgl. BAG 25. Februar 2009 – 4 AZR 986/07 – Rn. 39; 7. November 2001 – 4 AZR 703/00 – zu 1 c bb der Gründe, BAGE 99, 283 zur Beendigung eines Tarifvertrags mit der Folge der Beendigung der Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG). Indem die Tarifvertragsparteien einzelne Tarifbestimmungen unverändert lassen, erneuern sie zugleich ihren Willen, dass es sich bei der tarifvertraglichen Regelung in ihrer Gesamtheit um einen angemessenen Ausgleich der Interessen handelt (vgl. JKOS/Oetker Tarifvertragsrecht 2. Aufl. § 6 Rn. 79). Durch Abschluss der „3. Vereinbarung“ zum TV VEZ „in der Fassung vom 30. Mai 2016“ vom 5. März 2018 haben die Beklagte, die A und die IG Metall den TV VEZ unter Fortführung der ursprünglichen Regelungen mit den vereinbarten Änderungen damit – nach der Änderung des AÜG zum 1. April 2017 und der Einführung des § 1 Abs. 1b AÜG – bestätigend erneut in Kraft gesetzt. Dem steht nicht entgegen, dass die Tarifvertragsparteien mit § 2 Nr. 2.2.2 TV VEZ lediglich eine die konkrete Vergütungshöhe festlegende Vorschrift angepasst haben, deren Neuregelung sie sich ursprünglich vorbehalten hatten. Zwar wollen die Tarifvertragsparteien dann, wenn sie in einem Entgeltrahmentarifvertrag lediglich die Entgeltordnung und in einem anderen Tarifvertrag die jeweiligen Entgeltsätze vereinbaren, die letzteren Regelungen erkennbar nicht in den Entgeltrahmentarifvertrag inkorporieren (vgl. BAG 28. April 2021 – 4 AZR 230/20 – Rn. 45). Bei den Tarifverträgen im Streitfall handelt es sich jedoch gerade nicht um gesondert vereinbarte Regelwerke, die in ihrem Bestand und ihrer Geltung voneinander unabhängig sind. Der Wille der Tarifvertragsparteien, ua. auch die Regelungen zu den Einsatzbedingungen – darunter § 4 TV VEZ – zu bestätigen, lässt sich neben der Beteiligung der Beklagten an den weiteren Tarifabschlüssen im Übrigen auch dem Umstand entnehmen, dass sie zu der in § 4 TV VEZ geregelten Überlassungshöchstdauer trotz der Einführung von § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG zum 1. April 2017 im TV VEZ 2018 keine Änderungen vereinbart haben, obwohl sie in § 5 Nr. 5.2 TV VEZ festgelegt hatten, bei wesentlichen Änderungen der gesetzlichen Vorschriften zum Arbeitnehmerüberlassungsrecht Verhandlungen über eine Anpassung aufnehmen zu wollen.
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(bb) Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob sich mit der zum 1. April 2017 in Kraft getretenen Regelung des § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG die den Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche verliehene Regelungsbefugnis auch (und ggf. nachträglich) auf Tarifverträge erstreckt, die vor dem 1. April 2017 geschlossen wurden (dies bejahend BeckOK ArbR/Kock Stand 1. März 2023 AÜG § 1 Rn. 111). Für eine solche Annahme spricht jedenfalls, dass der Normwortlaut eine Einschränkung auf neu abgeschlossene Tarifverträge nicht vorsieht, obwohl dem Gesetzgeber bewusst war, dass es bereits entsprechende Tarifverträge gab (vgl. BT-Drs. 18/9232 S. 29: „Mit der Überlassungshöchstdauer werden bestehende tarifvertragliche Vereinbarungen aus der betrieblichen Praxis aufgenommen, die die Einsatzdauer von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern zeitlich begrenzen“). Ebenfalls kann offenbleiben, ob die Tarifvertragsparteien des TV VEZ der in § 4 Nr. 4.3.1 vor dem 1. April 2017 vereinbarten Festlegung eine Wirkung zukommen lassen wollten, die die Regelung seit dem 1. April 2017 aufgrund der Änderung des AÜG – insbesondere der Einführung des § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG – hat und ob ein entsprechender Regelungsinhalt überhaupt erforderlich wäre. Denn jedenfalls mit der nach dem 1. April 2017 getroffenen „3. Vereinbarung zum Tarifvertrag über die Vergütung und Einsatzbedingungen von Zeitarbeitnehmern vom 05. Dezember 2013 in der Fassung vom 30. Mai 2016“ vom 5. März 2018 haben sie einen Tarifvertrag geschlossen, der von der Gestaltungsmöglichkeit des § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG erfasst ist.
