5 AZR 48/22

Zuschuss zum Kurzarbeitergeld


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Details

  • Aktenzeichen

    5 AZR 48/22

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2022:121022.U.5AZR48.22.0

  • Art

    Urteil

  • Datum

    12.10.2022

  • Senat

    5. Senat

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. November 2021 – 6 Sa 315/21 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über einen höheren tariflichen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld.

2

Die Klägerin ist seit Juni 2017 bei der Beklagten als Einkäuferin beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit die Tarifverträge des Groß- und Außenhandels Nordrhein-Westfalen Anwendung. Die Tarifvertragsparteien schlossen am 26. März 2020 den „Tarifvertrag über befristete Erleichterungen bei der Kurzarbeit“ (iF TV Kurzarbeit), der befristet bis zum 31. Dezember 2020 die Regelungen zur Kurzarbeit in § 5 Manteltarifvertrag für Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Groß- und Außenhandel Nordrhein-Westfalen vom 28. Juni 2007 (iF MTV) durch § 3 TV Kurzarbeit ersetzte.

3

§ 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit normiert – mit identischem Wortlaut wie § 5 Nr. 3 Abs. 2 MTV – einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld wie folgt:

        

„Für die Dauer der Kurzarbeit erhält der betroffene Arbeitnehmer zum Kurzarbeitergeld einen Zuschuss des Arbeitgebers in Höhe von 16 % des durchschnittlichen Nettoentgelts der letzten 3 Kalendermonate. Die Gesamtbezüge dürfen 100 % des Nettoentgelts nicht überschreiten.“

4

Auf der Grundlage einer von der Beklagten mit ihrem Betriebsrat am 30. März 2020 geschlossenen Betriebsvereinbarung zur Einführung von konjunktureller Kurzarbeit war die Klägerin in den Monaten April bis Juni 2020 in Kurzarbeit, wegen der im April 44, im Mai 72 und im Juni 76 Arbeitsstunden ausfielen. Als Zuschuss zum Kurzarbeitergeld zahlte die Beklagte der Klägerin im April 118,62 Euro, im Mai 194,11 Euro und im Juni 204,89 Euro.

5

Den Zuschuss zum Kurzarbeitergeld berechnete die Beklagte folgendermaßen: Sie summierte die Nettoentgelte der Monate Januar bis März 2020 (8.795,62 Euro) und teilte sie durch 522 in diesem Zeitraum anfallende Arbeitsstunden. Von dem so ermittelten durchschnittlichen Nettostundenentgelt der letzten drei Monate (16,84 Euro) zahlte sie 16 % für jede durch Kurzarbeit ausgefallene Arbeitsstunde als Zuschuss zum Kurzarbeitergeld.

6

Die Klägerin hält diese Berechnungsweise für tarifwidrig und hat gemeint, der Zuschuss zum Kurzarbeitergeld nach § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit betrage unabhängig vom Umfang der von den Beschäftigten jeweils geleisteten Kurzarbeit stets 16 % des durchschnittlichen Nettoentgelts der letzten drei Kalendermonate, somit bei ihr 16 % aus 2.931,87 Euro (8.795,62 Euro : 3), also 469,10 Euro brutto monatlich, allerdings begrenzt durch das durchschnittliche Nettoentgelt der letzten drei Monate vor Beginn der Kurzarbeit.

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Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin – zuletzt im Wege der Leistungs- und hilfsweise der Feststellungsklage – ausgehend von ihrem Verständnis der Tarifnorm einen höheren Zuschuss zum Kurzarbeitergeld verlangt.

8

Die Klägerin hat zuletzt sinngemäß beantragt,

        

die Beklagte zu verurteilen,

        

1.    

an die Klägerin für April 2020 4.417,61 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Mai 2020 abzüglich gezahlter 4.067,13 Euro brutto, begrenzt auf einen Nettobetrag von 2.931,87 Euro zu zahlen;

        

2.    

an die Klägerin für Mai 2020 3.864,30 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Juni 2020 abzüglich gezahlter 3.589,31 Euro brutto, begrenzt auf einen Nettobetrag von 2.931,87 Euro zu zahlen;

        

3.    

an die Klägerin für Juni 2020 3.840,69 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Juli 2020 abzüglich gezahlter 3.576,48 Euro brutto, begrenzt auf einen Nettobetrag von 2.931,87 Euro zu zahlen;

