8 AZB 7/25

Zwangsvollstreckung - Beschlussverfahren

Details

  • Aktenzeichen

    8 AZB 7/25

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2025:220925.B.8AZB7.25.0

  • Art

    Beschluss

  • Datum

    22.09.2025

  • Senat

    8. Senat

Tenor

Die Rechtsbeschwerden des Gläubigers und der Schuldnerin gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Februar 2025 – 1 Ta 671/24 – werden zurückgewiesen.

Entscheidungsgründe

1

I. Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Ordnungsgelds nach § 890 Abs. 1 ZPO.

2

Die Schuldnerin (im Folgenden Arbeitgeberin) ist ein großer kommunaler Klinikträger. Der Gläubiger (im Folgenden Betriebsrat) ist der für sämtliche von der Arbeitgeberin betriebenen Krankenhäuser gebildete, aus 71 Mitgliedern bestehende Betriebsrat. Innerhalb des Betriebsrats sind mehrere Bereichsausschüsse gebildet.

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Durch Beschluss vom 12. Juli 2019 (- 2 TaBV 908/19 -) verpflichtete das Landesarbeitsgericht die Arbeitgeberin auf der Grundlage des allgemeinen Unterlassungsanspruchs nach § 87 Abs. 1 BetrVG, es zu unterlassen,

        

„bezüglich ihrer Beschäftigten – mit Ausnahme von leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärzt*innen sowie Beschäftigten, die mittels Personalgestaltung [gemeint: Personalgestellung] bei einem anderen Unternehmen tätig sind – im Rahmen der erstmaligen Erstellung von Monatsdienstplänen oder ohne Dienstpläne Arbeitsleistungen anzuordnen oder mit ihnen zu vereinbaren oder Arbeitsleistungen durch Beschäftigte zu dulden, sofern nicht der Betriebsrat bezogen auf eine solche Anordnung, Vereinbarung oder Duldung von Arbeitsstunden, bezogen auf Beginn und Ende der für diese maßgeblichen täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zuvor zugestimmt hat oder seine fehlende Zustimmung durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist“,

und drohte für jeden Tag und für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 Euro an. Der Unterlassungstitel wurde der Arbeitgeberin von Amts wegen zugestellt und dem Betriebsrat wurde eine vollstreckbare Ausfertigung mit Vollstreckungsklausel erteilt.

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In einem weiteren Verfahren war der Arbeitgeberin mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2016, verkündet am 22. Juli 2016 (- 23 TaBV 508/16 -) aufgegeben worden, es zu unterlassen,

        

„bezüglich ihrer Beschäftigten – mit Ausnahme von leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG, Chefärztinnen/Chefärzten sowie Beschäftigten, die mittels Personalgestellung bei einem anderen Unternehmen tätig sind – in Abweichung von einem mitbestimmten Dienstplan Arbeitsleistungen gegenüber Beschäftigten anzuordnen oder mit ihnen zu vereinbaren oder Arbeitsleistungen durch Beschäftigte zu dulden, sofern nicht der Betriebsrat der nachträglichen Änderung des Dienstplans – bezogen auf eine solche Anordnung, Vereinbarung oder Duldung von Arbeitsstunden – zugestimmt hat oder seine fehlende Zustimmung zu einer nachträglichen Änderung eines mitbestimmten Dienstplanes durch Spruch der Einigungsstelle ersetzt worden ist.“

5

Am 27. Juli 2022 legte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat den Entwurf eines Dienstplans für die Abteilung ANA-FKD eines Klinikums für August 2022 vor. Der für dieses Klinikum zuständige Bereichsausschuss des Betriebsrats teilte unter dem 1. August 2022 seine Ablehnung mit. Eine Einigungsstelle wurde nicht angerufen.

