10 AZR 130/19

Feiertagszuschläge für Ostersonntag und Pfingstsonntag - Tarifauslegung - Brot- und Backwarenindustrie


Parallele Entscheidungen:

Details

  • Aktenzeichen

    10 AZR 130/19

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2021:240221.U.10AZR130.19.0

  • Art

    Urteil

  • Datum

    24.02.2021

  • Senat

    10. Senat

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 2019 – 6 Sa 996/18 – wird zurückgewiesen.

2. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 2019 – 6 Sa 996/18 – wird zur Klarstellung teilweise neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als restliche Feiertagsvergütung für den Ostersonntag am 16. April 2017 141,28 Euro sowie weitere 141,28 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2017 zu zahlen.

3. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe von Zuschlägen für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag.

2

Der Kläger ist bei der Beklagten beschäftigt, die ein Unternehmen der Backwarenindustrie betreibt. Für das Arbeitsverhältnis gilt kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der zwischen dem Verband Deutscher Großbäckereien e. V. und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten geschlossene Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben und Betriebsabteilungen der Brot- und Backwarenindustrie, in den Betrieben der Großbäckereien und in den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebes Nordrhein-Westfalen vom 22. März 1989 idF vom 5. Mai 2000 (MTV). § 4 MTV regelt für Sonderformen der Arbeit:

        

„Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit

        

a) Begriffsbestimmung

        

1.    

Mehrarbeit ist jede über die regelmäßige – sich aus der tarifvertraglichen Arbeitszeit ergebende – tägliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit.

                 

Muss von dieser Regelung in unvorhergesehenen Fällen abgewichen werden, ist ein Arbeitszeitausgleich innerhalb der nächsten 6 Werktage bis zu 9 Stunden täglich zuschlagfrei möglich.

        

2.    

Für das Fahrpersonal/Arbeitnehmer im Außendienst ist die über die wöchentliche Arbeitszeit hinausgehende Arbeit bis zu 5 Wochenstunden mehrarbeitszuschlagfrei und danach mehrarbeitszuschlagpflichtig gemäß § 4 b) Ziffer 1 a). Wird Provision gezahlt, so wird damit Mehrarbeit abgegolten, wenn die Provision ihrer Höhe nach mindestens der tariflichen Mehrarbeitsvergütung entspricht. Die Abgeltung gilt jeweils für die laufende Entgeltzahlungsperiode.

                 

Für Fahrer im Werkverkehr, die im Zeitlohn beschäftigt werden, gilt diese Regelung nicht.

        

3.    

Nachtarbeit ist die in der Zeit von 21.00 bis 4.00 Uhr geleistete Arbeit.

        

4.    

Sonn- und Feiertagsarbeit ist die an Sonn- und gesetzlichen Feiertagen in der Zeit von 0.00 bis 24.00 Uhr geleistete Arbeit.

        

…       

        
        

b) Zuschläge

        

1.    

Für Mehrarbeit, Nachtarbeit, Sonn- und Feiertagsarbeit sind folgende Zuschläge zu zahlen:

                 

a)    

für angeordnete Mehrarbeit

25 %   

1¼faches Entgelt je Stunde

                 

b)    

Nachtarbeit

50 %   

1½faches Entgelt je Stunde

                 

c)    

Arbeit an Sonntagen unter 3 Stunden

75 %   

1¾faches Entgelt je Stunde

                          

bei mehr als 3 Stunden für alle Stunden

50 %   

1½faches Entgelt je Stunde

                 

d)    

Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen

150 % 

2½faches Entgelt je Stunde

                 

e)    

Arbeit an hohen Feiertagen (Neujahr, Ostern, 1. Mai, Pfingsten und Weihnachten)

200 % 

3faches Entgelt je Stunde

        

2.    

Die Zuschläge werden von dem tatsächlichen Stundenverdienst berechnet.