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(cc) § 4 Nr. 4.3.1 TV VEZ 2018 sieht für eine Arbeitnehmerüberlassung durch die A in einem Betrieb der Beklagten die Festlegung einer Überlassungshöchstdauer („maximal“) von aufeinanderfolgenden 36 Monaten vor. Das entspricht den Vorgaben von § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG. Nicht erforderlich ist, dass die Verlängerung der gesetzlichen Überlassungshöchstdauer ausdrücklich unter Bezug auf diese Vorschrift erfolgt.
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(dd) Der Verlängerung der Überlassungshöchstdauer mit § 4 Nr. 4.3.1 TV VEZ 2018 steht nicht entgegen, dass sie nicht in einem Verbandstarifvertrag, sondern in einem Haustarifvertrag erfolgte. Auch durch einen solchen Tarifvertrag kann für ein Unternehmen der Einsatzbranche die gesetzliche Überlassungshöchstdauer nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG verlängert werden (allg. Ansicht vgl. nur Bissels/Falter ArbRAktuell 2017, 4, 6; Grimm/Heppner ArbRB 2016, 112, 113; Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 346; BeckOK ArbR/Kock Stand 1. März 2023 AÜG § 1 Rn. 111; HK-ArbR/Lorenz 5. Aufl. AÜG § 1 Rn. 18; Löwisch DB 2017, 1449, 1450; Pant Gesetzliche und kollektivvertragliche Regulierung der Arbeitnehmerüberlassung durch Höchstüberlassungszeiten S. 314 f.; Talkenberg NZA 2017, 473, 477; Thüsing/Waas AÜG 4. Aufl. § 1 Rn. 162; Ulrici HK-AÜG § 1 Rn. 100). § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG hebt auf einen „Tarifvertrag von Tarifvertragsparteien“ ab; „Tarifvertragspartei“ ist nach § 2 Abs. 1 TVG auch der einzelne Arbeitgeber. Eine weitergehende Anforderung im Hinblick auf einen arbeitgeberübergreifenden branchenweiten Geltungsbereich des Tarifvertrags enthält das Gesetz nicht. Anderes folgt nicht aus der Verwendung des Wortes „Einsatzbranche“ im Normwortlaut. Damit ist für eine die gesetzliche Überlassungshöchstdauer erweiternde Festlegung nur verlangt, dass die Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche zuzuordnen sind und denjenigen der Zeitarbeitsbranche keine Regelungsmacht zu dieser Materie eröffnet ist. Ein anderes Verständnis wäre mit dem Regelungszweck nicht vereinbar. Die tarifliche Erweiterungsmöglichkeit erfolgte, „um das Instrument der Arbeitnehmerüberlassung auch weiterhin flexibel und bedarfsgerecht einsetzen zu können“ unter Stärkung der Gestaltungsfreiheit der Tarifvertragsparteien (BT-Drs. 18/9232 S. 20, 21). Der flexible und bedarfsgerechte Einsatz der Gestaltungsmöglichkeiten kommt auch und gerade im Zuge von unternehmensbezogenen Haustarifverhandlungen zum Tragen.
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(ee) Die Beklagte und die IG Metall haben den TV VEZ 2018 als „Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche“ iSd. § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG wirksam abgeschlossen. Tarifvertragsparteien der Einsatzbranche sind diejenigen, die für die Unternehmen der Entleiher einer Branche tarifzuständig sind. Der TV VEZ 2018 regelt den Einsatz von Leiharbeitnehmern im Betrieb der Beklagten und damit in einem Betrieb der Metall- und Elektroindustrie. An der Tarifzuständigkeit der IG Metall für die Beklagte als Unternehmen der Branche der Metall- und Elektroindustrie in Niedersachsen/Sachsen-Anhalt bestehen keine Zweifel.