6

Mit Antrag vom 17. November 2023 hat der Betriebsrat die Festsetzung eines Ordnungsgelds beantragt. Er hat die Auffassung vertreten, die Arbeitgeberin habe schuldhaft gegen ihre Unterlassungspflicht verstoßen, indem sie im Rahmen der erstmaligen Erstellung des Monatsdienstplans für August 2022 der Abteilung ANA-FKD in dem Klinikum gegenüber dem dort beschäftigten Personal in 396 Fällen Arbeitsleistungen angeordnet bzw. vereinbart oder geduldet habe. Der Betriebsrat habe einer solchen Anordnung, Vereinbarung oder Duldung von Arbeitsstunden bezogen auf Beginn und Ende der für diese maßgeblichen täglichen Arbeitszeiten einschließlich der Pausen sowie der Verteilung der Arbeitszeiten zuvor nicht zugestimmt. Es komme fortlaufend zu neuen Verstößen. Allein für die Zeit bis November 2022 sei inzwischen für 8.198 Verstöße ein Ordnungsgeld beantragt worden. Hinsichtlich vieler weiterer Verstöße werde ein Ordnungsgeldverfahren vorbereitet. Um eine Stilllegung des Klinikbetriebs gehe es dabei ersichtlich nicht und dieser Aspekt dürfe deswegen für die Bemessung des Ordnungsgelds keine Rolle spielen. Angemessen sei jedenfalls ein Ordnungsgeld von 1.000,00 Euro je Verstoß, dh. insgesamt 396.000,00 Euro. Hinzu komme ein weiterer Betrag iHv. 45.000,00 Euro. Dieser ergebe sich aus 15 Abweichungen von abgestimmten Soll-Dienstplänen, die Verstöße gegen die Pflicht zur Gewährung von Ruhepausen zur Folge gehabt hätten. Für jede dieser 15 Abweichungen sei ein Ordnungsgeld iHv. 3.000,00 Euro festzusetzen. Dies überfordere die Arbeitgeberin nicht. Ihr Umsatz habe sich in den Jahren 2023 und 2024 auf jeweils ca. 1,5 Mrd. Euro belaufen. Ein erörtertes Ordnungsgeld von 100,00 Euro pro Mitbestimmungsverstoß erscheine demgegenüber verschwindend gering. Die Arbeitgeberin habe sich auch durch ein zuvor vom Gericht in Form von Vergleichsvorschlägen in Aussicht gestelltes Ordnungsgeld von 1.000,00 Euro pro Verstoß nicht beeindrucken lassen.

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Der Betriebsrat hat beantragt,

        

gegen die Arbeitgeberin wegen Zuwiderhandlung gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 12. Juli 2019 (- 2 TaBV 908/19 -) ein Ordnungsgeld festzusetzen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, einen Betrag iHv. insgesamt 441.000,00 Euro jedoch nicht unterschreiten sollte.

8

Die Arbeitgeberin ist dem Antrag entgegengetreten. Sie bemühe sich nach Kräften, eine Umsetzung von Dienstplänen ohne Zustimmung des Betriebsrats zu vermeiden. Sie habe eine Verfahrensanweisung zur Durchführung des Mitbestimmungsprozesses erlassen und ein Controllingsystem eingeführt. In der Zeit von Juni 2023 bis Juni 2024 habe sie monatlich zwischen 75 und 130 Dienstpläne in Einigungsstellen verhandelt und für Einigungsstellenvorsitzende und anwaltliche Begleitung des Betriebsrats rund 240.000,00 Euro aufgewandt. Soweit sie trotz ihrer erheblichen Bemühungen im Einzelfall keine Zustimmung des Betriebsrats zum Dienstplan erlangen könne, sei sie aufgrund des Versorgungsauftrags und zur Abwendung von Schaden für Leib und Leben der Patientinnen und Patienten verpflichtet, den Arbeitseinsatz dennoch anzuordnen. Angesichts des strukturierten und laufend überwachten Prozesses der Mitbestimmung bei Dienstplänen und der Durchführung von Einigungsstellen sei der Zweck des Ordnungsgelds bereits erreicht. Jedenfalls sei eine Höhe des Ordnungsgelds von 1.000,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung nicht ansatzweise erforderlich, um das gewünschte Verhalten zu erreichen. Aktuell seien monatlich 695 Dienstpläne zu vereinbaren. Nur in einer verschwindend geringen Anzahl von Fällen sei es nicht gelungen, die Zustimmung des Betriebsrats zu erlangen oder von der Einigungsstelle ersetzen zu lassen. Ihre wirtschaftliche Situation dürfe ebenfalls nicht unberücksichtigt bleiben. Der Betriebsrat habe zwischenzeitlich für 29 nicht mitbestimmte Dienstpläne ein Ordnungsgeld von insgesamt über 13 Mio. Euro beantragt. Hieran werde deutlich, dass ein Ansatz von 1.000,00 Euro für jede Zuwiderhandlung jede Verhältnismäßigkeit vermissen lasse. Das Konzernjahresergebnis belaufe sich im Jahr 2023 auf einen Verlust von 130 Mio. Euro, für 2024 sei mit einem Verlust von 175 Mio. Euro zu rechnen, für 2025 mit einem Verlust von 135,1 Mio. Euro.

