11.11.2022

43/22 - Präsident des Bundesarbeitsgerichts a. D. Prof. Dr. Otto Rudolf Kissel verstorben


Am 1. November 2022 ist der frühere Präsident des Bundesarbeitsgerichts Prof. Dr. Otto Rudolf Kissel im 94. Lebensjahr in Frankfurt am Main verstorben.

Prof. Dr. Kissel wurde im Jahr 1929 in Frankfurt am Main geboren. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt am Main, den beiden juristischen Staatsprüfungen und der Promotion war er seit 1956 als Richter beim Amtsgericht Frankfurt am Main tätig. 1959 wurde Prof. Dr. Kissel zum Hessischen Ministerium der Justiz versetzt. In den Jahren 1963 und 1964 war er als Leiter der Vertretung des Landes Hessen beim Bund tätig. Danach übernahm er im Hessischen Ministerium der Justiz die Leitung der Abteilung für Privatrecht, öffentliches Recht, Gerichtsorganisation und Gesetzgebungsangelegenheiten des Landes Hessen. 1970 wurde Otto Rudolf Kissel Präsident des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main.

Im Januar 1981 wurde Prof. Dr. Kissel zum Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts ernannt und übernahm den Vorsitz des Ersten Senats, den er bis zu seinem Ruhestand im Januar 1994 innehatte. In dieser Zeit prägte er maßgeblich die Rechtsprechung auf den Gebieten des Arbeitskampfrechts und des Betriebsverfassungsrechts. Mit besonderem Engagement begleitete er den Beschluss der Unabhängigen Föderalismuskommission, das Bundesarbeitsgericht von Kassel nach Erfurt zu verlegen. Er hat damit die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass das Bundesarbeitsgericht 1999 von Kassel nach Erfurt umzog.

Prof. Dr. Kissel war in vielen wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Institutionen tätig. So übernahm er in einer schwierigen und angespannten Situation der Universitäten Ostdeutschlands einen Lehrauftrag an der Humboldt-Universität zu Berlin. Bereits seit 1982 war er Honorarprofessor an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Er war 15 Jahre lang in der Justizprüfungskommission des Landes Hessen tätig. Otto Rudolf Kissel trat darüber hinaus durch zahlreiche wissenschaftliche Publikationen hervor. Der von ihm begründete Kommentar zum Gerichtsverfassungsgesetz ist zu einem Standardwerk geworden. Drei Jahrzehnte arbeitete er aktiv in der Evangelischen Kirche in Deutschland, zuletzt 17 Jahre an der Spitze als Präses der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau.

Prof. Dr. Otto Rudolf Kissel war Mitglied des Verwaltungsrats des Hessischen Rundfunks und Mitglied des Wahlprüfungsgerichts und des Richterwahlauschusses des Hessischen Landtags. Zudem wurde er 1992 durch die damalige Präsidentin des Deutschen Bundestags Prof. Dr. Rita Süssmuth zum Vorsitzenden der „Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des Abgeordnetenrechts“ bestellt.

Ehrenämter übernahm Prof. Dr. Kissel ua. auch als stellvertretender Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, als Vorstandsmitglied der Juristischen Gesellschaft zu Kassel, als Vorsitzender des Frankfurter Vereins für Geschichte und Landeskunde, als Vorsitzender des Kuratoriums der Bruno H. Schubert-Stiftung und als Mitglied der Administration des Städel Museums in Frankfurt am Main.

Otto Rudolf Kissel hat das Amt des Präsidenten des Bundesarbeitsgerichts im Spannungsfeld unterschiedlicher Interessen der gesellschaftlichen Gruppen mit großer Tatkraft und voller Hingabe vorbildlich ausgeübt. Er hat mit Weitblick und sozialem Engagement dazu beigetragen, dass die Rechtsprechung des Gerichts allgemein anerkannt wird und Arbeitnehmer, Arbeitgeber und ihre Vertretungen Vertrauen in die Arbeitsgerichtsbarkeit haben. Das Bundesarbeitsgericht wurde während seiner Amtszeit zu einem modernen und leistungsfähigen Gericht ausgebaut.

Für sein Engagement wurde Prof. Dr. Kissel mit dem Großen Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland und dem Hessischen Verdienstorden für besondere Verdienste um das Land Hessen und seine Bevölkerung ausgezeichnet. Die Evangelische Kirche in Hessen und Nassau verlieh ihm 2012 die Martin Niemöller-Medaille, ihre höchste Auszeichnung.

Die im Bundesarbeitsgericht tätigen Menschen werden ihren ehemaligen Präsidenten in besonders ehrender Erinnerung behalten.

Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Familie.

Erfurt, 11. November 2022