        

…“    

        
3

Der nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht in Kraft getretene Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben und Betriebsabteilungen der Brot- und Backwarenindustrie, in den Betrieben der Großbäckereien und in den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebes Nordrhein-Westfalen vom 2. Januar 2020 enthält in § 4 wortgleiche Regelungen.

4

Bis einschließlich 2016 zahlte die Beklagte an ihre Arbeitnehmer für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag einen Zuschlag in Höhe von 200 %. Am 16. April 2017 (Ostersonntag) arbeitete der Kläger 7,67 Stunden. Die Beklagte zahlte dafür einen Zuschlag von 50 %.

5

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag nach § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV Anspruch auf Feiertagszuschläge in Höhe von jeweils 200 % der Grundvergütung. Es handle sich dabei um sog. hohe Feiertage iSd. Tarifvertrags.

6

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an ihn als restliche Feiertagsvergütung für den Ostersonntag am 16. April 2017 141,28 Euro netto zuzüglich 141,28 Euro brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. Juni 2017 zu zahlen;

        

2.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, seine Arbeit an Oster- und Pfingstsonntagen eines jeden Jahres mit einem Zuschlag von 200 % gemäß § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e „Arbeit an hohen Feiertagen“ des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in den Betrieben und Betriebsabteilungen der Brot- und Backwarenindustrie, in den Betrieben der Großbäckereien und in den Betrieben des Brot- und Backwarenvertriebes des Landes Nordrhein-Westfalen zu bezahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag schulde sie lediglich einen Sonntagszuschlag, jedoch keinen Feiertagszuschlag. Es handle sich nicht um gesetzliche Feiertage. Sie habe bis einschließlich 2016 irrtümlich höhere Zuschläge gezahlt.

8

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision will die Beklagte das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts wiederhergestellt wissen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts auf die Berufung des Klägers zu Recht abgeändert und der Klage stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Feiertagszuschläge für am Ostersonntag und Pfingstsonntag geleistete Arbeit.

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I. Die Klage ist zulässig.

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1. Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage ergeben sich nicht aus dem Umstand, dass der Kläger mit dem Klageantrag zu 1. teilweise eine Nettozahlung begehrt. Eine Nettoentgeltklage ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden. Sie ist insbesondere hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO (BAG 23. September 2020 – 5 AZR 251/19 – Rn. 9; 21. Januar 2020 – 3 AZR 225/19 – Rn. 19; 26. Februar 2003 – 5 AZR 223/02 – zu I der Gründe, BAGE 105, 181).

12

2. Die mit dem Klageantrag zu 2. erhobene Feststellungsklage ist ebenfalls zulässig. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt. Nach § 256 Abs. 1 ZPO kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch richterliche Entscheidung alsbald festgestellt wird.

13

a) Die Feststellungsklage kann sich – wie hier – auf einzelne Bedingungen oder Folgen aus einem Rechtsverhältnis, auf bestimmte Ansprüche oder Verpflichtungen oder auf den Umfang einer Leistungspflicht beschränken, sog. Elementenfeststellungsklage (BAG 14. Oktober 2020 – 7 AZR 286/18 – Rn. 98; 12. Dezember 2018 – 5 AZR 124/18 – Rn. 13).

14

b) Das als Sachurteilsvoraussetzung auch noch in der Revisionsinstanz zu prüfende besondere Feststellungsinteresse ist gegeben, wenn durch die Entscheidung über den Feststellungsantrag der Streit insgesamt beseitigt wird und das Rechtsverhältnis der Parteien abschließend geklärt werden kann. Die Rechtskraft der Entscheidung muss weitere gerichtliche Auseinandersetzungen über die zwischen den Parteien strittigen Fragen über denselben Fragenkomplex ausschließen (BAG 14. Oktober 2020 – 7 AZR 286/18 – Rn. 98; 25. März 2015 – 5 AZR 874/12 – Rn. 15). Das setzt bei einem auf die Feststellung der Rechtsgrundlage für die Vergütung gerichteten Antrag jedenfalls voraus, dass über weitere Faktoren, die die Vergütungshöhe bestimmen, kein Streit besteht und die konkrete Bezifferung dann lediglich eine Rechenaufgabe ist, die von den Parteien ebenso unstreitig durchgeführt werden kann wie die Umsetzung der weiteren Zahlungsmodalitäten (BAG 16. Juli 2020 – 6 AZR 321/19 – Rn. 16; 27. August 2014 – 4 AZR 518/12 – Rn. 15). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben, weil der Streit der Parteien allein die Frage betrifft, ob dem Kläger für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag ein Feiertagszuschlag nach § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV in Höhe von 200 % oder lediglich ein Sonntagszuschlag nach § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. c MTV in Höhe von 50 % oder 75 % zusteht. Die konkrete Bezifferung des Differenzbetrags ist lediglich eine Rechenaufgabe.