9

Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 5. Juli 2024 unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen gegen die Arbeitgeberin ein Ordnungsgeld iHv. 395.000,00 Euro entsprechend 1.000,00 Euro für jede belegte Zuwiderhandlung verhängt. Auf die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin hat das Landesarbeitsgericht unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen ein Ordnungsgeld iHv. 100,00 Euro für jede Zuwiderhandlung, insgesamt 39.500,00 Euro festgesetzt. Die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats blieb erfolglos. Mit der für beide Beteiligte vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat die Festsetzung eines Ordnungsgelds iHv. 441.000,00 Euro. Die Arbeitgeberin beantragt, den Beschluss des Landesarbeitsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

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II. Die Rechtsbeschwerden haben keinen Erfolg.

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1. Die Rechtsbeschwerden sind zulässig, insbesondere sind sie nach § 78 Satz 1 ArbGG iVm. § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2 ZPO auch im Zwangsvollstreckungsverfahren aus im Beschlussverfahren erwirkten Zwangsvollstreckungstiteln statthaft, § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG, §§ 793, 567 ff., 574 ff. ZPO. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde im Tenor des angegriffenen Beschlusses zugelassen. Der Betriebsrat und die Arbeitgeberin haben gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts jeweils rechtzeitig iSv. § 78 ArbGG iVm. § 575 Abs. 1 ZPO beim Bundesarbeitsgericht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese fristgerecht iSv. § 78 ArbGG iVm. § 575 Abs. 2 ZPO begründet.

12

2. Die Rechtsbeschwerden sind jedoch unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat auf die sofortige Beschwerde der Arbeitgeberin zu Recht den Beschluss des Arbeitsgerichts abgeändert und unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen ein Ordnungsgeld iHv. 39.500,00 Euro festgesetzt.

13

a) Der Betriebsrat begehrt die Durchsetzung einer Unterlassung, zu der die Arbeitgeberin durch die Festsetzung eines Ordnungsgelds nach § 890 ZPO angehalten werden kann (vgl. BAG 22. August 2017 – 1 ABR 4/16 – Rn. 32, BAGE 160, 49; 13. Dezember 2016 – 1 ABR 7/15 – Rn. 17, BAGE 157, 220). Die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung sind erfüllt. Der rechtskräftige Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 12. Juli 2019 (- 2 TaBV 908/19 -) stellt einen vollstreckbaren Titel dar (§ 85 Abs. 1 Satz 1 ArbGG). Eine vollstreckbare Ausfertigung des Beschlusses ist erteilt (§ 724 Abs. 1 ZPO iVm. § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG) und die Zustellung ist erfolgt (§ 750 Abs. 1 ZPO iVm. § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG).

14

b) Die nach § 890 Abs. 2 ZPO iVm. § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG vor der Verhängung eines Ordnungsgelds erforderliche Androhung war bereits im zu vollstreckenden Beschluss vom 12. Juli 2019 (- 2 TaBV 908/19 -) enthalten.