        

4.    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin für April 2020 4.417,61 Euro brutto abzüglich gezahlter 4.067,13 Euro brutto, begrenzt auf einen Nettobetrag von 2.931,87 Euro zu zahlen;

        

5.    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 2. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin für Mai 2020 3.864,30 Euro brutto abzüglich gezahlter 3.589,31 Euro brutto, begrenzt auf einen Nettobetrag von 2.931,87 Euro zu zahlen;

        

6.    

hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet war, der Klägerin für Juni 2020 3.840,69 Euro brutto abzüglich gezahlter 3.576,48 Euro brutto, begrenzt auf einen Nettobetrag von 2.931,87 Euro zu zahlen;

        

7.    

äußerst hilfsweise für den Fall, dass sämtliche vorgenannten Anträge als unzulässig abgewiesen werden, festzustellen, dass die Beklagte ab dem 1. April 2020 verpflichtet war, in Zeiten der im Betrieb eingeführten Kurzarbeit der Klägerin einen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld gemäß § 3 Nr. 3 Abs. 2 des Tarifvertrags über die befristete Erleichterung der Kurzarbeit vom 26. März 2020 zu gewähren, der dergestalt zu berechnen ist, dass in einem ersten Schritt das durchschnittliche Nettoentgelt der der Kurzarbeit vorangegangenen drei Kalendermonate bestimmt und in einem zweiten Schritt hieraus der 16 %-ige Zuschuss, der der Höhe nach inklusive verbleibendem Bruttogehalt und Kurzarbeitergeld auf 100 % des durchschnittlichen Nettoentgelts der der Kurzarbeit vorangegangenen drei Kalendermonate beschränkt ist, zu ermitteln.

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Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, sie habe den Zuschuss zum Kurzarbeitergeld nach § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit zutreffend berechnet.

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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter, während die Beklagte die Zurückweisung der Revision beantragt.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.

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I. Die Klage ist nur in den hilfsweise gestellten Feststellungsanträgen zu 4. bis 6. zulässig. Den Leistungsanträgen hingegen mangelt es, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, an hinreichender Bestimmtheit.

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1. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO verlangt, dass die Klageschrift neben der bestimmten Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs auch einen bestimmten Antrag enthält. Dieser muss die Leistungspflicht des Beklagten so genau bezeichnen, dass er der Zwangsvollstreckung zugänglich ist und eine eventuelle Zwangsvollstreckung nicht mit einer Fortsetzung des Streits im Vollstreckungsverfahren belastet wird (allgA, vgl. nur BAG 27. April 2021 – 2 AZR 342/20 – Rn. 19, BAGE 174, 351; BGH 21. November 2017 – II ZR 180/15 – Rn. 8; Zöller/Greger ZPO 34. Aufl. § 253 Rn. 13; Thomas/Putzo/Seiler ZPO 43. Aufl. § 253 Rn. 11 – jeweils mwN).

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2. Dieser Anforderung genügen die Zahlungsanträge der Klägerin nicht. In der von der Klägerin formulierten Fassung sind sie nicht vollstreckbar. Bei einer Verurteilung wäre unklar, welchen konkreten Eurobetrag der Gerichtsvollzieher einziehen soll. Denn aus dem Tenor wäre nur ersichtlich, welchen weiteren Bruttobetrag die Klägerin für die jeweiligen Monate maximal beansprucht, nicht jedoch, ob bei diesem oder bei welchem anderen, niedrigeren zusätzlichen Bruttobetrag der begrenzende Nettobetrag von 2.931,87 Euro nicht (mehr) überschritten wird. Damit würde der Streit der Parteien in die Vollstreckung verlagert werden. Um dies zu vermeiden, hätte die Klägerin ausgehend von den ihr erteilten Lohnabrechnungen – ggf. mit Hilfe eines Steuerberaters – abklären müssen, bei welchem Differenzbetrag die tarifliche Nettoentgelt-Obergrenze nicht mehr überschritten wird (zu den Voraussetzungen der Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit von vom Arbeitgeber im Streitzeitraum gezahlter Zuschüsse zum Kurzarbeitergeld sh. § 3 Nr. 28a EStG, § 1 Nr. 8 SvEV). Den für die streitbefangenen Monate so ermittelten (Differenz-)Bruttobetrag hätte die Klägerin im Wege der Leistungsklage den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entsprechend beantragen können.