15

II. Die Klage ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass der Kläger Anspruch auf Feiertagszuschläge nach § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV für am Ostersonntag und Pfingstsonntag geleistete Arbeit hat. Das ergibt die Auslegung des MTV.

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1. Ostersonntag und Pfingstsonntag sind hohe Feiertage iSv. § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV. Dem steht nicht entgegen, dass es sich nicht um gesetzliche Feiertage handelt. Welche Tage gesetzliche Feiertage sind, bestimmt sich nach dem Recht des Landes, in dem der Erfüllungsort des Arbeitsverhältnisses liegt (BAG 17. März 2010 – 5 AZR 317/09 – Rn. 18, BAGE 133, 337). In Nordrhein-Westfalen sind nach § 2 Abs. 1 Feiertagsgesetz NW weder der Ostersonntag noch der Pfingstsonntag gesetzliche Feiertage. Tarifvertragliche Regelungen über die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit knüpfen regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort an. Abweichende Regelungen müssen deutlich erkennbar sein (BAG 17. August 2011 – 10 AZR 347/10 – Rn. 12; 13. April 2005 – 5 AZR 475/04 – zu I 2 b der Gründe).

17

2. Aus den Regelungen des MTV geht deutlich hervor, dass der gegenüber dem Sonntagszuschlag erheblich höhere Feiertagszuschlag auch für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag zu zahlen ist, obwohl es sich nicht um gesetzliche Feiertage handelt.

18

a) Das ergibt sich aus dem Wortlaut der Tarifnorm, von dem bei der Auslegung eines Tarifvertrags vorrangig auszugehen ist (vgl. etwa BAG 25. Oktober 2017 – 7 AZR 712/15 – Rn. 17; 24. Februar 2016 – 7 AZR 253/14 – Rn. 51). Bei der Wortlautauslegung ist, wenn die Tarifvertragsparteien einen Begriff nicht eigenständig definieren, erläutern oder einen feststehenden Rechtsbegriff verwenden, vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Wird ein Fachbegriff verwendet, der in allgemeinen oder in fachlichen Kreisen eine bestimmte Bedeutung hat, ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien mit diesem Begriff den allgemein üblichen Sinn verbinden wollten, wenn nicht sichere Anhaltspunkte für eine abweichende Auslegung gegeben sind, die aus dem Tarifwortlaut oder anderen aus dem Tarifvertrag selbst ersichtlichen Gründen erkennbar sein müssen. Wird ein bestimmter Begriff mehrfach in einem Tarifvertrag verwendet, ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien dem Begriff im Geltungsbereich dieses Tarifvertrags stets die gleiche Bedeutung beimessen wollen (BAG 19. September 2018 – 10 AZR 496/17 – Rn. 28; 26. April 2017 – 10 AZR 589/15 – Rn. 15 mwN).