15

c) Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgelds ist ferner, dass der Titel einen vollstreckungsfähigen Inhalt hat. Dazu muss insbesondere die Verpflichtung der Schuldnerin hinreichend bestimmt sein. Die Schuldnerin muss zuverlässig erkennen können, welche Handlungen sie zu unterlassen hat. Schon aus rechtsstaatlichen Gründen muss sie wissen, in welchen Fällen sie eine Sanktion durch Verhängung eines Ordnungsgelds treffen kann (BAG 25. August 2004 – 1 AZB 41/03 – zu B II 2 c der Gründe; 28. Februar 2003 – 1 AZB 53/02 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt hat, ist diese Voraussetzung gegeben. Der zu vollstreckende Beschluss vom 12. Juli 2019 (- 2 TaBV 908/19 -) gibt der Arbeitgeberin auf, im Rahmen der erstmaligen Erstellung von Monatsdienstplänen oder ohne Dienstpläne keine Arbeitsleistungen anzuordnen oder zu dulden, solange keine Zustimmung des Betriebsrats zu der Verteilung der Arbeitszeit erteilt oder durch eine Einigungsstelle ersetzt wurde. Diese Anordnung ist für die Arbeitgeberin hinreichend deutlich und klar.

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d) Das Landesarbeitsgericht hat im angegriffenen Beschluss zutreffend erkannt, dass die Arbeitgeberin ihre Verpflichtung aus dem Beschluss vom 12. Juli 2019 (- 2 TaBV 908/19 -) schuldhaft verletzt hat.

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aa) Die Arbeitgeberin hat für den Monat August 2022 für die Beschäftigten der Abteilung ANA-FKD im Rahmen der erstmaligen Erstellung des Monatsdienstplans ohne Zustimmung des Betriebsrats Arbeitsleistungen angeordnet, vereinbart oder jedenfalls geduldet. Damit hat sie den zu vollstreckenden Unterlassungstitel vom 12. Juli 2019 (- 2 TaBV 908/19 -) verletzt.

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bb) Die Arbeitgeberin hat dabei auch schuldhaft gehandelt. § 890 Abs. 1 ZPO dient der Ahndung begangenen Unrechts. Es gelten daher ungeachtet des zwangsvollstreckungsrechtlichen Einschlags strafrechtliche Grundsätze, insbesondere setzt § 890 Abs. 1 ZPO Schuld voraus (BVerfG 19. Dezember 2024 – 1 BvR 1425/24 – Rn. 26 mwN).

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(1) Die Arbeitgeberin hat in Kenntnis des Verbots aus dem zu vollstreckenden Beschluss vom 12. Juli 2019 (- 2 TaBV 908/19 -) Arbeitsleistungen angeordnet, vereinbart oder geduldet, ohne dass der Betriebsrat bei der Verteilung der Arbeitszeit im Dienstplan sein Mitbestimmungsrecht ausgeübt hat.

20

(2) Der Annahme eines schuldhaften Verstoßes steht nicht entgegen, dass die Arbeitgeberin organisatorische Vorkehrungen getroffen hat, um Verletzungen des Unterlassungstitels zu vermeiden. Die Arbeitgeberin macht insoweit geltend, eine Verfahrensanweisung zur Durchführung des Mitbestimmungsprozesses erlassen und ein Controllingsystem eingeführt und in zahlreichen Fällen Einigungsstellenverfahren durchgeführt zu haben. Diese Vorkehrungen vermögen die Arbeitgeberin jedoch nicht von dem Vorwurf eines Organisationsverschuldens zu entlasten. Dies ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass es dennoch mit einer gewissen Regelmäßigkeit zu Verstößen gegen die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats bei der Dienstplangestaltung kommt.