15

3. Die wegen der Unzulässigkeit der Leistungsanträge zur Entscheidung anfallenden Hilfs-Feststellungsanträge zu 4. bis 6. sind nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig.

16

a) Mit ihnen begehrt die Klägerin die Klärung des Umfangs der die Beklagte in den streitbefangenen Monaten treffenden Zahlungspflicht. Obwohl sie in die Vergangenheit gerichtet sind, besteht für die Feststellungsanträge der von § 256 Abs. 1 ZPO verlangte Gegenwartsbezug und das erforderliche Feststellungsinteresse. Denn die Klägerin erstrebt gegenwärtige rechtliche Vorteile in Form eines höheren Zuschusses zum Kurzarbeitergeld (vgl. BAG 15. Oktober 2021 – 6 AZR 268/20 – Rn. 11; 26. April 2022 – 9 AZR 228/21 – Rn. 14 – jeweils mwN).

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b) Der grundsätzliche Vorrang der Leistungsklage greift nicht, weil durch die Feststellungsklage eine sachgemäße, einfache und auf den Streit der Parteien über die Auslegung des § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit konzentrierte Klärung ermöglicht wird (vgl. BAG 25. Januar 2022 – 3 AZR 406/21 – Rn. 26 mwN). Es ist auch nicht erkennbar, dass sich die Beklagte im Falle des Unterliegens der Zahlung eines weiteren Zuschusses zum Kurzarbeitergeld verschließen werde, zumal sie in der Berufungsverhandlung zu Protokoll erklärt hat, sie werde sich an ein zu ihren Lasten ergehendes rechtskräftiges Urteil halten.

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II. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte hat den Anspruch der Klägerin auf Zuschuss zum Kurzarbeitergeld nach § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit im streitbefangenen Zeitraum durch Zahlung vollständig erfüllt (§ 362 Abs. 1 BGB). Die Auslegung der Tarifnorm ergibt, dass die Beklagte den Zuschuss richtig berechnete. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

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1. Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, die in der Revisionsinstanz in vollem Umfang überprüfbar ist, folgt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Danach ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen, ohne am Buchstaben zu haften. Dabei sind der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der Sinn und Zweck der Tarifnorm mit zu berücksichtigen, soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben. Auch auf den tariflichen Gesamtzusammenhang ist abzustellen. Verbleiben noch Zweifel, können ohne Bindung an eine Reihenfolge weitere Kriterien wie die Entstehungsgeschichte des Tarifvertrags, ggf. auch die praktische Tarifübung ergänzend herangezogen werden. Mit zu berücksichtigen ist ferner die Praktikabilität denkbarer Auslegungsergebnisse. Im Zweifel gebührt derjenigen Tarifauslegung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, zweckorientierten und praktisch brauchbaren Regelung führt (st. Rspr., zB BAG 19. Februar 2020 – 5 AZR 179/18 – Rn. 16; 13. Oktober 2021 – 4 AZR 365/20 – Rn. 21 – jeweils mwN).

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2. Entgegen der Auffassung der Revision ist der Wortlaut des § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit nicht im Sinne ihres Verständnisses der Tarifnorm eindeutig. Vielmehr lässt der Wortlaut, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat, sowohl die Berechnungsmethode der Beklagten als auch die der Klägerin zu.

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a) Nach dem Wortlaut des § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit soll der von Kurzarbeit „betroffene Arbeitnehmer“ – also derjenige, der einen Arbeits- und damit Verdienstausfall durch Kurzarbeit erleidet – „für die Dauer der Kurzarbeit“, also solange und soweit der betroffene Arbeitnehmer Kurzarbeit leistet, eine bestimmte finanzielle Leistung des Arbeitgebers erhalten. Für deren Höhe sehen die Tarifvertragsparteien „16 % des durchschnittlichen Nettoentgelts der letzten 3 Kalendermonate“ vor, ohne ausdrücklich klarzustellen, ob die Leistung unabhängig vom Umfang der vom betroffenen Arbeitnehmer geleisteten Kurzarbeit gewährt werden soll oder an diesen anknüpft.

