Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. November 2023 – 11 Sa 1519/21 – wird zurückgewiesen.
2. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 16. November 2023 – 11 Sa 1519/21 – wird insoweit zurückgewiesen, wie der Bestand des Arbeitsverhältnisses über den 30. April 2021 hinaus geltend gemacht wird.
3. Ein Ausspruch zu den Kosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Tatbestand
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Die Parteien streiten darüber, ob und gegebenenfalls zu welchem Zeitpunkt ihr Arbeitsverhältnis – insbesondere durch eine Kündigung der Beklagten vom 29. September 2020 zum 1. Oktober 2020 – aufgelöst wurde, damit in Zusammenhang stehende Annahmeverzugslohnansprüche sowie hilfsweise geltend gemachte Weiterbeschäftigungsansprüche.
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Der Kläger hat zuletzt – nachdem die Vorinstanzen unter Klageabweisung im Übrigen das Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 30. April 2021 festgestellt haben – beantragt:
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… |
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…] |
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3. |
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers über den 30. April 2021 fortbesteht. |
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Hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem vorstehenden Antrag zu 3.: |
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4. |
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die per E-Mail und per Kurier ausgesprochenen Kündigungen der Beklagten vom 29. September 2020 weder zum 1. Oktober 2020 noch zum 30. April 2021 aufgelöst ist. |
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5. |
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die per E-Mail und per Kurier ausgesprochenen Kündigungen der Beklagten vom 5. Januar 2021 nicht aufgelöst ist, weder fristlos noch mit ordentlicher Frist. |
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Hilfsweise, für den Fall, dass sich nach den Feststellungen des Gerichts das Arbeitsverhältnis des Klägers zumindest bis zum 30. April 2021 erstreckt (hatte): |
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6. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Oktober 2020 einen Betrag von 8.180,01 Euro brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. jeweils fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus 2.817,99 Euro ab dem 2. Oktober 2020 sowie aus 5.362,02 Euro ab dem 17. November 2020. |
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7. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat November 2020 einen Betrag von 8.007,37 Euro brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. jeweils fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus 2.830,42 Euro ab dem 2. November 2020 sowie aus 5.176,95 Euro ab dem 17. Dezember 2020. |
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8. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Dezember 2020 einen Betrag von 7.983,12 Euro brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. jeweils fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus 2.780,28 Euro ab dem 2. Dezember 2020 sowie aus 5.202,84 Euro ab dem 17. Januar 2021. |
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9. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Januar 2021 einen Betrag von 7.969,28 Euro brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. jeweils fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus 2.722,75 Euro ab dem 2. Januar 2021 sowie aus 5.246,53 Euro ab dem 17. Februar 2021. |
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10. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Februar 2021 einen Betrag von 8.025,33 brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. jeweils fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus 2.751,50 Euro ab dem 2. Februar 2021 sowie aus 5.273,83 Euro ab dem 17. März 2021. |
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11. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat März 2021 einen Betrag von 8.058,73 Euro brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. jeweils fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus 2.751,95 Euro ab dem 2. März 2021 sowie aus 5.306,78 Euro ab dem 17. April 2021. |
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12. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat April 2021 einen Betrag von 8.033,30 Euro brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. jeweils fünf Prozentpunkten p. a. über dem jeweiligen Basiszinssatz, aus 2.806,84 Euro ab dem 2. April 2021 sowie aus 5.226,46 Euro ab dem 17. Mai 2021. |
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Hilfsweise, für den Fall, dass nach den Feststellungen des Gerichts das Arbeitsverhältnis des Klägers über den 30. April 2021 hinaus fortbesteht oder sein Bestehen sich zumindest über den 30. April 2021 hinaus erstreckt hatte: |
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13. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vergütung für den Monat Mai 2021 einen Betrag von 2.775,31 Euro brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz aus 2.775,31 Euro ab dem 2. Mai 2021. |
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14. |
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger als Vorauszahlung für den Monat Juni 2021 einen Betrag von 2.725,42 Euro brutto zu zahlen, zzgl. Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten p. a. über dem Basiszinssatz aus 2.725,42 Euro ab dem 2. Juni 2021. |
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Hilfsweise, für den Fall des vollständigen Obsiegens mit dem vorstehenden Antrag zu 3. oder dem vorstehenden Hilfsantrag zu 4.: |
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15. |
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits als Flugbegleiter weiterzubeschäftigen. |
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Wiederum hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem vorstehenden Antrag zu 15.: |
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16. |
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits zu den bisherigen Bedingungen als Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. |
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Wiederum hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem vorstehenden Antrag zu 16.: |
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17. |
Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger bis zur rechtskräftigen Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits als Arbeitnehmer weiterzubeschäftigen. |
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage insgesamt – auch soweit sie die Feststellung des Fortbestands des Arbeitsverhältnisses über den 1. Oktober 2020 hinaus betrifft – abzuweisen.
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Mit seiner Revision verfolgt der Kläger insbesondere seine Bestandsschutz- und Zahlungsanträge weiter. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision eine vollständige Abweisung der Klage.
