3 AZR 298/24

Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung

Details

  • Aktenzeichen

    3 AZR 298/24

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2025:260825.U.3AZR298.24.0

  • Art

    Urteil

  • Datum

    26.08.2025

  • Senat

    3. Senat

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. Juli 2024 – 6 Sa 524/23 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, einen Arbeitgeberzuschuss nach § 1a Abs. 1a BetrAVG zu zahlen.

2

Der Kläger wurde zum 1. Januar 2011 von der V Lebensversicherung AG eingestellt. Arbeitsvertraglich wurde die Anwendung der Tarifverträge für die private Versicherungswirtschaft vereinbart. Die damalige Arbeitgeberin des Klägers firmierte später in E AG um. Im Wege eines Betriebsübergangs ging das Arbeitsverhältnis zum 1. Januar 2018 auf die Beklagte über. Beide Parteien sind tarifgebunden.

3

Zu den anwendbaren Tarifverträgen für die private Versicherungswirtschaft gehört der „Tarifvertrag zur Entgeltumwandlung“ (TV EU). Erstmalig wurde er am 28. Mai 2001 vereinbart.

4

Am 30. August 2017 wurde der TV EU in der Präambel geändert, so dass § 19 BetrAVG anstelle von § 17 Abs. 3 BetrAVG genannt ist. In dieser ab dem 1. Januar 2018 gültigen Fassung des TV EU heißt es auszugsweise:

        

„Zwischen den unterzeichnenden Tarifvertragsparteien wird für die Angestellten, die unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages für das private Versicherungsgewerbe fallen, in Anwendung der §§ 1a, 19 BetrAVG folgende Vereinbarung getroffen:

        

§ 1     

Entgeltumwandlung

        

Die Angestellten können auf Ansprüche auf Bezüge, die sie kraft des Gehalts- bzw. Manteltarifvertrages oder der Tarifvereinbarung über vermögenswirksame Leistungen erwerben bzw. erworben haben, verzichten, wenn und soweit für den Entgeltverzicht vom Arbeitgeber ein Ausgleich in Form eines Versorgungsversprechens erfolgt (Entgeltumwandlung).

        

§ 2     

Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung

        

(1)     

Stellen Angestellte einen schriftlichen Antrag auf Entgeltumwandlung (Entgeltverzicht gegen Versorgungsversprechen), so hat der Arbeitgeber im Gegenzug gegen einen Entgeltverzicht des Angestellten eine sofort unverfallbare Versorgungsanwartschaft zu erteilen. Der Rechtsanspruch auf Entgeltumwandlung kann in einer Höhe von 5.200 Euro geltend gemacht werden, mindestens aber in Höhe des durch § 1a BetrAVG vorgesehenen Höchstbetrages. Der Rechtsanspruch besteht nur bezüglich der Umwandlung von künftigen Entgeltansprüchen.

        

(2)     

Der/die Angestellte hat in seinem/ihrem Antrag den Verzichtsgegenstand und die Höhe des Verzichtsbetrages anzugeben. Der Verzichtsgegenstand setzt sich aus der Summe der Entgeltbestandteile zusammen, auf die pro Kalenderjahr verzichtet wird. Bei Verzicht auf Bestandteile der regelmäßigen Monatsvergütung kann der Arbeitgeber verlangen, dass der/die Angestellte während eines Kalenderjahres auf monatlich gleichbleibende Beträge verzichtet. Der Arbeitgeber kann verlangen, dass die Verzichtsbeträge, die nicht Bestandteile der regelmäßigen Monatsvergütung sind, jeweils mindestens einen Wert von 50 Euro haben müssen. Der Antrag auf Entgeltumwandlung kann vom Arbeitgeber abgelehnt werden, wenn der Mindestumwandlungsbetrag gem. § 1a Abs. 1 Satz 4 BetrAVG unterschritten wird.

        

(3)     

Der Arbeitgeber legt den Durchführungsweg der betrieblichen Altersversorgung fest. Hierbei sind sämtliche Durchführungswege gem. BetrAVG zulässig. Erfolgt keine Festlegung durch den Arbeitgeber, so kann der/die Angestellte den Abschluss einer Direktversicherung verlangen. Der Arbeitgeber kann die Durchführung der Entgeltumwandlung im jeweils angebotenen Durchführungsweg von der steuerlichen Anerkennung durch das jeweilige Betriebsstätten-Finanzamt abhängig machen.

        

(4)     

Der Arbeitgeber ist im Falle der Beantragung einer Entgeltumwandlung zur Abgabe einer Rentenzusage (mit oder ohne Kapitalwahlrecht) verpflichtet. Er kann auch an Stelle dessen eine Kapitalzusage anbieten. Die Regelung der Entgeltumwandlung erfolgt im Übrigen durch Entgeltumwandlungsvereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und den Angestellten. In dieser Vereinbarung werden auch die abgedeckten Risiken (Alters-, Invaliditäts-, Hinterbliebenenversorgung) festgelegt.