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(ff) Es ist unschädlich, dass die Überlassungshöchstdauer in einem Tarifvertrag geregelt ist, der auf Arbeitgeberseite unter Einbeziehung der A – und damit eines Unternehmens der Leiharbeitsbranche – geschlossen wurde. Das ist weder von § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG untersagt noch hat der Kläger die Tarifzuständigkeit der IG Metall für die den TV VEZ in einem einheitlichen Dokument schließenden Unternehmen in Abrede gestellt. Insoweit gilt ohnehin die Auslegungsregel, dass die auf einer Seite beteiligten Tarifvertragsparteien sich grundsätzlich ihrer jeweils autonomen Tarifmacht nicht begeben, sondern voneinander unabhängige, eigenständige Tarifverträge schließen, von denen sie sich ohne Rücksicht auf die übrigen Beteiligten auch wieder lösen können (vgl. zur Abgrenzung eines mehrgliedrigen Tarifvertrags von einem sog. Einheitstarifvertrag BAG 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) – Rn. 21 mwN, BAGE 173, 251; 7. Mai 2008 – 4 AZR 229/07 – Rn. 20). Daher bedürfte es in Bezug auf die die Beklagte betreffenden Tarifbestimmungen keiner Tarifzuständigkeit der IG Metall auch für die A. Verlangte man sie, wäre sie gegeben. Der Organisationsbereich der IG Metall umfasst nach § 1 Satz 4 ihrer bei Abschluss des TV VEZ 2018 geltenden Satzung auch Verleihbetriebe, die ausschließlich oder ganz überwiegend an Betriebe Arbeitnehmerüberlassung betreiben (vgl. Nr. 2 des einen Satzungsbestandteil bildenden Organisationskatalogs).
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(gg) Der TV VEZ 2018 findet nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ungeachtet der Tarifgebundenheit des Klägers Anwendung.
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(hh) Die in § 4 Nr. 4.3.1 TV VEZ 2018 geregelte Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten hält sich im Rahmen dessen, was als „vorübergehend“ iSd. § 1 Abs. 1 Satz 4 AÜG iVm. Art. 1 Abs. 1 Richtlinie 2008/104/EG anzusehen ist.
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(aaa) „Vorübergehend“ bedeutet nach allgemeinem Sprachgebrauch „zeitlich begrenzt“ (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 57). Eine konkrete zeitliche Grenze, nach der eine Überlassung nicht mehr als „vorübergehend“ angesehen werden könnte, findet sich allerdings weder im AÜG noch in der Richtlinie 2008/104/EG (zu letzterer EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 53). Im Hinblick darauf verbietet sich ein Rückgriff auf zeitliche Grenzen in anderen Regelungswerken (BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 74). Nicht „vorübergehend“ ist eine Überlassung dann, wenn sie unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände, zu denen insbesondere die Branchenbesonderheiten zählen, vernünftigerweise nicht mehr als „vorübergehend“ betrachtet werden kann (EuGH 17. März 2022 – C-232/20 – [Daimler] Rn. 60). Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn die Überlassung ohne jegliche zeitliche Begrenzung erfolgt und der Leiharbeitnehmer dauerhaft anstelle eines Stammarbeitnehmers eingesetzt werden soll (BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – aaO; 21. Februar 2017 – 1 ABR 62/12 – Rn. 57, BAGE 158, 121; 30. September 2014 – 1 ABR 79/12 – Rn. 43). Aus § 1 Abs. 1b Satz 1 AÜG und § 1 Abs. 1b Satz 6 AÜG, die die Überlassungshöchstdauer außerhalb der Geltung eines Tarifvertrags auf 18 und 24 Monate festlegen, ergibt sich zudem, dass eine „vorübergehende“ Überlassung diesen Zeitraum übersteigen kann (BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – aaO; Schüren/Hamann/Hamann AÜG 6. Aufl. § 1 Rn. 351).
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(bbb) Nach diesen Grundsätzen ist die vereinbarte Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten noch als „vorübergehend“ anzusehen (vgl. BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 73 ff. zu einer tarifvertraglichen Überlassungshöchstdauer von 48 Monaten). Der TV VEZ enthält eine hinreichend konkrete Obergrenze. Aufgrund des den Tarifvertragsparteien zustehenden Gestaltungsspielraums und deren Einschätzungsprärogative in Bezug auf die tatsächlichen Gegebenheiten und betroffenen Interessen (vgl. hierzu BAG 15. Oktober 2021 – 6 AZR 253/19 – Rn. 38; 16. Dezember 2020 – 5 AZR 143/19 (A) – Rn. 37, BAGE 173, 251; 15. April 2015 – 4 AZR 796/13 – Rn. 31, BAGE 151, 235) ist davon auszugehen, dass die Branchenbesonderheiten im TV VEZ hinreichend Berücksichtigung gefunden haben (ausf. zur Angemessenheitsvermutung BAG 21. Mai 2014 – 4 AZR 50/13 – Rn. 29 mwN, BAGE 148, 139; BT-Drs. 17/4804 S. 9).