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Im Übrigen wird von einer Darstellung des Tatbestands gemäß § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. Der dem Verfahren zugrunde liegende Sachverhalt ist im Wesentlichen im Urteil des Senats vom 22. August 2024 (- 2 AZR 251/23 -) wiedergegeben.
Entscheidungsgründe
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Die Revisionen des Klägers und der Beklagten sind hinsichtlich des Bestandsschutzbegehrens des Klägers unbegründet und daher zurückzuweisen. Das Landesarbeitsgericht hat die von beiden Parteien eingelegten Berufungen im Ergebnis zu Recht zurückgewiesen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers hat aufgrund der mit Schreiben vom 29. September 2020 erklärten Kündigung mit Ablauf des 30. April 2021 geendet. Die vom Kläger für den Zeitraum Oktober 2020 bis April 2021 geltend gemachten Annahmeverzugsansprüche (Revisionsanträge des Klägers zu 6. bis 12.) sind nicht Gegenstand des vorliegenden Teilurteils. Die übrigen (Hilfs-)Anträge sind nicht zur Entscheidung angefallen.
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I. Die Revision des Klägers ist hinsichtlich seines über den 30. April 2021 hinausgehenden Bestandsschutzbegehrens unbegründet.
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1. Das ergibt sich – entgegen der Ansicht der Beklagten – allerdings nicht bereits daraus, dass die Berufung des Klägers mangels hinreichender Auseinandersetzung mit dem erstinstanzlichen Urteil unzulässig gewesen wäre (vgl. BAG 28. Juni 2023 – 5 AZR 9/23 – Rn. 13). Vielmehr hat sich der Kläger insbesondere gegen die Ausführungen des Arbeitsgerichts zu § 623 BGB gewandt. Träfe seine Auffassung zu, wäre bereits diese Rüge geeignet, die angefochtene erstinstanzliche Entscheidung – soweit sie ihn beschwert – in Frage zu stellen. Ob, wie die Beklagte meint, die Argumente des Klägers unzutreffend sind, ist eine Frage der Begründetheit der Berufung, nicht aber ihrer Zulässigkeit.
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2. Die Revision des Klägers ist auch nicht deshalb unbegründet, weil seine Klage unzulässig wäre. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte für die Klage gegeben ist. Diesbezüglich nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen im Urteil vom 22. August 2024 (- 2 AZR 251/23 – Rn. 21 bis 25).
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3. Die Revision des Klägers ist unbegründet, weil die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 29. September 2020 das Arbeitsverhältnis der Parteien jedenfalls mit Ablauf des 30. April 2021 aufgelöst hat. Weder ist eine generelle Unwirksamkeit der Kündigung ersichtlich noch ein späteres Beendigungsdatum. Dabei ist es im Ergebnis ohne Bedeutung, ob deutsches oder US-amerikanisches Recht (gegebenenfalls des Bundesstaats Illinois) gilt. Eines Sachgruppenvergleichs zwischen beiden Rechtsordnungen bedarf es nicht. Für die Anwendbarkeit einer anderen Rechtsordnung – insbesondere des französischen Rechts wegen des Wohnsitzes und der Staatsangehörigkeit des Klägers – gibt es keine Anhaltspunkte.
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a) Das anwendbare materielle Recht bestimmt sich nach Art. 27 ff. EGBGB in der bis 16. Dezember 2009 geltenden Fassung (aF). Die Rom I-VO findet keine Anwendung, weil der Arbeitsvertrag der Parteien vor dem 17. Dezember 2009 (vgl. Art. 28 Rom I-VO) geschlossen wurde und es in der Folgezeit keine umfangreiche Vertragsänderung gab, die der Sache nach zu einer Ersetzung des bisherigen Vertrags geführt hätte (vgl. EuGH 18. Oktober 2016 – C-135/15 – [Nikiforidis] Rn. 35 ff.; BAG 7. Mai 2020 – 2 AZR 692/19 – Rn. 20). Im Übrigen stellte sich die Rechtslage im Streitfall gemäß Art. 3, 8 und 9 Rom I-VO nicht anders dar als nach Art. 27 ff. EGBGB aF (vgl. BAG 2. März 2017 – 2 AZR 698/15 – Rn. 20).
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b) Hinsichtlich der Rechtswahl nach den Art. 27 ff. EGBGB aF und insbesondere nach Art. 30 EGBGB aF nimmt der Senat auf seine Ausführungen im Urteil vom 22. August 2024 (- 2 AZR 251/23 – Rn. 28 und 29) Bezug.
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c) Das Landesarbeitsgericht hat ohne Rechtsfehler angenommen, dass die Parteien gemäß Art. 27 Abs. 1 EGBGB aF in ihrem Arbeitsvertrag das Recht der Vereinigten Staaten von Amerika einschließlich des Railway Labor Act und der AFA-Vereinbarung gewählt haben (vgl. BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 30).
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d) Das Landesarbeitsgericht hat ferner ohne revisiblen Fehler angenommen, dass auf das Arbeitsverhältnis des Klägers ohne Rechtswahl objektiv deutsches Vertragsstatut Anwendung gefunden hätte, ohne dass eine engere Verbindung zu den Vereinigten Staaten von Amerika bestand (vgl. BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 32 bis 34).
