9 AZB 2/25

Rechtswegzuständigkeit - Zusammenhangsklage

Details

  • Aktenzeichen

    9 AZB 2/25

  • ECLI

    ECLI:DE:BAG:2025:230525.B.9AZB2.25.0

  • Art

    Beschluss

  • Datum

    23.05.2025

  • Senat

    9. Senat

Tenor

1. Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Thüringer Landesarbeitsgerichts vom 16. Dezember 2024 – 4 Ta 48/24 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

2. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 8.077,38 Euro festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1

I. Die Parteien streiten über Tantiemeansprüche aus einem beendeten Geschäftsführeranstellungsverhältnis und in diesem Zusammenhang über die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen.

2

Die Klägerin war bei der Beklagten seit 1999 zunächst als leitende kaufmännische Angestellte beschäftigt. Zum 1. August 2002 wurde sie zur Geschäftsführerin bestellt und war bis zu ihrer Abberufung mit Gesellschafterbeschluss vom 29. Oktober 2013, eingetragen in das Handelsregister am 11. November 2013, als solche tätig. Im Anschluss war sie – wieder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses – bis zum 1. Oktober 2014 weiter bei der Beklagten beschäftigt.

3

Seit 2014 führten die Parteien zahlreiche arbeitsgerichtliche Rechtsstreitigkeiten. Bei Einleitung des vorliegenden Klageverfahrens, mit dem die Klägerin Tantiemezahlungen aus ihrer Anstellung als Geschäftsführerin in den Jahren 2011 und 2012 verlangt, stritten die Parteien bereits in einem damals noch beim Landesarbeitsgericht anhängigen Berufungsverfahren über Tantiemeansprüche aus den Jahren 2013 und 2014, in denen die Klägerin bei der Beklagten als Arbeitnehmerin angestellt war.

4

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten sei eröffnet. Sie mache arbeitsrechtliche Forderungen geltend (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG). Als Geschäftsführerin sei sie den Gesellschafterweisungen unterworfen und deshalb Arbeitnehmerin gewesen. Jedenfalls ergebe sich der Rechtsweg unter dem Gesichtspunkt der Zusammenhangsklage (§ 2 Abs. 3 ArbGG). Unschädlich sei, dass sich die Hauptklage, zu der ein Zusammenhang gegeben sei, bei Klageerhebung bereits im Berufungsrechtszug anhängig gewesen sei. Auch Landesarbeitsgerichte seien Arbeitsgerichte im Sinne der Vorschrift.

5

Die Klägerin hat angekündigt zu beantragen,

        

1.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Tantieme für das Jahr 2011 iHv. 3.638,26 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank auf den sich aus dem og. Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

        

2.    

die Beklagte zu verurteilen, an sie eine Tantieme für das Jahr 2012 iHv. 4.439,12 Euro brutto zuzüglich Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank aus den sich aus dem og. Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

6

Die Beklagte hat die Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Gerichten für Arbeitssachen in Abrede gestellt. Die geltend gemachten Ansprüche seien nicht arbeitsrechtlicher Natur, da sie aus einem Zeitraum resultierten, in dem die Klägerin keine Arbeitnehmerin gewesen sei. Auch liege keine Zusammenhangsklage vor. Eine solche setze voraus, dass zum Zeitpunkt der Klageerhebung die Hauptklage noch in erster Instanz anhängig sei.

7

Das Arbeitsgericht hat die Zulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs verneint und den Rechtsstreit an das Landgericht Gera verwiesen. Die sofortige Beschwerde der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Klägerin weiterhin das Ziel, den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für zulässig zu erklären.

8

II. Die nach § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG statthafte und nach § 78 ArbGG, §§ 574 ff. ZPO zulässige Rechtsbeschwerde der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a ArbGG eröffnet ist.

9

1. Ohne Rechtsfehler hat das Landesarbeitsgericht die Arbeitnehmereigenschaft der Klägerin in den maßgeblichen Jahren 2011 und 2012 verneint. Die Klägerin habe keinen hinreichenden Vortrag dazu gehalten, warum sie trotz ihrer Stellung als Geschäftsführerin ausnahmsweise als Arbeitnehmerin zu qualifizieren gewesen sei (vgl. zum Status eines GmbH-Geschäftsführers ausf. BAG 8. Februar 2022 – 9 AZB 40/21 – Rn. 22 mwN). Zutreffend ist die Vorinstanz davon ausgegangen, dass im Rahmen der Rechtswegbestimmung der nationale und nicht der unionsrechtliche Arbeitnehmerbegriff maßgeblich ist (vgl. BAG 8. Februar 2022 – 9 AZB 40/21 – Rn. 16). Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde auch nicht.

10

2. Das Landesarbeitsgericht hat ebenfalls zu Recht erkannt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen nicht gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG eröffnet ist.

11

a) Zutreffend hat es angenommen, dass die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen unter dem Gesichtspunkt der Zusammenhangsklage nicht ausscheidet, weil über die Hauptklage inzwischen rechtskräftig entschieden wurde. Ist die Zuständigkeit gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG einmal begründet, bleibt sie erhalten, wenn später über die Hauptklage rechtskräftig entschieden wird (generell für den Fortbestand des Zusammenhangs, nachdem dieser einmal begründet ist: HK-ArbGG/Ibes/Rieker 3. Aufl. ArbGG § 2 Rn. 65; Däubler/Hjort/Schubert/Wolmerath Arbeitsrecht 5. Aufl. ArbGG § 2 Rn. 54; differenzierend nach dem Grund für den Wegfall der Hauptklage: ErfK/Ahrendt 25. Aufl. ArbGG § 2 Rn. 31).

