5 AZR 286/24

Mutterschutzlohn - Zuschuss zum Mutterschaftsgeld - Referenzzeitraum

Details

  • Aktenzeichen

    5 AZR 286/24

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2025:090925.U.5AZR286.24.0

  • Art

    Urteil

  • Datum

    09.09.2025

  • Senat

    5. Senat

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 28. August 2024 – 5 SLa 45/24 – im Kostenausspruch und insoweit aufgehoben, als das Landesarbeitsgericht unter Ziff. I des Tenors die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 24. Januar 2024 – 12 Ca 2990/23 – zurückgewiesen, unter Ziff. II des Tenors auf die Anschlussberufung der Klägerin die Beklagte zur weiteren Zahlung verurteilt hat und unter Ziff. III des Tenors die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung ab dem 1. August 2024 festgestellt wird.

2. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Höhe des Mutterschutzlohns und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld.

2

Die Klägerin ist seit Januar 2017 als Flugbegleiterin bei der Beklagten tätig. Ihr Arbeitsentgelt besteht aus festen Anteilen (ua. einer Grundvergütung), Sonderzahlungen und variablen Bestandteilen (Mehrflugstundenvergütung und Bordverkaufsprovision). Bis zum 31. März 2023 wurde sie entsprechend dem „Tarifvertrag Saisonalitätsmodelle Kabine Nr. 2“ vom 2. Juni 2017 (TV SMK) im Modell „KA“ mit einem Jahresarbeitszeitquotienten von 83 % im Verhältnis zur tarifvertraglich geregelten Vollzeit beschäftigt. Der Einsatz der in diesem Modell teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer erfolgte während des Jahres in saisonal unterschiedlichem Umfang. Die Grundvergütung wurde dabei nach § 2 Abs. 1 Ziff. 1 Buchst. a TV SMK anteilig im Verhältnis zur jährlichen Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Mitarbeiters gekürzt und – unabhängig von der zT geringeren oder höheren tatsächlichen Arbeitszeit – monatlich verstetigt ausgezahlt. Mehrflugstundenvergütung erhielten die Arbeitnehmer nach § 4 Abs. 1 Ziff. 3 TV SMK bei mehr als 70 Flugstunden im Monat. Zudem sah der zum 1. November 2019 in Kraft getretene „Tarifvertrag zur Überleitung der Saisonalitätsmodelle für die Mitarbeiter der Kabine der Deutschen Lufthansa AG“ vom 12. November 2019 (TV Überleitung SMK) für die im Modell „KA“ Beschäftigten „zur Überbrückung der Wintermonate“ die Zahlung einer monatlichen Winterzulage iHv. 400,00 Euro brutto in den Monaten November bis Februar vor.

3

Die Klägerin befand sich von März 2020 bis März 2022 in Kurzarbeit. In den Monaten Februar 2021 bis Januar 2022 erhielt sie keine Mehrflugstundenvergütung. Bordverkaufsprovision erzielte sie während dieses Zeitraums nur von August bis Dezember 2021. Im Februar 2021 sowie von November 2021 bis Januar 2022 zahlte die Beklagte ihr eine monatliche Winterzulage in unterschiedlicher Höhe. Im Februar 2022 wurde die Klägerin schwanger. Der errechnete Geburtstermin war der 26. November 2022. Wegen der Schwangerschaft bestand ab dem 6. April 2022 ein Beschäftigungsverbot. Die Klägerin entband am 6. Dezember 2022. Die Schutzfristen nach § 3 Abs. 1 und 2 MuSchG liefen vom 15. Oktober 2022 bis zum 31. Januar 2023. Seit dem Ende der Mutterschutzfrist besteht erneut ein Beschäftigungsverbot für die ihr Kind stillende Klägerin.