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e) Vorliegend bedurfte es keines Sachgruppenvergleichs bezüglich der Günstigkeit der jeweiligen kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften für den Kläger. Weder bei Anwendung US-amerikanischen Rechts noch bei Anwendung deutschen Rechts würde sich eine Unwirksamkeit der Kündigung mit Schreiben vom 29. September 2020 oder eine spätere Beendigung als zum 30. April 2021 ergeben.
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aa) Das gilt zunächst für das gewählte US-amerikanische Recht.
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(1) Die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, dass nach der „Employment-at-will-Doktrin“ im US-amerikanischen Recht ein unbefristeter Arbeitsvertrag von jeder Partei jederzeit und ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden kann und es an einem (Sach-)Vortrag des Klägers fehlt, wonach gegen etwaige Ausnahmen von dieser Doktrin im Hinblick auf Diskriminierungsverbote verstoßen wurde, unabhängig davon, dass dies nur zu Schadensersatzansprüchen, nicht aber zur Unwirksamkeit der Kündigung und zur – antragsgemäßen – Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses führen könnte, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 37 bis 47). Anders als in dem dem vorstehend genannten Revisionsverfahren vorhergehenden Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht vorliegend ein Sachverständigengutachten zum US-amerikanischen Recht eingeholt, das diese Auffassung bestätigt.
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(2) Es musste kein Ergänzungsgutachten zu der Frage eingeholt werden, ob sich aus der AFA-Vereinbarung eine Kündigungsbeschränkung ergebe, die dazu noch – nach deutschem Verständnis – zu einem Fortbestehen des Arbeitsverhältnisses und nicht bloßen Wiedereinstellungs- oder Entschädigungsansprüchen bei einem etwaigen Verstoß führe, wobei die Prüfungskompetenz deutscher Gerichte durch den Spruch des System Board of Adjustment nicht eingeschränkt werde. In diesem Zusammenhang hat das Landesarbeitsgericht als selbständig tragenden Grund zutreffend ausgeführt, dass ein sich so etwaig ergebender (kollektivrechtlicher) Kündigungsschutz jedenfalls durch die Vereinbarungen der Beklagten mit der Gewerkschaft AFA vom September und Oktober 2020 wieder aufgehoben worden wäre. In diesem Zusammenhang hat das Berufungsgericht unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten und ein Schrifttumszitat auf die weitreichende, gegebenenfalls sogar rückwirkende Dispositionsbefugnis der Kollektivparteien im US-amerikanischen Recht abgestellt, die einen tariflichen Kündigungsschutz auch wieder aufheben können. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
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(3) Der Kläger beruft sich in der Revisionsinstanz zu Unrecht darauf, das Schreiben vom 29. September 2020 könne nicht – jedenfalls nach US-amerikanischem Recht – als Kündigung zum nächstzulässigen Termin ausgelegt werden, da es an einem unbedingten Beendigungswillen der Beklagten fehle (vgl. dazu BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 49 bis 53).
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(a) Die Auslegungsnormen folgen allerdings dem jeweiligen Vertragsstatut (vgl. Art. 32 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB aF; BGH 24. November 1989 – V ZR 240/88 – zu I 2 der Gründe). Das Arbeitsgericht, dessen Entscheidung vom Landesarbeitsgericht als zutreffend in Bezug genommen wurde, ist davon ausgegangen, die Beklagte habe das Arbeitsverhältnis wegen Stilllegung der Basis auf jeden Fall beenden wollen, wobei es sich bei der amerikanischem Recht folgenden Angabe „1. Oktober 2020“ um nicht mehr als eine Wissenserklärung handele.
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(b) Vor diesem Hintergrund ist die Annahme, es gebe keine Umstände des Einzelfalls aus denen sich ein Wille der Beklagten ergebe, die Kündigung ausschließlich zum erklärten, nicht aber zu einem späteren Zeitpunkt gegen sich gelten zu lassen (vgl. BAG 6. Juli 2006 – 2 AZR 215/05 – Rn. 15), revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Auch wenn man im US-amerikanischen Privatrecht eher den objektiven Erklärungswert einer Willenserklärung in den Vordergrund stellte – wie eine vernünftige Person die Erklärung unter den gegebenen Umständen verstehen würde (vgl. Reimann Einführung in das US-amerikanische Privatrecht 2. Aufl. S. 44) – ergibt sich nichts anderes, da angesichts der „Employment-at-will-Doktrin“ und im US-amerikanischen Recht fehlender Kündigungsfristen die Frage der „richtigen“ Kündigungsfrist nicht aufgeworfen wird, sondern nur die des Beendigungswillens. Dieser ist aber auch nach objektivem Maßstab bei einem Schreiben, mit welchem ein Arbeitsverhältnis „für beendet“ erklärt wird, nicht in Zweifel zu ziehen, auch wenn dabei ein konkretes Datum genannt wird. Eine vernünftige Person konnte daraus nicht schließen, die Beklagte wolle das Arbeitsverhältnis ausschließlich zu diesem Termin beenden und es anderenfalls lieber fortbestehen lassen (vgl. BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 49, 53). Auch der Kläger zeigt insoweit keine entscheidungserheblichen Rechtsfehler auf, sondern setzt allein seine Meinung gegen die der Vorinstanzen.