19

aa) Nach dem Wortlaut von § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV ist ein Feiertagszuschlag in Höhe von 200 % für Arbeit an sog. hohen Feiertagen zu zahlen. Der Begriff der hohen Feiertage ist mit dem Klammerzusatz „Neujahr, Ostern, 1. Mai, Pfingsten und Weihnachten“ versehen. Klammerzusätze zu einem bestimmten Begriff haben im Allgemeinen den Sinn, diesen Begriff zu erläutern. Das kann dazu führen, dass der durch den Klammerzusatz erläuterte Begriff einen anderen Sinn erhält, als ihm nach seinem Wortlaut und dem allgemeinen Sprachgebrauch ohne den Klammerzusatz zuzuerkennen wäre. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag kommt einem Klammerzusatz für die Bestimmung eines vorangestellten Begriffs entscheidende Bedeutung zu (BAG 2. November 2016 – 10 AZR 615/15 – Rn. 25 mwN). Für die Frage, ob der Ostersonntag und der Pfingstsonntag zu den hohen Feiertagen im Tarifsinn gehören, ist daher von hervorgehobener Bedeutung, ob diese Tage zu Ostern und Pfingsten gehören.

20

(1) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist der jeweilige Sonntag der zentrale Tag an Ostern und Pfingsten. Es liegt nach dem allgemeinen Sprachgebrauch fern, dass unter Ostern und Pfingsten zwar der jeweilige Montag, nicht dagegen der Sonntag zu verstehen sein soll. Für ein solches Verständnis hätte es nahegelegen, den Ostermontag und den Pfingstmontag ausdrücklich zu benennen.

21

(2) Die Tarifvertragsparteien haben die Begriffe Ostern und Pfingsten in § 3 Nr. 4 MTV ebenfalls in dem Sinn verwendet, dass der jeweilige Sonntag erfasst ist. Deshalb ist davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriffen Ostern und Pfingsten in § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV dieselbe Bedeutung beimessen wollten. Nach § 3 Nr. 4 MTV soll die Arbeit an Tagen vor Weihnachten, Neujahr, Ostern und Pfingsten möglichst um 12:00 Uhr enden. Der Sinn dieser Regelung erschließt sich nur, wenn damit ein früheres Ende der Arbeit am Samstag vor dem Ostersonntag oder dem Pfingstsonntag gemeint ist. Samstage sind nach § 3 Nr. 1 Buchst. b MTV regelmäßig Arbeitstage. Dagegen soll an Sonntagen nach dem tarifvertraglichen Regelungszusammenhang ohnehin grundsätzlich nicht gearbeitet werden, sodass ein früheres Ende der Arbeit an diesen Tagen allenfalls einen eingeschränkten Anwendungsbereich haben könnte.

22

bb) Der Begriff der hohen Feiertage in § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV ist ohne Rückgriff auf den Klammerzusatz zwar nicht eindeutig, legt nach seinem Wortsinn jedoch ebenfalls nahe, dass darunter auch der Ostersonntag und der Pfingstsonntag zu verstehen sind. Unter dem Begriff der hohen Feiertage werden in Fachkreisen im Zusammenhang mit dem grundsätzlichen Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit nach §§ 9 ff. ArbZG verbreitet Ostern, Pfingsten und Weihnachten verstanden. Teilweise werden auch der Neujahrstag und der 1. Mai zu den hohen Feiertagen gerechnet. Der Begriff der hohen Feiertage wird in Fachkreisen in Bezug auf die Sonn- und Feiertagsruhe verbreitet dahin verstanden, dass Ostern und Pfingsten einschließlich des jeweiligen Sonntags erfasst sein sollen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Tarifvertragsparteien den Begriff der hohen Feiertage auch hinsichtlich der Zuschlagsregelung in diesem Sinn verwendet haben (vgl. BAG 26. April 2017 – 10 AZR 589/15 – Rn. 15).