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(ii) Die zulässige Überlassungshöchstdauer von 36 Monaten ist hier nicht überschritten. Sie betrug im Zeitraum vom 13. September 2016 bis zum 31. August 2019 insgesamt ca. 35,5 Monate. Damit ist irrelevant, ob Zeiten vor dem 1. April 2017 angesichts der Übergangsregelung in § 19 Abs. 2 AÜG anrechnungsfähig sind. Auch wenn man annähme, dass eine wirksame Tarifregelung nach § 1 Abs. 1b Satz 3 AÜG erstmals mit dem TV VEZ 2018 zum 1. Februar 2018 in Kraft getreten ist, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Zu diesem Zeitpunkt war die gesetzliche Überlassungshöchstdauer noch nicht überschritten.
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cc) Es ist schließlich nicht ersichtlich, dass der Befristung des Arbeitsvertrags der Parteien eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung zugrunde lag (vgl. zu den Voraussetzungen einer solchen Annahme und der Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ausf. BAG 15. Mai 2013 – 7 AZR 525/11 – Rn. 17 ff., BAGE 145, 128). Das hat das Landesarbeitsgericht zwar – aus seiner Sicht konsequent – nicht geprüft. Der Senat kann gleichwohl hierüber befinden. Nach den vom Kläger vorgebrachten Umständen ist die missbräuchliche Umgehung des Anschlussverbots in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG und des damit verfolgten Zwecks hier nicht indiziert.
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(1) In der bloßen Aneinanderreihung von Arbeitnehmerüberlassung und sachgrundlos befristetem Arbeitsvertrag bei durchgängiger Beschäftigung des Klägers auf – zu seinen Gunsten unterstellt – demselben Arbeitsplatz liegt keine rechtsmissbräuchliche Ausnutzung der Befristungsmöglichkeit des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG, zumal der „Wechsel“ des Klägers zur Beklagten als vormaliger Entleiherin jedenfalls dessen – wenngleich befristete – Anstellung als Stammarbeitnehmer bewirkte und nicht mit einer Ausnutzung der Zulässigkeitsgrenze für eine sachgrundlose Befristung („bis zur Dauer von zwei Jahren“) durch die Beklagte einherging. Entsprechend hat der Kläger eine Ausschöpfung der sachgrundlosen Befristungsmöglichkeiten nicht einmal behauptet.
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(2) Sein pauschales Vorbringen, die Beklagte und die A zielten in bewusstem Zusammenwirken auf die Vermeidung von Festanstellungen und die Umgehung der Vorgaben des AÜG, ist unergiebig. Ungeachtet dessen, ob eine solche Annahme die mit der streitgegenständlichen Befristungskontrollklage erstrebte Rechtsfolge überhaupt bewirkte, sprechen gegen sie schon die mit dem TV VEZ gestalteten Einsatz- und Übernahmebedingungen.
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(3) Auch die Behauptung des Klägers, es hätte für ihn über den 31. Mai 2020 hinaus ein Beschäftigungsbedarf bestanden, ist nicht zielführend. Bei der Zulässigkeit einer sachgrundlosen Befristung muss – anders als nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG – der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nicht nur vorübergehend bestehen. Im Übrigen kommt es selbst bei einer Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG nicht auf die Situation bei Vertragsende, sondern auf die Prognose bei Vertragsschluss an (vgl. BAG 21. November 2018 – 7 AZR 234/17 – Rn. 17 mwN). Demnach ist es nach Sinn und Zweck des § 14 Abs. 2 TzBfG dem Arbeitgeber nicht verwehrt, sich auf die Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristung zu berufen, obwohl es eine Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer gäbe. Soweit der Kläger ggf. sinngemäß dahingehend argumentiert, die Beklagte verfolge mit der Beschäftigung von Leiharbeitnehmern auf Dauerarbeitsplätzen eine rechtsmissbräuchliche Praxis, ist dem angesichts des mit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 17. März 2022 (- C-232/20 – [Daimler]) geklärten arbeitnehmerbezogenen Verständnisses einer nur vorübergehenden Überlassung die Grundlage entzogen.
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II. Der Antrag zu 2., mit dem der Kläger die Feststellung begehrt, dass zwischen den Parteien in der Zeit vom 1. November 2018 bis zum 31. August 2019 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat, hat gleichfalls keinen Erfolg. Er ist zwar als Zwischenfeststellungsklage iSv. § 256 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl. etwa BAG 14. September 2022 – 4 AZR 83/21 – Rn. 10; 26. April 2022 – 9 AZR 228/21 – Rn. 14). Er ist aber unbegründet, denn aus den oben näher angeführten Gründen bestand nicht bereits vom 1. November 2018 bis zum 31. August 2019 ein (gesetzlich fingiertes) Arbeitsverhältnis der Parteien.
