3 AZR 45/24

Ansprüche des Pensions-Sicherungs-Vereins - Verjährung

Details

  • Aktenzeichen

    3 AZR 45/24

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2025:210125.U.3AZR45.24.0

  • Art

    Urteil

  • Datum

    21.01.2025

  • Senat

    3. Senat

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 28. Februar 2024 – 4 Sa 36/23 – wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Leitsatz

Auf den Pensions-Sicherungs-Verein übergegangene und kapitalisierte Forderungen gegen die Insolvenzmasse verjähren gemäß § 18a Satz 1 BetrAVG in 30 Jahren.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verjährung zur Insolvenztabelle angemeldeter Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung.

2

Der Kläger ist der Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung. Der Beklagte ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen einer GmbH & Co. KG (Schuldnerin), die ihren Arbeitnehmern Betriebsrentenzusagen erteilt hatte. Das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts vom 28. Januar 2010 eröffnet.

3

Der Kläger meldete mit Schreiben vom 3. März 2010, 28. November 2013 und 16. November 2016 auf ihn übergegangene Forderungen aus betrieblicher Altersversorgung iHv. insgesamt 157.637,56 Euro an, die der Beklagte zur laufenden Nummer 33 zur Tabelle feststellte. Der Anmeldung vom 16. November 2016 fügte der Kläger ein versicherungsmathematisches Gutachten bei, welches für die Abzinsung der zu kapitalisierenden Betriebsrentenansprüche einen Rechnungszinssatz iHv. 5,5 vH zugrunde legte.

4

Nachdem der Senat mit Urteil vom 18. Mai 2021 (- 3 AZR 317/20 -) entschieden hatte, dass bei der Kapitalisierung von Betriebsrentenansprüchen des Klägers der gesetzliche Zinssatz von 4 vH statt 5,5 vH zugrundezulegen sei, erstellte der Kläger ein neues versicherungsmathematisches Gutachten und meldete mit Schreiben vom 17. Oktober 2022 weitere 24.283,00 Euro zur Tabelle an. Der Beklagte bestritt diese Forderung und erhob insoweit die Einrede der Verjährung.

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Der Kläger hat die bestrittene Forderung nicht für verjährt gehalten und beantragt,

        

über den bereits vom Beklagten festgestellten Betrag von 157.637,56 Euro hinaus weitere 24.283,00 Euro zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A GmbH & Co. KG zur lfd. Nr. 33 der Insolvenztabelle festzustellen.

6

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, die auf den Kläger übergegangenen und kapitalisierten Ansprüche unterlägen der Regelverjährung von drei Jahren gemäß § 195 BGB. Es handle sich um wiederkehrende Leistungen iSv. § 18a Satz 2 BetrAVG. Satz 1 der Bestimmung sei nur auf Kapitalabfindungsansprüche von Arbeitnehmern anwendbar, nicht aber auf solche des Klägers.

7

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Beklagte die Klageabweisung weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben der Klage zu Recht stattgegeben. Die Klage ist zulässig und begründet. Der Kläger kann die Feststellung der weiteren Forderung iHv. 24.283,00 Euro zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin verlangen.

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I. Die Klage ist zulässig.

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1. Die Vorinstanzen haben zu Recht angenommen, dass die besonderen Sachurteilsvoraussetzungen einer ordnungsgemäßen Forderungsanmeldung seitens des Klägers sowie einer Prüfung durch den Beklagten gemäß § 181 InsO in Bezug auf den noch streitigen Betrag iHv. 24.283,00 Euro vorliegen (vgl. zu dieser Anforderung BGH 11. April 2019 – IX ZR 79/18 – Rn. 15; 22. Januar 2009 – IX ZR 3/08 – Rn. 10; MüKoInsO/Schumacher 4. Aufl. InsO § 181 Rn. 3).

11

2. Das erforderliche Feststellungsinteresse gemäß § 256 Abs. 1 ZPO ist gegeben. Es folgt aus § 189 InsO. Bestrittene Forderungen werden bei der Verteilung nur berücksichtigt, wenn der Gläubiger rechtzeitig nachweist, dass er die Feststellung betreibt (§ 189 Abs. 1 und 3 InsO; vgl. BAG 22. September 2020 – 3 AZR 304/18 – Rn. 18, BAGE 172, 276; 20. September 2016 – 3 AZR 77/15 – Rn. 25; 27. März 2014 – 6 AZR 204/12 – Rn. 13, BAGE 147, 373).