        

(5)     

Der Arbeitgeber kann jeweils einen oder mehrere jährliche Stichtage festsetzen, bis zu denen Entgeltumwandlungsvereinbarungen für künftige Zeiträume getroffen werden können und zu denen das Versorgungsversprechen erteilt bzw. erhöht wird.

        

…       

        
        

(7)     

Die Fortsetzung der Versicherung oder Versorgung in entgeltfreien Zeiten gem. § 1a Abs. 4 BetrAVG bleibt unberührt.

        

(8)     

Der Rechtsanspruch der Angestellten auf Übertragung der betrieblichen Altersversorgung gem. § 4 Abs. 3 BetrAVG bleibt unberührt.

        

§ 3     

Abweichende Regelungen

        

Durch freiwillige Betriebsvereinbarung können folgende von diesem Tarifvertrag abweichende Regelungen getroffen werden:

        

…“    

5

Am 4. Januar 2011 schlossen die V Lebensversicherung AG und der Kläger eine Vereinbarung, wonach ein Teil seines monatlichen Bruttolohns „in einen Anspruch auf Verschaffung von Versicherungsschutz umgewandelt wird“. Die Arbeitgeberin verpflichtete sich, Beiträge zu der hierfür abzuschließenden Rentenversicherung zu zahlen. Zu diesem Zweck erfolgte der Abschluss einer Direktversicherung mit Wirkung zum 1. Februar 2011. Mit Wirkung zum 1. Januar 2018 erhöhte der Kläger seinen monatlichen Beitrag zur Direktversicherung auf 248,00 Euro.

6

Zum 1. Juli 2022 trat der Kläger dem sog. E-Versorgungswerk bei und reduzierte gleichzeitig seinen monatlichen Beitrag zur Direktversicherung auf 30,00 Euro. In diesem bei der Beklagten bestehenden Versorgungswerk werden 1,75 vH der versorgungsfähigen Bezüge zugunsten einer betrieblichen Versorgungszusage umgewandelt. Der monatliche Arbeitgeberbeitrag beträgt 3,5 vH der versorgungsfähigen Bezüge der für den jeweiligen Kalendermonat maßgeblichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung (West).

7

Mit Schreiben von April und Juli 2022 forderte der Kläger von der Beklagten unter Bezugnahme auf § 1a Abs. 1a BetrAVG die Zahlung eines Arbeitgeberzuschusses ab dem 1. Januar 2022 zu seiner Direktversicherung.

8

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass ihm für den Zeitraum Januar bis Juni 2022 ein Zuschuss der Beklagten zu seiner Direktversicherung iHv. 15 vH von seinem damaligen Beitrag iHv. 248,00 Euro monatlich, also 37,20 Euro monatlich zustehen. Ab Juli 2022 belaufe sich der monatliche Zuschuss auf 4,50 Euro. Darüber hinaus habe er ein schutzwürdiges Interesse daran, dass der Konflikt zwischen den Parteien auch für die Zukunft geklärt werde. Falls die Beklagte nicht verpflichtet sei, den von ihm verlangten Arbeitgeberzuschuss zu zahlen, stehe ihm zumindest ein Schadenersatzanspruch zu.

9

Der Kläger hat beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, 223,20 Euro netto als Arbeitgeberzuschuss unter der Versicherungsnummer an die V Lebensversicherung AG, für die Monate Januar bis Juni 2022 zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, 31,50 Euro netto als Arbeitgeberzuschuss unter der Versicherungsnummer an die V Lebensversicherung AG, für die Monate Juli 2022 bis Januar 2023 zu zahlen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ab dem Monat Februar 2023 monatlich 4,50 Euro netto als Arbeitgeberzuschuss unter der Versicherungsnummer an die V Lebensversicherung AG, zu zahlen;

        

4.    

hilfsweise für den Fall, dass den Anträgen zu 1. bis 3. nicht entsprochen werde, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 254,70 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

10

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

11

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Ansprüche weiter. Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision des Klägers ist überwiegend zulässig, aber unbegründet. Das Berufungsgericht hat zu Recht auf die Berufung der Beklagten die Klage abgewiesen. Die Klage ist zum Teil unzulässig, im Übrigen unbegründet.

13

I. Die Revision ist unzulässig, soweit der Hilfsantrag zu 4. des Klägers betroffen ist. Der Kläger wendet sich in der Revisionsbegründung nicht gegen die Klageabweisung insoweit. Zwar hängt der echte Hilfsantrag vom Erfolg der Hauptanträge ab. Da das Berufungsgericht aber über den Hilfsantrag entschieden hat, hätte der Kläger hierzu Stellung nehmen müssen. Das Berufungsgericht hat den Antrag mangels pflichtwidrigen Verhaltens der Beklagten abgewiesen. Hiermit hat sich der Kläger nicht auseinandergesetzt.

14

II. Die Revision ist im Übrigen unbegründet. Das Berufungsgericht hat der Berufung der Beklagten zu Recht stattgegeben und die Klage abgewiesen.