21

(3) Ein Verschulden der Arbeitgeberin ist auch nicht deswegen ausgeschlossen, weil sie zur Abwendung von Schaden für Leib und Leben der Patientinnen und Patienten im Einzelfall verpflichtet sein könnte, einen nicht mitbestimmten Arbeitseinsatz anzuordnen. Die Arbeitgeberin ist zur Ausführung der ihr nach § 39 Abs. 1 Satz 2 iVm. § 108 Nr. 2 SGB V obliegenden Verpflichtung zur Krankenhausbehandlung von Versicherten zwingend darauf angewiesen, in regelmäßigen Abständen Dienstpläne aufzustellen, um dadurch den Einsatz des vorhandenen Personals zu koordinieren. Nur auf diese Weise kann sie ihren gesetzlichen Auftrag, eine bedarfsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, erfüllen (vgl. BAG 12. März 2019 – 1 ABR 42/17 – Rn. 52, BAGE 166, 79). Dies entbindet die Arbeitgeberin jedoch nicht davon, im Vorfeld alles ihr Mögliche zu unternehmen, damit sie nicht in die Lage gelangt, zum Schutz von Leib und Leben der Patientinnen und Patienten einseitig Arbeitsleistungen anordnen zu müssen. In Bezug auf den hier gegebenen Verstoß gegen den Unterlassungstitel ist bereits nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin dem Betriebsrat den Entwurf des Dienstplans so frühzeitig vorgelegt hat, dass eine Ausübung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats auch unter Beteiligung der Einigungsstelle sichergestellt gewesen wäre.

22

e) Die vom Landesarbeitsgericht festgesetzte Höhe des Ordnungsgelds ist mit 39.500,00 Euro, entsprechend 100,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung, nicht zu beanstanden.

23

aa) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass ein Ordnungsgeld von bis zu 10.000,00 Euro (vgl. BAG 22. August 2017 – 1 ABR 4/16 – Rn. 32 mwN, BAGE 160, 49) für jede einzelne Anordnung, Vereinbarung oder Duldung eines Arbeitseinsatzes innerhalb eines nicht mitbestimmten Dienstplans bezogen auf jede einzelne Schicht festzusetzen ist. Die titulierte Unterlassung ist entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin nicht bezogen auf den (Monats-)Dienstplan als Ganzes zu verstehen, sondern auf die Anordnung von Arbeitsleistungen gegenüber einzelnen Beschäftigten (so im Ergebnis auch: LAG Schleswig-Holstein 25. Juli 2014 – 5 Ta 172/13 -; 3. Januar 2012 – 6 Ta 187/11 -; aA ArbG Hagen 20. März 2008 – 1 BVGa 5/06 – zu II B 2 der Gründe). Das festzusetzende Ordnungsgeld wegen der fehlenden Mitbestimmung des Betriebsrats in Bezug auf den Dienstplan für den Monat August 2022 betreffend die Abteilung ANA-FKD eines Klinikums ist deswegen nicht auf insgesamt 10.000,00 Euro begrenzt.

24

(1) Dies folgt bereits aus dem Tenor des zu vollstreckenden Beschlusses. Danach ist der Arbeitgeberin aufgegeben worden, „es zu unterlassen, bezüglich ihrer Beschäftigten … Arbeitsleistungen anzuordnen …, sofern nicht der Betriebsrat … zugestimmt hat …“. Die angeordnete Unterlassung bezieht sich danach eindeutig darauf, Arbeitsleistungen anzuordnen bzw. zu vereinbaren oder zu dulden. Soweit die Unterlassung nach dem Tenor „im Rahmen der erstmaligen Erstellung von Monatsdienstplänen oder ohne Dienstpläne“ aufgegeben wird, ergibt sich daraus nicht, dass sich die angeordnete Unterlassung einheitlich auf den Dienstplan als Ganzen bezieht (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung BAG 12. März 2019 – 1 ABR 42/17 – Rn. 26, BAGE 166, 79). Die Bezugnahme auf Dienstpläne erfolgt im Tenor ersichtlich zur Abgrenzung von der Anordnung von Arbeitsleistungen in Abweichung von einem mitbestimmten Dienstplan. Für diese andere Fallgestaltung ist der Arbeitgeberin bereits mit Beschluss des Landesarbeitsgerichts vom 6. Juli 2016, verkündet am 22. Juli 2016 (- 23 TaBV 508/16 -) rechtskräftig aufgegeben worden, entsprechende Handlungen zu unterlassen. Für dieses Verständnis spricht auch die Androhung von Ordnungsgeld im Tenor des zu vollstreckenden Beschlusses „für jeden Tag und für jeden Fall der Zuwiderhandlung“.