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III. Im Hinblick auf den mit der Abweisung der Hauptanträge hilfsweise gestellten Antrag des Klägers, die Beklagte zur Annahme seines Angebots auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags ab dem 1. Juni 2020 zu verurteilen, der mit der Revision der Beklagten ebenfalls in der Rechtsmittelinstanz anfällt (vgl. BAG 3. Dezember 2008 – 5 AZR 469/07 – Rn. 15), war bereits die Berufung des Klägers gegen das auch diesen Antrag abweisende erstinstanzliche Urteil unzulässig.
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1. Die Zulässigkeit der Berufung ist Prozessfortsetzungsvoraussetzung für das gesamte weitere Verfahren nach Einlegung der Berufung. Sie ist vom Revisionsgericht deshalb von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. BAG 15. Dezember 2022 – 2 AZR 117/22 – Rn. 4; 20. November 2019 – 5 AZR 21/19 – Rn. 17 mwN).
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2. Die Berufung des Klägers genügt im Hinblick auf die Abweisung des Hilfsantrags zu 3. nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.
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a) Nach § 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG iVm. § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung durch das angefochtene Urteil und deren Erheblichkeit für das Ergebnis der Entscheidung ergeben. Erforderlich ist eine hinreichende Darstellung der Gründe, aus denen sich die Rechtsfehlerhaftigkeit der angefochtenen Entscheidung ergeben soll. Die zivilprozessuale Regelung soll gewährleisten, dass der Rechtsstreit für die Berufungsinstanz durch eine Zusammenfassung und Beschränkung des Rechtsstoffs ausreichend vorbereitet wird. Dabei dürfen im Hinblick auf die aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Rechtsschutzgarantie zwar keine unzumutbaren Anforderungen an den Inhalt von Berufungsbegründungen gestellt werden. Die Berufungsbegründung muss aber auf den Streitfall zugeschnitten sein und im Einzelnen erkennen lassen, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen das angefochtene Urteil fehlerhaft sein soll (BAG 15. Dezember 2022 – 2 AZR 117/22 – Rn. 5; 27. Januar 2021 – 10 AZR 512/18 – Rn. 15). Bei mehreren Streitgegenständen muss für jeden eine solche Begründung gegeben werden. Fehlt sie zu einem Streitgegenstand, ist das Rechtsmittel insoweit unzulässig.
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b) Die Berufungsbegründung des Klägers setzte sich nicht mit den Gründen der angefochtenen Entscheidung des Arbeitsgerichts auseinander, soweit dieses den Hilfsantrag zu 3. abgewiesen hat.
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aa) Das Arbeitsgericht hat seine Entscheidung – kurz zusammengefasst – damit begründet, § 4 Nr. 4.3.2 TV VEZ gewähre keinen individuellen Rechtsanspruch auf eine unbefristete Einstellung, sondern schreibe lediglich einen tarifvertraglichen Regelfall vor. Erforderlich sei nach der Tarifregelung eine mit dem Betriebsrat abgestimmte Entscheidung. Eine solche sei bezogen auf den Kläger getroffen worden, womit die Beklagte die Vorgaben des § 4 Nr. 4.3.2 TV VEZ eingehalten habe. Im Übrigen verpflichte allein das Bestehen eines Beschäftigungsbedarfs an sich die Beklagte nicht zur Übernahme des Klägers in eine Festanstellung.
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bb) Mit dieser Begründung des erstinstanzlichen Urteils hat sich der Kläger in seiner Berufungsbegründung nicht auseinandergesetzt. Das mag daran liegen, dass er seinen Antrag, die Beklagte zur Annahme seines Angebots auf Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags ab dem 1. Juni 2020 zu verurteilen, bereits erstinstanzlich nicht erkennbar begründet hat. Seine Ausführungen in der Berufungsbegründung beschränken sich – vor diesem Hintergrund konsequent – auf die Fragen der Wirksamkeit der sachgrundlosen Befristung und die Frage der Vorbeschäftigung aufgrund einer vorherigen Überlassung als Leiharbeitnehmer sowie damit zusammenhängende Aspekte eines etwaigen Rechtsmissbrauchs. Eine ausreichende Auseinandersetzung mit den die erstinstanzliche Entscheidung tragenden Gründen liegt hierin nicht. Es ist nicht ersichtlich, in welchen Punkten rechtlicher oder tatsächlicher Art und aus welchen Gründen diese angegriffen werden sollen.
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IV. Der Antrag zu 4. fällt dem Senat nicht zur Entscheidung an. Er ist als uneigentliches Hilfsbegehren für den Fall des Obsiegens mit dem Befristungskontrollantrag gestellt. Diese innerprozessuale Bedingung ist nicht eingetreten.
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V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
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Schmidt |
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Klose |
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Waskow |
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Kley |
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Metschke |