4

Die Beklagte zahlte an die Klägerin vom 6. April bis zum 14. Oktober 2022 sowie für die Monate ab dem 1. Februar 2023 Mutterschutzlohn, dessen Höhe hinsichtlich der festen Entgeltbestandteile zwischen den Parteien nicht im Streit steht. Für die variablen Entgeltbestandteile ermittelte die Beklagte einen an die Klägerin ausgezahlten Betrag iHv. monatlich 1,20 Euro brutto. Für den Zeitraum vom 15. bis zum 31. Oktober 2022 gewährte die Beklagte ihr einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld iHv. von kalendertäglich 36,45 Euro netto sowie für November 2022 bis Januar 2023 iHv. kalendertäglich 44,14 Euro netto.

5

Seit dem 1. April 2023 ist die Klägerin in Vollzeit angestellt. Im Rahmen des Mutterschutzlohns erhält sie ua. die Grundvergütung entsprechend einer Vollzeitarbeitnehmerin.

6

Mit ihrer Klage hat die Klägerin einen höheren Mutterschutzlohn und einen höheren Zuschuss zum Mutterschaftsgeld geltend gemacht. Sie hat die Auffassung vertreten, bei der Berechnung des Mutterschutzlohns sei auf den Referenzzeitraum November 2021 bis Januar 2022 abzustellen, wobei eine – ohne die Kurzarbeit zu zahlende – Winterzulage iHv. monatlich 400,00 Euro brutto zu berücksichtigen sei.

7

Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Belang – zuletzt sinngemäß beantragt,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag iHv. 9.720,00 Euro brutto nebst zeitlich und betragsmäßig gestaffelten Zinsen zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie fehlenden Zuschuss zum Mutterschaftsgeld iHv. 358,54 Euro netto nebst zeitlich und betragsmäßig gestaffelten Zinsen zu zahlen;

        

3.    

festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, an sie ab dem 1. August 2024 für die Dauer des Beschäftigungsverbots der Stillzeit einen Betrag iHv. 400,00 Euro brutto monatlich als Tg Mehrarbeitspauschale zu zahlen.

8

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, bei der Berechnung des Mutterschutzlohns und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld sei auf einen zwölfmonatigen Referenzzeitraum abzustellen. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führe die Beschäftigung in einem Jahreszeitmodell zu einer Verlängerung des gesetzlich vorgesehenen Referenzzeitraums.

9

Das Arbeitsgericht hat der Klage – soweit für die Revision von Bedeutung – stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und auf die Anschlussberufung der Klägerin auch der Klageerweiterung im Wesentlichen stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

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Die Revision hat Erfolg. Der Senat kann nicht abschließend darüber befinden, ob und in welchem Umfang die zulässige Klage begründet ist, weil für die Berechnung des Mutterschutzlohns und des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld tatsächliche Feststellungen fehlen. Im Umfang der Aufhebung ist die Sache daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

11

I. Die Klage ist zulässig.

12

1. Hinsichtlich der Zulässigkeit der Leistungsanträge bestehen keine Bedenken. Insbesondere ist der auf die Zahlung eines höheren Zuschusses zum Mutterschaftsgeld gerichtete Klageantrag zu 2. hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist erkennbar, in welchem Umfang sich die Klagesumme dem Grunde und der Höhe nach auf die Einzelforderungen bezieht (vgl. zu dieser Anforderung BAG 31. Mai 2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 12 mwN, BAGE 181, 149).

13

2. Der Feststellungsantrag genügt ebenfalls den Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO. Die Klägerin möchte – bei zutreffendem Verständnis dieses Antrags – festgestellt haben, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr ab dem 1. August 2024 für die Dauer des wegen der Stillzeit fortbestehenden Beschäftigungsverbots einen um monatlich 400,00 Euro brutto höheren Mutterschutzlohn zu zahlen. Das erforderliche Feststellungsinteresse ist gegeben, da nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das Beschäftigungsverbot der Klägerin fortbesteht.

14

II. Ob und in welchem Umfang die Klage begründet ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Hierfür fehlt es an erforderlichen Feststellungen zu den Berechnungsgrundlagen (§ 559 Abs. 1 ZPO). Dies führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

15

1. Der Klägerin steht für die im Klageantrag zu 1. streitgegenständlichen Zeiträume sowie für die Zeit ab dem 1. August 2024 bis zur Beendigung ihres Beschäftigungsverbots aufgrund der Stillzeit dem Grunde nach ein Anspruch auf Mutterschutzlohn zu.