25

(2) Das anhand des Wortlauts des Tenors naheliegende Ergebnis wird durch die Gründe des zu vollstreckenden Beschlusses bestätigt. Das Landesarbeitsgericht legt den Antrag des Betriebsrats dahin aus, dass dieser „den tatsächlichen Einsatz einzelner Arbeitnehmer ohne einen Dienstplan bzw. ohne einen mitbestimmten Dienstplan“ untersagen lassen möchte (LAG Berlin-Brandenburg 12. Juli 2019 – 2 TaBV 908/19 – zu II 2 a der Gründe).

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(3) Dieses Verständnis eines nicht dienstplanbezogenen, sondern die Anordnung von einzelnen Arbeitsleistungen betreffenden Unterlassungsgebots entspricht schließlich dem gesetzlichen Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Danach hat der Betriebsrat mitzubestimmen in Bezug auf Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Das Mitbestimmungsrecht bezieht sich danach auf die Lage der Arbeitszeit der Beschäftigten und hängt nicht davon ab, ob der Arbeitgeber einen Schichtplan aufstellt (vgl. BAG 28. Juli 2020 – 1 ABR 45/18 – Rn. 22 mwN). Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin ändert die praktische Handhabung der Aufstellung monatsbezogener Dienstpläne im Betrieb der Arbeitgeberin hieran nichts. Nichts anderes ergibt sich auch daraus, dass im Zivilrecht und in der Zwangsvollstreckung ggf. mehrere Verhaltensweisen, die aufgrund ihres räumlich-zeitlichen Zusammenhangs so eng miteinander verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise als ein einheitliches, zusammengehörendes Tun erscheinen, unter dem Gesichtspunkt einer natürlichen Handlungseinheit als eine Tat angesehen werden können (vgl. BGH 17. Dezember 2020 – I ZB 99/19 – Rn. 21 mwN; Meyer NZA 2025, 1140, 1145).

27

bb) Hiervon ausgehend hat das Landesarbeitsgericht die Anschlussbeschwerde des Betriebsrats zu Recht als nicht begründet angesehen. Sie bezieht sich auf Abweichungen von mitbestimmten Dienstplänen, die von dem hier zu vollstreckenden Unterlassungstitel nicht erfasst sind.

28

cc) Im Übrigen hat das Landesarbeitsgericht Ordnungsgeld für jeden Fall der Zuwiderhandlung in rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstandender Weise auf jeweils 100,00 Euro festgesetzt.

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(1) Die Ordnungsmittel des § 890 Abs. 1 ZPO iVm. § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie – präventiv – der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie – repressiv – eine strafähnliche Sanktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots dar. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die Bemessung der Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (BGH 23. November 2023 – I ZB 29/23 – Rn. 17 mwN). Darüber hinaus sind bei der Verhängung eines Ordnungsgelds nach § 890 Abs. 1 ZPO (iVm. § 85 Abs. 1 Satz 3 ArbGG) die wirtschaftlichen Verhältnisse des Zuwiderhandelnden zu berücksichtigen (BGH 17. Dezember 2020 – I ZB 99/19 – Rn. 43 mwN). Es können auch ohne die Grundsätze der fortgesetzten Handlung und der sog. natürlichen Handlungseinheit alle Umstände berücksichtigt werden, die es angemessen erscheinen lassen, bei wiederholten Verstößen nicht das Vielfache der für eine einzelne Zuwiderhandlung als angemessen erachteten Sanktion zu verhängen (BGH 17. Dezember 2020 – I ZB 99/19 – Rn. 21 mwN; vgl. auch Meyer NZA 2025, 1140, 1145).Bei der Bemessung des Ordnungsmittels steht dem Tatrichter ein Ermessen zu. Die getroffene Entscheidung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob alle wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei gewürdigt worden sind und von dem Ermessen gemäß dem Gesetzeszweck unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit Gebrauch gemacht worden ist (BGH 8. Dezember 2016 – I ZB 118/15 – Rn. 16 mwN).