12

b) Ebenfalls zu Recht ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, dass die Zuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG nicht schon mangels wirtschaftlichen oder rechtlichen Zusammenhangs ausscheidet. Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang besteht darin, dass die bereits in dem Berufungsverfahren vor dem Landearbeitsgericht anhängigen Tantiemeansprüche für die Jahre 2013 und 2014 dieselbe vertragliche Grundlage wie die vorliegend geltend gemachten Forderungen haben.

13

c) Der Zuständigkeit nach § 2 Abs. 3 ArbGG steht entgegen, dass die Hauptklage, zu der die Klägerin den Zusammenhang herstellt, zum Zeitpunkt der Klageeinreichung nicht mehr beim „Arbeitsgericht“ anhängig war. Der Vorschrift liegt ein enges Verständnis dieses Begriffs zugrunde. Durch eine Zusammenhangsklage kann die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nur begründet werden, solange die Hauptklage noch in der ersten Instanz anhängig ist (vgl. Germelmann/Matthes/Prütting/Schlewing/Dickerhof-Borello 10. Aufl. ArbGG § 2 Rn. 126; ErfK/Ahrendt 25. Aufl. ArbGG § 2 Rn. 31; GK-ArbGG/Schütz Stand 1. Dezember 2022 § 2 Rn. 211c; Helml/Pessinger/Helml 5. Aufl. ArbGG § 2 Rn. 102; aA Schwab/Weth/Walker 6. Aufl. ArbGG § 2 Rn. 214). Dies ergibt die Auslegung der gesetzlichen Regelung.

14

aa) Bereits der Gesetzeswortlaut spricht für das Auslegungsergebnis. Gemäß § 2 Abs. 3 ArbGG können vor die Gerichte für Arbeitssachen nicht unter die Absätze 1 und 2 des § 2 ArbGG fallende Rechtsstreitigkeiten gebracht werden, wenn der Anspruch mit einer „bei einem Arbeitsgericht anhängigen oder gleichzeitig anhängig werdenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der in den Absätzen 1 und 2 bezeichneten Art“ in rechtlichem oder unmittelbar wirtschaftlichem Zusammenhang steht und für seine Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist. Die Formulierung „bei einem Arbeitsgericht“ ist wörtlich zu verstehen. Das Arbeitsgerichtsgesetz bezeichnet die Instanzen präzise. § 1 ArbGG regelt, dass die Gerichtsbarkeit in Arbeitssachen durch die Arbeitsgerichte, die Landesarbeitsgerichte und das Bundesarbeitsgericht (Gerichte für Arbeitssachen) ausgeübt wird. Für die Gerichte aller drei Instanzen in ihrer Gesamtheit verwendet das Gesetz demnach die Bezeichnung „Gerichte für Arbeitssachen“ und nicht – wie die Klägerin meint – „Arbeitsgerichte“. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, dass das Gesetz auch in zahlreichen anderen Vorschriften die Formulierung „Gerichte für Arbeitssachen“ verwendet, soweit alle drei Instanzen gemeint sind (vgl. etwa §§ 2, 2a, 6 und 6a ArbGG). Die begriffliche Differenzierung offenbart sich auch innerhalb des § 2 Abs. 3 ArbGG. Dort heißt es, dass unter den näher bestimmten Voraussetzungen vor „die Gerichte für Arbeitssachen“ auch an sich rechtsfremde Rechtsstreitigkeiten gebracht werden können, wenn „bei einem Arbeitsgericht“ ein anderer Rechtsstreit anhängig ist oder gleichzeitig anhängig wird.

15

bb) Sinn und Zweck des § 2 Abs. 3 ArbGG unterstreichen dieses Verständnis. Die Norm soll gewährleisten, dass rechtlich oder innerlich zusammengehörende Verfahren nicht vor verschiedenen Gerichten aufgespalten werden (vgl. BAG 4. September 2018 – 9 AZB 10/18 – Rn. 24; 10. Juni 2010 – 5 AZB 3/10 – Rn. 12, BAGE 134, 367). Eine Aufspaltung ist jedoch bereits eingetreten, wenn das Verfahren, zu dem ein Zusammenhang geltend gemacht wird, bei Klageeinreichung nicht mehr in erster Instanz anhängig ist. Eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über die Verfahrensgegenstände ist dann nicht mehr von Anbeginn möglich. Die Aufspaltung tritt umso deutlicher zu Tage, je größer der zeitliche Abstand zwischen der Einleitung der Verfahren ist. Darauf hat das Landesarbeitsgericht zu Recht hingewiesen. Dem Sinn und Zweck der Norm kann in einem Fall wie dem vorliegenden, bei dem die Erhebung der Hauptklage zum Zeitpunkt der Klageeinreichung bereits mehrere Jahre zurücklag, durch die Annahme einer Zusammenhangszuständigkeit nicht mehr genügt werden.

16

III. Es handelt sich um eine bürgerliche Rechtsstreitigkeit, für die nach § 13 GVG der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten gegeben ist. Der Rechtsstreit ist daher an das zuständige Landgericht (§ 23 Nr. 1, § 71 Abs. 1 GVG) zu verweisen. Gemäß § 17 Abs. 1 ZPO ist das Landgericht Gera örtlich zuständig.

17

IV. Die Klägerin hat gemäß § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.

        

    Kiel    

        

    Zimmermann    

        

    Darsow-Faller    

        

        

        

             

        

             

                 

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