23

(1) § 1 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung der Beschäftigung von Arbeitnehmern an Sonn- und Feiertagen zur Befriedigung täglicher oder an diesen Tagen besonders hervortretender Bedürfnisse der Bevölkerung vom 5. Mai 1998 in den Fassungen vom 21. Oktober 2014 und 29. Oktober 2019 für Nordrhein-Westfalen lautet: „An den Feiertagen Neujahr, Ostern, 1. Mai, Pfingsten und Weihnachten (hohe Feiertage) ist im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten auf die besondere Bedeutung dieser Tage für die Beschäftigten Rücksicht zu nehmen.“

24

(2) Das Landesarbeitsgericht verweist zutreffend auf den Erlass des Ministeriums für Arbeit, Integration und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen vom 30. Dezember 2013 III 2 – 8312 zur Durchführung des Arbeitszeitgesetzes. Dort wird in der Nr. 5 zu § 13 Abs. 4 und 5 ArbZG der Ausdruck der hohen Feiertage verwendet. Nach dem dortigen Klammerzusatz gehören zu den hohen Feiertagen unter anderem die „Weihnachts-, Oster- und Pfingstfeiertage“.

25

(3) Das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in Bezug auf Ausnahmen vom Verbot der Sonn- und Feiertagsarbeit nach § 9 ArbZG den Begriff der hohen Feiertage mit einem entsprechenden Klammerzusatz versehen (OVG für das Land Nordrhein-Westfahlen 10. April 2000 – 4 A 756/97 – im Tatbestand).

26

(4) Der Ausdruck der hohen Feiertage wird auch in der einschlägigen Kommentarliteratur teilweise für Ostern, Pfingsten und Weihnachten verwendet (ErfK/Wank 21. Aufl. ArbZG § 13 Rn. 16; Baeck/Deutsch/Winzer ArbZG 4. Aufl. § 13 Rn. 90).

27

b) Eine Auslegung der tarifvertraglichen Regelung des § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV nach Sinn und Zweck spricht ebenfalls dafür, dass für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag ein Feiertagszuschlag in Höhe von 200 % zu zahlen ist. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den erkennbaren Sinn und Zweck der tariflichen Regelung über Zuschläge an sog. hohen Feiertagen darin gesehen, dass die betroffenen Arbeitnehmer eine finanzielle Kompensation der mit der Arbeit an Feiertagen verbundenen Nachteile und Erschwernisse erhalten sollen (vgl. BAG 17. März 2010 – 5 AZR 317/09 – Rn. 16, BAGE 133, 337). Die besondere Belastung besteht darin, dass sie an Tagen zur Arbeitsleistung herangezogen werden, die von vielen Arbeitnehmern als besonders wichtig für die Freizeitgestaltung angesehen werden. Die Beeinträchtigung der privaten Belange ist am Ostersonntag und Pfingstsonntag nicht geringer, sondern eher höher als am Ostermontag und Pfingstmontag. Die Tarifvertragsparteien wären im Rahmen ihrer Tarifautonomie zwar frei, für Arbeit am Ostermontag und Pfingstmontag einen höheren Zuschlag zu vereinbaren als für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag. Sofern der Wortlaut ein solches Ergebnis vorgäbe, rechtfertigte der Sinn und Zweck keine den Wortlaut übersteigende Auslegung (BAG 17. März 2010 – 5 AZR 317/09 – aaO). Für den hier auszulegenden Tarifvertrag bestätigt die Interpretation nach Sinn und Zweck jedoch das Ergebnis der Wortlautauslegung.

28

c) Der tarifliche Gesamtzusammenhang steht dem nach Wortlaut sowie Sinn und Zweck gefundenen Auslegungsergebnis nicht entgegen. Die Beklagte kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, § 4 Abschn. a Nr. 4 MTV enthalte eine abschließende Begriffsbestimmung dahin, dass ausschließlich Arbeit an gesetzlichen Feiertagen zuschlagpflichtig iSd. § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV sei. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

29

aa) Die Überschriften in § 4 Abschn. a MTV („Begriffsbestimmung“) und in § 4 Abschn. b MTV („Zuschläge“) legen zunächst das Verständnis nahe, dass in § 4 Abschn. a MTV bestimmte Begriffe verbindlich definiert werden, die in § 4 Abschn. b MTV zugrunde gelegt werden, um darauf aufbauend die Höhe der Zuschläge festzulegen.