12

II. Die Klage ist – wie die Vorinstanzen zu Recht erkannt haben – begründet. Die weitere Forderung iHv. 24.283,00 Euro ist gemäß § 179 Abs. 1 InsO iVm. § 45 Satz 1, § 46 Satz 1 und 2 InsO sowie § 9 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG zur laufenden Nummer 33 der Insolvenztabelle festzustellen. Der Beklagte erhebt gegenüber der in der Sache unstreitigen Forderung ohne Erfolg die Einrede der Verjährung. Die vom Kläger geltend gemachte weitere Forderung iHv. 24.283,00 Euro unterliegt der 30-jährigen Verjährungsfrist des § 18a Satz 1 BetrAVG. Diese hat der Kläger unstreitig gewahrt.

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1. Nach § 18a Satz 1 BetrAVG verjährt der Anspruch auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung in 30 Jahren. Davon ausgenommen sind nach Satz 2 der Bestimmung (allein) Ansprüche auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen, die der regelmäßigen Verjährungsfrist nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs unterliegen. Bei den kapitalisierten Forderungen des Klägers handelt es sich um einen Anspruch auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung iSv. § 18a Satz 1 BetrAVG, die keine wiederkehrenden Leistungen iSd. § 18a Satz 2 BetrAVG darstellen. Das ergibt die Auslegung der Bestimmung.

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a) Nach seinem Wortlaut und der Gesetzessystematik regelt § 18a BetrAVG abschließend die Verjährung von Ansprüchen auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Satz 1 bestimmt im Grundsatz für den „Anspruch auf Leistungen aus der betrieblichen Altersversorgung“ eine 30-jährige Verjährungsfrist, ohne dabei nach verschiedenen Leistungsarten zu unterscheiden. § 18a Satz 2 BetrAVG nimmt davon lediglich regelmäßig wiederkehrende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung aus und unterwirft diese der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren. Nur wenn es sich ausnahmsweise um wiederkehrende Leistungen nach Satz 2 handelt, soll demnach für Ansprüche aus betrieblicher Altersversorgung die kürzere Verjährungsfrist gelten. Für eine umfassende Geltung von § 18a BetrAVG für sämtliche Ansprüche auf Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung spricht die Stellung der Bestimmung mit der umfassenden Überschrift „Verjährung“ im Sechsten Abschnitt des Gesetzes mit der auf das gesamte Gesetz und damit sämtliche von ihm erfassten Leistungen betrieblicher Altersversorgung bezogenen Überschrift „Geltungsbereich“.

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b) Der Wille des Gesetzgebers und die Entstehungsgeschichte der Norm bestätigen dieses Verständnis: Nachdem das Bundesarbeitsgericht sämtliche Formen von Ansprüchen auf Leistungen betrieblicher Altersversorgung der 30-jährigen – damals noch regelmäßigen – Verjährungsfrist und nur die wiederkehrenden Leistungen der kurzen Verjährungsfrist unterworfen hatte, wollte der Gesetzgeber diese Rechtsprechung – wie die Gesetzesbegründung zeigt (BT-Drs. 14/7052 S. 213) – fortbestehen lassen. Was vorher die Regel war, sollte für Ansprüche auf Leistungen betrieblicher Altersversorgung weiterhin die Regel bleiben, obwohl das allgemeine Verjährungsrecht zur kurzen Regelverjährung übergegangen war. Die Sonderregelung in § 18a Satz 1 BetrAVG sollte so dem besonderen Schutzzweck des Betriebsrentengesetzes als Arbeitnehmerschutzgesetz Rechnung tragen und dabei den sozialen Aspekt der zusätzlichen Altersvorsorge berücksichtigen (BT-Drs. 14/7052 S. 213). Nach der Auffassung des Gesetzgebers sollten demnach – bis auf die wiederkehrenden Leistungen – alle Leistungen betrieblicher Altersversorgung durch die lange Verjährung besonders vor einem Verlust geschützt sein.