16

a) Nach § 18 Satz 1 MuSchG erhält eine Frau, die wegen eines Beschäftigungsverbots außerhalb der Schutzfristen vor oder nach der Entbindung teilweise oder gar nicht beschäftigt werden darf, von ihrem Arbeitgeber Mutterschutzlohn. Die Pflicht der Arbeitnehmerin zur Arbeitsleistung wird durch das Beschäftigungsverbot suspendiert, das zugleich nach Maßgabe des § 18 Satz 1 MuSchG über die Vergütungspflicht des Arbeitgebers bestimmt. Ein Anspruch auf Mutterschutzlohn besteht allerdings nur, wenn allein das mutterschutzrechtliche Beschäftigungsverbot dazu führt, dass die Betroffene mit der Arbeit aussetzt (vgl. BAG 31. Mai 2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 21, BAGE 181, 149).

17

b) Die Klägerin wurde vom 6. April bis zum 14. Oktober 2022 wegen des schwangerschaftsbedingten Beschäftigungsverbots nicht mehr beschäftigt. Seit dem 1. Februar 2023 ist sie aufgrund eines betrieblichen Beschäftigungsverbots wegen der Stillzeit nicht mehr tätig. Anderweitige Umstände, die zu einem Entfallen ihrer Vergütungsansprüche in dieser Zeit hätten führen können, sind weder festgestellt noch vorgetragen oder ersichtlich.

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2. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen kann nicht beurteilt werden, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die mit dem Antrag zu 1. geltend gemachten Differenzbeträge zum bereits gewährten Mutterschutzlohn iHv. monatlich 400,00 Euro brutto sowie für die Dauer des fortbestehenden Beschäftigungsverbots ab dem 1. August 2024 einen um monatlich 400,00 Euro brutto höheren Mutterschutzlohn zu zahlen.

19

a) Nach § 18 Satz 2 MuSchG wird als Mutterschutzlohn das durchschnittliche Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft gezahlt. Die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts bestimmt sich nach § 21 MuSchG. Dabei sieht § 21 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MuSchG vor, dass einmalig gezahltes Arbeitsentgelt iSv. § 23a SGB IV sowie Kürzungen des Arbeitsentgelts, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit eintreten, unberücksichtigt bleiben.

20

b) Bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts ist grundsätzlich der gesetzlich festgelegte Referenzzeitraum zugrunde zu legen. Dieser ist regelmäßig auch dann maßgeblich, wenn die Frau vor oder nach dem Berechnungszeitraum mehr oder weniger verdient hat. Eine gewisse Schwankungsbreite ist jedem Referenzzeitraum und generell der Bildung eines Durchschnitts immanent und rechtfertigt daher für sich genommen noch keine Abweichung von dem in § 18 Satz 2 MuSchG vorgesehenen dreimonatigen Referenzzeitraum (vgl. BAG 31. Mai 2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 31, BAGE 181, 149).

21

c) Allerdings gilt – ausnahmsweise – etwas anderes, wenn der dreimonatige Bezugszeitraum nicht geeignet ist, den Durchschnittsverdienst der Frau abzubilden. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn ihr Arbeitsverdienst in außergewöhnlichem Umfang monatlich schwankt (vgl. BeckOK ArbR/Dahm Stand 1. September 2025 MuSchG § 18 Rn. 16 f.; HK-MuSchG/Pepping 6. Aufl. MuSchG § 18 Rn. 38; HWK/C. W. Hergenröder 11. Aufl. § 18 MuSchG Rn. 6; zu § 11 MuSchG aF Buchner/Becker 8. Aufl. § 11 MuSchG aF Rn. 100 – jeweils mwN). In einer solchen Situation kann § 18 Satz 2 MuSchG unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks des Mutterschutzlohns, der Gesetzeshistorie sowie der Gesetzesbegründung extensiv dahingehend auszulegen sein, dass für die Berechnung des Mutterschutzlohns ein längerer Referenzzeitraum zugrunde zu legen ist (ausf. dazu BAG 31. Mai 2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 26 ff., BAGE 181, 149; zust. C. S. Hergenröder Anm. AP MuSchG 2018 § 18 Nr. 1; Krogull DB 2024, 598).