30

bb) Eine solche durch die Überschriften zu § 4 Abschn. a und b MTV angedeutete Systematik wird in den tarifvertraglichen Regelungen jedoch nicht umgesetzt. Vielmehr finden sich in § 4 Abschn. a MTV neben Begriffsbestimmungen auch Rechtsfolgen begründende Regelungen. So enthält § 4 Abschn. a Nr. 1 Satz 1 MTV zwar eine Definition der Mehrarbeit. In § 4 Abschn. a Nr. 1 Satz 2 MTV folgt dann jedoch eine Regelung, unter welcher Voraussetzung ein Arbeitszeitausgleich möglich ist. § 4 Abschn. a Nr. 2 MTV enthält keine Begriffsbestimmungen, sondern ausschließlich inhaltliche Regelungen zu der Frage, inwieweit Arbeit für Fahrpersonal mehrarbeitszuschlagpflichtig ist.

31

cc) Umgekehrt finden sich in § 4 Abschn. b MTV eigenständige Definitionen, die sich von den Begriffsbestimmungen in § 4 Abschn. a MTV absetzen. So wird unter § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV nicht lediglich der Begriff des Feiertags aus § 4 Abschn. a Nr. 4 MTV aufgegriffen, sondern es wird der neue Begriff des hohen Feiertags eingeführt und mit einem Klammerzusatz näher bestimmt. Damit enthält § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV eine eigene Begriffsbestimmung des hohen Feiertags, die sich von der Definition des Feiertags in § 4 Abschn. a Nr. 4 MTV unterscheidet. Den Umstand, dass § 4 Abschn. b MTV nicht lediglich auf den Begriffsbestimmungen in § 4 Abschn. a MTV aufbaut, verdeutlicht auch die Regelung in § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. d MTV. Danach ist für Arbeit an gesetzlichen Wochenfeiertagen ein Zuschlag von 150 % zu zahlen. Der dort neu eingeführte Begriff des Wochenfeiertags ist in § 4 Abschn. a MTV nicht definiert. Gegen die Annahme, dass die Tarifvertragsparteien in § 4 Abschn. b MTV streng den Begriff des Feiertags aus § 4 Abschn. a Nr. 4 MTV zugrunde legen, spricht im Übrigen, dass es in diesem Fall nicht der Konkretisierung in § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. d MTV bedurft hätte, wonach es sich um einen „gesetzlichen“ Feiertag handeln muss.

32

dd) Die Beklagte kann sich entgegen der von ihr in der mündlichen Revisionsverhandlung vertretenen Auffassung nicht mit Erfolg darauf berufen, § 4 Abschn. a Nr. 4 MTV verliere jeglichen Anwendungsbereich, wenn für Arbeit an Tagen, die keine gesetzlichen Feiertage seien, dennoch ein Feiertagszuschlag zu zahlen sei. Unabhängig von der Frage, für welche Tage ein Feiertagszuschlag zu zahlen ist, regelt § 4 Abschn. a Nr. 4 MTV jedenfalls auch, dass Sonn- und Feiertagsarbeit die an diesen Tagen in der Zeit von 00:00 bis 24:00 Uhr geleistete Arbeit ist. Damit schließt er die Möglichkeit aus, dass der Beginn und das Ende der Sonn- und Feiertagsruhe im Schichtbetrieb nach § 9 Abs. 2 ArbZG um bis zu sechs Stunden vor- oder zurückverlegt werden können.