15

1. Die Anträge zu 1. und 2. sind unbegründet. Ein Anspruch aus § 1a Abs. 1a BetrAVG des Klägers gegen die Beklagte besteht wegen einer abweichenden Regelung im TV EU gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG nicht. Es liegt mit den Bestimmungen des TV EU ein den dadurch begründeten Anspruch der Arbeitnehmer auf Entgeltumwandlung abschließend regelnder Tarifvertrag vor, der jedenfalls insoweit iSv. § 19 Abs. 1 BetrAVG von § 1a BetrAVG abweicht, wie danach kein Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG vorgesehen ist.

16

2. Der im TV EU geregelte Anspruch auf Entgeltumwandlung weicht von der gesetzlichen Regelung in § 1a BetrAVG ab. Der TV EU enthält eine bezogen auf den danach vorgesehenen Anspruch auf Entgeltumwandlung abschließende Regelung. Das folgt bereits aus dem Namen des Tarifvertrags und seinen den Anspruch auf Entgeltumwandlung ausführlich regelnden Bestimmungen. §§ 1, 2 TV EU enthalten die Grundsätze und Einzelheiten der Entgeltumwandlung. Die Beschäftigten haben nach § 2 Abs. 1 TV EU einen Anspruch auf Entgeltumwandlung, wenn sie ihn – abweichend von § 1a Abs. 1 BetrAVG – schriftlich beantragen. § 2 Abs. 1, 2, 5 TV EU bestimmt zudem die maximale Höhe der der Umwandlung zugänglichen Entgeltbestandteile und den Zeitpunkt der Umwandlung sowie ihrer Vereinbarung. § 2 Abs. 1 Satz 3 TV EU begrenzt die Umwandlung auf künftige Entgeltansprüche. § 2 Abs. 3 TV EU eröffnet dem Arbeitgeber die Bestimmung des Durchführungswegs mit einer Ersatzbestimmung durch den Arbeitnehmer. § 1 TV EU ermöglicht die Umwandlung von vermögenswirksamen Leistungen. § 3 TV EU ermächtigt die Betriebsparteien zu eigenständigen Regelungen. Einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG sieht der TV EU nicht vor. Auf die Präambel kommt es daneben nicht entscheidend an. An ihr lässt sich aber ablesen, dass die Tarifvertragsparteien die Befugnis zur Abweichung von § 1a BetrAVG in § 19 Abs. 1 BetrAVG gesehen haben und von ihr Gebrauch machen wollten.

17

3. Diese Abweichung von § 1a BetrAVG ist gemäß § 19 Abs. 1 BetrAVG zulässig. Die Tariföffnungsklausel erfasst auch bereits vor dem 1. Januar 2018 geschlossene Tarifverträge. Es ist deshalb nicht von Bedeutung, dass der TV EU bereits im August 2017 neu gefasst wurde. Der Wortlaut von § 19 Abs. 1 BetrAVG, die Systematik sowie der gesetzgeberische Wille und der sich daraus ergebende Sinn und Zweck der Norm lassen nur den Schluss zu, dass auch bereits vor dem 1. Januar 2018 geschlossene Tarifverträge zur Entgeltumwandlung von § 1a BetrAVG, einschließlich des mit § 1a Abs. 1a BetrAVG neu geschaffenen Anspruchs auf einen Arbeitgeberzuschuss, abweichen können (vgl. dazu ausführlich BAG 20. August 2024 – 3 AZR 286/23 – Rn. 11 ff.; bestätigt 11. März 2025 – 3 AZR 53/24 – Rn. 17).

18

4. Ob ein Tarifvertrag eine abschließende Regelung der Entgeltumwandlung und eine von § 1a BetrAVG abweichende Regelung enthält, ist eine Frage seiner Auslegung. Das ist beim TV EU wie gesehen der Fall. Es genügt, dass der TV EU eigenständig einen Anspruch auf Entgeltumwandlung ohne Anspruch auf einen Arbeitgeberzuschuss wie nach § 1a Abs. 1a BetrAVG regelt. Allein dadurch sieht er eine von § 1a BetrAVG abweichende Verteilung des wirtschaftlichen Nutzens und der Lasten der Entgeltumwandlung vor. Hierfür bedarf es weder einer konkreten oder ausdrücklichen Abbedingung des Zulagenanspruchs aus § 1a Abs. 1a BetrAVG noch einer darauf bezogenen oder sonstigen Kompensation. Der TV EU beschränkt sich nicht etwa auf eine gemäß § 20 Abs. 1 BetrAVG erforderliche Zulassung einer Umwandlung von auf Tarifvertrag beruhenden Entgeltansprüchen.

19

III. Der Antrag zu 3. ist im Kosteninteresse des Klägers als unechter Hilfsantrag dahin zu verstehen, dass er nur dann zur Entscheidung anfallen soll, wenn den Zahlungsanträgen zu 1. und 2. stattgegeben wird (vgl. BAG 26. November 2024 – 3 AZR 49/24 – Rn. 40). Dieses Verständnis hat der Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat bestätigt.

20

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Rachor    

        

    Waskow    

        

    Roloff    

        

        

        

    Holler    

        

    Völpel-Haus    

                 
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