22

d) Ausgehend hiervon hat der Senat in einem Fall, in dem das – für die hiesige Klägerin ebenfalls bis zum 31. März 2023 maßgebende – Jahresarbeitszeitmodell „KA“ des TV SMK galt, entschieden, dass bei der Berechnung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts nach § 18 Satz 2 MuSchG ein zwölfmonatiger Referenzzeitraum zugrunde zu legen ist, weil die monatliche Vergütung der dortigen Klägerin im konkreten Fall sehr starken saisonalen Schwankungen unterworfen und der dreimonatige Bezugszeitraum daher nicht geeignet war, ihren Durchschnittsverdienst widerzuspiegeln (vgl. BAG 31. Mai 2023 – 5 AZR 305/22 – Rn. 26 ff., BAGE 181, 149). Entgegen der Annahme der Beklagten folgt hieraus aber nicht, dass damit bei allen Arbeitnehmerinnen, die entsprechend dem TV SMK im Modell „KA“ beschäftigt wurden, automatisch ein verlängerter Referenzzeitraum zugrunde zu legen ist. Eine Abweichung von den zeitlichen Vorgaben des § 18 Satz 2 MuSchG ist vielmehr nur dann zulässig und – im Hinblick auf die erforderliche Auslegung der Norm – geboten (ausf. dazu BAG 31. Mai 2023 – 5 AZR 305/22 – aaO), wenn im konkreten Fall aufgrund der in erheblichem Umfang monatlich schwankenden Vergütung ein dreimonatiger Referenzzeitraum nicht tauglich ist, um die „durchschnittliche“ Vergütung abzubilden, die zur wirtschaftlichen Absicherung als Mutterschutzlohn gezahlt werden soll. Der mit der dreimonatigen Frist verbundene Zweck, für Arbeitgeber eine einfache und handhabbare Bezugsgröße für die Ermittlung des Mutterschutzlohns zu schaffen, steht einer solchen – im Ausnahmefall vorzunehmenden – Einzelfallbetrachtung nicht entgegen. Die gesetzlichen Regelungen in § 21 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Nr. 2 MuSchG zeigen, dass auch im Übrigen besondere – einzelfallbezogene – Umstände bei der Berechnung des Durchschnittsverdiensts zu berücksichtigen sein können.

23

e) Ob es im Ausgangsfall bei dem gesetzlichen Referenzzeitraum der letzten drei Kalendermonate vor dem Eintritt der Schwangerschaft bleibt oder ob – wie von der Beklagten angenommen – § 18 Satz 2 MuSchG ausnahmsweise extensiv dahingehend auszulegen ist, dass für die Berechnung des Mutterschutzlohns der Klägerin ein Referenzzeitraum von zwölf Monaten zugrunde zu legen ist, lässt sich bislang nicht beurteilen.

24

aa) Entgegen der Annahme des Landesarbeitsgerichts lässt der Umstand, dass die in dem genannten tariflichen Teilzeitmodell beschäftigten Arbeitnehmerinnen „zur Überbrückung der Wintermonate“ seit dem 1. November 2019 in den Monaten November bis Februar eine Winterzulage iHv. monatlich 400,00 Euro brutto erhalten haben, nicht zwangsläufig den Schluss darauf zu, dass damit für diese stets der dreimonatige Referenzzeitraum gilt. Zwar ist die Winterzulage im Rahmen der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts nach § 18 Satz 2 MuSchG berücksichtigungsfähig, da es sich bei ihr nicht um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt iSv. § 23a SGB IV handelt, das nach § 21 Abs. 2 Nr. 1 MuSchG unberücksichtigt bleibt. Gemäß § 23a Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind einmalig gezahltes Arbeitsentgelt lediglich solche Zuwendungen, die nicht für die Arbeit in einem einzelnen Entgeltabrechnungszeitraum gezahlt werden. Die Winterzulage knüpft demgegenüber an den monatlichen Entgeltabrechnungszeitraum an. Trotz ihrer Zahlung kann aber je nach Lage des dreimonatigen Referenzzeitraums und nach Höhe der während der letzten zwölf Monate vor Beginn der Schwangerschaft von der Arbeitnehmerin erzielten variablen Vergütung nicht von vornherein und damit ausnahmslos angenommen werden, dass ein dreimonatiger Referenzzeitraum geeignet ist, den durchschnittlichen Verdienst der Frau widerzuspiegeln. Dies verdeutlicht der der Entscheidung des Senats vom 31. Mai 2023 (- 5 AZR 305/22 – BAGE 181, 149) zugrundeliegende Sachverhalt anschaulich.