33

3. Die anhand von Wortlaut, Sinn und Zweck sowie tarifvertraglichem Gesamtzusammenhang gefundene Auslegung des § 4 Abschn. b Nr. 1 Buchst. e MTV setzt sich nicht in Widerspruch zu früheren Urteilen des Bundesarbeitsgerichts zu tarifvertraglichen Zuschlägen für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag (vgl. BAG 17. August 2011 – 10 AZR 347/10 -; 17. März 2010 – 5 AZR 317/09 – BAGE 133, 337; 13. April 2005 – 5 AZR 475/04 -). In diesen Entscheidungen ist das Bundesarbeitsgericht zu der Auffassung gelangt, dass nach den jeweiligen tarifvertraglichen Regelungen ein hoher Feiertagszuschlag für Arbeit an Ostersonntagen oder Pfingstsonntagen nicht verlangt werden kann. Entscheidend war, dass die Zahlung eines Zuschlags für Feiertagsarbeit in tarifvertraglichen Regelungen regelmäßig an die gesetzlichen Feiertage am Beschäftigungsort anknüpft. Anders als im hier auszulegenden MTV fehlten in den dort maßgeblichen Tarifverträgen deutliche Anhaltspunkte für eine abweichende Regelung.

34

4. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist dahin klarzustellen, dass der Feiertagszuschlag nicht teilweise mit dem Zusatz „netto“ zuzusprechen ist.

35

a) Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Feiertagszuschlag in Höhe von 141,28 Euro netto sowie 141,28 Euro brutto zu zahlen. Die Gerichte für Arbeitssachen können jedoch nicht mit Bindung für die Steuerbehörden und Finanzgerichte sowie die Krankenkassen festlegen, ob ein Betrag abgabenpflichtig ist oder nicht. Deshalb ist in eine Entscheidungsformel das Wort „netto“ nur dann aufzunehmen, wenn der Arbeitgeber aus arbeitsrechtlichen Gründen gehalten ist, alle etwaigen Abgaben zu tragen, die auf eine von ihm geschuldete Geldleistung zu entrichten sind (BAG 15. November 2005 – 9 AZR 626/04 – Rn. 45; 26. Mai 1998 – 3 AZR 96/97 – zu II der Gründe).

36

aa) Es ist anerkannt, dass eine Nettoklage erhoben werden kann, wenn die Parteien eine Nettoentgeltvereinbarung getroffen haben (vgl. BAG 23. September 2020 – 5 AZR 251/19 – Rn. 10; MüKoBGB/Spinner 8. Aufl. § 611a Rn. 749). Eine Nettoentgeltvereinbarung ist eine Abrede des Inhalts, dass der Arbeitgeber im Innenverhältnis zum Arbeitnehmer alle auf das Arbeitsentgelt entfallenden Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung trägt. Nettoentgeltvereinbarungen sind die Ausnahme und müssen deshalb einen entsprechenden Willen klar erkennen lassen. Der Arbeitnehmer ist im Hinblick auf die Nettoentgeltvereinbarung darlegungs- und gegebenenfalls beweispflichtig (BAG 23. September 2020 – 5 AZR 251/19 – Rn. 11).

37

bb) Ohne Nettoentgeltvereinbarung hat das Bundesarbeitsgericht die Verurteilung zu einer Nettozahlung teilweise auch dann für möglich gehalten, wenn sichergestellt ist, dass die begehrten Zuschläge steuer- und sozialversicherungsfrei nach § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG bzw. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Sozialversicherungsentgeltverordnung (SvEV) sind (vgl. BAG 4. August 2016 – 6 AZR 129/15 – Rn. 41). Eine auf eine Entgeltnachzahlung gerichtete Nettoklage ist auch dann als schlüssig angesehen worden, wenn die für den Tag des Zuflusses maßgeblichen elektronischen Steuerabzugsmerkmale iSv. § 39e EStG (ELStAM) dargelegt worden waren (vgl. BAG 23. September 2020 – 5 AZR 251/19 – Rn. 22; 26. Februar 2003 – 5 AZR 223/02 – zu III der Gründe, BAGE 105, 181).

38

cc) In diesem Rechtsstreit ist eine Verurteilung zu einer Nettozahlung nach den Grundsätzen der zitierten Urteile des Bundesarbeitsgerichts nicht möglich. In der gegebenen Fallgestaltung müsste eine offene steuerrechtliche Fragestellung geklärt werden.