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bb) Vorliegend ergibt sich kein anderes Ergebnis, wenn trotz der Wahl US-amerikanischen Rechts – jedenfalls in Teilbereichen – deutsches Recht zur Anwendung käme. Auch bei Anwendung deutschen Rechts würde sich die Kündigung mit Schreiben vom 29. September 2020 weder als unwirksam erweisen noch zu einem späteren Zeitpunkt als dem 30. April 2021 wirken.
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(1) Die Rechtswahl der Parteien darf nicht iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF dazu führen, dass dem Kläger der Schutz entzogen würde, der ihm durch die zwingenden Bestimmungen des Rechts gewährt wird, das nach Art. 30 Abs. 2 EGBGB aF mangels einer Rechtswahl anzuwenden wäre. Das wäre deutsches Recht (vgl. oben Rn. 14).
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(2) Der Kläger kann sich allerdings nicht auf die fehlende Schriftform der Kündigung nach § 623 BGB berufen.
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(a) Die Frage der „Günstigkeit“ der Norm oder ob diese zwingend iSv. Art. 30 Abs. 2 Halbs. 1 EGBGB aF ist, stellt sich dabei nicht. Dem steht Art. 11 Abs. 1 Alt. 2 EGBGB entgegen. Für Formerfordernisse von Rechtsgeschäften ist auf das Recht des Staats abzustellen, in dem sie vorgenommen werden. Ein von Chicago abgesandtes Kündigungsschreiben bedarf nach den – ua. das Sachverständigengutachten in Bezug nehmenden – nicht zu beanstandenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts zum US-amerikanischen Recht keiner Form. Der Umstand, dass (nur) in Art. 29 Abs. 3 EGBGB aF für Verbraucherverträge eine Ausnahmeregelung zu Art. 11 EGBGB besteht, nicht aber in Art. 30 EGBGB aF lässt mit der gebotenen Eindeutigkeit erkennen, dass diese Einschränkung des Art. 11 EGBGB für den Bereich von Arbeitsverträgen nicht gilt (vgl. Staudinger/Hausmann [2021] Rom I-VO Art. 11 Rn. 37; MHdB ArbR/Oetker 6. Aufl. § 13 Rn. 66; Erman/Stürner 17. Aufl. Rom I-VO Art. 8 Rn. 8; KR/Horcher 14. Aufl. Int. ArbvertragsR Rn. 92; aA EuArbRK/Krebber 5. Aufl. VO (EG) 593/2008 Art. 11 Rn. 2).
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(b) Anders als der Kläger meint, gilt Art. 30 EGBGB aF nur für den Inhalt von Rechtsgeschäften, aber gerade nicht für die Form. Art. 30 EGBGB aF ist nicht die speziellere Norm im Vergleich zu Art. 11 EGBGB, sondern regelt einen anderen Bereich. Ein etwaiges Schriftformgebot für ein Rechtsgeschäft ist schon nach seinem Wortlaut und entgegen der Ansicht des Klägers ein „Formerfordernis“ iSv. Art. 11 Abs. 1 EGBGB. Nach Überschrift und Inhalt ist § 623 BGB eine Formvorschrift und nicht eine materiellrechtliche Kündigungsschutzbestimmung. Es bedarf insoweit keiner Vorlage nach Art. 267 AEUV an den Gerichtshof der Europäischen Union. Dass Arbeitsverträge keine Verbraucherverträge iSv. Art. 29 Abs. 3 Satz 1 EGBGB aF sind, ist schon durch die normative Regelung selbst klar. Nach Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF sind Verbraucherverträge nur solche, die nicht der beruflichen Tätigkeit des Berechtigten zugerechnet werden können. Das entspricht der Regelung in Art. 2 Buchst. b der Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. Nach Erwägungsgrund 10 dieser Richtlinie sind von ihr insbesondere Arbeitsverträge ausgenommen. Darüber hinaus ist es in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union geklärt, dass Arbeitnehmer als abhängig Beschäftigte keine „Verbraucher“ iSv. Art. 6 Abs. 1 Rom I-VO – der insoweit Art. 29 Abs. 1 EGBGB aF entspricht – sind (vgl. EuGH 20. Oktober 2022 – C-604/20 – [ROI Land Investments] Rn. 55). Die vorgenannte Entscheidung ordnet eine „abhängige Beschäftigung“ als „berufliche Tätigkeit“ und damit gerade als Ausschluss der „Verbrauchereigenschaft“ ein (vgl. auch Heiderhoff in Rauscher Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht 5. Aufl. Art. 6 EGV 593/2008 Rn. 37).