25

bb) Für die Prüfung, ob – unter Berücksichtigung der sich aus § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG ergebenden Vorgaben – die monatliche Vergütung der Klägerin im konkreten Fall erheblichen saisonalen Schwankungen unterworfen war und daher der dreimonatige Bezugszeitraum ausnahmsweise nicht tauglich war, um das „durchschnittliche Arbeitsentgelt“ der Klägerin abzubilden, fehlt es an Feststellungen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar zu Recht angenommen, der Klägerin habe in dem dreimonatigen Referenzzeitraum nach § 18 Satz 2 MuSchG von November 2021 bis Januar 2022 neben dem verstetigten Festgehalt auch eine Winterzulage iHv. monatlich 400,00 Euro brutto zugestanden. Die von der Beklagten vorgenommenen Kürzungen der Winterzulage im Hinblick auf die Kurzarbeit in diesem Zeitraum sind nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG unbeachtlich. Unklar ist jedoch, ob bei der variablen Vergütung der Klägerin für Mehrflugstunden und Bordverkaufsprovision in diesen Monaten wegen der Kurzarbeit Kürzungen eingetreten sind, die nach § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG unberücksichtigt bleiben müssten. Gleiches gilt für die Höhe der Vergütung der Klägerin im Zeitraum von Februar bis Oktober 2021. Auch während dieses Zeitraums befand sich die Klägerin durchgehend in Kurzarbeit. Sie erzielte in keinem Monat Mehrflugstundenvergütung und lediglich in den Monaten August bis Dezember 2021 Provisionen in geringem Umfang. Demgegenüber betrug die variable Vergütung der Klägerin im letzten Jahr vor Beginn der Kurzarbeit bis zu 664,36 Euro brutto im Monat. Auch zum Umfang der von Februar 2021 bis Januar 2022 geleisteten Kurzarbeit und zur Höhe des der Klägerin – ohne die Kurzarbeit – monatlich insgesamt zu zahlenden Arbeitsentgelts fehlt es an Feststellungen. Ohne diese kann nicht beurteilt werden, ob der dreimonatige Referenzzeitraum ausnahmsweise nicht geeignet ist, den „durchschnittlichen Arbeitsverdienst“ der Klägerin abzubilden.

26

3. Die Revision der Beklagten ist auch hinsichtlich des von der Klägerin geltend gemachten höheren Zuschusses zum Mutterschaftsgeld im Sinne der Zurückweisung begründet. Insoweit tragen die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts die Höhe der zugesprochenen Forderungen ebenfalls nicht. Mangels ausreichender Feststellungen kann der Senat nicht endentscheiden, ob die Klage insoweit begründet ist.

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a) Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 MuSchG hat die Klägerin einen Anspruch auf Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Hiernach erhält eine Frau während ihres bestehenden Beschäftigungsverhältnisses für die Zeit der Schutzfristen vor und nach der Entbindung sowie für den Entbindungstag von ihrem Arbeitgeber einen Zuschuss zum Mutterschaftsgeld. Im Fall der Klägerin war hiernach – dem Grunde nach unstreitig – für die Zeit vom 15. Oktober 2022 bis zum 31. Januar 2023 der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld zu leisten.