39

(1) Nach § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind Zuschläge für tatsächlich geleistete Arbeit an einem gesetzlichen Feiertag steuerfrei, die neben dem Grundlohn gezahlt werden, soweit sie 125 % des Grundlohns nicht übersteigen. Nicht abschließend geklärt ist, ob der Ostersonntag und der Pfingstsonntag „gesetzliche“ Feiertage iSv. § 3b Abs. 1 Nr. 3 EStG sind. Nach § 3b Abs. 2 Satz 4 EStG werden die gesetzlichen Feiertage durch die am Ort der Arbeitsstätte geltenden Vorschriften bestimmt. Die Steuerverwaltung behandelt den Ostersonntag und den Pfingstsonntag als Feiertage im steuerrechtlichen Sinn, obwohl sie nach den Feiertagsgesetzen der Länder nicht zu den Feiertagen gehören. In der Literatur wird die Handhabung der Steuerverwaltung teilweise befürwortet oder jedenfalls für vertretbar gehalten (Bordewin/Brandt/Stache EStG Stand August 2019 § 3b Rn. 30; Herrmann/Heuer/Raupach/Bergkemper EStG/KStG Stand November 2018 EStG § 3b Rn. 37). Die Finanzgerichtsbarkeit hat diese Frage bisher nicht ausdrücklich geklärt.

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(2) Von derselben offenen steuerrechtlichen Frage hängt ab, ob auf Zuschläge für Arbeit am Ostersonntag und Pfingstsonntag Sozialversicherungsabgaben zu entrichten sind. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SvEV werden dem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt iSv. § 14 SGB IV laufende Zulagen und Zuschüsse sowie ähnliche Einnahmen nicht zugerechnet, soweit sie lohnsteuerfrei sind. Dies gilt nicht für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschläge, soweit das Entgelt, auf dem sie berechnet werden, mehr als 25,00 Euro für jede Stunde beträgt.

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b) Die Klage ist nicht unbegründet, soweit der Kläger eine Verurteilung zu einer Nettozahlung beantragt hat. Vielmehr kann der Zahlungsanspruch ohne den Zusatz „netto“ zugesprochen werden. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist entsprechend klarzustellen (vgl. BAG 15. November 2005 – 9 AZR 626/04 – Rn. 45; 26. Mai 1998 – 3 AZR 96/97 – zu II der Gründe).

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aa) Dem steht nicht die Entscheidung des Fünften Senats entgegen, dass die von ihm entschiedene Nettoklage unbegründet war und die begehrte Differenzvergütung auch nicht als Bruttovergütung zugesprochen werden konnte. Dort hatte sich die Klägerin auf eine Nettoentgeltvereinbarung berufen. Die Bruttoentgeltabrede und die Nettoentgeltvereinbarung betreffen verschiedene Klagegründe und demnach unterschiedliche Streitgegenstände (BAG 23. September 2020 – 5 AZR 251/19 – Rn. 23).

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bb) Der Kläger dieses Rechtsstreits beruft sich dagegen nicht auf eine Nettoentgeltvereinbarung, die einen anderen Streitgegenstand darstellte als eine Bruttoentgeltvereinbarung. Er geht ersichtlich davon aus, dass er aufgrund der geltenden Rechtslage einen Teil des Zuschlags steuer- und sozialversicherungsabgabenfrei verlangen kann. Der auf Zahlung gerichtete Klageantrag ist dahin auszulegen, dass der Kläger keine Klärung der Frage erstrebt, ob und in welcher Höhe die Feiertagszuschläge abgabenfrei verlangt werden können. Dafür spricht, dass im Verlauf des Rechtsstreits nicht weiter thematisiert worden ist, ob die Feiertagszuschläge ohne Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zu zahlen sind.

44

5. Der Anspruch auf Verzugszinsen ergibt sich aus § 288 Abs. 1, § 286 BGB und § 6 Nr. 10 Abs. 1 Satz 2 MTV.

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III. Die Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Gallner    

        

    Pessinger    

        

    Pulz    

        

        

        

    Petri    

        

    Meyer