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(c) „Vornahmeort“ der einseitigen Willenserklärung iSv. Art. 11 Abs. 1 EGBGB ist klar der Ort, von dem die E-Mail mit dem Kündigungsschreiben abgesandt wurde (vgl. BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 57; Staudinger/Schäuble [2024] EGBGB Art. 11 Rn. 161; von Hein in Rauscher Europäisches Zivilprozess- und Kollisionsrecht 5. Aufl. Art. 11 EGV 593/2008 Rn. 25; MüKoBGB/Kleinschmidt 9. Aufl. Rom I-VO Art. 11 Rn. 46; BeckOGK/Gebauer Stand 1. Juli 2024 Rom I-VO Art. 11 Rn. 143), und nicht der Ort, an dem diese geöffnet wird, der vom Erklärenden, dem die einzuhaltenden Formvorschriften bei seiner Erklärung bekannt sein müssen, regelmäßig nicht vorausgesehen werden kann. Ob dem Arbeitgeber die Berufung auf die für den Arbeitnehmer ungünstigere Formvorschrift im Fall eines bewussten Unterlaufens der inländischen Regeln nach § 242 BGB zu verwehren ist (vgl. MHdB ArbR/Oetker 6. Aufl. § 13 Rn. 66), bedarf vorliegend keiner abschließenden Entscheidung. Eine Treuwidrigkeit des Versendens des Kündigungsschreibens vom Sitz der Beklagten in den Vereinigten Staaten von Amerika ist nicht erkennbar.
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(d) Zu dem Umstand, dass die E-Mail aus den Vereinigten Staaten von Amerika abgesandt wurde, hat sich das Landesarbeitsgericht nach § 286 Abs. 1 ZPO eine rechtlich nicht zu beanstandende Überzeugung gebildet, die insbesondere darauf abstellt, dass sich die HR-Abteilung, von deren E-Mail-Adresse die Kündigung versandt wurde, in Chicago (Illinois) befindet und es keine Anhaltspunkte dafür gibt, dass die E-Mail von einem anderen Staat versandt worden sein könnte. Insoweit hat der Kläger keine revisionsrechtlich erheblichen Rügen erhoben. Anhaltspunkte dafür, dass die Kündigung nicht aus den Vereinigten Staaten von Amerika, sondern von Deutschland versandt wurde, trägt er nicht vor.
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(e) Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass keine Prüfung durchzuführen ist, ob § 623 BGB eine Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF darstellt. Die Ausnahmeregelung des Art. 34 EGBGB aF gilt nur für „diesen Unterabschnitt“, in dem Art. 11 EGBGB aber nicht verortet ist. Unbeschadet dessen handelt es sich bei § 623 BGB nicht um eine Eingriffsnorm iSv. Art. 34 EGBGB aF (vgl. Staudinger/Oetker [2022] BGB § 623 Rn. 27; zum Begriff der Eingriffsnorm vgl. BAG 7. Mai 2020 – 2 AZR 692/19 – Rn. 46 ff.). Das Schriftformerfordernis für Kündigungen soll zwar auch ein größtmögliches Maß an Rechtssicherheit gewährleisten und gleichzeitig die Arbeitsgerichte entlasten. Es dient jedoch keinem so gewichtigen öffentlichen Gemeinwohlinteresse, dass es auf alle in Betracht kommenden Sachverhalte angewandt werden müsste.
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(3) Die Kündigung wurde nicht durch einen vollmachtlosen Vertreter ausgesprochen. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass Herr S als zuständiger Geschäftsführer für die Planung und Verwaltung der Bordbesatzung keine Vollmacht für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gehabt haben könnte, zumal der Executive Vice President & Chief Financial Officer and Director of the Board of A, Inc., Herr L, dies nach den Feststellungen des Berufungsgerichts mit Schreiben vom Juli 2021 bestätigt hat. Auf eine rückwirkende Genehmigung nach US-amerikanischem Recht kommt es insoweit nicht an.
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(4) Die Kündigung ist nicht mangels sozialer Rechtfertigung iSv. § 1 KSchG unwirksam. Das hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis richtig erkannt. Allerdings hat das Berufungsgericht zu Unrecht angenommen, dass es überhaupt einer sozialen Rechtfertigung der Kündigung bedürfe und eine diesbezügliche Prüfung mit für den Kläger negativem Ergebnis durchgeführt. Der betriebliche Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes ist schon nicht eröffnet. Die Beklagte hatte in Deutschland keinen Betrieb iSv. § 24 Abs. 2 KSchG (vgl. BAG 29. Mai 2024 – 2 AZR 325/22 – Rn. 9 ff.; 1. Juni 2023 – 2 AZR 150/22 – Rn. 33 ff., BAGE 181, 161).
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(a) Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes findet nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung. Das gilt im Grundsatz auch für Luftverkehrsbetriebe iSd. § 24 Abs. 2 KSchG. Dabei kommt es nicht auf das Vorhandensein betrieblicher Organisationsstrukturen im Inland an. § 24 Abs. 2 KSchG fordert als Anknüpfungspunkt für den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eine Belegenheit der dort genannten Luftfahrzeuge im Inland. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist deren Stationierung an inländischen Flughäfen (vgl. BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 59 ff.; 29. Mai 2024 – 2 AZR 325/22 – Rn. 9 ff.; 1. Juni 2023 – 2 AZR 150/22 – Rn. 33 ff., BAGE 181, 161).