28

b) Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 MuSchG wird als Zuschuss zum Mutterschaftsgeld der Unterschiedsbetrag zwischen 13,00 Euro und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt der letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist vor der Entbindung gezahlt. Darf die Arbeitnehmerin – wie vorliegend – während dieses dreimonatigen Referenzzeitraums aufgrund eines Beschäftigungsverbots nicht beschäftigt werden, besteht regelmäßig kein Anlass, diesen Referenzzeitraum zu verlängern. Anhaltspunkte, dass in diesen Fällen das vor der Schutzfrist nach § 20 Abs. 1 Satz 1 MuSchG durchschnittlich gezahlte Arbeitsentgelt nicht geeignet sein könnte, den durchschnittlichen Verdienst der Arbeitnehmerin widerzuspiegeln, bestehen typischerweise nicht, da die Arbeitnehmerin während dieser Zeit ihren bereits nach Maßgabe des § 18 Satz 2 MuSchG (ggf. im Wege seiner extensiven Auslegung) ermittelten durchschnittlichen Verdienst als Mutterschutzlohn erhält. Soweit sich aus der Entscheidung des Senats vom 31. Mai 2023 (- 5 AZR 305/22 – Rn. 43, BAGE 181, 149) etwas anderes ergibt, hält er daran nicht mehr fest.

29

III. Für das fortgesetzte Berufungsverfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

30

1. Das Landesarbeitsgericht wird zunächst festzustellen haben, ob ausnahmsweise zur Bestimmung des „durchschnittlichen Arbeitsentgelts“ nach § 18 Satz 2 MuSchG ein zwölfmonatiger Referenzzeitraum zugrunde zu legen ist. Hierfür ist die Höhe des festen als auch des variablen Arbeitsentgelts der Klägerin in den Monaten Februar 2021 bis Januar 2022 zu ermitteln, wobei etwaige Kürzungen infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis nach den Wertungen des § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG unberücksichtigt zu bleiben haben. Ggf. könnte auch eine Schätzung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts der Klägerin nach § 287 ZPO in Betracht kommen. Erst wenn danach die Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts entsprechend des § 21 Abs. 1 und 2 MuSchG nicht möglich ist, ist nach § 21 Abs. 3 MuSchG das durchschnittliche kalendertägliche Arbeitsentgelt einer vergleichbar beschäftigten Person zugrunde zu legen. Da die Beklagte sich auf die – nur im Ausnahmefall mögliche – Abweichung vom gesetzlichen Referenzzeitraum beruft, trägt sie die Darlegungs- und Beweislast für die eine Verlängerung dieses Zeitraums begründenden Tatsachen.

31

2. Soweit die Beklagte das Arbeitsentgelt der Klägerin in der Zeit von März 2019 bis Februar 2020 und damit vor Beginn der Kurzarbeit zur Berechnung des Mutterschutzlohns heranziehen will, ist zu beachten, dass die von der Beklagten behauptete Höhe der variablen Vergütung zwischen den Parteien in den Monaten September 2019 und November 2019 bis Februar 2020 im Streit steht. Ungeachtet dessen kann der Durchschnittswert dieses Zeitraums für die Ermittlung der hypothetisch verdienten variablen Vergütung auch nur dann zugrunde gelegt werden, wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass in dem Referenzzeitraum ohne die Kurzarbeit entsprechend viele Mehrflugstunden und Provisionen angefallen wären (vgl. zur Bestimmung der Vergütung eines freigestellten Betriebsratsmitglieds BAG 12. Juni 2024 – 7 AZR 141/23 – Rn. 37). Derartige Anhaltspunkte sind bislang weder vorgetragen noch erkennbar. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin vom 28. Mai bis zum 30. Juli 2019 sowie im August 2019 arbeitsunfähig erkrankt war. Etwaige Kürzungen des Arbeitsentgelts infolge dessen müssten entsprechend den Vorgaben des § 21 Abs. 2 Nr. 2 MuSchG im Rahmen der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts unberücksichtigt bleiben.