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b) Die vom Arbeitgeber zu gewährende Leistung ist allerdings schon nach dem Wortlaut der Tarifnorm nicht gänzlich unabhängig vom Umfang der von den betroffenen Arbeitnehmern zu leistenden Kurzarbeit. Denn sie wird als „Zuschuss zum Kurzarbeitergeld“ bezeichnet. Bei dieser Einordnung der tariflichen Leistung liegt die Annahme nicht fern, dass der Zuschuss in seiner Summe umso höher sein soll, je größer der Verdienstausfall der betroffenen Arbeitnehmer durch die Kurzarbeit ist. Dagegen führt das Wortlautverständnis der Klägerin dazu, dass der Zuschuss umso höher ist, je weniger Kurzarbeit geleistet wird. So berechnet sie bei 44 Stunden Kurzarbeit im Monat April 2020 einen weiteren Zuschuss von 350,48 Euro, während für 72 Stunden Kurzarbeit im Mai 2020 nur 274,99 Euro und für 76 Stunden Kurzarbeit im Juni 2020 nur 264,21 Euro als weiterer Zuschuss anfallen sollen.

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c) Außerdem darf bei der Exegese des Wortlauts nicht außer Betracht bleiben, dass die Tarifvertragsparteien mit § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit keinen „neuen Text“ geschaffen, sondern einen seit Jahrzehnten in den einschlägigen Manteltarifverträgen enthaltenen Wortlaut unverändert übernommen haben. Weil sich zum Zeitpunkt der Entstehung des in § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit übernommenen Tariftextes das Kurzarbeitergeld nach den Ausfallstunden bemessen hat, bestand für die damaligen Tarifvertragsparteien bei der Regelung eines Zuschusses zum Kurzarbeitergeld kein Anlass, eine entsprechende – klarstellend verdeutlichende – Formulierung in die Tarifnorm aufzunehmen.

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3. Entscheidend sprechen aber Sinn und Zweck des tariflichen Zuschusses zum Kurzarbeitergeld für die von der Beklagten für die Ermittlung von dessen Höhe angewandte Berechnungsmethode.

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a) Durch die Kurzarbeit und den mit ihr verbundenen Arbeitsausfall erleiden die betroffenen Arbeitnehmer Verdiensteinbußen, denn die Sozialversicherungsleistung Kurzarbeitergeld gleicht seit jeher die durch Kurzarbeit bedingte Verdienstminderung nicht vollständig aus. In dieser Situation soll der tarifliche Zuschuss zum Kurzarbeitergeld durch eine zusätzliche finanzielle Leistung des Arbeitgebers die Verdiensteinbuße abmildern. Von diesem Zweck ausgehend liegt es nahe, dass der vom Arbeitgeber zu gewährende Zuschuss zum Kurzarbeitergeld umso höher sein soll, je größer die Verdiensteinbuße des Arbeitnehmers durch die Kurzarbeit ist, also je mehr Arbeitsstunden durch die Kurzarbeit ausfallen. Der tarifliche Zuschuss zum Kurzarbeitergeld knüpft damit an die Berechnung des Kurzarbeitergeldes an, die zwar nicht mehr unmittelbar wie früher in § 86 Abs. 1 AFG auf die „Ausfallstunden“, sondern nach § 105 SGB III auf die „Nettoentgeltdifferenz“ abstellt. Das Kurzarbeitergeld wird aber nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB III „für den Arbeitsausfall“ geleistet, so dass für dessen Höhe gleichwohl mittelbar die durch die Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitsstunden und die dadurch verursachte Verdienstminderung maßgeblich sind.

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b) Deshalb liegt die Annahme der Revision, die Tarifvertragsparteien hätten gleichsam einen „einheitlichen Zuschuss“ für alle Betroffenen unabhängig davon, wie viele Arbeitsstunden bei den einzelnen Arbeitnehmern jeweils durch Kurzarbeit ausfallen, gewähren wollen, fernliegend. Die Berechnungsmethode der Klägerin führt letztlich dazu, dass unabhängig vom Umfang der jeweils geleisteten Kurzarbeit allen Beschäftigten, die von Kurzarbeit betroffen sind, das durchschnittliche Nettoentgelt der der Kurzarbeit vorangehenden drei Monate im Wesentlichen erhalten bliebe. Wäre dies der tatsächliche Wille der Tarifvertragsparteien gewesen, hätten sie das entsprechend klar und eindeutig formulieren können und müssen.

27

c) Das Verständnis des § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit dahingehend, der dort vorgesehene Zuschuss beziehe sich auf die durch Kurzarbeit bei den betroffenen Arbeitnehmern jeweils ausgefallenen Arbeitsstunden, führt – wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat – zu einer praktisch brauchbaren und vor allem auch sachgerechten Regelung.