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(aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts findet der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes nur auf in Deutschland gelegene Betriebe Anwendung (vgl. BAG 29. August 2013 – 2 AZR 809/12 – Rn. 32 mwN, BAGE 146, 37), deren Beschäftigtenzahl den erforderlichen Wert erreicht (vgl. BAG 8. Oktober 2009 – 2 AZR 654/08 – Rn. 13). Diese auf Betriebe iSd. § 23 KSchG bezogene Rechtsprechung (vgl. BAG 17. Januar 2008 – 2 AZR 902/06 – Rn. 21 ff., BAGE 125, 274) gilt im Grundsatz auch für Luftverkehrsbetriebe iSd. § 24 Abs. 2 KSchG, wobei diese Norm einen gegenüber Land- und Bodenbetrieben eigenständigen Betriebsbegriff enthält (vgl. BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 57, BAGE 169, 362).
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(bb) Nach § 24 Abs. 2 KSchG gelten als Betriebe iSd. Kündigungsschutzgesetzes jeweils die Gesamtheit der Seeschiffe oder der Binnenschiffe eines Schifffahrtsbetriebs oder Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsbetriebs. Der letztgenannte Begriff beruht auf einem offenkundigen Redaktionsversehen des Gesetzgebers und meint „Luftverkehrsunternehmen“, da sonst die von § 24 Abs. 2 KSchG ersichtlich gewollte Fiktionswirkung leerliefe (vgl. zum entsprechenden Begriff „Schifffahrtsbetrieb“ in § 22 KSchG 1951: BAG 28. Dezember 1956 – 2 AZR 207/56 – zu 1 der Gründe, BAGE 3, 197).
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(cc) Mit der in § 24 Abs. 2 KSchG enthaltenen Fiktion hat der Gesetzgeber gerade auch Lebenssachverhalte erfasst, bei denen typischerweise Auslandsberührungen zu erwarten sind. Diese hat der Gesetzgeber einer eigenständigen Regelung zugeführt und damit diese Sachverhalte unabhängig von den tatsächlichen Gegebenheiten mit einem Anknüpfungspunkt in der Bundesrepublik Deutschland versehen (vgl. BAG 17. Januar 2008 – 2 AZR 902/06 – Rn. 25, BAGE 125, 274), ohne dass es auf das Vorhandensein betrieblicher Organisationsstrukturen im Inland ankäme.
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(dd) Allerdings kann auch bei Luftverkehrsbetrieben trotz der gesetzlichen Fiktion, die nur den Betriebsbegriff als solchen betrifft, nicht auf jeden Bezug zum Inland verzichtet werden, weil sonst die Kohärenzen und Korrespondenzen des Kündigungsschutzrechts zerrissen würden (vgl. BAG 26. März 2009 – 2 AZR 883/07 – Rn. 17), wie sie sich beispielsweise aus dem Zusammenhang mit dem Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsgesetz (vgl. § 1 Abs. 2 Satz 2, § 1 Abs. 4 und § 1 Abs. 5, §§ 3, 4 Satz 3 KSchG) und deren Anwendungsbereich ergeben (vgl. BAG 17. Januar 2008 – 2 AZR 902/06 – Rn. 24, BAGE 125, 274). Deshalb erfordert § 24 Abs. 2 KSchG als Anknüpfungspunkt für den betrieblichen Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes eine Belegenheit der dort genannten Luftfahrzeuge im Inland. Maßgeblicher Anknüpfungspunkt ist deren Stationierung an inländischen Flughäfen. Die Gesamtheit der dort stationierten Luftfahrzeuge eines Luftverkehrsunternehmens bildet demnach den für § 24 Abs. 2 KSchG und das ganze Kündigungsschutzrecht maßgeblichen Betrieb, ohne dass es – wegen der Fiktionswirkung der Norm – auf eine im Inland ansässige Leitung oder eine weitergehende Organisationsstruktur ankäme.
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(ee) Zur Bestimmung des betrieblichen Geltungsbereichs des Ersten Abschnitts des Kündigungsschutzgesetzes kann nicht ausschließlich auf das Vertragsstatut des fliegenden Personals abgestellt werden. Dieser Sichtweise steht schon der Wortlaut von § 24 Abs. 2 KSchG entgegen, der das Vertragsstatut des fliegenden Personals für die Bestimmung des Betriebsbegriffs nicht in den Blick nimmt. Im Übrigen wären dann vom Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes auch Arbeitsverhältnisse erfasst, in denen das fliegende Personal einer ausländischen Fluggesellschaft mit deutschem Vertragsstatut auf sog. „Point-to-point“-Verbindungen ausschließlich zwischen Flughäfen im Ausland eingesetzt wird.