30

(2) Ausgehend hiervon ist die Festsetzung des Ordnungsgelds durch das Landesarbeitsgericht auch in der Höhe nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat alle wesentlichen Umstände rechtsfehlerfrei unter Beachtung des Gesetzeszwecks und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gewürdigt.

31

(a) Das Landesarbeitsgericht hat insbesondere berücksichtigt, dass die Arbeitgeberin das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nicht grundsätzlich in Frage stellt und sie organisatorische Maßnahmen ergriffen und eine Vielzahl von Einigungsstellenverfahren durchgeführt hat, um das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats zu wahren. Zutreffend erkennt das Landesarbeitsgericht andererseits, dass bei der Arbeitgeberin in Bezug auf die praktische Umsetzung der Mitbestimmungsverfahren durchaus Unzulänglichkeiten zu erkennen sind, wie die wiederholten Verletzungen des Mitbestimmungsrechts zeigen. Zu Recht beanstandet das Landesarbeitsgericht in Bezug auf den konkreten Fall insbesondere, dass die Arbeitgeberin den Entwurf des Dienstplans dem Betriebsrat erst kurz vor Beginn des Monats vorgelegt hat, für den er gelten sollte. Es ist andererseits nicht zu beanstanden, dass das Landesarbeitsgericht in Bezug auf den Grad des Verschuldens berücksichtigt, dass eine Schließung einer Abteilung des Krankenhauses wegen des Versorgungsauftrags gegenüber den Patientinnen und Patienten problematisch wäre.

32

(b) Das Landesarbeitsgericht durfte bei der Höhe des Ordnungsgelds berücksichtigen, dass die Vielzahl der angeordneten, vereinbarten oder geduldeten Arbeitsleistungen einzelner Beschäftigter unter Verstoß gegen den zu vollstreckenden Unterlassungstitel in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Dieser ist insbesondere darin zu sehen, dass in der praktischen Umsetzung das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG in Bezug auf den gesamten Monatsdienstplan ausgeübt wird. Darin durfte das Landesarbeitsgericht einen Umstand erkennen, der es bei zahlreichen Verstößen angemessen erscheinen lässt, nicht das Vielfache der Sanktion zu verhängen, die ggf. bei einer einzelnen Zuwiderhandlung dieser Art als angemessen erachtet werden würde.

33

(c) Das festgesetzte Ordnungsgeld iHv. 100,00 Euro für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz auch mit Blick darauf gerecht, dass es einerseits geeignet sein muss, künftige Verstöße nach Möglichkeit zu verhindern, andererseits der Fortbestand des Betriebs nicht gefährdet werden soll. Diesbezüglich verweist das Landesarbeitsgericht nachvollziehbar darauf, dass allein ein Umsatz von 1,5 Mrd. Euro im Jahr angesichts der massiven Verluste der Arbeitgeberin nicht den Schluss auf gute wirtschaftliche Verhältnisse zulässt. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Verweis des Betriebsrats auf die im Jahresabschluss der Arbeitgeberin für das Geschäftsjahr 2023 gebildete Rückstellung iHv. 10,3 Mio. Euro lässt keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts erkennen. Nachdem der Betriebsrat im Jahr 2023 Ordnungsmittelanträge in erheblicher Höhe beim Arbeitsgericht Berlin angebracht hatte, war die Arbeitgeberin verpflichtet, entsprechende Rückstellungen zu bilden (vgl. § 249 Abs. 1 HGB). Sollte künftig erkennbar werden, dass die festgesetzte Höhe nicht geeignet ist, Verletzungen des vollstreckbaren Titels hinreichend effektiv zu unterbinden, verbleibt die Möglichkeit, höhere Beträge festzusetzen.

        

    Spinner    

        

    Berger    

        

    Krumbiegel    

        

        

        

        

        

        

                 

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