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Soweit in der Gesetzesbegründung auf die in der Rechtsprechung zur Verjährung von Ansprüchen aus betrieblicher Altersversorgung geprägte Unterscheidung zwischen dem „Rentenstammrecht“ und Ansprüchen auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen verwiesen wird (BT-Drs. 14/7052 S. 213), ist damit keine vom Wortlaut des § 18a Satz 1 BetrAVG abweichende Beschränkung seiner Anwendbarkeit angesprochen. Die Rechtsprechung verwendete den Begriff des „Rentenstammrechts“ allein zur Abgrenzung von wiederkehrenden Leistungen. Es handelt sich um keinen anerkannten Rechtsbegriff mit eigenständigem Begriffsinhalt.

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2. Bei den gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG auf den Kläger übergegangenen Ansprüchen und Anwartschaften der Berechtigten handelt es sich um Ansprüche auf Leistungen betrieblicher Altersversorgung. Sie haben diesen Charakter durch den gesetzlichen Forderungsübergang nicht verloren. Infolge ihrer nach § 9 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG und den Vorschriften der Insolvenzordnung vorzunehmenden Kapitalisierung handelt es sich nicht um wiederkehrende Leistungen iSd. § 18a Satz 2 BetrAVG.

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a) Der Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG zeigt, dass es sich bei den auf den Kläger übergegangenen Ansprüchen und Anwartschaften weiterhin um Ansprüche auf Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung iSd. § 18a Satz 1 BetrAVG handelt, die als solche auch nach dem gesetzlichen Forderungsübergang erhalten bleiben. Ansprüche oder Anwartschaften des Berechtigten gegen den Arbeitgeber „auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung“, die den Anspruch gegen den Träger der Insolvenzsicherung begründen, gehen gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG im Falle eines Insolvenzverfahrens mit dessen Eröffnung über. Die mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens übergegangenen Anwartschaften werden zwar gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG im Insolvenzverfahren als unbedingte Forderungen nach § 45 InsO geltend gemacht, sie bleiben aber Ansprüche auf Leistungen aus betrieblicher Altersversorgung.

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b) Die gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG übergehenden Forderungen behalten mit dem gesetzlichen Forderungsübergang nach §§ 412, 401 BGB ihren Charakter als Ansprüche auf Leistungen der betrieblichen Altersversorgung bei. Wie der Senat bereits entschieden hat, gehen die Ansprüche iRd. gesetzlichen Forderungsübergangs unverändert auf den Kläger über (BAG 22. September 2020 – 3 AZR 304/18 – Rn. 27, BAGE 172, 276). Der Kläger macht keine anderen Forderungen geltend als die Versorgungsberechtigten, wenn es den gesetzlichen Insolvenzschutz nicht gäbe (BAG 7. November 1989 – 3 AZR 48/88 – zu III 2 a der Gründe).

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c) Das gilt auch für die gemäß §§ 41, 45 und 46 InsO kapitalisiert anzumeldenden und zuvor auf den Kläger übergegangenen Forderungen des Klägers, die nicht bereits von § 9 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG erfasst sind. Auch diese sind und bleiben Leistungen der betrieblichen Altersversorgung. Denn nur dann gehen sie gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG auf den Kläger über.

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d) Es handelt sich bei den auf den Kläger übergegangenen Ansprüchen nicht um wiederkehrende Leistungen iSd. § 18a Satz 2 BetrAVG, selbst wenn sie teilweise vor der Insolvenzeröffnung solche waren oder es ohne die Insolvenzeröffnung später wären (ErfK/Steinmeyer 25. Aufl. BetrAVG § 18a Rn. 1; HWK/Schipp 11. Aufl. § 18a BetrAVG Rn. 1; aA Thüsing/Mantsch BB 2024, 1717, 1718).