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(ff) Der Gesetzgeber hat Sachverhalte im Zusammenhang mit einem Luftverkehrsbetrieb unabhängig von den tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten nach § 23 Abs. 1 KSchG und einer betrieblichen Organisation mit einem zusätzlichen Anknüpfungspunkt im Inland versehen. Liegen die Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 KSchG nicht vor, ist eine „nochmals“ erweiternde Auslegung des inländischen Betriebsbegriffs verfassungsrechtlich nicht geboten. Umgehungs- und Missbrauchstatbeständen, die hier nicht vorliegen, kann in genügender Weise im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln entgegengetreten werden (vgl. BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 62).
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(b) Die Beklagte hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Inland keine Flugzeuge stationiert, sondern ausschließlich in den USA. Mangels eines inländischen Betriebs der Beklagten iSv. § 24 Abs. 2 KSchG kommt es auf eine soziale Rechtfertigung der Kündigung gemäß § 1 KSchG nicht an. Ergänzend bemerkt der Senat, dass sich hilfsweise die Kündigung auch als sozial gerechtfertigt erweisen würde (vgl. BAG 22. August 2024 – 2 AZR 251/23 – Rn. 63).
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(5) Die Wirksamkeit der Kündigung mit Schreiben vom 29. September 2020 nach deutschem Recht steht auch nicht mit Blick auf §§ 17, 18 KSchG in Frage, selbst wenn man sie als zwingende und günstigere Normen des objektiv anwendbaren Vertragsstatuts ansieht.
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(a) Die Kündigung der Beklagten ist nicht wegen einer formal oder inhaltlich fehlerhaften Massenentlassungsanzeige gemäß § 17 Abs. 1 KSchG iVm. § 134 BGB nichtig. Es kann offenbleiben, ob Verstöße im Anzeigeverfahren nach § 17 Abs. 3 KSchG überhaupt zur Nichtigkeit einer Kündigung führen können. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass es sich bei der Station der Beklagten am Flughafen Frankfurt um einen Betrieb iSd. Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie, MERL) und damit des § 17 KSchG handelt (vgl. BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 35 ff., BAGE 169, 362).
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(b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass eine unrichtige Angabe der Zahl zu entlassender Arbeitnehmer (hier: 148 statt 135) nur dann zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann, wenn sie Auswirkungen auf die Arbeit der Agentur für Arbeit haben kann (vgl. BAG 1. Juni 2023 – 2 AZR 150/22 – Rn. 71, BAGE 181, 161). Bei einer marginalen Abweichung – wie vorliegend – ist das nicht anzunehmen, zumal sogar eine geringfügig zu hohe Zahl mitgeteilt wurde. Auch der Sechste Senat stuft marginale Abweichungen bei der Angabe der beschäftigten Arbeitnehmer massenentlassungsrechtlich als unbedeutend ein (vgl. BAG 8. November 2022 – 6 AZR 15/22 – Rn. 77, BAGE 179, 207).
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(c) Hinsichtlich des Fehlens der „Soll-Angaben“ des § 17 Abs. 3 Satz 5 KSchG ist in der Rechtsprechung des Senats geklärt, dass hiervon die Wirksamkeit der Kündigung nicht abhängt (vgl. BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 467/21 – Rn. 12 ff., BAGE 178, 66). Diesbezüglich hat der Senat auch zur Frage des Erfordernisses einer Vorlagepflicht an den Gerichtshof der Europäischen Union umfangreich Stellung genommen und dies verneint (vgl. BAG 19. Mai 2022 – 2 AZR 467/21 – Rn. 19 ff., aaO).
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(d) Im Rahmen des Massenentlassungsverfahrens war keine Konsultation der Arbeitnehmervertreter durchzuführen.
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(aa) Bei der Beklagten war weder ein Betriebsrat noch eine Bordvertretung iSv. § 117 BetrVG gewählt. Deshalb war weder ein Konsultationsverfahren durchzuführen noch die Agentur für Arbeit darüber zu unterrichten. Es ist auch unionsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn in einem betriebsratsfähigen Betrieb ein Konsultationsverfahren ausscheidet, weil kein Betriebsrat gewählt ist und die Arbeitnehmer dieses Betriebs auch nicht durch ein anderes, von ihnen mitgewähltes Gremium repräsentiert werden (vgl. BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 62, BAGE 169, 362). Ebenso wenig sind in einem solchen Fall die betroffenen Arbeitnehmer einzeln zu konsultieren (vgl. EuGH 5. Oktober 2023 – C-496/22 – [Brink’s Cash Solutions] Rn. 37). Das Gleiche gilt bei Fehlen einer Bordvertretung.