32

3. Nach Ermittlung der entsprechenden Vergütung wird das Landesarbeitsgericht zu entscheiden haben, ob es auch unter Berücksichtigung der Winterzulage zu außergewöhnlich starken – und im Verhältnis zur Gesamtvergütung erheblichen – Schwankungen der von der Klägerin nicht nur in einzelnen Monaten erzielten variablen Vergütung gekommen ist, die eine Ausdehnung des dreimonatigen Referenzzeitraums für den Mutterschutzlohn nach § 18 Satz 2 MuSchG auf einen Zwölfmonatszeitraum erfordern.

33

4. Für die Zeit ab dem 1. April 2023 wird das Landesarbeitsgericht außerdem zu prüfen haben, ob mit dem Wechsel der Klägerin von Teilzeit in Vollzeit eine dauerhafte Änderung der Entgelthöhe eingetreten ist und ob diese zu einer Änderung der Höhe des Anspruchs auf Mutterschutzlohn führt. Nach § 21 Abs. 4 Nr. 2 MuSchG ist bei einer dauerhaften Änderung der Höhe des Arbeitsentgelts die geänderte Arbeitsentgelthöhe bei der Ermittlung des durchschnittlichen Arbeitsentgelts für die Leistungen nach den §§ 18 bis 20 MuSchG zugrunde zu legen, und zwar ab Wirksamkeit der Änderung, wenn diese nach dem Berechnungszeitraum wirksam wird. Eine dauerhafte Änderung der Verdiensthöhe kann auch durch eine unbefristete Erhöhung der Wochenarbeitszeit in Betracht kommen (vgl. HK-MuSchG/Pepping 6. Aufl. MuSchG § 21 Rn. 36 f.). Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob die Arbeitszeiterhöhung der Klägerin zu einer solchen Änderung ihrer Entgelthöhe auch hinsichtlich der variablen Vergütung geführt hätte. Dabei ist ebenfalls zu beachten, dass die Klägerin seit dem 1. April 2023 keinen Anspruch mehr auf Zahlung einer Winterzulage hat.

34

5. Sollte das Landesarbeitsgericht zu der Auffassung gelangen, der Klägerin stehe für die geltend gemachten Zeiträume ein Anspruch auf Zahlung weiteren Mutterschutzlohns und eines höheren Zuschusses zum Mutterschaftsgeld zu, wird es hinsichtlich der begehrten Zinsen zu beachten haben, dass die Klägerin bislang nicht dargelegt hat, wann diese Ansprüche fällig wurden. Zudem wird zu berücksichtigen sein, dass Verzugszinsen erst ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit gemäß § 187 Abs. 1 BGB zu zahlen sind, wobei sich der Fälligkeitstag ggf. nach § 193 BGB verschieben kann (vgl. dazu nur statt vieler BAG 7. Februar 2024 – 5 AZR 177/23 – Rn. 48). Ein früherer Zinsbeginn als vom Landesarbeitsgericht ausgeurteilt kommt allerdings nicht in Betracht, weil die Klägerin gegen dessen insoweit abweisende Entscheidung kein Rechtsmittel eingelegt hat. Zudem hat das Arbeitsgericht im Tenor seiner stattgebenden Entscheidung offensichtlich vergessen, die von ihm zugesprochenen Zinsen auf die von der Klägerin begehrte Nachzahlung des Mutterschutzlohns für April 2022 iHv. 333,33 Euro aufzunehmen. Sollte sich ein Anspruch auf weiteren Mutterschutzlohn auch für diese Zeit ergeben, wird das Landesarbeitsgericht diese offensichtliche Unrichtigkeit des Tenors von Amts wegen zu berichtigen haben (§ 319 Abs. 1 ZPO).

35

IV. Im fortgesetzten Berufungsverfahren wird das Landesarbeitsgericht auch über die Kosten der Revision zu entscheiden haben.

        

    Ahrendt    

        

    Bubach    

        

    Neumann    

        

        

        

    Matthias Look    

        

    Ilgenfritz-Donné    

                 
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