Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Juli 2023 – 8 Sa 512/22 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die (Be-)Förderung des Klägers zum Kapitän und die dabei anzuwendenden tarifvertraglichen Senioritätsregelungen. Nach der Seniorität, einer branchenspezifischen Art der Betriebszugehörigkeit, richtet sich in Luftverkehrsunternehmen typischerweise die Reihenfolge bei der Besetzung ausgeschriebener Schulungen zum Kapitän (sog. Förderung bzw. Upgrading), aber auch – neben weiteren Kriterien – bei der Berücksichtigung von Urlaubsanträgen sowie der Vergabe bestimmter freier Tage.
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Der Kläger ist im Anschluss an seine Tätigkeit als First Officer (Co-Pilot) bei der Air Berlin PLC & Co. Luftverkehrs KG (im Folgenden Air Berlin) nunmehr bei der Beklagten, die durch formwechselnde Umwandlung aus der Eurowings Luftverkehrs AG entstand, in gleicher Funktion beschäftigt. Seinen ersten kommerziellen Flug für die Beklagte erbrachte er am 24. Oktober 2017.
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In dem nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts im Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendenden „Tarifvertrag Karriere … für das Cockpitpersonal der Eurowings“ (im Folgenden TV Karriere) finden sich ua. Regelungen für die Förderung zum Kapitän. Dieser Tarifvertrag trat ausweislich seines § 10 Abs. 1 mit seiner Unterzeichnung am 22. September 2021 in Kraft und ersetzte nahtlos den bis dahin geltenden „Tarifvertrag Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG“ vom 29. April 2008 (im Folgenden TV WeFö). Daneben galt der „Tarifvertrag Wachstum für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings GmbH“ vom 18. Dezember 2017 (im Folgenden TV Wachstum). Dieser enthielt ua. besondere Auswahlverfahrens-, Eingruppierungs- sowie Einstufungsregelungen für im Zeitraum Herbst 2017 bis Dezember 2018 eingestellte Beschäftigte des Cockpitpersonals. Die Beklagte stellte im vorgenannten Zeitraum ca. 300 Cockpitmitarbeiter von der ehemaligen Air Berlin nach den Maßgaben des TV Wachstum ein. Wegen des Inhalts der im vorliegenden Verfahren relevanten Bestimmungen dieser drei Tarifverträge nimmt der Senat Bezug auf deren Wiedergabe im führenden Parallelverfahren – 6 AZR 131/23 – Rn. 3 ff.
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Noch auf Grundlage des TV WeFö erstellte die Beklagte am 1. Juli 2021 eine endgültige Senioritätsliste. Am 3. Dezember 2021 veröffentlichte die Beklagte eine auf Grundlage des TV Karriere erstellte vorläufige Senioritätsliste und am 9. März 2022 eine endgültige Senioritätsliste. Der Kläger war in den Senioritätslisten auf der Grundlage der Kriterien des TV Karriere schlechter platziert als auf derjenigen nach den Kriterien des TV WeFö.
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Bereits am 29. November 2021 hatte die Beklagte eine innerbetriebliche Stellenausschreibung veröffentlicht, der zufolge sie zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän mit Ausbildungsbeginn 3. Januar 2022 suchte. Die Auswahl sollte nach Seniorität gemäß § 5 Abs. 3 TV Karriere erfolgen. Der Kläger bewarb sich hierauf. Er erfüllte die in der Stellenbeschreibung benannten sonstigen Anforderungen.
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Mit den am 6. bzw. 13. Dezember 2021 veröffentlichten innerbetrieblichen Stellenausschreibungen suchte die Beklagte nach weiteren jeweils zwölf Co-Piloten für das Upgrading zum Kapitän. In den vorgenannten Stellenausschreibungen führte die Beklagte aus, dass die Auswahl wiederum nach Seniorität erfolge und erfolglose Bewerbungen von Mitarbeitern auf die vorangegangene Stellenausschreibung mitberücksichtigt würden. Der Kläger erfüllte die in den Stellenausschreibungen jeweils benannten sonstigen Anforderungen.
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Die Beklagte besetzte alle in den genannten Stellenausschreibungen ausgeschriebenen Stellen mit auf der Grundlage der vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 ausgewählten und nachfolgend über ca. zwei Monate mit erfolgreicher Prüfung ausgebildeten Bewerbern. Den Kläger berücksichtigte die Beklagte nicht.
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Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei verpflichtet, seine Seniorität bei künftigen (Be-)Förderungsmaßnahmen vom First Officer zum Kapitän nach den Kriterien des TV WeFö zu ermitteln. Jedenfalls dürfe sie nicht die Senioritätsliste auf Grundlage der Kriterien des TV Karriere anwenden, soweit sein Senioritätsstatus hierdurch beeinträchtigt werde. Er meint, der damalige Flugbetriebsleiter Herr S habe im Rahmen eines einwöchigen Operator Conversion Course (OCC) im September 2017 beim Wechsel des Klägers und fünf weiterer Kollegen von Air Berlin zur Beklagten eine vertragliche Zusage dahingehend erteilt, dass Bestandsschutz für die Einordnung in die Senioritätsliste nach Maßgabe des TV WeFö bestehe. Dies habe sich durch die vom Landesarbeitsgericht durchgeführte Beweisaufnahme in Form der Zeugeneinvernahme des Herrn S bestätigt. Insoweit habe das Berufungsgericht aber eine abschließende Beweiswürdigung unterlassen.