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(bb) Der „Local Council 20 F“ ist nicht als solche Arbeitnehmervertretung anzusehen. Zwar muss nicht nur der Betriebsrat, sondern jedes nach nationalem Recht gewählte Gremium, das (auch) die Arbeitnehmer des Betriebs iSd. § 17 KSchG repräsentiert, durch den Arbeitgeber beteiligt werden (vgl. BAG 13. Februar 2020 – 6 AZR 146/19 – Rn. 60, BAGE 169, 362). Dazu gehört der nach US-amerikanischem Recht gebildete „Local Council“ aber nicht, was das Landesarbeitsgericht zutreffend hervorhebt. Die Annahme, es spiele keine Rolle, dass der „Local Council“ nicht nach deutschem Recht errichtet worden ist, findet in § 17 KSchG keine Stütze. Auch die MERL sieht als „Arbeitnehmervertreter“ nur solche an, die es „nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten“ sind (vgl. Art. 1 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der MERL). Dabei handelt es sich um eine abschließende Legaldefinition (vgl. EuGH 16. Juli 2009 – C-12/08 – [Mono Car Styling] Rn. 39). Die Vereinigten Staaten von Amerika, auf Grundlage derer rechtlichen Vorschriften der „Local Council“ gebildet wurde, sind hingegen nicht Mitglied der Europäischen Union. Das ist so eindeutig klar, dass es keines Vorlageverfahrens nach Art. 267 AEUV bedarf. Unabhängig davon wäre die Frage des Bestehens einer Arbeitnehmervertretung nach den Rechtsvorschriften oder der Praxis der Mitgliedstaaten allein von den nationalen Gerichten und nicht vom Gerichtshof der Europäischen Union zu klären (vgl. EuArbRK/Spelge 5. Aufl. RL 98/59/EG Art. 1 Rn. 138).
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f) Das Arbeitsverhältnis des Klägers ist – wie vom Landesarbeitsgericht angenommen – spätestens mit Ablauf des 30. April 2021 beendet. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist dem Kläger das Kündigungsschreiben am 29. September 2020 zugegangen. Wie bereits ausgeführt (vgl. oben Rn. 17) sind im US-amerikanischen Recht keine Kündigungsfristen geregelt. Bei einer Beendigung zum 30. April 2021 wäre die längste Kündigungsfrist nach deutschem Recht (§ 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB: sieben Monate zum Monatsende) eingehalten.
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4. Soweit der Kläger mit seiner Revision Verfahrensrügen erhoben hat, hat der Senat diese geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet. Von einer Begründung wird gemäß § 564 Satz 1 ZPO abgesehen.
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5. Soweit sich der Kläger gegen eine – fristlose oder ordentliche – Kündigung vom 5. Januar 2021 wendet, ist die Klage mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Weder hat der Kläger vorgetragen, dass ihm eine solche Kündigung ausgesprochen worden sei noch berühmt sich die Beklagte einer solchen. Im Berufungsurteil und in den Revisionsbegründungen beider Parteien fehlen jedwede Ausführungen hierzu.
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6. Wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses spätestens zum 30. April 2021 sind die (Hilfs-)Anträge zu 13. bis 17. nicht zur Entscheidung angefallen. Die Anträge auf Zahlung von Annahmeverzug für den Zeitraum Oktober 2020 bis April 2021 zu 6. bis 12. sind nicht Gegenstand dieses Teilurteils. Insoweit wird auf den Anfragebeschluss an den Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts vom heutigen Tag Bezug genommen.
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II. Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend § 622 Abs. 2 BGB als zwingende Norm iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF angesehen und eine Wirksamkeit der Kündigung erst zum 30. April 2021 mit der Frist des § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB angenommen.
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1. Die Revision der Beklagten ist nicht deshalb begründet, weil die Klage mangels internationaler Zuständigkeit der deutschen Gerichte unzulässig ist. Insoweit wird auf die Ausführungen oben zu Rn. 9 verwiesen.
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2. Das Landesarbeitsgericht hat auch zu Recht angenommen, neben dem von den Parteien gewählten Recht sei im Rahmen des Art. 30 Abs. 2 EGBGB aF zu berücksichtigen, dass das objektive Vertragsstatut deutsches Recht sei. Auf die Ausführungen oben zu Rn. 14 wird Bezug genommen. Gegenteiliges wird von der Beklagten in der Revisionsinstanz auch nicht geltend gemacht.
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3. Entgegen der Auffassung der Beklagten stellt § 622 Abs. 2 BGB eine zwingende Bestimmung des Rechts iSv. Art. 30 Abs. 1 EGBGB aF dar, die bei fehlender Rechtswahl anzuwenden wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt. Da die Beklagte, die bereits im Verfahren – 2 AZR 251/23 – beteiligt war, im vorliegenden Verfahren der Sache nach denselben Vortrag gehalten und keine weiteren Rügen oder Argumente vorgetragen hat, nimmt der Senat zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf seine Ausführungen im Urteil vom 22. August 2024 (- 2 AZR 251/23 – Rn. 76 bis 87) Bezug. Das Landesarbeitsgericht hat dementsprechend § 622 Abs. 2 BGB zu Recht als eine zwingende Regelung angesehen und ist nach § 622 Abs. 2 Nr. 7 BGB entsprechend der Dauer des Arbeitsverhältnisses der Parteien von einer Wirksamkeit der Kündigung erst zum 30. April 2021 ausgegangen.
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III. Ein Ausspruch zu den Kosten bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
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Der Vorsitzende Richter am |
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Niemann |
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Schlünder |
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Krüger |
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Trümner |
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