22

aa) Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung werden die Anwartschaften aufgrund von § 9 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG iVm. § 45 InsO, die übrigen Forderungen der betrieblichen Altersversorgung aufgrund von §§ 41, 45, 46 InsO umgerechnet, um sie zur gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung bezeichnen zu können. Diese kapitalisierende Umrechnung führt ab der Insolvenzeröffnung dazu, dass es sich nicht mehr um wiederkehrende Leistungen der betrieblichen Altersversorgung iSd. § 18a Satz 2 BetrAVG, sondern um einen kapitalisierten Gesamtbetrag handelt. Das gilt unabhängig von der Frage, ob für ihre Bewertung § 46 Satz 2 InsO maßgeblich ist (vgl. hierzu BAG 18. Mai 2021 – 3 AZR 317/20 – Rn. 33 ff., BAGE 175, 60).

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bb) Der Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung des § 9 Abs. 2 Satz 3 BetrAVG bewusst für eine Gesamtkapitalisierung der auf den Kläger übergegangenen Anwartschaften und Ansprüche entschieden (BT-Drs. 12/3803 S. 112). Damit wollte er die bestehende Rechtsprechung des Senats kodifizieren und Rechtsunsicherheit beseitigen (vgl. BT-Drs. 12/3803 S. 112).

24

cc) Wie der Senat bereits zum alten, aber nach gesetzgeberischem Willen fortbestehenden Recht entschieden hat, greift für diese Forderung die längere Verjährungsfrist, die heute in § 18a Satz 1 BetrAVG geregelt ist (BAG 7. November 1989 – 3 AZR 48/88 – zu III 2 a der Gründe). Der Senat hat dies mit seiner Rechtsprechung zur Verjährung von Kapitalabfindungsansprüchen begründet (BAG 7. November 1989 – 3 AZR 48/88 – zu III 2 a der Gründe). Diese Rechtsprechung kannte der Gesetzgeber bei der Einführung des § 18a Satz 1 BetrAVG und hat sie bewusst in seinen Willen aufgenommen (BT-Drs. 14/7052 S. 213).

25

dd) Für den kapitalisierten Anspruch des Klägers passt auch nach Sinn und Zweck der Norm allein die längere Verjährungsfrist des § 18a Satz 1 BetrAVG (aA Dahl/Michels NZI 2024, 399, 401). Zwar ist der Kläger nicht unmittelbar mit den einzelnen Versorgungsberechtigten gleichzusetzen. Allerdings tritt er in die Verpflichtung der Schuldnerin ein und erhält dafür kraft gesetzlichen Forderungsübergangs die Rechtsstellung der Berechtigten. Der Kläger bedarf zudem ebenfalls eines ausreichenden Schutzes. Die Gesamtsumme aller Rechte lässt sich für ihn als Außenstehenden nicht ohne weitere Ermittlungen berechnen. Es bedarf oft aufwendiger Untersuchungen und komplexer Berechnungen für eine Vielzahl Beschäftigter. Der Verlust des Rechts als Ganzes nach der kurzen Regelverjährung würde nicht nur ihn, sondern auch die Versichertengemeinschaft treffen. Mit der Verjährung gingen nicht nur einzelne, in der Vergangenheit nicht gezahlte Rentenraten, sondern die Versorgung insgesamt auch für die Zukunft verloren.

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ee) Gegen das Ergebnis lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, die 30-jährige Verjährungsfrist führe zu einer Verzögerung des Insolvenzverfahrens. Das Insolvenzverfahren ist ein im Einzelnen geregeltes gerichtliches Verfahren, das zahlreiche Fristen für seine beschleunigte Durchführung vorsieht. Die Länge der Verjährungsfrist hat auf seine Dauer keinen Einfluss (BAG 7. November 1989 – 3 AZR 48/88 – zu III 2 a der Gründe).

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3. Da nicht die dreijährige, sondern die 30-jährige Verjährungsfrist Anwendung findet, bedarf es keiner Entscheidung, ob hinsichtlich der nachgemeldeten Forderung bereits infolge der früheren, wenn auch noch nicht den nachgemeldeten Betrag umfassenden Anmeldungen beim Beklagten gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 10 BGB eine Hemmung der Verjährung eingetreten ist.

28

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Rachor    

        

    Waskow    

        

    Roloff    

        

        

        

    Bindl    

        

    Holler