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aa) Praktisch brauchbar deshalb, weil die bei den jeweils betroffenen Arbeitnehmern durch die Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitsstunden feststehen und der Zuschuss zum Kurzarbeitergeld rechnerisch einfach und ohne viel Abrechungsaufwand ermittelt werden kann. Die Auslegung der Tarifnorm durch die Klägerin führt hingegen zu einem für die betriebliche Praxis erheblichen Berechnungsaufwand, weil nicht ohne weiteres ersichtlich ist, bei welcher Höhe des Zuschusses die Netto-Obergrenze des § 3 Nr. 3 Abs. 2 Satz 2 TV Kurzarbeit nicht (mehr) überschritten wird.

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bb) Die Anknüpfung des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld an den Umfang der Kurzarbeit, also die durch sie ausgefallenen Arbeitsstunden, ist auch sachgerecht. Sie knüpft an die individuellen Verdiensteinbußen der von der Kurzarbeit Betroffenen an und ist damit geeignet, die Akzeptanz der Regelung bei den Tarifunterworfenen zu stärken. Dagegen würde das Verständnis der Revision dazu führen, den betroffenen Arbeitnehmern unabhängig vom Umfang der von ihnen geleisteten Kurzarbeit weitgehend das durchschnittliche Nettoentgelt der der Kurzarbeit vorangehenden drei Monate zu erhalten. Ein dahingehender Wille der Tarifvertragsparteien hat aber im TV Kurzarbeit keinen Niederschlag gefunden, zumal die Tarifvertragsparteien in § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit nur einen seit Jahrzehnten in den einschlägigen Manteltarifverträgen existierenden Text übernommen haben und die Klägerin nicht vorgebracht hat, ihre Auslegung entspräche einem seit langem vorherrschenden Verständnis des übernommenen Textes oder einer entsprechenden praktischen Tarifübung.

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4. Das gefundene Auslegungsergebnis wird bestätigt von der vom Landesarbeitsgericht herausgearbeiteten Tarifhistorie.

31

Die Tarifvertragsparteien haben im März 2020 im TV Kurzarbeit für die Regelung des Zuschusses zum Kurzarbeitergeld auf einen erstmals in den achtziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts formulierten Text zurückgegriffen, der unverändert in § 3 Nr. 3 Abs. 2 TV Kurzarbeit übernommen wurde. Zum damaligen Zeitpunkt bemaß sich das Kurzarbeitergeld nach § 68 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 AFG idF vom 22. Dezember 1981 nach den Ausfallstunden und betrug 68 % des um die gesetzlichen Abzüge, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen, verminderten Arbeitsentgelts. Damit bestand eine rechnerische Differenz zum Nettoentgelt von 32 %, die die Tarifvertragsparteien offensichtlich hälftig auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer verteilten, indem sie die Höhe des Zuschusses des Arbeitgebers auf 16 % des durchschnittlichen Nettoentgelts der letzten drei Monate vor der Kurzarbeit festlegten. An dem ursprünglichen Tarifwortlaut hielten die Tarifvertragsparteien trotz der Änderungen im Recht des Kurzarbeitergeldes auch in § 5 MTV vom 28. Juni 2007, der durch § 3 TV Kurzarbeit befristet ersetzt werden sollte (§ 2 TV Kurzarbeit), fest. Auch das spricht dafür, dass – wie in der Vergangenheit – der tarifliche Zuschuss zum Kurzarbeitergeld an der Verdiensteinbuße infolge des Umfangs der Kurzarbeit anknüpfen soll und bezogen auf die durch die Kurzarbeit beim jeweils betroffenen Arbeitnehmer ausgefallenen Arbeitsstunden zu bemessen ist.

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5. Weil ein Anspruch auf einen höheren tariflichen Zuschuss zum Kurzarbeitergeld nicht entstanden ist, kommt es entscheidungserheblich nicht darauf an, ob ein solcher auch für den Monat April 2020 innerhalb der Ausschlussfristen des § 15 Nr. 2 MTV rechtzeitig schriftlich geltend gemacht wurde.

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III. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.

        

    Linck    

        

    Volk    

        

    Biebl    

        

        

        

    Menssen    

        

    Rahmstorf