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Jedenfalls habe die Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 der Auswahlentscheidung deshalb zugrunde gelegt werden müssen, weil die Regelungen des TV Karriere gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstießen und dieser vollständig, jedenfalls aber teilweise unwirksam sei, so dass der TV WeFö weitergelte. Es fehle bereits an einem sachlichen Differenzierungskriterium. Die von den Tarifvertragsparteien getroffene Gruppenbildung erweise sich objektiv als willkürlich. Zudem sei es nicht sachgerecht, zur Ermittlung der Seniorität unterschiedliche Anknüpfungspunkte zu wählen und bei der Beschäftigtengruppe 2 von der Nichtberücksichtigung der Vorbeschäftigungszeiten bei anderen Arbeitgebern abzurücken, um sodann für die Beschäftigten der Gruppe 3 wieder zu diesem Grundsatz zurückzukehren. Schließlich verstoße die Neuregelung der Senioritätsreihenfolge durch den TV Karriere gegen das Rückwirkungsverbot und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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Der Kläger hat zuletzt sinngemäß beantragt,
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festzustellen, dass bei künftigen Förderungsmaßnahmen vom sog. „First Officer“ zum Kapitän hinsichtlich des Klägers die Senioritätskriterien auf Grundlage des Tarifvertrags „Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG“ vom 29. April 2008 Anwendung finden; |
2. |
hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Klageantrag zu 1. festzustellen, dass die Beklagte bei der Auswahlentscheidung zu künftigen Förderungsmaßnahmen vom sog. „First Officer“ zum Kapitän die Senioritätskriterien der Anlage 1 zum Tarifvertrag Karriere vom 22. September 2021 nicht anwenden darf, soweit hierdurch der Senioritätsstatus des Klägers aus dem Tarifvertrag „Wechsel und Förderung für die Beschäftigten des Cockpitpersonals der Eurowings Luftverkehrs AG“ vom 29. April 2008 beeinträchtigt wird. |
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Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anwendung der Senioritätsliste auf Grundlage des TV WeFö bei künftigen (Be-)Förderungen. Eine Zusage von Bestandsschutz hinsichtlich der Einordnung des Klägers in die Senioritätsliste der Beklagten sei nicht erfolgt. Die (Be-)Förderungen anhand der hierfür maßgeblichen vorläufigen Senioritätsliste vom 3. Dezember 2021 seien rechtmäßig erfolgt. Infolge der vollständigen Ersetzung des TV WeFö durch den TV Karriere am 22. September 2021 sei die Senioritätsliste vom 1. Juli 2021 nicht mehr anzuwenden gewesen. Dies entspreche auch der von den Tarifvertragsparteien mit dem TV Karriere beabsichtigten Neuregelung der Seniorität.
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Der TV Karriere sei auch wirksam. Ziel des vor dem Hintergrund der Sondersituation der Insolvenz der Air Berlin geschlossenen TV Wachstum sei es gewesen, ein geordnetes Verfahren zu schaffen, das die Rekrutierung einer dreistelligen Zahl von Piloten in kurzer Zeit und in einem breiten „Erfahrungsmix“ ermöglicht habe. Mit den Neuregelungen zur Seniorität im TV Karriere sei eine Neuordnung des nach den Maßgaben des TV Wachstum eingestellten Personals bezweckt. Die ausschließliche Anknüpfung an die „Betriebszugehörigkeit“ sei nur dann angemessen, wenn der Flugbetrieb organisch wachse. Weil das Wachstum zwischen dem 1. September 2017 und dem 31. Dezember 2018 aber in einer großen Welle erfolgt sei und erfahrene Piloten betroffen habe, sei es sachgerecht, für Neuzugänge in dieser Phase weitere Kriterien – wie die Berufserfahrung – heranzuziehen. Es sei nicht angemessen, diese Cockpitmitarbeiter trotz relevanter Flugerfahrung wie Berufsanfänger zu behandeln.
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Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen.
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I. Der Hauptantrag des Klägers auf Feststellung der Anwendung der Senioritätskriterien des TV WeFö hat keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung, bei künftigen (Be-)Förderungsmaßnahmen vom First Officer zum Kapitän nach diesen Senioritätskriterien bewertet zu werten, weder aufgrund einer Zusage noch aufgrund einer Unwirksamkeit des TV Karriere. Die Rügen des Klägers, das Landesarbeitsgericht habe den zu seinen Gunsten zugrunde gelegten Sachverhalt unzutreffend gewürdigt, haben keinen Erfolg. Die Wertungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte muss ihre Auswahlentscheidungen auch nicht anhand der Senioritätskriterien des TV WeFö, sondern darf sie anhand der Senioritätskriterien des rechtswirksamen TV Karriere treffen. Zur Begründung nimmt der Senat Bezug auf seine Ausführungen in den Parallelverfahren – 6 AZR 252/23 – Rn. 27 ff. und – 6 AZR 131/23 – Rn. 33 ff.
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II. Aus den gleichen Gründen ist der dem Senat zur Entscheidung angefallene Hilfsantrag auf Feststellung unbegründet.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
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Spelge |
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Heinkel |
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Volk |
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M. Geyer |
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Claudia Nienaber |